Eine Seite für Hildburghausen

1933 - 1945

NS-Staat und Zweiter Weltkrieg
(1933 – bis 7. April 1945, 18.00 Uhr)

© Hans-Jürgen Salier
Salier Verlag Leipzig und Hildburghausen

Ines Schwamm 

Anmerkungen:
1. Beachten Sie bitte auf den beiden Homepages
www.dunkelgraefinhbn.de
www.schildburghausen.de

 

die teils weiterführende Dokumentation

Hans-Jürgen Salier                       Ines Schwamm

Das Schicksalsjahr

1945

im Kreis Hildburghausen 

Schicksalsjahr 1945 

2. Im folgenden Kapitel werden zum besseren Verständnis teils auch Ereignisse im Deutschen Reich und im Kreisgebiet eingeordnet, die großenteils in blauer Farbe zu sehen sind.

30. Januar 1933
Adolf Hitler wird vom Reichspräsidenten Hindenburg zum Reichskanzler ernannt und sichert sich durch ein Ermächtigungsgesetz (24.03.1933) nahezu unbegrenzte Befugnisse. Hitler lässt bis auf die NSDAP alle Parteien verbieten, zerschlägt die Gewerkschaften und verfolgt mit staatsterroristischen Maßnahmen jegliche Oppositionsbewegung.


1. Februar 1933
Auf Drängen Hitlers löst Reichspräsident von Hindenburg den Reichstag auf und setzt für den 05.03. Neuwahlen an. Hindenburg ist seit dem 24.07.1917 Ehrenbürger der Stadt Hildburghausen.

2. Februar 1933
Der im Februar ernannte Gauleiter Sauckel erlässt eine Polizeiverordnung zum Verbot kommunistischer Versammlungen und Demonstrationen.
Sauckel (*27.10.1894, Haßfurt – † 16.10.1946, in Nürnberg hingerichtet) wird im Februar 1933 zum Gauleiter ernannt.

Unter vorgehaltener Hand werden Sauckels Name und seine Dienststellung als Gauleiter sprachlich verballhornt alsSauleiter Gauckel.

4. Februar 1933
Der im Juli 1932 frei gewählte VI. Thüringer Landtag vertagt sich auf unbestimmte Zeit.


22. bis 28. Februar 1933
In Thüringen wird eine Hilfspolizei aus SA, SS und Stahlhelm zusammengestellt.

27./28. Februar 1933
Nach dem Reichstagsbrand wird die Verordnung Zum Schutz von Volk und Staat erlassen. Damit werden die verfassungsmäßigen Grundrechte außer Kraft gesetzt. Es beginnt ein Dauerausnahmezustand bis 1945 mit Internierungen und „Schutzhaftaktionen“ der Nationalsozialisten. Für eine Reihe an Straftaten wird die Todesstrafe eingeführt.

5. März 1933
Reichstagswahlen. Die KPD-Mandate werden am 09.03. annulliert. Die Nationalsozialisten erhalten im Landkreis 63,1 Prozent der Stimmen.

12. März 1933
Zu den nationalsozialistischen Kult- und Feierformen gehört der an einem Märzsonntag begangene Heldengedenktag, der mit sehr viel agitatorischem Pathos begangen wird. Diese NS-Feiern sind Parallelunternehmen zum Kirchenjahr gewesen. Beim Heldengedenktag, der den Volkstrauertag der Weimarer Republik abgelöst hat, werden oft Militärparaden organisiert. Zudem werden die Vierzehnjährigen in die Hitlerjugend (HJ) aufgenommen („Verpflichtung der Jugend“). Die HJ ist die Nachwuchsorganisation der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, die einzige Jugendorganisation in der Naziherrschaft. Seit 1931 ist die HJ der SA unterstellt.

Auf dem Weg zum „Heldengedenken“.
Foto: Rudolf Meffert.
Sammlung Ines Schwamm

14. März 1933
Die Evangelische Kirche Thüringens bekennt sich zur nationalsozialistischen Ideologie. Die kirchlichen Amtsträger müssen den Treueeid auf Hitler schwören. Geistliche „nichtarischer“ Herkunft bzw. in einer Mischehe verheiratete werden aus dem Kirchendienst entlassen.

In Thüringen kommt es trotzdem in der Pfarrerschaft vereinzelt zu theologischem Widerstand im Sinne der Bekennenden Kirche, besonders in der Rhön in Reichenhausen und Kaltenwestheim.

15. März 1933
Für den Freiwilligen Arbeitsdienst (FAD) wird ein Landkommissar berufen. Am 06.04. ist Karl Schmückle NSDAP-Gauamtsleiter, Führer des LAD („Arbeitsgau 23“ des NS-Arbeitsdienstes).

Das FAD-Orchester, später RAD. Der Reichsarbeitsdienst hat seinen Sitz auf dem Anstaltsgelände.
Sammlung Ines Schwamm

17. März 1933
Sozialdemokratische Schulleiter, Lehrer und Studienräte werden ihres Amts enthoben. Am 18.03. wird den Beamten und Angestellten des Landes Thüringen verboten, Mitglied der SPD zu sein. 


23. März 1933
Das Reichs-Ermächtigungsgesetz wird erlassen. Es ist die Grundlage der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der Gleichschaltungsgesetze. (s. auch 31.03.1933)

24. März 1933
Im Hildburghäuser Kreisblatt ist u. a. unter der Schlagzeile
Hildburghausen ehrt Adolf Hitler
ganzseitig zu lesen:
„… Nach einigen zackigen Märschen des nat.-soz. Streichorchesters betrat Landtagspräsident Hille den Saal, stürmisch begrüßt. Die Fahnen marschierten ein, der Ortsgruppenführer Oberpostinspektor Kuhles sprach Worte der Begrüßung und erteilte dann Präsident Hille das Wort.
Dieser führte aus:
Meine lieben deutschen Volksgenossen und Volksgenossinnen! Meine lieben Freunde, meine lieben Kameraden! Seit gestern abend 8 Uhr ist
unser Führer Adolf Hitler der Herr über Deutschland!
Als gestern Abend der Deutsche Reichstag das Ermächtigungsgesetz annahm, stellte er damit unserem Führer eine Blankovollmacht aus für alles, was er zur Rettung Deutschlands tun will. Die Hitler-Diktatur ist da.
Nach einem harten, unerbittlichen, fanatischen und radikalen Kampf hat Adolf Hitler jetzt alle seine Feinde niedergerungen. Als stolzer Sieger steht er mit seinem Hakenkreuzbanner siegreich über dem Deutschland, das 13 Jahre erbittert gegen ihn gekämpft hat. Die Nationalsozialisten stehen heute in stolzer Siegesfreude und können künden, dass ihr Kampf nicht umsonst war. Deutschland ist erobert und das Dritte Reich erkämpft.
Unsere Pflicht ist es, dass wir den Mann ehren, der Deutschland den Novemberverbrechern entrissen hat. …“

Die Begeisterung für den Nationalsozialismus war grenzenlos. Die Ortsgruppe der NSDAP gibt eine Ansichtskarte mit einer einmontierten Hakenkreuzsonne über dem Rathaus heraus.
Verlag Heinrich Knopf, Häselrieth, um 1933

26. März 1933 und folgende Jahre
Straßenumbenennungen werden vorgenommen:
- Marienplatz (heute: Goetheplatz) – Adolf-Hitler-Platz,
- Hirschplatz (heute: Puschkinplatz) – Hindenburgplatz,
- Allee (heute: Obere und Untere Allee) – Adolf-Hitler-Straße
- Finkenweg – Danziger Weg
- Max-Michaelis-Straße – Horst-Wessel-Straße
- Thälmannplatz – Narvikplatz
- Am Stadtrand – Saarstraße
- (heutige) Friedrich-Rückert-Straße – Straße der SA

 

Straße der SA (zu DDR-Zeiten „Leninstraße“, heute „Friedrich-Rückert-Straße“).
Im Hintergrund der Große Gleichberg.
Aufnahme und Verlag Photogr. Meffert.
Sammlung Ines Schwamm

31. März 1933
Mit den Ländergleichschaltungsgesetzen (31.03. – Erstes Gesetz zur Gleichschaltung der Länder, 07.04. – Zweites Gesetz zur Gleichschaltung der Länder, 30.01.1934 – Erstes Reichsstatthaltergesetz, 30.01.1935 – Zweites Reichsstatthaltergesetz) werden Föderalismus, Ländereigenstaatlichkeit sowie Gewaltenteilung in Deutschland beseitigt. Die Länder haben nur noch die Funktion von Reichsverwaltungsbezirken.


Im Reich angeordneter Boykott gegen die jüdische Bevölkerung unter massiver Beteiligung von SA und SS. Die SA zieht, Kampflieder singend und Sprechchöre grölend, durch Hildburghausen und fordert dazu auf, nicht mehr bei Juden zu kaufen. Bürger werden am Besuch jüdischer Geschäfte behindert.

7. April 1933

Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Unliebsame, jüdische und politisch „unzuverlässige“ Beamte werden aus dem Staatsdienst entlassen, oft verhaftet und verurteilt. Beamten ist es verboten, Mitglied der SPD zu sein. Eine Welle des Terrors geht durchs Land.

18. April 1933
Auf Vorschlag des Fraktionsvorsitzenden der NSDAP im Stadtrat Hildburghausen, Studienrat Fritz Hille, wird Reichskanzler Adolf Hitler zu seinem Geburtstag am 20.04. zum Ehrenbürger der Stadt Hildburghausen ernannt. Ihm zu Ehren weht für acht Tage die Hakenkreuzfahne am Rathaus.
Auch Dr. Wilhelm Frick (1877 – 1946) erhält die Ehrenbürgerrechte der Stadt. Am 16.10.1946 wird er nach dem Urteil des internationalen Militärgerichtshofes in Nürnberg als einer der Hauptkriegsverbrecher gehenkt.

20. April 1933
Zu Hitlers Geburtstag werden im Sitzungssaal des Rathauses Hildburghausen die Bildnisse des Reichspräsidenten Hindenburg mit schwarz-weiß-roter Fahne und des Reichskanzlers Hitler mit Hakenkreuzfahnen aufgehängt.

22. April 1933
Der Thüringer Lehrerverein wird gleichgeschaltet. Ein neues Statut mit Arierparagrafen wird entlassen. Im Land werden ca. 10 Prozent der Lehrer entlassen.

Die Belegschaft des Finanz- und Zollamtes in der Schleusinger Straße am 23. Februar 1935.
Foto: Rudolf Meffert.
Sammlung Hans-Jürgen Salier

 

24. April 1933
Gründung der Geheimen Staatspolizei (Gestapo), zunächst ist sie eine preußische Einrichtung, ab 1936 reichseinheitlich.


1. Mai 1933
Der Tag der nationalen Arbeit, der per Gesetz zum Nationalfeiertag mit Arbeitsruhe erhoben worden ist, wird mit einem riesigen Propagandaaufwand begangen, u. a. mit Massenkundgebungen. Solche Massenaufmärsche sind immer wesentliche Elemente einer Diktatur.

Rudolf Meffert auf Motivsuche am 1. Mai 1933 in Hildburghausen. Die braunen Machthaber organisieren mit einem riesigen Propagandaaufwand den Tag.
Sammlung Ines Schwamm

Der Demonstrationszug, mit dem die „Volksgemeinschaft“ beschworen wird, läuft vom heutigen Puschkinplatz in Richtung Geschwister-Scholl-Straße.
Sammlung Ines Schwamm


Sammlung Hans-Jürgen Salier

2. Mai 1933
Die SA stürmt die Gaststätte Thüringer Hof, hisst aus dem Bodenfenster die Hakenkreuzfahne, beschlagnahmt Noten und Schriftgut des Arbeitergesangvereins Morgenrot.
Der Sozialdemokrat August Wichtendahl (59) wird Tage später verhaftet. Wegen Überfüllung des Polizeigefängnisses wird er in ein Hilfsgefängnis in der Heil- und Pflegeanstalt verbracht und muss in entwürdigendem Aufzug – von SA-Leuten bewacht – in Hildburghausen Spießruten laufen. Voran wird ein großes Transparent getragen mit der Aufschrift: „So endet des roten August Bonzentum“. Nach seiner Freilassung wird W. unter Polizeiaufsicht gestellt.
Mit den Ereignissen wird dem Thüringer Hof als Versammlungslokal der Sozialdemokraten ein Ende gesetzt.

2. bis 10. Mai 1933
Die Gewerkschaften werden zerschlagen. Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) als Zwangsorganisation wird gegründet.

3. Mai 1933
Ermächtigungsgesetz des Thüringer Landtags; die Landesverfassung wird de facto außer Kraft gesetzt.
Zum Reichsstatthalter für das Land Thüringen ist am 05.05.1933 der NSDAP-Gauleiter und Regierungschef Fritz Sauckel ernannt worden, der auf sein Regierungsamt verzichtet und den bisherigen Wirtschaftsminister Willy Marschler zum Ministerpräsidenten beruft. Auch in der Stadt Hildburghausen sind die demokratischen Rechte beseitigt, das Führerprinzip ist von der NSDAP durchgesetzt worden. In der 2. Stadtratssitzung gibt beispielsweise der Landtagspräsident Fritz Hille (gleichzeitig auch Fraktionsführer der NSDAP im Stadtrat, Studienrat an der Aufbauschule, ab Januar 1934 Direktor der Aufbauschule in Gotha), eine Erklärung ab, in der es bezeichnenderweise heißt:
„Nachdem die NSDAP den Staat restlos erobert hat und alle anderen Parteien beseitigt werden ... Deshalb muß jetzt überall klar die Durchführung unseres Führergedankens erfolgen und restlos alles beseitigt werden, was an das parlamentarische, liberalistische, demokratische System erinnert. Nirgends mehr finden Wahlen, Debatten und Abstimmungen statt. Weder in den noch vorhandenen Parlamenten noch in den Privatvereinen. Der Führer hört uns an, prüft und entscheidet. Hier im Stadtrat sind die Führer:
1. Der Fraktionsvorsitzende, 2. Der Gemeinderatsvorsitzende, 3. Der betreffende Ausschußvorsitzende. Im Ausschuß wird alles durchgesprochen und beraten und für das Plenum vorbereitet. Das Plenum wählt nicht mehr – das Plenum stimmt nicht mehr ab, sondern der Fraktionsvorsitzende sagt ja oder nein und fällt damit im Namen des Gemeinderats die letzte Entscheidung, die der Bürgermeister durchzuführen hat.“

10. Mai 1933
Bücherverbrennungen im Deutschen Reich unter der Losung Wider den undeutschen Geist durch den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund. Die Kulturbarbarei der Nationalsozialisten fordert die Vernichtung von ca. 1.000 Bänden aus dem Bestand der Stadt- und Kreisbibliothek Hildburghausen in der Schlossgasse. Symbolisch werden 141 Bände verbrannt.

16. Mai 1933
Der Thüringer Landtag stellt seine Tätigkeit auf Grund der Regierungsbildung vom 08.05.1933 ein.

17. Mai 1933
Die Landesregierung erlässt einen Aufruf gegen Doppelverdiener (vorwiegend mitverdienende Ehefrauen). Damit wird die Arbeitslosigkeit nach der Weltwirtschaftskrise in Größenordnungen abgebaut.

1933
Die Freimaurerei wird durch die nationalsozialistische Regierung verboten. Bereits seit 1930 sieht sich die Loge massiver Kritik besonders aus den Reihen der NSDAP ausgesetzt. Die Loge Karl zum Rautenkranz schließt sich dem christlichen Orden Deutscher Dom (1935 ebenfalls verboten) an und begibt sich am 22.02.1934 in Liquidation. Bis zu diesem Zeitpunkt ist Schulrat Alwin Wölfing Meister vom Stuhl.

1. Juni 1933
Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft. Die Betriebe spenden 5 Promille der Lohn- und Gehaltssumme des vorigen Jahres für die NSDAP.

22. Juni 1933
Die SPD wird im Deutschen Reich verboten. Die nichtnationalsozialistischen Parteien lösen sich selbst auf.

Juni 1933
Die Schulen des Landes Thüringen müssen ihre körperbehinderten und erbkranken Kinder melden.

1./2. Juli 1933
30. Bundessängerfest des Henneberger Sängerbundes Südthüringen in Hildburghausen. Das Kulturfest steht in der ideologischen Ausrichtung im Zeichen der nationalsozialistischen Kultur.

10./11. Juli 1933
Die Kammern und Verbände (z. B. IHK, VMI, Landwirtschaftskammern führen das „Führerprinzip“ ein. Die entsprechenden Gesetze werden verändert.

15. Juli 1933
Ein Landesamt für Rassewesen wird gegründet. Ein Reichsgesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses wird am 14. Juli 1933 verabschiedet.

21. Juli 1933
Im Land Thüringen wird offiziell der Hitlergruß eingeführt.

13. September 1933
Ein Reichsnährstandsgesetz wird erlassen. Die Landwirtschaft wird „berufsständisch“ aufgebaut und eine NS-Agrar-Marktordnung eingeführt. Sie ist als wehrwirtschaftliche Stufe der späteren Kriegsernährungswirtschaft zu sehen. Die Landwirtschaftskammern werden zu Kreisbauernwirtschaften umgewandelt. Es werden Kreis- und Ortsbauernführer eingesetzt.
Das sogenannte Winterhilfswerk wird gegründet.

1. Oktober 1933
Auf Beschluss des von den Nationalsozialisten gegründeten Reichsstands des Deutschen Handwerks wird der Reichsverband des Deutschen Handwerks aufgelöst.

Auch das Handwerk wird nach dem Führerprinzip neu organisiert. Im Zeitraum vom 28.08. bis 17.10.1934 werden die bestehenden freien und Zwangsinnungen geschlossen und Kreisinnungen gebildet. Innungsausschüsse werden aufgelöst und vier Kreishandwerkerschaften für Südthüringen gegründet: Eisenach, Meiningen, Hildburghausen, Sonneberg.

Die Obere Marktstraße von Höhe des Technikums in Richtung Rathaus,
Mitte der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts
Sammlung Hans-Jürgen Salier

1. Oktober 1933
Nach der Verstaatlichung des jüdischen Bankhauses Strupp in Hildburghausen in der Unteren Marktstraße (heute: Commerzbank) wird die angrenzende Synagoge aus dem Jahr 1811 abgerissen. Die der Diskriminierung ausgesetzte jüdische Gemeinde findet im Gartenhaus des Fabrikanten Gassenheimer (Gerbergasse/Heimstraße) ein neues Domizil.

Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude in der Heimstraße ist Ende 2005 abgerissen worden.



Gebetsraum der 1811 erbauten jüdischen Synagoge, Anbau des verstaatlichten jüdischen Bankhauses Strupp am Torbogen (Durchfahrt zwischen Untere Marktstraße und J.-S.-Bach-Platz, dem ehemaligen Schlossplatz). Nach dem Abriss am 01.10.1933 zieht die immer kleiner werdende jüdische Gemeinde in das Gartenhaus der Unternehmerfamilie Gassenheimer zwischen Gerbergasse und Heimstraße.


Blick zur Gerbergasse. Rückansicht (Westen) der Villa von Prof. Dr. Ernst Kaiser um 1920.
Das Bild zeigt rechts das private Gartenhaus der Unternehmerfamilie Gassenheimer, das zur Synagoge der kleinen jüdischen Gemeinde Hildburghausens geworden ist.

11. November 1933
Der Thüringer Landtagspräsident und Fraktionsführer der NSDAP im Stadtrat Hildburghausen, Studienrat Fritz Hille, erhält die Ehrenbürgerwürde. Die Werra-Brücke in der heutigen Friedrich-Rückert-Straße erhält den Namen Fritz-Hille-Brücke.

27. November 1933
Gründung von Kraft durch Freude (KdF) als Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront.

1. Dezember 1933

Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat. Die NSDAP wird Staatspartei.

30. Januar 1934
Gesetz zum Neuaufbau des Reichs. Die Hoheitsrechte der Länder fallen an das Reich.

1933
Das Gymnasium Georgianum Hildburghausen wird Staatliche Oberschule.

1933/34
Per Regierungsbeschluss Anerkennung des Technikums als Thüringische Höhere Technische Staatslehranstalt für Maschinenbau und Elektrotechnik (bis 1938)Absolventen sind zugelassen zur Bewerbung für gehobene und mittlere technische Beamtenstellen. Studiendauer für Anwärter mit Obersekundareife: 6 Semester, ohne die genannte Vorbildung: 7 Semester (mit Besuch einer besonderen Vorklasse). Die Schulordnung wird den Zielvorstellungen der Nationalsozialisten und dem NS-Führungsprinzip angepasst.

1934/35
Erweiterungs- und Rekonstruktionsmaßnahmen des Postamts Hildburghausen, Bausumme: 107.000,- RM (Erweiterung des 1908 errichteten Anbaus bis zur Straßenfront des Gebäudes, Modernisierung des Schalterraums, Veränderung der Postdiensträume im Erdgeschoss, Gewinnung von Räumen für den Fernsprech- und Telegraphenbetrieb im 1. Stock, Erneuerung der Be- und Entwässerungsanlage sowie der Lichtanlage, Umstellung auf Warmwasserheizung, Pflastern des Hofes). 

Die Deutsche Reichspost emittiert eine Bildpostkarte (7 Thüringer Motive) u. a. mit Wertstempeleindruck Hindenburg, dem Slogan „Besucht das grüne Herz Deutschlands!“ und der Abbildung des Neuen Technikums mit der Gedächtnisbrücke.

1. Januar 1934
Das Gestapo-Amt Weimar wird gegründet, die selbstständige Polizeibehörde ist dem Reichs-Führer SS Heinrich Himmler unterstellt, seit 1. Oktober 1936 wird sie in Staatspolizeistelle Weimar umbenannt
.

27. Januar 1934
Treuebekenntnis evangelischer Bischöfe für Hitler; Beginn des Widerstandes einiger Geistlicher auch im Landkreis Hildburghausen.

22. Februar 1934
Die in Liquidation befindliche Loge Karl zum Rautenkranz schenkt der Stadt Hildburghausen das Gebäude in der Schlossgasse 13/15 (heute: Johann-Sebastian-Bach-Straße) mitsamt der Einrichtung, dem Archiv und der Bibliothek sowie einen Barbetrag von 1.200 Reichsmark.
Folgende Auflagen werden erteilt: 1. Die Räume des Hauses sind ausschließlich für die Stadtbücherei, das städtische Museum und für Veranstaltungen der Heimatschule zu nutzen; 2. Archiv, Bibliothek und Gegenstände der Loge sollen im sogenannten Beratungszimmer als kleines Museum eingerichtet werden – Eintrittsgelder erhält die Bücherei; 3. der bisherige Hauswart und Logenmitglied, Schneidermeister Ernst Schmidt (1881 – 1972) und dessen Ehefrau, dürfen auf Lebenszeit unentgeltlich ihre Wohnung im Haus weiter bewohnen.
(s. auch 1974)

Bei Nichterfüllung dieser Auflagen fällt das Haus mit den gleichen Auflagen 2 und 3 der Evangelischen Kirchgemeinde Hildburghausen zu.
Die Einrichtung wird wahrscheinlich vom Sicherheitsdienst oder der Gestapo zerstört bzw. ausgebaut. Teile des Archivs befinden sich heute im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin, die Bibliothek gilt als verschollen.
Der Vertrag wird teilweise vom Nazi- und auch vom SED-Regime respektiert.
Die Bibliothek zieht in das Logengebäude ein, Leiter ist Oberlehrer Armin Götz, der nach Einberufung zum Wehrdienst von dem Pädagogen Wiegand abgelöst wird.



Das vorwiegend vom „Reichsarbeitsdienst“ (RAD) und vom „Stahlhelm“ unter dem 2. Bürgermeister und Stadtbaumeister Julius Heller 1932 bis 1934 erbaute Schwimmbad ist eine städtebauliche Kraftaktion gewesen. Vorwiegend Muskelkraft ist eingesetzt worden. Dass beim Ausheben des großen Beckens noch Fährtenabdrücke urgeschichtlicher Tiere und Pflanzen aus der Zeit des Chirotheriums entdeckt werden, ist ein großartiger und die Paläontologie „befördernder“ Nebeneffekt gewesen. Dr. Hugo Rühle von Lilienstern und Studienrat Hugo Wildfeuer sichern das Material (s. auch August 1932).
Die Seitenwände der Becken sind mit Holzpalisaden befestigt worden, die Verkleidung erfolgt mit Planken. Eine Betonierung der Becken kam zur Generalsanierung 1957/58.

3. Juni 1934
Das Schwimmbad wird eingeweiht (im Wesentlichen vom Reichsarbeitsdienst [RAD] und Stahlhelm erbaut).
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts werden an der Werra bis Birkenfeld eine Anzahl Badestellen eingerichtet, die teils sittenstreng beaufsichtigt worden sind: 


Das 
Aktienbad nahe der Brücke am Birkenfelder Kirchweg (errichtet mit der Geldanlage einiger Bürger, die als „Aktionäre“ frei baden können, andere müssen eine Eintrittskarte lösen), in einem weiten Mäander Richtung Hildburghausen das Soldatenbad, an der „klä Werr“ das Bürgerschulbad, vor der Ebenrettersmühle ein Bad für Frauen und Mädchen sowie das Technikerbad der Verbindung Volta, weiter oberhalb das Bad der Gymnasiasten und Seminaristen, kurz vor Birkenfeld das Technikerbad der Rhenania.





Stadtbad Hildburghausen. Das friedliche Bild mit den Jugendlichen währt nicht lange. Bald müssen sie auf den Schlachtfeldern des Weltkriegs ihr Leben für den imperialen Nationalsozialismus opfern.
Aufnahme und Verlag Photogr. Meffert, Mitte dreißiger Jahre.
Sammlung Hans-Jürgen Salier

7. Juni 1934
Katholischer Hirtenbrief gegen die nationalsozialistische Ideologie.


19. August 1934
„Volksabstimmung“ über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches. Bei 39.725 gültigen Stimmen votieren 97,2 % der Wähler des Kreises Hildburghausen für den Wahlvorschlag der NSDAP (im Reich 89,9 %). Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime ist im Raum Hildburghausen kaum nachweisbar.

3. Oktober 1934
Auf der Fahrt nach Nürnberg stattet Adolf Hitler der Stadt Hildburghausen mit seinem Chefarchitekten und späteren Reichsrüstungsminister Albert Speer einen überraschenden zweiten Besuch ab. Das Ereignis spricht sich schnell herum. Hitler wird von einer „ungeheuren Menschenmenge“ begeistert empfangen. Im „Englischen Hof“ am Markt wird er von der Ortsgruppe der NSDAP freudig begrüßt.

Die beiden führenden Nazis des Kreises Hildburghausen, Büchner und Hille, bereiten sich in Hochstimmung auf den Empfang ihres Führers vor.

1934
In der Chronik der katholischen Pfarrgemeinde heißt es: „Zunächst ging über das Vaterland hin die Nationale Erhebung. Sie brachte hochgehende Wogen der Erregung. Die Vertretung der deutschen Katholiken löste sich auf. Dafür kam das Reichskonkordat. ... Nun ist im Deutschen Reich alles anders geworden. Wir haben eine starke Regierung, es gibt neue ungeahnte Maßnahmen; aber auch auf der anderen Seite einen großen Druck auf Meinungsäußerung und bürgerliche Freiheit.“

1934  1940
522 Männer und 458 Frauen der Stadt und Umgebung werden in der Landesheilanstalt Hildburghausen zwangssterilisiert.

13. Januar 1935
91 Prozent der Bevölkerung des Saargebiets (heute: Saarland) sprechen sich für die Angliederung an das Deutsche Reichs aus. Das Saargebiet wird umgehend militärisch besetzt. Nach dem Versailler Vertrag wird es bis zu diesem Zeitpunkt treuhänderisch vom Völkerbund verwaltet.

Die ehemalige „Dorfzeitung“ wurde inzwischen vom Vogel-Verlag Pößneck übernommen. In Hildburghausen ist die „Thüringer Tageszeitung“ herausgegeben worden. Mitarbeiter vor dem Maschinenensaal bzw. dem Setzerhaus in der Unteren Allee in der Mitte der
dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts.
Sammlung Hans-Jürgen Salier

16. März 1935
Bekanntgabe der allgemeinen Wehrpflicht (2 Jahre) und 6-monatige Arbeitsdienstpflicht. Die wehrfähigen Männer werden zu 8-Wochen-Lehrgängen eingezogen.


Hildburghausen wird wieder Garnisonstadt. Die Ausbildungszüge des 2. Bataillons des 95. Infanterieregiments üben in der Umgebung der Kreisstadt.

Der Reichsarbeitsdienst (RAD) marschiert 1936 in der Straße der SA,
heute: Friedrich-Rückert-Straße

Ab 1935 muss jeder männliche Jugendliche ab 18 Jahre nach seiner Mitgliedschaft in der Hitlerjugend eine sechsmonatige dem Wehrdienst vorgelagerte Arbeitspflicht leisten. Seit 1931, in der Weltwirtschaftskrise, hat es bereits den von der Regierung Brüning eingeführten Freiwilligen Arbeitsdienst (FAD) gegeben. Ab Beginn des Zweiten Weltkrieges müssen die weiblichen Jugendlichen ebenso ihre Arbeitspflicht ableisten. Ab Mitte 1944 hat der RAD eine sechswöchige Grundausbildung am Gewehr übernommen, um die Wehrmacht zu entlasten. „Arbeitsdienstler“ werden am Führergeburtstag vereidigt.

Der RAD marschiert am 16. Juni 1936 in der Straße der SA, der heutigen Friedrich-Rückert-Straße, zur Besichtigung durch Karl Schmückle (1895 – 1970). Der Spaten wird militärisch exakt wie ein Karabiner getragen und präsentiert. Schmückle, seit 1935 Thüringischer Staatsrat, amtiert vom Oktober 1933 bis September 1941 als Führer des Arbeitsgau XXIII „Thüringen“, Sitz in Weimar. Zu Hitlers Geburtstag am 20. April 1945 ist er noch zum „Obergeneralarbeitsführer“ des Großdeutschen Reichs befördert worden.
Fotos: Rudolf Meffert 

„Luftschutz tut not!“ – Mit Blick auf den Hindenburgplatz, heute Puschkinplatz) mit der als Denkmal aufgestellten Fliegerbombe.
Sammlung Hans-Jürgen Salier

18. Mai 1935
Einweihung des NSKK, SA-Motorsturms 25/M 43-Schießstandes auf dem Stadtberg (oberhalb des Schulersbergs) mit Preisschießen und Bergfest.


Pfingsten 1935. Die Ehemaligen Studierenden, die Alten Herren der Studentenverbindungen des Technikums Hildburghausen, das zum Zeitpunkt heißt „Thüringische Höhere Technische Staatslehranstalt für Maschinenbau und Elektrotechnik Hildburghausen“, treffen sich jeweils Pfingsten eines jeden Jahres auf dem Marktplatz und feiern mit den „Aktiven“, aber auch mit der Bevölkerung. Nach der Gleichschaltung werden die Kooperationsfahnen im Rathaus aufbewahrt, die zum Pfingsttreffen wieder gezeigt werden dürfen. Die Verbindungen sind im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund“ (N.S.D.St.-B.) gleichgeschaltet.




Aufmarsch zum Kreisparteitag der NSDAP am 30. Juni 1935 auf dem Hildburghäuser Markt.
Die Militarisierung nimmt mit fortschreitender Herrschaft der Nationalsozialisten zu


Eigenheiten von totalitären Regimen ist es, sich selbst zu inszenieren und zu bejubeln, in widerlicher Weise Menschen zur Ausstaffierung von Straßen und Plätzen zu benutzen. Hildburghausen gleicht beim Kreisparteitag der NSDAP 1935 um den 1. Juli herum einer mit fanatischer Begeisterung gefüllten Festwiese. Sicherlich gab es Zwang beim Schmücken der Häuser, Straßen und Plätze und geringfügige Denunziationen. Mit Eifer und Hingabe war der übergroße Teil der Bevölkerung dabei. Selbst, als man die Nazis noch nicht wählen musste, erreichten sie schon höchste Stimmergebnisse. Das Erwachen beginnt wenige Jahre später, wenn stramme Uniformen und Gleichschritt in Richtung Katastrophe marschieren und die Menschen unendliches Leid erfahren müssen.

15. September 1935
Die Nürnberger Rassegesetze werden verkündet.


28. September 1935
Letzter Einmarsch der bis dahin im Hildburghäuser Schloss stationierten Landespolizei, das für die Deutsche Wehrmacht geräumt wird.

Fliegeraufnahme vom Osten der Stadt Hildburghausen gesehen.
Luftbildverlag Ernst Assmus, Leipzig/Kesselring’sche Hofbuchhandlung, Hildburghausen,
Mitte der dreißiger Jahre.
Sammlung Hans-Jürgen Salier. 

30. Oktober 1935
Einstellung des Ortsfuhrverkehrs mit Postkutschen, es werden Kfz eingesetzt. Letzter Posthalter (seit 31.10.1931) ist Metzgermeister Max Biedermann (heute: Wilhelm-Külz-Straße).


Die letzte Postkutsche für die Paketpost in Hildburghausen.
Foto: Rudolf Meffert

Fliegeraufnahme aus südwestlicher Richtung auf Hildburghausen.
Verlag: Photo- und Luftbildverlag J. Beck, Stauttgart-Bad Cannstadt, Mitte der 30er Jahre.
Sammlung Hans-Jürgen Salier.

 

7. März 1936
Besetzung des Rheinlands durch Reichswehrtruppen.


24. März 1936
Neuwahl des Reichstags in Verbindung mit der Billigung der Rheinland-Besetzung. 99 Prozent der Bevölkerung votieren mit JA

1. April 1936
Die Studienzeit am Technikum wird auf fünf Semester reduziert.

Hildburghäuser Schlosskaserne, Mitte der 30er Jahre.
Fotos: Rudolf Meffert
Sammlung Ines Schwamm




1. Mai 1936 – Alles, was Rang und Namen hat, marschiert, das Volk ist feiertäglich gekleidet. Der übergroße Teil kommt freiwillig in freudiger Erwartung zum Umzug am „Tag der nationalen Arbeit“ nicht nur hier auf den Adolf-Hitler-Platz (vorher hieß das Areal „Postplatz“, „Marienplatz“ und heute „Goetheplatz“). Das Volk hatte sich für die Nationalsozialisten entschieden.
(Das attraktive Toilettenhäuschen, ein ähnliches befindet sich noch nahe dem Puschkinplatz in der Friedrich-Rückert-Straße, ist zur DDR-Zeit abgerissen worden)

6. Mai 1936
Über der Stadt Hildburghausen geht ein furchtbares Unwetter mit vielen Zerstörungen nieder.

28. Mai 1936
Denkschrift der Bekennenden Kirche gegen Rassenwahn und antisemitische Politik.

12. Juli 1936
Errichtung des Konzentrationslagers Sachsenhausen bei Berlin.

1. August 1936
Eröffnung der Olympischen Spiele in Berlin und Kiel (bis 16.08.)

1./2. August 1936
In die Schlosskaserne am heutigen Johann-Sebastian-Bach-Platz zieht ein Bataillon des 95. Infanterieregiments ein. Die Einwohner sehen die erwachte Wehrhaftigkeit mit Begeisterung, vor allem viele Geschäftsleute. Bataillonskommandeur ist Oberst Graf von Pfeil. Mit klingendem Spiel zieht die Militäreinheit auf den Markt und Bürgermeister Dr. Hermann Zschaeck überreicht dem Kommandeur den Ehrenkelch der Stadt.


Pressefoto von Rudolf Meffert. Der 1. Ausbildungskurs des 2. Bataillons des 95. Infanterieregiments der Deutschen Wehrmacht wird am 17. August 1936 auf dem Schlossplatz vereidigt.

1936
Bei der Vereidigung des Hildburghäuser Bataillons in der Schlosskaserne nimmt auch die Geistlichkeit der beiden Konfessionen teil. 

Der katholische Pfarrer Georg Ramsperger (l.), im Hintergrund
Pfarrer Hermann Thürmer im Gespräch mit Oberleutnant Haellmigk.
Sammlung Schildburghausen


Preußens große Königin Luise (1776 – 1810) weilte oft im Irrgarten, also in Hildburghausens wunderbarer Anlage, die man jetzt Schlosspark nennt – nicht nur in Einsamkeit, vor allem aber mit ihrer geliebten Schwester Charlotte, der letzten Herzogin von Sachsen-Hildburghausen. Die schöne und kluge Königin ist sehr jung gestorben. Unendlich viele Mythen ranken sich um ihr Leben, das oft von Menschenfeinden und Nationalisten propagandistisch ausgenutzt worden ist. Luise führte keine Waffe in der Hand, sondern sie richtete das ruinierte Land Preußen in kürzester Zeit wieder auf, weil sie sich mit mutigen und zukunftsweisenden Reformern umgab. Sie bot dem Beherrscher Europas, Kaiser Napoleon, die Stirn. Damit hatte sie einen entscheidenden Anteil an der Befreiung Deutschlands und Europas von der napoleonischen Fremdherrschaft. – Nachdem Hildburghausen im Oktober 1867 mit dem 2. Bataillon des 6. Thüringischen Infanterieregiments Nr. 95 wieder Garnisonstadt wurde, räumte man das von Herzog Friedrich und Herzogin Charlotte gestiftete Denkmal zig Meter zur Seite. Das erste außerhalb Preußens errichtete Denkmal für Luise gammelte nun, von Gebüsch umgeben, vor sich hin, bis es auf Initiative der Numismatiker des Kulturbundes im letzten DDR-Jahr restauriert auf seinen angestammten Platz gekommen ist. Gegenwärtig erfährt es nicht viel Wertschätzung, vielleicht fehlt auch nur das Wissen um die große historische Persönlichkeit. - Den Militärs des Bataillons war der Park immer eine treffliche Einrichtung für Exerzierübungen bis hin zu prunkvollem militaristischem Säbelgerassel. Die Nationalsozialisten nutzten es in ihrem propagandistischen Habitus auch zu NSDAP-Kundgebungen (Abbildungen aus den Jahren 1936).

24. August 1936
Die Wehrpflicht wird von einem auf zwei Jahre verlängert.


1. Dezember 1936
Das Gesetz über die Hitlerjugend wird erlassen. Die Jugendlichen des Reiches werden zum Eintritt in die nationalsozialistische Organisation verpflichtet. Die Hitlerjugend wird Staatsjugend.

1936
Die Kreissparkasse Hildburghausen verfügt über eine Hauptzweigstelle in Eisfeld sowie Nebenzweigstellen in Bedheim, Biberschlag, Fehrenbach, Gießübel, Gleichamberg, Heubach, Kloster Veilsdorf, Masserberg, Rieth, Schwarzenbrunn, Simmershausen, Streufdorf und Unterneubrunn, ferner Annahmestellen in Brünn, Gleicherwiesen, Goßmannsrod, Lichtenau, Linden und Oberwind.

1936
Das gewerbliche Genossenschaftswesen wird in die Zwangsorganisation der deutschen Wirtschaft einbezogen.

1936
Die katholische Pfarrgemeinde Hildburghausen beklagt sich, dass wegen des neu eingeführten Staatsjugendtages die Erteilung des Religionsunterrichts gefährdet sei.

Der RAD entschlammt mit sehr viel Muskelkraft den versumpften Kanal.
Foto: Rudolf Meffert.
Sammlung Ines Schwamm

1936 – 1942
Die Suhler Prokuristen Hans und Hugo Schmeisser der Waffenfabrik C. G. Haenel GmbH bauen in Hildburghausen ein Zweigwerk für die Produktion von Bordluftwaffen für die deutsche Luftwaffe, unterstützt vom Fliegerhelden des Ersten Weltkrieges, Ernst Udet (1896 – 1941), Generalluftfahrtmeister und Generaloberst, Leiter des Technischen Amtes der Luftwaffe. Am 1. März 1937 wird die C. G. Haenel GmbH Hildburghausen – Fabrik für feinmechanische Geräte auf dem Gelände des späteren Schrauben- und Normteilewerks gegründet und ins Handelsregister eingetragen. Geschäftsführer sind Herbert Haenel und Hugo Schmeisser. Das Stammkapital beträgt 100.000 RM, 90.000 RM stammen aus dem Reichsluftfahrtministerium. Bis 1937 wird unter größter Geheimhaltung der Industriebau errichtet. Ca. 1.000 Arbeitskräfte sind geplant, bis zu 50 Kleinsiedlungswohnungen (Reichsheimstätten) sollen zur Bindung der Arbeitskräfte erbaut werden. Die überdimensionierte Produktionsanlage, fehlende qualifizierte Arbeitskräfte, hohe Ausschusszahlen und unternehmerische Fehlleistungen führen zu einem wirtschaftlichen Desaster. Das Reichsluftfahrtministerium kürzt drastisch die Finanzmittel wegen fehlender Finanzen im zweiten Kriegsjahr, vor allem nach dem Suizid von Ernst Udet nach einer Auseinandersetzung mit dem Reichsmarschall Hermann Göring über das Versagen der Luftwaffe gegen die Sowjetunion. Das Ministerium vermittelt das Unternehmen an die Norddeutsche Maschinenfabrik Berlin (Nordeuma). 

Der 1937 hochmoderne Rüstungsbetrieb der Suhler Waffenfirma „C.G. Haenel“, ab 1942 wegen Insolvenz an die „Norddeutsche Maschinenfabrik“ („NORDEUMA“) verkauft.
Teile der Anlage sind unterirdisch angelegt.
Sammlung Ines Schwamm

Rathaus Hildburghausen.
Aufnahme und Verlag: Photogr. Meffert
Sammlung Annett Eller

1937
Zur Erschließung des Baugeländes der Rüstungsfirma C. G. Haenel GmbH Hildburghausen werden umfassende Hochwasserschutzanlagen gebaut, so die Hochwasserflutmulde (ca. 1.000 m x 40 m) von der Coburger Straße bis hinter den Burghof, die Werrabrücke am Theater, die Fußgängerbrücke (Seufzerbrücke).



Die neue Werrabrücke an der Coburger Straße wird im Zuge des Ausbaues der Hochwasserschutzanlagen neu erbaut.
Foto: Rudolf Meffert
Sammlung Ines Schwamm

10. Februar 1937
Die Werrabahn und ihre Nebenbahnen werden der neugebildeten Deutschen Reichsbahnunterstellt.

März 1937
Die Krautgärten links der Coburger Straße an der Bahnlinie werden für den Aufbau der Waffenfabrik beseitigt.

4. Juni 1937
† Oberstudiendirektor Dipl.-Ing. Ruhnke, Leitung des Technikums durch Oberstudienrat Dipl.-Ing. I. Rühlmann (kommissarisch), dann Oberstudiendirektor Dipl.-Ing. Wolff.

Blick von der Frankenschwelle bei Hildburghausen in das Obere Werratal mit dem Bless bei Eisfeld.
Foto: Rudolf Meffert, 30er Jahre
Sammlung Hans-Jürgen Salier

1937
Einrichtung einer öffentlichen Badeanstalt im Kellergeschoss der Bürdener Schule.
In Hildburghausen wird eine moderne Molkerei eröffnet.

16. Juli 1937
Errichtung des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar. Am Jahresende sind bereits 2.561 Häftlinge interniert. Bis 1945 sind 240.000 Menschen aus 32 Ländern nach Buchenwald verschleppt worden, von denen 56.000 den Tod gefunden haben. Nach Kriegsende ist das Vernichtungslager von der sowjetischen Besatzungsmacht als Speziallager Nr. 2 des sowjetischen NKWD benutzt worden, von 32.000 Internierten sterben 8.000. 

Ehrensalut der Wehrmacht auf dem Schießgelände im Stadtwald.
Sammlung Ines Schwamm

März 1937
Der jüdische Firma S. Gassenheimer & Sohn gerät im NS-Staat in komplizierte finanzielle und politische Bedrängnis. Gassenheimer verkauft sein Unternehmen in der Heimstraße unter sehr schlechten Konditionen an die Paul Kätsch K.G. aus Sömmerda (vorerst: Paul Kätsch, Sömmerda, Abteilung Hildburghausen). Paul Kätsch ist ein linientreuer Nationalsozialist. Die Produktion wird teils umgestellt und eine Metallabteilung aufgebaut (Schrauben, Fassonteile, Fertigung von Kleinmaschinen) und am 24.04.1937 wieder in Betrieb genommen. Im ehemaligen Betriebssteil der Holzverarbeitung werden vorwiegend Munitionskisten, Schränke, Spinde u. a. für die Wehrmacht und in der Zimmerei Dachkonstruktionen für Baracken und Hallen der Luftfahrt bzw. der Luftwaffe hergestellt. Bis zum Kriegsbeginn sind ca. 140 Beschäftigte tätig, später bis 360. Darunter haben sich Zwangsarbeiter aus Frankreich und der Sowjetunion befunden, die in einem Barackenlager untergebracht worden sind.


Reichsarbeitsdienst-Lager (RAD) I/233 „Berthold von Henneberg“.
Aufnahme und Verlag Photogr. Meffert, Hildburghausen, 1937
Sammlung Hans-Jürgen Salier.

1937/38
Einführung der 8-jährigen Oberschule (Erlasse vom 20.03.1937, 29.01.1938). Die Schule nennt sich Staatliche Oberschule und Aufbauschule Georgianum zu Hildburghausen. Oberstudiendirektor Prof. Hermann Röder hat die Gesamtleitung der Bildungseinrichtung. 

Schaufenster in der Rosengasse, 30er Jahre.
Sammlung Ines Schwamm

 

25. Februar 1938
Ledige Frauen unter 25 Jahre müssen ein sog. land- und hauswirtschaftliches „Pflichtjahr“ absolvieren.



Die Räumlichkeiten der ehemaligen Freimaurerloge „Karl zum Rautenkranz“ in der Schlossgasse 13/15 (Johann-Sebastian-Bach-Straße) sind nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und nach Auflösung der Loge mit Vertrag vom 22. Februar 1934 (s. auch dort), ausgefertigt vom Thüringischen Notar Günther Ostermann, mit dem Vermögen der Loge als Geschenk an die Stadt übergegangen. Da heißt es u. a., dass die Stadt die Räume in dem geschenkten Haus ausschließlich für die Stadtbücherei, das städtische Museum und die Veranstaltungen der Heimatschule zur Verfügung (ge)stellt. – Der Schnappschuss von Rudolf Meffert Ende der dreißiger Jahre zeigt Nutzer und Mitarbeiter der Bibliothek, im Vordergrund die Mitarbeiterin, Sabine Sircoulomb, die nach 1945 einige Zeit Leiterin gewesen ist.

1938
Einrichtung einer Raiffeisengenossenschaftsmolkerei in Hildburghausen mit einer Verarbeitungskapazität von 30.000 – 50.000 kg Rohmilch.

1. April 1938
Der Kindergarten Birkenfeld (Neubau) wird eröffnet.

 

Festwagen mit Maikönigin am 1. Mai 1938.
Foto: Hans Bernhardt, Student am Technikum Hildburghausen
© Hans-Jürgen Salier

Mai 1938
Die Emma-Scheller-Stiftung wird von den Nazis enteignet und zum Kindergarten derNationalsozialistischen Volkswohlfahrt ernannt.

9./10. November 1938
Reichspogromnacht (sog. Reichskristallnacht).
Von SS und SA wird ein Massenpogrom gegen die jüdische Bevölkerung organisiert. Am Abend des 09.11. findet im Schlosspark eine Kundgebung von SA und SS statt, die Nazischergen schwören sich auf ihre menschenfeindliche Aktion ein.
In Hildburghausen leben etwa 35 jüdische Bürger. Die Ausstattung der Synagoge in der Heimstraße 1/Gerbergasse (Privatsynagoge, ehemaliges Gartenhaus des Unternehmers Gassenheimer) wird verbrannt, Einrichtungen jüdischer Geschäftsleute werden boykottiert und geplündert. Die letzten in Hildburghausen lebenden jüdischen Bürger werden nicht in der Nacht, sondern am frühen Morgen auf dem Marktplatz getrieben, tyrannisiert und gewaltsam in den Rathauskeller verbracht und von dort gegen 9 Uhr mit zwei Lkw der Landespolizei in das KZ Buchenwald deportiert. Bürger, die eine Ausreise beantragt haben, werden nach der Weisung des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Reinhard Heydrich, vom 16.11.1938 „betr. Beendigung der Inhaftierungsaktion und Entlassungsbedingungen der jüd. KZ-Häftlinge“, wieder nach Hildburghausen verbracht.
Nachweisbar sind auf den Transporten und in den Vernichtungslagern 21 ehemalige jüdische Bürger der Stadt ums Leben gekommen, zwei haben in Hildburghausen Suizid begangen, die restlichen (vermutlich 12) sind ins Ausland emigriert.

Ein Zeitzeuge berichtet:
„Der Hof des Kreisamtes (Landratsamt) war hell erleuchtet und es herrschte große Geschäftigkeit von hin- und herfahrenden Autos; man sah SA und SS. Mitten in der Nacht, als alles schon schlief, entstand ein wirrer Lärm. Die Meute nahm sich vom Rand der Straße Steine, die dort am Schlossberg umherlagen und zog unter wildem Johlen vor Friedmanns Eisenwarenhandlung, schlug mit einem Steinhagel die Schaufenster ein und raffte aus der Auslage Spaten, Spitzhacken usw.
So bewaffnet wandten sie sich gegen das gegenüberliegende Schuhgeschäft von Gerau und zertrümmerten ebenfalls die Schaufenster und rissen die Schuhe heraus. Von Augenzeugen wurde gesehen, wie Friedmanns und Geraus im Nachthemd, Mantel und Hut abgeführt wurden, man stieß sie die Treppe in den Rathauskeller hinunter, wobei Herrn Gerau der Arm gebrochen wurde.
Die Synagoge wurde aufgebrochen und sämtliches Inventar, Bänke und Bücher usw. herausgerissen und verbrannt.“
(Nach: Römhild, Michael und Hans J. Salier: Hildburghausen unterm Hakenkreuz – Versuch einer Dokumentation mit Fotos aus der „Sammlung Meffert“. – Stadtmuseum Hildburghausen/Verlag Frankenschwelle KG, 2005, S. 97)

Blick in die Untere Marktstraße, historische Ansichtskarte um 1915, rechts befindet sich das Schuhgeschäft von August Gerau und schräg gegenüber unterhalb des „Eskimo“ die Eisenwarenhandlung der Gebrüder Friedmann (nach der Auswanderung der jüdischen Kaufmannsfamilie Max und Anna Friedmann 1939 nach den USA übernimmt Wilhelm Nordmeyer das Geschäft.).
Sammlung Hans-Jürgen Salier

Adolf-Hitler-Platz (vorher: Marienplatz, heute: Goetheplatz), Christuskirche und Stadtberg.
Aufnahme und Verlag Photogr. Meffert
Sammlung Annett Eller 

1938
In der Chronik der katholischen Pfarrgemeinde heißt es: „Der Kampf gegen die Kirche hat nach außen hin nachgelassen. Bei mir in Hildburghausen erschien ein geheimer Staatspolizeimann mit 2 Beamten aus Weimar, um hier uns daselbst auflösen, was nicht bestand. Sie blieben 2 Stunden, durchsuchten auch meinen Aktenschrank! Vorher waren schon in Eisfeld und hier eine Reihe Polizisten gewesen und durchsuchten die Bibliothek nach einer Reihe von Büchern. Sie hatten eine Liste dabei!“

29. November 1938
Nach einem Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom Okt. erfolgt die Umbenennung des Technikums in Staatliche Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik. Die Aufnahmeprüfungen werden verschärft. Wichtigstes Unterrichtsfach wird derNationalpolitische Unterricht.

1938/39
Der aus Gotha stammende Dr. Ernst Ledermann setzt sich besonders nach der Reichspogromnacht mit der Weimarer Gestapo zur Freilassung vor allem im KZ Buchenwald inhaftierter Weltkriegsteilnehmer (teils) erfolgreich ein. Einige Männer werden freigelassen, einige werden später wieder deportiert.

1. Januar 1939
Inkrafttreten der Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 17.08.1938. Sie bestimmt, dass jüdische Deutsche anhand ihrer Vornamen kenntlich den zusätzlichen Vornamen „Israel“ tragen, weibliche den Vornamen „Sarah“.
Die thüringischen Kreisämter werden in Landratsämter umgewandelt (3. Reichs-Neuaufbau-Verordnung vom 28.11.1938).

1939
Kreis Hildburghausen: 777 km², 66.500 Einwohner.
Auf Beschluss des Vorstands und des Aufsichtsrats wird die Vereinsbank Hildburghausen e.G.m.b.H. in Volksbank Hildburghausen e.G.m.b.H. umfirmiert.
Im Kreis bestehen 60 Ortsbüchereien, auf 100 Einwohner kommen 16 Leser. Die Stadt- und Kreisbibliothek hat Vorbildcharakter für Südthüringen. Besondere Verdienste erwirbt sich Oberlehrer Armin Götz.
Nach dem Sommerfahrplan verkehren auf der Werrabahn 2 Eil-, 7 Personenzüge und das Schnellzugpaar D 297/298 auf der Strecke Eisenach (über Hildburghausen – Eisfeld – Lichtenfels) nach Bayreuth und Eger. Überdies verkehren 5 Personenzüge (werktags) und 3 Personenzüge (sonntags). Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wird der Zugverkehr eingeschränkt.

Übersichtskarte der Reichsbahndirektion Erfurt Mai 1939 (Ausschnitt)

1. Januar 1939
Lt. Verordnung vom 12.11.1938 müssen Bürger jüdischer Herkunft ihre Läden und Betriebe an arische Käufer unter Wert veräußern. Die Erträge werden auf ein Sperrkonto der Deutschen Bank in Suhl eingezahlt. Die Eigentümer dürfen nicht über die Guthaben verfügen.

30. Januar 1939
Hitler prophezeit im Fall eines Krieges die Vernichtung der jüdischen Rasse.

13. Februar 1939
Die Allgemeine Arbeitsdienstpflicht wird verordnet.


16. März 1939
Einen Tag nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Teile der Tschechoslowakei wird das so genannte Protektorat Böhmen und Mähren dem Deutschen Reich angegliedert.

31. März 1939
Die Juden werden finanziell weiter ausgeplündert. Edelmetalle und Edelsteine müssen gegen einen staatlich verordneten Minimalpreis an den Staat verkauft werden.

19. Mai 1939
Der Stabschef der SA, Viktor Lutze, wird mit „großem Bahnhof“ in Hildburghausen empfangen. Lutze ist der Nachfolger des 1934 auf Befehl Hitlers liquidierten SA-Chefs Ernst Röhm („Röhm-Putsch“)

1939
Grundsteinlegung für den Bau einer Jugendherberge in Bürden, später Ausbau als Kindergarten.

Juni 1939
Ein Zeppelin fährt über der Stadt.

August 1939
Die Hochrüstung und die allgemeine Kriegsvorbereitung im Reich werden im Alltagsleben der Menschen immer deutlicher spürbar: An den Ostgrenzen liegende Wehrmachtsangehörige befinden sich in Bereitschaft, Post für Angehörige bleibt aus. Immer mehr ältere Männer (auch über 40 Jahre) werden eingezogen. Am 27.08. werden Lebensmittelkarten eingeführt.

1939

Die 1897 eingeweihte Helenenstraße am Neuen Technikum wird in Ritter-von-Stransky-Straße umbenannt.
Ritter v. Stransky, ehemaliger Studierender des Technikums, kommt beim Hitlerputsch gegen die Regierung Stresemann am 08./09.11.1923 (Marsch zur Münchner Feldherrnhalle) ums Leben.
Die NS-Kameradschaft V – von Hofe, an die Pfingsten 1938 die Altherrenschaft derLandsmannschaft Rhenania angegliedert worden war, wird umbenannt in Kameradschaft Ritter von Stransky.
Zur gleichen Zeit wird die NS-Kameradschaft II – Wick, an die Pfingsten 1938 die Altherrenschaft der T.V. Bauhütte angegliedert worden ist, umbenannt in Kameradschaft Wilhelm Gustloff. Die Gründer dieser Kameradschaft sind Stipendiaten der Gustloff-Werke (früher Simson) in Suhl und wollen mit diesem Namen auf die ihnen gewährte Studienförderung hinweisen.

An der Stadtmauer Hildburghausen, um 1939
Verlag: Photogr. R. Meffert, Hildburghausen, Reg.-Nr. 11 (DDR), 1961 postalisch gelaufen.
Sammlung Annett Eller

1939
Der jüdische Eisenwarenhändler und einstige Stadtrat Max Friedmann (Mitinhaber der FirmaGebrüder Friedmann, später Nordmeyer) und seine Frau Anna wandern nach zunehmendem Druck der Nationalsozialsten in die USA aus. Ihr behindertes Kind Greta (* 1919) können sie nicht mitnehmen, weil die Vereinigten Staaten keine „behinderte Menschen“ einwandern lassen. Greta findet Aufnahme in einer anderen Familie, sie wird am 10. Mai 1942 nach Belzyce/Polen deportiert und gilt als verschollen.
Die letzten jüdischen Bürger fliehen aus Hildburghausen. Die Familie Gassenheimer flüchtet in die USA. Sophie Katzenstein zieht nach Berlin, wird nach Kowno deportiert und fällt dem Holocaust zum Opfer. Die Witwe des bekannten Lehrers Mühlfelder siedelt nach München um, wird dort nach Theresienstadt deportiert und kommt 1943 um.

1939
Die Waffenfabrik C.G. Haenel GmbH Hildburghausen entwickelt sich zu einem großen Rüstungswerk mit bis zu 1.000 Beschäftigten.

1. September 1939
Überfall Deutschlands auf Polen. Der Krieg weitet sich zum Weltkrieg aus.Reichsverteidigungskommissare werden in den Wehrkreisen eingesetzt.
Das Land Thüringen gehört mit Teilen von Hessen-Nassau, der Provinz Sachsen und Teilen Hessens und Bayerns zum Reichsverteidigungsbezirk IX mit Sitz in Kassel. Die Geschäfte werden von der Reichsstatthalterschaft in Weimar wahrgenommen. Sauckel wird Reichsverteidigungskommissar. Das zivile Leben wird weitgehend militarisiert. Die „Siegesstimmung“ nach den ersten Kriegserfolgen weicht bald einer „gedrückten Stimmung“, weil z. B. die Kriegswirtschaft immer weiter in das persönliche Leben der Menschen eingreift und immer mehr Familien von Nachrichten über gefallene Angehörige betroffen sind.

Teilansicht der Schlosskaserne Hildburghausen mit der Kriegsflagge der Nationalsozialisten.
Foto: R. Meffert, Hildburghausen
Sammlung Ines Schwamm

September 1939
Nach Teilnahme der NS-Kameradschaften des Technikums am Ernteeinsatz im damaligen Ostpreußen werden immer mehr Studenten und Dozenten zur Wehrmacht eingezogen. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs kommt es zu Einschränkungen im Lehrbetrieb. Das Militär gewährt bei Abschlussprüfungen Studienurlaub. Mit Schreiben des Reichsministeriums vom 09.10.1939 erfolgt eine Herabsetzung der Studiendauer von 5 auf 4 Semester, bis 1940, dann wieder 5 Semester.

"Gruß aus Hildburghausen“ – Eine makabre Ansichtskarte aus dem Jahr 1939.
Fotokarte Driesen-Verlag, Berlin.

28. September 1939
Auf Anordnung des Oberfinanzpräsidenten in Rudolstadt wird den Juden verboten, Gelder aus Handel, Vermietung oder sonstige Einnahmen in bar entgegenzunehmen. Sie erhalten ein beschränktes Sicherheitskonto der Deutschen Bank in Suhl.

24. Oktober 1939
3. Durchführungsbestimmung zum Gesetz über das Feuerlöschwesen. Die von den Freiwilligen Feuerwehren gebildeten Vereine und Verbände sind aufzulösen. Demokratische Strukturen werden mit dem nationalsozialistischen „Führerprinzip“ zerschlagen. Die Berufsfeuerwehr wird in eine Feuerschutzpolizei umgewandelt, die Freiwilligen Feuerwehren in Feuerlöschpolizeiumbenannt. Die Feuerlöschpolizei untersteht dem Reichsführer SS und der Polizei, Heinrich Himmler.

1939
Die Chronik der katholischen Pfarrgemeinde berichtet:
„Es liegen 6 Jahre schweren öffentlichen und geheimen Kampfes gegen die Kirche hinter uns. Am gottesdienstlichen Leben macht sich das kaum bemerkbar. Jedoch darf man sich keiner Täuschung hingeben: es findet sich viel laues und nachlässiges Christentum hier.“

1939/40
Erweiterungs- und Umbauarbeiten am Technikum.

1939 – 1944
Nach einer Recherche von Superintendent Dr. Michael Kühne sind im Zeitraum aus der Landesheilanstalt ca. 750 Patienten abtransportiert worden.
Aus den vier Thüringer Heilanstalten Blankenhain, Hildburghausen, Pfafferode bei Mühlhausen und Stadtroda sind mindestens 630 Patienten der Aktion T4 („Euthanasie“) zum Opfer gefallen.

Anmerkung: Aktion T4 = T4 steht für Tiergartenstraße 4 in Berlin-Mitte, wo die systematische Tötung von ca. 70.000 Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen beschlossen worden ist (vor allem Zeitraum 1940/41).
(s. Biografie Schottky, Johannes)

1. April 1940
Mit der Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiet des Bank- und Sparkassenwesens vom 5. Dezember 1939 (RBBl I S. 2413) und Anordnung der Reichswirtschaftsministers im August 1940 werden die Stadtsparkasse Hildburghausen, die Städtische Sparkasse Eisfeld, die Stadt- und Kreissparkasse Themar und die Central- und Kreissparkasse Römhild in die Kreissparkasse Hildburghausen überführt.

9. April 1940
Überfall Deutschlands auf Dänemark und Norwegen.

 

Noch ist auf den Gesichtern der Soldaten eine gewisse Fröhlichkeit und Zuversicht zu erkennen, die Nachrichten von den Schlachtfeldern werden spätestens nach der Schlacht um Stalingrad und dem Kriegseintritt der USA immer düsterer.
Sammlung Ines Schwamm

10. Mai 1940
Deutscher Angriff im Westen.


1940
† Friedrich Moses
* 1854
Etuismacher
Der Mundartdichter ist mit seinem Gedicht Dr Schinknknochn bekannt geworden.

Mai 1940
Mit den Evakuierungen aus dem Saargebiet (nach Beginn des Frankreich-Feldzugs) kommen zum Jahresende viele Katholiken in den Kreis. Das stößt mitunter auf Widerstand der Verantwortlichen der ev. Kirche, z. B. in Veilsdorf. Dagegen wird 1941 festgestellt, dass die Katholiken in Hildburghausen hohes Ansehen genießen und es zu einer guten Zusammenarbeit mit dem ev. Pfarrer Köhler kommt.

1940
Die Rüstungsproduktion bei Haenel (ab 1942 NORDEUMA) wird verstärkt. Nach Aufstellen sog. Automaten der Index-Reihe werden vorwiegend Schrauben und Normdrehteile gefertigt, Bau von Zündereinsätzen, -kappen, -stiften und Bombenaufzügen. Mit der Ausweitung des Krieges werden immer mehr Belegschaftsangehörige für den Wehrdienst eingezogen, der Einsatz von Fremdarbeitern wird vorangetrieben. Die Fremdarbeiter werden auf dem Werksgelände in Baracken untergebracht.
In der Region Südthüringen sind nach Schätzungen ca. 60.000 Zwangsarbeiter (Durchschnittsalter ca. 20 – 25 Jahre) in der Rüstungsindustrie, im Dienstleistungsgewerbe und in der Landwirtschaft beschäftigt. Die Zahl der für den nationalsozialistischen Staat tätigen Fremdarbeiter bzw. Zwangsarbeiter wird auf 14 Mio., davon in Deutschland auf 10 Mio. geschätzt.

Um 1940
Die Bekleidungsfabrikation Fa. Richard Otto & Co. im Besitz der Kaufleute Richard Otto und Oskar Beyer (im Volksmund Hosen-Otto) verlagert ihren Sitz von der Oberen Marktstraße 19 in dieSachsenburg (heute: Stadtverwaltung), wo sie bis Anfang der 50er Jahre unter dem NamenSpezial-Hosenfabrik firmiert.

Bürgermeister Dr. Hermann Zschaeck zum zehnjährigen Dienstjubiläum 1941.
Foto: Rudolf Meffert
(aus privater Sammlung)

6. April 1941
Deutscher Angriff auf Jugoslawien und Griechenland.


22. April 1941
Waffenstillstand zwischen Deutschland und Frankreich.

1941
Pfarrer Edmund Röser ist vom 15.03.1941 bis 03.04.1946 katholischer Seelsorger. Am 19.05. wird die katholische Pfarrbibliothek von den Nationalsozialisten beschlagnahmt.

22. Juni 1941
Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion. Nach anfänglichen militärischen Erfolgen kommt mit dem Kriegseintritt der USA und dem patriotischen Widerstandswillen der Bevölkerung der UdSSR der Umschwung, der u. a. im Februar 1943 zur deutschen Katastrophe von Stalingrad führt.

Oktober 1941
Die letzten in ihren Wohnorten verbliebenen Juden müssen zur Kennzeichnung auf der linken Brustseite der Oberbekleidung den gelben Davidstern mit schwarzer Inschrift „Jude“ tragen.

8. Oktober 1941
In einer Anweisung zur Mitgliedschaft der „Deutschen Arbeitsfront“ heißt es unter 1.:
„Ausländer, die einer dem deutschen Volk gegenüber fremden Rasse angehören. Als fremdrassig gelt im europäischen Raum in der Regel Juden und Zigeuner.“

9. November 1941
Große Gedenkfeier für die Gefallenen im Stadttheater Hildburghausen mit einer Rede des Kreisleiters der NSDAP und Landrats Werner Büchner. Weitere Gedenkfeiern werden in Pfersdorf, Streufdorf, Gellershausen und Eisfeld durchgeführt.

1942
Zur Betreuung der 1.000 Lazarettbetten kommen die Ordensschwestern (Ursulinen – 1535 in Brescia gegründeter Schwesternorden mit eigener Regel und der Verpflichtung zur Erziehung der weiblichen Jugend – aus Fritzlar nach Hildburghausen.

8. Januar 1942
Das traditionsreiche Hotel Englischer Hof am Markt muss auf Druck von Landrat und Bürgermeister wegen der Kriegsereignisse in Hotel zur Dunkelgräfin umbenannt werden. Besitzer ist Karl Hertel.
Nach dem Tod des Besitzers Karl Fischer († 1941) will Karl Hertel das Hotel neu eröffnen. In einem skurrilen und das System charakterisierenden Brief schreibt der 1. Bürgermeister Dr. Hermann Zschaeck an Fischers Tochter u. a.: „Unter Bezug auf die frühere Mitteilung wird auch auf Wunsch des Herrn Landrates darum ersucht, die Bezeichnung Ihres Hauses als ‚Englischer Hof’ sofort zu beseitigen. Mit Rücksicht auf die Schwere des Kampfes gegen England kann ein weiteres Hinausschieben nicht mehr zugelassen werden, auch historische Gründe können nicht mehr gegen eine sofortige Änderung sprechen.“

Der „Englische Hof“, gegründet 1780, die Nr. 1 des Gastgewerbes in Hildburghausen muss auf Anordnung der Nationalsozialisten den Namen wechseln. Rechts daneben die (berühmte) „Kesselring’sche Hofbuchhandlung.
Sammlung Hans-Jürgen Salier

20. Januar 1942
Wannsee-Konferenz über die Judendeportation und -ausrottung unter dem Vorsitz von Polizeigeneral Reinhard Heydrich (1904 – 1942), verantwortlich für die Gesamtplanung der „Endlösung der Judenfrage“ und stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren. Der skrupellose und gefürchtete NS-Führer wird am 4. Juni 1942 bei einem Attentat in Prag getötet.


21. März 1942
Nach Ernennung des thüringischen Gauleiters Fritz Sauckel zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz wird von ihm das System der Zwangsarbeit eingeführt.

1. Mai 1942
Die Waffenfabrik C.G. Haenel GmbH Hildburghausen kommt an die Norddeutsche Maschinenfabrik (NORDEUMA).

10. Mai 1942
Verordnung zur Evakuierung der Juden aus Thüringen.
Vier jüdische Bürger aus Hildburghausen werden nach Belzyce/Polen deportiert, am 20.09. sechs nach Theresienstadt.

11. Mai 1942
Bei Poppenhausen werden 20 polnische Fremdarbeiter von SA und SS aus Rache für die Tötung eines sadistischen Polizisten gehenkt. Über 1.000 Zwangsarbeiter und Häftlinge aus dem KZ Buchenwald sowie deutsche Bürger, z. B. aus der NORDEUMA Hildburghausen, müssen zur Abschreckung der Hinrichtung beiwohnen.

1942
Seit Ausbruch des Krieges wird eine Vielzahl Dozenten des Technikums zum Wehrdienst eingezogen, auch Oberstudiendirektor Ludwig Wolf. Oberstudienrat Rühlmann wird erneut mit der Leitung der Lehreinrichtung beauftragt.

26. Januar 1943
Mitglieder Hitlerjugend werden als Luftwaffenhelfer eingesetzt.

5. März 1943
Das Ende der jüdischen Gemeinde Hildburghausen
Zum zweiten Mal jährt sich der Todestag von Hermann Rosenthal. Der 1941 als Vierundsechzigjähriger Verstorbene wird noch im Guten Ort seiner Vaterstadt Hildburghausen, auf dem jüdischen Friedhof bei Weitersroda, begraben. Er muss nicht mehr erleben, wie im Mai und September 1942 zehn seiner Glaubensgenossen, darunter der vierjährige Machol Rehbock und seine nichtjüdische Mutter, in Vernichtungslager deportiert worden sind, auch nicht, dass August Gerau, nur weil er mit einer Frau jüdischen Glaubens verheiratet war, im Januar 1943 in Schutzhaft genommen und in ein Arbeitslager abgeschoben wird. Nun sind Frau Gerau und Rosenthals Witwe Emma und die Tochter Erna die letzten jüdischen Hildburghäuser, die man noch in Freiheit gelassen hat. Sie, die gezwungen gewesen sind, beim Verlassen ihrer Wohnung ein Kleidungsstück zu tragen, auf dem sichtbar der Davidsstern mit der Inschrift „Jude“ zu sehen sein muss, sind nur noch Schikanen und Demütigungen ausgesetzt. Von den bereits „Umgesiedelten“ haben sie kein Lebenszeichen mehr erhalten. Flora Simon mit 69 Jahren, am 20. September 1942 nach Theresienstadt deportiert, ist bereits 43 Tage danach dort umgekommen … Zur Deportation aus Hildburghausen sind nur noch Martha Gerau, die im April 1943 nach Auschwitz deportiert und dort umgekommen ist, sowie Emma und Erna Rosenthal verblieben.
Offensichtlich müssen sie an diesem Gedenktag von dem Gedanken überwältigt worden sein, dass ihrem teuren Toten die Drangsal des Lagerlebens erspart und die letzte Ruhe in der Heimaterde geblieben ist. So folgen sie an diesem Tag ihrem geliebten Mann und Vater in den Freitod.
Das war das Ende der jüdischen Gemeinde.
(Nach: Karl-Heinz Roß: Juden in Hildburghausen. Ein chronikalischer Überblick von 1331 bis 1943. – In: Hans Nothnagel:Juden in Südthüringen geschützt und gejagt. Eine Sammlung jüdischer Lokalchroniken in sechs Bänden, Bd. 2. Juden in den ehemaligen Residenzstädten Römhild, Hildburghausen und in deren Umfeld. – Verlag Buchhaus Suhl, 1998 [leicht bearbeitet])  

1. April 1943
Ministeriums-Beschluss: Das Technikum wird für die Zeit des Krieges geschlossen. Die letzte Abschlussprüfung findet am 27.03.1943 statt.




Der Sonderblock der 3. Philatelistischen Ausstellung 1943 in Zagreb mit der Abbildung der Alten Marienkirche und dem Zisterzienserkloster nach einem Gemälde von Vladimir Kirin aus dem Jahr 1650, gestaltet von Professor Karl Seizinger aus Hildburghausen, gilt in Expertenkreises als bester Stahlstich in der Geschichte der Postwertzeichengravur.
Die Abbildung unten zeigt eine Rarität, einen Probeabzug in Grün mit der Signatur „K. Seizinger“.

Sammlung Hans-Jürgen Salier

1943
Immer weitere Züge mit Evakuierten aus dem Rheinland und Düsseldorf treffen in Hildburghausen ein.

Herbst 1943
Am Bahnhof und am Goldbach werden Splittergräben gebaut.

19. Dezember 1943
Vor allem wegen fehlenden Fachpersonals während des Krieges werden die Reichspostdirektionen (RPD) in Postleitgebiete eingeteilt. Die RPD Erfurt erhält die Nr. 15, die in Klammern bzw. einem Kreis vor die Ortsangabe gesetzt werden muss.

1943/44
Bombenterror der Feindmacht. 39 Bomben im Wiesengrund von Milz, Splitterbomben in Häselrieth, 2 Menschen getötet. Brandbomben beim Waldhaus und am Großen Gleichberg (Blindgänger). Bei Stressenhausen zwei Benzinkanister ausgeklinkt und abgeworfen. Bei Streufdorf ein feindliches Flugzeug niedergegangen und zertrümmert. Im Wiesengrund vor Behrungen deutsches Flugzeug abgestürzt und zertrümmert. Bei Harras Luftschlacht, Feindflugzeuge herabgegangen. Viel Stanniolstreifen hier über abgeworfen, um die Horchgeräte zu stören.
(Nach Albert Buff: 1932 bis 1945 – Notizen und Auszüge aus dem Leben von Albert Buff. In: Michael Römhild und Hans J. Salier: Hildburghausen unterm Hakenkreuz. – Hildburghausen, 2006, S. 2006, S. 144])

1. April 1944
Der preußische Regierungsbezirk Erfurt, zu dem der Kreis Schleusingen gehört, wird mit dem Kreis Schmalkalden (preußische Provinz Hessen-Nassau) per Führererlass in eine selbstständige preußische Provinz umgewandelt und den Reichsverteidigungsbezirken (Gaue) angepasst. Die Kreisgrenzen Schleusingens bleiben unberührt.

1944
Ein alliiertes Militärflugzeug wirft über Häselrieth Restmunition (Splitterbomben) ab, dabei werden zwei Menschen getötet.

1. Juli 1944
Bildung des Gaus Thüringen aus dem Land Thüringen, dem preußischen Regierungsbezirk Erfurt und dem hessischen Kreis Schmalkalden und den in diesen Gebieten liegenden preußischen Exklaven unter Regierungsstatthalter in Thüringen.

20. Juli 1944
Nach dem Hitlerattentat durch die Widerstandsbewegung vorwiegend deutscher Heeresoffiziere verschärfen sich auch die Polizeiaktionen in Hildburghausen gegen politische Gegner. Verhaftet werden die Kommunisten August Kahl, Anton Schneider und Otto Mesch. Nach schriftlicher Aussage des ehemaligen Bürgermeisters Dr. Hermann Zschaeck (28.01.1947) bewahrt er die Bürger vor einem Transport in das KZ Buchenwald.

Ab Ende August 1944
Die Aufbauschule (heutige Regelschule Joliot-Curie) wird für ein Lazarett freigeräumt. Der Unterricht erfolgt im Gymnasialgebäude. Auch hier wird der Schulbetrieb mehr und mehr wegen der Bereitstellung der Räumlichkeiten für ein Lazarett eingeschränkt. Der Unterricht bis zum Einmarsch der US-Truppen wird nur noch provisorisch aufrechterhalten

31. August bis 8. September 1944
Verordnungen der Kriegswirtschaft zur Einführung der 60-Stunden-Arbeitswoche.
Neue Maßnahmen im Erziehungswesen, Stilllegung von Zeitschriften, Kräfteeinsparung beim DRK, Verlängerung der behördlichen Dienststunden.
So werden u. a. Schüler der 8. Klasse, die aus gesundheitlichen Gründen nicht im Kriegseinsatz stehen, als Lagereinsatzführer eingesetzt oder zu Arbeitseinsätzen herangezogen. Schaustellerbetriebe müssen ihre Tätigkeit einstellen. Die ehrenamtliche Tätigkeit beim DRK entbindet nicht von der Arbeitspflicht. Dienststunden der Beamten werden bis 21 Uhr heraufgesetzt, und auch Sonntagsarbeit wird verlangt.

11. September 1944
US-amerikanische Truppenverbände überschreiten die deutsche Grenze.
Feindliche Flieger über Hildburghausen, und in Veilsdorf geht ein Einzelflugzeug aus einem Pulk herunter und beschießt einen Güterzug, Lokomotivführer und Heizer verwundet. In einem benachbarten Haus wird einem Arbeiter ein Bein zerschmettert. Bei Hellingen soll ein Flugzeug abgestürzt sein, bei Simmershausen 1 feindliches Flugzeug gelandet sein.“
(Nach: Albert Buff. In: Römhild/Salier: Hildburghausen unterm Hakenkreuz. – S. 144)

12. September 1944
Abkommen zwischen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die Besatzungszonen in Deutschland und über die Verwaltung von „Groß-Berlin“ (Londoner Abkommen), wird am 11.02.1945 in Jalta bestätigt. Die zusätzliche französische Besatzungszone wird auf der Konferenz von Jalta gebildet durch Ausgliederung von Territorien aus den Besatzungszonen der USA und Großbritanniens.

Der Kreis Hildburghausen gehört zur „Östlichen Zone“, die von Streitkräften der UdSSR besetzt werden soll.
(s. auch ab 1. Juli 1945)

25. September 1944
Erlass des deutschen Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler zur Bildung von Volkssturmeinheiten. Die waffenfähigen Männer zwischen dem 16. und 60. Lebensjahr werden einberufen. Die Organisation liegt bei der NSDAP, bei den Gauen und Gauleitern. Ca. 1 Mio. Kinder, Kranke und Greise, schlecht ausgerüstet und ausgebildet, werden zumeist in sinnlose militärische Aktionen geschickt.

Oktober 1944
Der „Volkssturm“ wird aufgestellt (16 – 60 Jahre).

November 1945
Wegen Kohlemangels findet meist nur einmal in der Woche Unterricht statt, den Schülern werden Aufgaben gestellt. Teilweise bringen sie selbst ein Brikett mit. Diese Maßnahme wird aber vom Landrat verboten. Nach dem 14. Dezember gibt es Weihnachtsferien auf unbestimmte Zeit. Ab 29. Januar 1945 werden im immer kleiner werdenden „Großdeutschen Reich“ die Schulen geschlossen.

Bis 1944/45
Das Technikum Hildburghausen wird zu Lehr- und Ausbildungszwecken einer Kraftfahrtechnischen Militäreinheit genutzt, dann vom Physikalischen Institut der Technischen Hochschule Karlsruhe unter Prof. Dr. Harald Volkmann.

1944/45
Wegen der Kriegsereignisse werden in der Stadt- und Kreisbibliothek Hildburghausen nur einmal in der Woche Bücher ausgeliehen.

Anfang 1945
Im Arbeitserziehungslager Großer Gleichberg sind bis zu 600 Gefangene unter menschenunwürdigen Bedingungen eingepfercht. Sie müssen wöchentlich bis 70 Stunden Sklavenarbeit verrichten.

Anmerkung: Die Verbrechen in diesem Lager sind von dem Historiker Gert Stoi, Römhild, in dem Buch Das Arbeitserziehungslager Römhild 1943 – 1945 – Dokumentation eines Verbrechens 
(Salier Verlag Leipzig und Hildburghausen, 2010) aufgearbeitet worden.

6. Januar 1945
„Volksopfer“-Aufruf Fritz Sauckels zum Abwehrkampf. Die Sammlung soll zur Ausrüstung mit Kleidungsstücken des im September 1944 aufgestellten Volkssturms genutzt werden.

13. Januar 1945
Bei Heßberg stürzt ein deutsches Flugzeug ab. Die Piloten können sich mit Fallschirmen retten, der Bordfunker stirbt.

Januar 1945
BBC London soll – so berichten Zeitzeugen – die Meldung veröffentlicht haben: „Jetzt wecken wir das schlafende Südthüringen – Coburg, Hildburghausen und Meiningen kommen dran.“ 

Anmerkung: 
Das Zitat kann durch keine exakte Quelle bestätigt werden.
Beim Reichsverteidigungskommissar wird eine Umquartierungskommission gebildet.

23. Januar 1945
Von der Deutschen Reichsbahn wird wegen der Beschädigungen des Schienennetzes vorwiegend durch alliierte Luftangriffe der zivile Schnell- und Eilzugverkehr eingestellt.

Ab 29. Januar 1945
Im Großdeutschen Reich werden kriegsbedingt alle Schulen geschlossen.

30. Januar 1945
In einer Rundfunkansprache ruft Adolf Hitler das deutsche Volk auf, den alliierten Streitkräften entscheidenden Widerstand entgegenzusetzen. Er redet vom „Endsieg“ und von den Krieg entscheidenden „Wunderwaffen“.

4. bis 11. Februar 1945
Konferenz von Jalta (Krimkonferenz mit Churchill, Roosevelt und Stalin). Die Gipfelkonferenz vereinbart politische und militärische Maßnahmen zur Beendigung des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der Vereinten Nationen (UN) in San Francisco zur Festlegung er Gründungscharta. Für Europa sind die Vereinbarungen für die Neugestaltung des Kontinents von weittragender historischer Bedeutung.
Aufteilung des Deutschen Reichs in vier Besatzungszonen, Mitwirkung Frankreichs im Alliierten Kontrollrat, Entnazifizierung, Installation einer alliierten Reparationskommission und Anerkennung der sowjetischen Forderungen nach 20 Mrd. US $ als „Verhandlungsgrundlage“, Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens. Illusionäre Vorstellungen der Westmächte über Stalins Politik und den Vormarsch der Roten Armee führt zu Konzessionen von großer Tragweite zu Gunsten der Sowjetunion.

6. Februar 1945
Luftangriff eines großen Flugzeugverbandes. Im Park der Heilanstalt Hildburghausen (heute: HELIOS Fachkliniken GmbH) detoniert eine Fünf-Zentner-Bombe. Sie hinterlässt einen acht Meter tiefen Krater. Sachschaden entsteht, Menschen kommen nicht zu Schaden.

Anmerkungen: Ziele des Luftangriffs sind sicherlich die Gleisanlagen der Deutschen Reichsbahn und der Rüstungsgüter produzierende Industriebetrieb NORDEUMA.

8. Februar 1945
In der Nähe der niederländischen Stadt Nimwegen am Niederrhein, die mit der Geschichte Hildburghausens verbunden ist, eröffnet die kanadische 1. Armee eine Offensive gegen deutsche Stellungen.

12. Februar 1945
Der Leiter der NSDAP-Reichskanzlei, Reichsleiter Martin Bormann, ruft die Frauen und Mädchen zu Hilfsdiensten im „Volkssturm“ auf. Auch die Aufstellung von Frauenbataillonen ist geplant.
Die Lebensmittelrationen im Reich werden um mehr als 10 Prozent gekürzt.

13. Februar (Dienstag, Nacht zum 14.02.)14./15. Februar
Dresden wird durch einen britischen Luftangriff (773 Bomber) mit massierten Flächenbombardements in zwei Wellen nahezu vollständig zerstört, in den frühen Morgenstunden des 15.02. kommt es zu einer weiteren Angriffswelle durch 400 US-amerikanische Bomber auf das zertrümmerte Dresden.

15. Februar 1945
Reichsjustizminister Otto Georg Thierack verkündet für Ortschaften in Frontnähe die Einrichtung von Standgerichten. Auch gegen die Zivilbevölkerung soll mit aller Härte vorgegangen werden, um den Zusammenbruch der Kampfmoral zu verhindern.

17. Februar 1945
Der 71-jährige Rentner Johann Ebert aus Simmershausen bringt seinen Pflegesohn Gerhard Schütz zu neuen Pflegeeltern in Hildburghausen, weil er wegen des Todes seiner Ehefrau Christiane nicht in der Lage ist, den Jungen weiterhin zu betreuen. Nach dem herzlichen Abschied nimmt Ebert zur Rückfahrt der HHE (Hildburghausen-Heldburger-Eisenbahn) Platz in einem Waggon. Gegen 12.45 Uhr greifen zwei amerikanische Kampfflugzeuge an und beschießen den Zug mit Bordwaffen. Ebert wird getroffen und verstirbt, vier weitere Reisende werden verletzt.
(Nach Dr. Günter Zeitz, Hildburghausen)

19. Februar 1945
An die Bevölkerung des Gaues Thüringen erlässt Sauckel „Durchhalte“-Aufrufe.

23. Februar 1945
Amerikanischer Luftangriff auf Hildburghausen
Gegen 11 Uhr, bei strahlend blauem Himmel, gibt es Fliegeralarm, anschließend Entwarnung. Gegen 12.42 Uhr kommen aus Süden/Südosten (Richtung Rodach/Coburg) anglo-amerikanische Bomber in niedriger Flughöhe über Stadt- und Krautberg. Ziel sind vermutlich die Rüstungsgüter produzierende Norddeutsche Maschinenfabrik (Nordeuma), späteres Gelände des Schrauben- und Normteilewerkes, sowie die Werrabahn. Die Bombenlast, ca. 100 Sprengbomben, wird nicht dort, sondern über der Nervenheilanstalt und deren Umgebung abgeworfen. Getroffen werden das Anstaltsgelände (West- und Zwischenflügel des Hauptgebäudes, die sog. Herrenvilla, Schuppen, Scheunen und Speicher der landwirtschaftlichen Abteilung). Ein Teil der Nervenklinik wird als Lazarett genutzt, darunter befinden sich Kriegsgefangene. Das Lazarett ist mit einem großen roten Kreuz gekennzeichnet. Alle anderen Gebäude werden unterschiedlich in Mitleidenschaft gezogen, Teile der Eisfelder Straße in Anstaltsnähe, Winzergasse, Weitersrodaer- und Wiedersbacher Straße, Narvikplatz (heute: Thälmannplatz).
Über die Zahl der Getöteten gibt es keine gesicherten Quellen. Die NS-Propaganda listet in der Thüringer Tageszeitung vom 01.03.1945  79 Namen auf und vermerkt: „Außerdem fielen noch 32 Volksgenossen aus anderen Kreisen Deutschlands dem Terrorangriff zum Opfer.“ Hierbei handelt es sich vorwiegend um Kriegsflüchtlinge aus Posen, Ostpreußen, Dresden und verwundete deutsche Soldaten des Lazaretts. In unterschiedlichen Quellen wird von 103 bzw. 139 Opfern gesprochen. Nicht auszuschließen ist, dass es sich um insgesamt bis zu 218 Tote handelt, da vermutlich über getötete Patienten keine Statistik geführt worden ist. Es ist nicht bekannt, wie viele Gefangene des Kriegsgefangenenlagers auf dem Anstaltsgelände umgekommen sind. Sie werden – wie Gefangene des Arbeitserziehungslagers auf dem Großen Gleichberg bei Römhild – zu Bergungsarbeiten eingesetzt und leisten Außerordentliches für die Bevölkerung. Die Thüringer Volkszeitung lässt am 23.02.1946 einen Zeitzeugen berichten, der ebenfalls von 200 Toten ausgeht.
Insgesamt werden 100 Bombentrichter gezählt, 180 Wohnräume in 26 Gebäuden werden völlig zerstört (1/10 des gesamten Wohnraums der Stadt) und eine weitere große Zahl an Häusern wird beschädigt. Vernichtet werden u. a. die Häuser der Familien Höpping, Schaffner, Reimpel, Ehrhardt, Laue.


Luftbildaufnahme 1936. Das imposante Hauptgebäude der Heilanstalt, das bei der Bombardierung am 23. Februar 1945 erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden ist.
Die US-amerikanischen Kampfbomber klinken ihre vernichtende Last nicht – wie im Flugauftrag vermerkt – am Schornstein der Rüstungsfirma Nordeuma ab, sondern am ähnlich aussehenden der Nervenheilanstalt. Der Tod trifft die Zivilbevölkerung vor allem zwischen Winzergasse und Nervenheilanstalt.
Die Ruinenabbildungen zeigen die zerstörte Maschinenhalle der Firma „Kuß & Co.“, die einzige Fabrikanlage im Angriffs-Bereich am 23. Februar 1945.



 







Im Bombenschadensgebiet werden die Schäden erfasst. Rechts im Bild, in Richtung Kamera schauend, ist Fritz Kuß zu sehen, der Betriebsleiter von „Kuß & Co.“ In der Eisfelder Straße 37,
der als Ortsgruppenpropagandaleiter einer der fanatischsten Nationalsozialisten in Hildburghausen gewesen ist.

Die Fabrikruine ist für die Kinder sicherlich ein Abenteuerspielplatz. Dort lässt sich manch Nützliches entdecken. Wir wissen es nicht.

26. Februar 1945
Der Reichsführer SS Heinrich Himmler ordnet die Bildung von Sonderstandgerichten an. Sie sollen bei Auflösungserscheinungen in der Wehrmacht und in der Zivilbevölkerung tätig werden.
s. auch 15. Februar 1945)

Anmerkung:
Aus Hildburghausen sind keine vollstreckten Sondergerichtsurteile bekannt. Das Urteil gegen den Bürgermeister Dr. Hermann Zschaeck vom 07.04.1945 ist nicht vollstreckt worden. – Besondere Brutalität zeigt im Coburger Raum das fliegende Standgericht des Majors Erwin Helm.

28. Februar 1945
Der US-amerikanische Präsident Franklin Delano Roosevelt gibt in Washington der Presse bekannt, dass Deutschland und Japan frühestens in 50 Jahren Mitglieder der zu gründendenVereinten Nationen werden können.

2. März 1945, 15 Uhr
Trauerfeier für die Bombenopfer auf dem Marktplatz. Der NSDAP-Kreisleiter und Landrat Büchner sowie andere NS-Chargen ergehen sich in antijüdischen Hetztiraden. Auf dem Friedhof findet die kirchliche Feier statt.

5. März 1945
Die männliche Jugend des Jahrgangs 1929 (16 Jahre) wird zur Wehrmacht einberufen. Nach kurzer Ausbildung wirft man die Jungen an die Front.
Himmler-Erlass:
Wenn das nationalsozialistische Deutschland zugrunde gehen soll, dann sollen unsere Feinde, die Verräter am großgermanischen Gedanken, die jetzt in den Konzentrationslagern sitzen, nicht den Triumph erleben, als Sieger herauszugehen. Sie werden diesen Tag nicht erleben. Sie werden mit uns verrecken. Das ist der klare und logische Befehl des Führers, und ich werde dafür sorgen, dass er genauestens und gründlich ausgeführt wird.
(Zitiert nach: Deutschland im zweiten Weltkrieg. – Band 6, Berlin 1988, S. 643)

7. März 1945
Absturz einer britischen Lancaster im Marisfelder Flurgebiet Vogelherd. Die 7-köpfige Besatzung wird am 15.03. in M. beigesetzt, 01.07.1950 Überführung auf den Alliierten Heldenfriedhof in Westberlin.

8. März 1945
Der Führer lässt den Befehl verkünden, dass allen deutschen Familien Sippenhaft droht, wenn sich Angehörige, die als Soldaten eingezogen worden sind, sich in Gefangenschaft begeben haben, ohne bis zum Äußersten gekämpft zu haben oder verwundet zu sein.

15. März 1945
Runderlass Sauckels für Appelle gegen „Defätismus (geistig-seelischer Zustand der Mutlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Resignation, Schwarzseherei) und Kleinmut“.

19. März 1945
Adolf Hitler erlässt den sog. „Nero-Befehl“. Industrieanlagen und Versorgungseinrichtungen sollen nach dem Prinzip der „verbrannten Erde“ beim Vorrücken des Kriegsgegners zerstört werden. Der Befehl stößt auch auf Widerstand, u. a. bei Rüstungsminister Albert Speer.

21. März 1945
Die Bilanzsumme der Kreissparkasse Hildburghausen für das Jahr 1944 beläuft sich auf 94.567.283 RM (Spareinlagen: 80.331.628,- RM, Hypotheken und Darlehen von 5.086.651 RM, Sicherheits- und andere Rücklagen von 2.098.463 RM).

24. März 1945
Unter den Ostarbeitern kommt es auf Anweisung des Reichsführers-SS zur Freiwilligenwerbung für die Wlassowarmee.

Anmerkung: Andrei Andrejewitsch Wlassow (1900 – 1946). Sowjetischer General, wirft 1941 die deutschen Truppen vor Moskau zurück, 1942 Gefangennahme im Wolchowkessel, stellt sich den Deutschen für das antisozialistische nationalistische Russische Komitee zur Verfügung, stellt im Auftrag Deutschlands im Herbst 1944 zwei Divisionen des Komitees für die Befreiung der Völker Russlands auf, geht mit seinen Truppen in amerikanische Gefangenschaft, wird an die Sowjets ausgeliefert und 1946 hingerichtet.

29. und 30. März 1945

Vom Volkssturm werden Gräben und Hindernisse für Panzer angelegt (besonders Coburger Straße, Wiedersbacher Straße, Eisfelder Straße).

31. März 1945
Ämter in der Partei (NSDAP) und im Öffentlichen Dienst werden getrennt.

1. bis 16. April 1945
Besetzung Thüringens und westsächsischer Gebiete.
Die Hauptstoßrichtung geht von den Mainbrückenköpfen Hanau und Aschaffenburg nach Nordosten (bis in den Thüringer Wald). – Die Nazi-Führungsclique des Gaues Thüringen beginnt zu fliehen. Die Städte und Gemeinden des heutigen Landkreises Hildburghausen werden bis 11.04. besetzt. Es handelt sich um Kampfverbände (meist Panzertruppe) der 3. US-Armee, also Teil der Heeresgruppe Mitte. Die Armee wird von dem legendären Panzerstrategen George Smith Patton befehligt, der in der März-Offensive bis Franken und Thüringen vorrückt. Das XII. US-Corps, die Combat Commands A, B und R rückt vor aus Richtung Fulda über Meiningen, Zella-Mehlis, Suhl, Schleusingen, Hildburghausen und weiter nach Coburg, Kronach, Bayreuth, Hof in die Oberpfalz.
Auf deutscher Seite steht die zu diesem Zeitpunkt die nahezu aufgeriebene 7. Armee gegenüber, die für einige Tage ihr Hauptquartier auf Schloss Callenberg bei Coburg hat, auch in Creidlitz und Unterlauter (Kreis Coburg) haben kurzzeitig Teile des Generalstabs gelegen.

Anmerkung: Es sei darauf verwiesen, dass in einigen Chroniken der Region vermerkt wird, dass General Patton das betreffende Dorf oder die Stadt selbst befreit hätte. Dem muss widersprochen werden. Er war Kommandant der 3. US-Armee.

3. April 1945

Flaggenbefehl – verordnet von Reichsführer SS Heinrich Himmler:
Im jetzigen Zeitpunkt des Krieges kommt es einzig und allein auf den sturen, unnachgiebigen Willen an zum Durchhalten. Gegen das Heraushängen weißer Tücher, das Öffnen bereits geschlossener Panzersperren, das Nichtantreten zum Volkssturm und ähnliche Erscheinungen ist mit härtesten Maßnahmen durchzugreifen. Aus einem Haus, aus dem eine weiße Fahne erscheint, sind alle männlichen Personen zu erschießen. Es darf bei diesen Maßnahmen keinen Augenblick gezögert werden.
Eine Vorhut eines amerikanischen Kampfverbandes rückt nach Marisfeld an der Vachdorfer Straße ein. Ein kleiner Trupp Suhler Gendarmerie eröffnet das Feuer. Es kommt zum Gegenfeuer mit Gebäudeschäden. Mutige Bürger signalisieren die Kapitulation des Dorfes.

4. April 1945
Die US-Army besetzt das Gleichberggebiet. Das Arbeitserziehungslager auf dem Großen Gleichberg ist bereits evakuiert worden. Der Todesmarsch lässt sich bis Richtung Gießübel, Masserberg und Kahlert nachweisen, dann verliert sich die Spur.
 

5. April 1945
Gauleiter Sauckel ruft zum Volksaufgebot auf, alle Männer und Frauen zwischen dem 16. und 60. Lebensjahr werden unter Androhung der Todesstrafe zum Fronteinsatz verpflichtet.

1945
Der Kreis Hildburghausen ist während des Krieges von insgesamt 22.000 Westevakuierten belegt.

1945
In der Chronik der katholischen Pfarrgemeinde heißt es: „... dann waren wir im Frühjahr 1945  9 Geistliche in meiner Pfarrei. Einige der Herren widmeten sich mit großem Eifer der Seelsorge und brachten dabei große Opfer, aber nur für die Evakuierten, so daß in den von mir besuchten Stationen die wenigen einheimischen Katholiken vernachlässigt wurden.

7. April 1945
US-amerikanische Jagdbomber beschießen den Personenzug Sonneberg – Eisfeld (zwischen den zum Kreis Sonneberg gehörenden Orten Bachfeld und Katzberg), fünf Tote sind zu beklagen (Lokführer, Schaffnerin und drei Bürger aus Bachfeld und Schalkau). Der Verkehr auf der Werrabahn ist unterbrochen.

7. April 1945
Kleine versprengte SS- und Wehrmachtsverbände, die sich in der Schloss-Kaserne und in anderen Standorten eingenistet haben, beschießen die US-amerikanischen Luftaufklärer.
Gegen 10.30 Uhr holen die US-Truppen mit Artillerie und Tieffliegerunterstützung zum gezielten Gegenschlag aus. Getroffen wird das Schloss von leichten Bomben und Artilleriegeschossen, es brennt in der Nacht zum 08.04. vollständig aus. Treffer erhält auch die Christuskirche, es gibt aber kaum größere Schäden. Auf die Stadt fallende Brandbomben werden von beherzt reagierenden Bürgern wirkungslos gemacht, z. B. im ehemaligen Logenhaus der Schneidermeister Ernst Schmidt. Die westliche Außenfassade des Rathauses wird leicht beschädigt, ebenso ein Raum mit
Museumsgut, darunter auch die bekannte Kreidezeichnung Carl Barths
Die Schwestern Rommel.
Ferner erhält beispielsweise die Möbelfabrik Benz & Eckardt 16 Volltreffer (4 Werkhallen und 2 Wohnungen werden zerstört).
Gegen 16 Uhr nehmen amerikanische Panzer die Stadt ein. Bürgermeister Dr. Hermann Zschaeck hisst auf dem Rathaus eine weiße Fahne.
Eine dreitägige Ausgangssperre wird verhängt. In der Nacht wird von Höhe der Molkerei (D.-Dr.-Moritz-Mitzenheim-Straße/Unteres Kleinodsfeld) mit Artillerie in Richtung Eisfeld geschossen. Um den 07.04. fallen in Hildburghausen vermutlich 10 Männer.
Am 7. April 1945 gegen 18 Uhr ziehen US-amerikanische Truppen in Hildburghausen ein. Das Dritte Reich ist für Hildburghausen zu Ende.
Auf dem Stadtberg kommt es zu einem erbitterten Gefecht zwischen amerikanischen und deutschen Verbänden. Anschließend dringen die Amerikaner in den Rodacher und Coburger Raum ein. Zum Widerstand kommt es in Steinfeld zwischen Amerikanern und der Waffen-SS sowie schwachen Wehrmachtsverbänden. Steinfeld fällt am 10.04.1945.Im Lagebericht des Oberkommandos der Wehrmacht heißt es am 08.04.1945:
Langensalza ist nun vom Feinde besetzt. Im Thüringer Wald nur geringere Tätigkeit. Von Ohrdruf stieß der Feind nach Osten vor. Hildburghausen ging verloren. Vorstöße des Gegners gegen Bad Neustadt.
Im Bericht der Heeresgruppe G wird am 09.04. gemeldet:
Bei Friedrichroda ein eigener Igel. Angriffe von Suhl nach Osten. Hildburghausen ging verloren.

Bürgermeister Dr. Hermann Zschaeck
Über die Vorgänge am 7. April 1945 in Hildburghausen

Der Festungskommandant Reichert liess mich am Sonnabend 7.4. vorm. 9 Uhr kommen und erklärte mir, dass über die Taktik des bevorstehenden Kampfes nichts gesagt werden könne; es ginge auf keinen Fall, dass die Bevölkerung weisse Fahnen hisse. Gegen 12 Uhr setzte die Beschiessung der Stadt mit Artillerie ein, zunächst nur spärlich und vereinzelt, später mehr. Gegen 14.30 Uhr traf ich auf einem meiner Kontrollgänge in der Schlossgasse die von der Kaserne abrückende Besatzung mit 8 – 10 Mann unter Führung von Hptm. Reichert; er erklärte mir, dass man sich auf den Stadtberg zurückzöge. Ich ging dann unter fortwährender Beschiessung zum Markt zurück; die Stadt war völlig leer, nur einige Feuerwehrleute u. Luftschutzposten taten ihre schwere Pflicht. Der Volkssturm war bereits um 13 Uhr aufgelöst worden. Die Verbitterung in der Bevölkerung war umso grösser als bekannt war, dass der Landrat und Kreisleiter, der Oberstleutnant, der stellv. Landrat u. der Fahrbereitschaftsleiter ihre Familien nach rückwärts in Sicherheit gebracht hatten u. selbst auch nicht mehr da waren; ich war der einzige, der auf seinem Posten geblieben war. Es bestand ein Reichsbefehl, dass jeder Bürgermeister, der weisse Fahnen hisst, erschossen wird, vollstreckte Urteile dieser Art waren auch bekannt gegeben worden. Bei der verbrecherischen Sinnlosigkeit, den Krieg ins Land zu tragen, erwog ich trotz dieses Reichsbefehls, dem Kampf im Interesse der Bevölkerung ein Ende zu machen. Nach kurzer Überlegung wies ich eine Frau, die ich im Luftschutzkeller des Landratsamtes traf, an, am Blitzableiter des Landratsamtes ein weisses grösseres Tuch zu hissen; ich selbst rief im Sächs. Hof u. die Fa. Mohr in Häselrieth, woher die Amerikaner anrückten, an u. bat, weisse Fahnen zu hissen u. tat dasselbe am Rathaus.
Nach einiger Zeit, während ich allein im Keller des Rathauses sass, hörte ich Schiessen auf dem Markt; ich ging hinauf und sah, wie ein deutscher Feldwebel nach dem weissen Tuch am Blitzableiter des Landratsamtes schoss. Ich ging auf ihn zu, er brüllte sehr. Da erschienen ein anderer Feldwebel und ein Gefreiter, die mich suchten, weil ich das Hissen weisser Fahnen veranlasst hätte; sie kamen aus Richtung Sächs. Hof. Sie behaupteten, sie hätten von einem SS-Führer den Befehl, mich zu erschiessen, sie zogen u. entsicherten ihre Revolver. Nur mit lautestem Protest erzwang ich mir Gehör, mein Hinweis auf das Verbrecherische des Kampfes um die Stadt brachte nur noch mehr Wut bei den Soldaten auf. Ich erreichte aber durch meinen Protest, dass man mir erklärte, ich sei verhaftet, und dass man mich zum Bahnhof zu dem SS-Führer bringen müsse, der mich erschiessen würde. Man nahm mich rechts und links am Mantelärmel fest und führte mich zum Bahnhof durch die Bernhardstr. Am Bahnhof war kein SS-Führer mehr. Man wollte mich rückwärts in Richtung Stadtberg abführen, die Amerikaner waren schon erheblich nah angerollt. Ich protestierte erneut u. immer wieder und sagte, dass ich in dieser Situation auf den Marktplatz gehöre u. nicht in den Wald. Bei dem Durcheinander und dem Näherrücken der Amerikaner brachte ich den Soldaten allmählich die Ansicht bei, dass ihr Verhalten sinnlos sei; als sie schwankend wurden, benutzte ich, zumal die Amerikaner immer näher kamen und dadurch die Soldaten unsicher wurden, in der Unruhe die Gelegenheit und zog mich durch den Nonnespark zurück zum Markt, wo dann gegen 18 Uhr die Amerikaner einrückten.

Hildburghausen, 10. Mai 1945


Das als Kaserne genutzte ehemalige Residenzschloss Mitte der dreißiger Jahre und
nach der Zerstörung am 7./8. April 1945.
Sammlung Hans-Jürgen Salier

Cover des Buchtitels von Michael Römhild und Hans-Jürgen Salier
„Hildburghausen unterm Hakenkreuz –
Versuch einer Dokumentation mit Fotos aus der ‚Sammlung Meffert‘. –
Stadtmuseum Hildburghausen und Verlag Frankenschwelle Hildburghausen KG Hildburghausen, 2005 (ediert als Hartband und als Paperback) 

Es ist einfacher, Menschen zu täuschen, anstatt sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.

Mark Twain, 1835-1910, amerikanischer Schriftsteller
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