Eine Seite für Hildburghausen

Aus der böhmischen Heimat


Mit dem HJS sehr vertrauten Jenny-E[rnst] Hollmann hatte er ein hervorragendes und inzwischen zur Standardliteratur gehörendes Numismatikbuch produziert: Münzgeschichte des Herzogtums Sachsen-Hildburghausen 1680 – 1826. Auf seine Vermittlung hin gab es in den zurückliegenden Jahren einige Druckschriften von Sudetenschlesiern, vor allem für den Burgberg Verlag Grettstadt, die im Druckhaus Offizin Hildburghausen GmbH hergestellt wurden. Das sprach sich bei den Sudetendeutschen herum. Eines Tages kam er im Verlag in der Schollstraße vorbei und erläuterte das Projekt. Das klang gut, auch wenn man bei Buchproduktionen sehr vorsichtig sein musste, denn beinahe jeder, der vielleicht drei Sätze einigermaßen fehlerfrei schreiben konnte, fühlte sich berufen, seine Lebenserinnerungen zwischen den Pappdeckeln zu Papier zu bringen.

Bei dem Projekt sagte er schnell ja, denn das Manuskript, geschrieben von einer sehr bescheidenen und klugen Frau, einer Schneiderin, war vorbildlich vorbereitet, auch ganz klare Gestaltungsvorschläge existierten. Das Gefühl war richtig. In den letzten Septembertagen 2000 saß HJS Bärbel Köstler aus dem fränkischen Seukendorf im Landkreis Fürth gegenüber. Wir begannen sofort mit der Arbeit, und das mehr als 300 Seiten umfassende Buch mit dem Titel „KLEINAUPA (MALÁ ÚPA) – Das höchstgelegene Dorf Böhmens unter der Schneekoppe – Überliefertes und Erlebtes“ kam noch zum Christfest auf den Gabentisch, mit einer Auflage von knapp 500 Exemplaren. Heute denkt HJS noch mit Herzklopfen daran, denn das Dorf im heutigen Kreis Trutnow (Trautenau), dort, wo der Berggeist Rübezahl zu Hause ist, hatte einst ebenso viele Einwohner wie die Auflagenhöhe und das dort dargestellte Geschehen lag inzwischen mindestens zwei Generationen zurück und noch in einem anderen Land, im Dreiländereck in Tschechien. Wer soll diese Bücher kaufen? Die Sorge war aber überflüssig. Kaum waren die ersten Pressinformationen herausgegeben worden, war die erste Auflage vergriffen, eine zweite in gleicher Höhe folgte wenige Monate später. Und im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist die Nachfrage noch groß, aber kein Exemplar mehr vorhanden. 

Im Kapitel 8 „Die Bewohner und ihre Lebensweise“ gab es auf den S. 244 ff. ein Teilkapitel „So wurde daheim gekocht und gebacken“ und da war es leicht zu erkennen, dass die privaten „Kochkünste“ auch von böhmischen Einflüssen geprägt wurden. In Erinnerung an Bärbel Köstler und damit auch für viele Sudetendeutsche fließt das kleine Kapitel hier ein. 

So wurde daheim gekocht und gebacken 

Dieses Kapitel könnte auch mit „Unsere Leibgerichte“ betitelt sein. Hatte doch und hat eine jede Region ihre Spezialitäten und ihre „Gutschmecklan“. Wenn der obige Titel gewählt wurde, dann einfach deswegen, weil es schlichtweg oft am Nötigsten fehlte, um „große Küche“ zu machen, die Hausmütter vielmehr froh waren, wenn sie die hungrigen Mäuler satt bekamen. Wir brauchen uns nur der beiden letzten Kriege zu erinnern und der bitterarmen Zeit, die diesen folgte, und selbst in Normalzeiten war unser Gebirgsdorf stets eines der ärmsten.

Damit soll nicht gesagt sein, dass man nicht zu kochen verstanden hätte, gewiss nicht. Eher wäre richtig, dass aus dem Wenigen, das zu Gebote stand, man gar Köstliches auf den Tisch zu bringen wusste. 

Der Tag begann zumeist mit einer Suppe, einer Melchsoppe etwa. Das war in kochendes Wasser eingequirltes Mehl, mit ungekochter Milch aufgefüllt. Damit sie länger sättigte, wurde Brot hineingebrockt. Lattermelchsoppe wurde nur von Milch zubereitet. Sollte sie besonders gut und kräftig sein, wurde noch ein Ei hineingeschlagen und nur vorsichtig verrührt, so dass es große Eiflocken gab. Oder es gab die Melchbrecklan. Das waren dünne Brotschnitze, Flischlan sagte man dazu, die gesalzen und dann mit kochender Milch übergossen wurden. Brotschnitze mit Wasser überbrüht, mit Knoblauch und Liebstöckel gewürzt, kam gerne des Abends auf den Tisch. Der Brotanschnitt oder das Ende, das Ranftla oder Krestla, fand dafür gerne Verwendung. Was das Brotanschneiden anging, so wurden davor stets drei Kreuze auf das Brot gezeichnet, als Dank und Segen. So lässt sich auch verstehen, dass mit dem Brot äußerst ehrfürchtig umgegangen wurde, man ließ kein Brinkala, wie man zu den Brosamen sagte, umkommen. Angetrocknetes oder altes Brot, auch abgeschnittene Rinden, wurden eingeweicht und zu einer sämigen Brotsuppe verkocht, gewürzt mit Kümmel und braunen Zwiebeln. Mit einer Scheibe Brot in der Tasche, hieß es, hast du immer einen guten Weggefährten, wenn du außer Haus musst.

Die allseits geliebte Pelzsoppe: Man gab getrocknete Pilze in das Kochwasser, und das Mehl, das eingequirlt wurde, war dunkles, also Kornmehl. Zum Schluss wurde sie mit brauner Butter oder ausgebratenem Speck verfeinert. Pilzsuppe oder auch die einfache Kornmehlsuppe gab es eher als Abendmahlzeit, dazu wurden dann oftmals Kartoffeln gegessen, die in der Schale gekocht waren.

Sie war ein ganz wichtiges Lebensmittel, die Kartoffel, die Apene (Hochdeutsch: Erdbirne), Kartoffeln und angemachter Quark, Kartoffeln, die man in Leinöl tunkte, das war Gang und Gäbe. Apena-Besslan, das waren Bratkartoffeln. Oder da gude Apenasolouta, Kartoffelsalat, mit all den Zutaten wie gekochtem Ei- und Extrawurstwürfeln. Sterz, also Kartoffelbrei, den gab es oft  und vielmals. Zu Schnitzeln, zu Faschiertem, das sind Hackfleischküchlein. Zu Braten und Sterz gab es nicht selten noch Wasserspatzen. Diese von einem Mehlteig mit dem Löffel abgestochenen „Spatzen“, nannte manch einer auch nackiche Meise – nackte Mäuse.

Zu vielen der genannten Gerichte kam Sauerkraut auf den Tisch, das selbst gehobelt und eingestampft wurde und in keinem Hause fehlte.

Ein sättigendes und beliebtes Essen war der „Grenadiermarsch“, ein Gemisch aus grob zerstoßenen oder eingeschnittenen gekochten Kartoffeln, Wasserspatzen und Sauerkraut, vermischt mit geräuchertem, ausgelassenem Bauchspeck und gebräunten Zwiebeln.

Neben den Wasserspatzen waren die böhmischen Knödel, wir sagten ja Sammelkellan dazu, eine traditionelle Bratenbeilage.

Viel wurde aus Kartoffelteig hergestellt. Nicht nur die allseits bekannten Pflaumenknödel –Pflaumakellan. Neben den ganz normalen Apenakellan (Kartoffelklößchen) gab es die ganz kleinen. Dazu wurde der Kartoffelteig in gut fingerdicke Rollen geformt, etwas flach gedrückt, dann in etwa 2 cm große Stücke geschnitten und in gesalzenem Wasser gekocht. Eine andere Zubereitungsart dieser kleinen Knödelchen war, sie auf den Ofenschindeln, wie zu der Herdplatte gesagt wurde, oder auf einem trockenen Backblech zu backen. Beim Schneiden wurde darauf geachtet, sie nicht ganz durchzutrennen, damit Stränge erhalten blieben. Nach dem Backen wurden sie zerpflückt und mit kochendem Wasser überbrüht. Ob gekocht oder gebacken, angerichtet wurden sie zumeist mit gerösteten Zwiebeln oder auch ausgelassenem Geselchtem. Dazu gab es Kraut, im Sommer frisches und im Winter saures. Die gebackenen brachte man auch süß, etwa mit Sirup oder Zucker, Zimt und brauner Butter zu Tisch. Aus demselben Teig backte man auch flache Kuchen, entweder in der Pfanne mit Fett oder aber direkt auf der Herdplatte. Waren Äpfel zur Hand, füllte man die eine Hälfte darüber und hatte, nachdem sie schön langsam in Butter herausgebacken waren, herrlich schmeckende Apfeltaschen. Wurden löffelgroße Stücke des Kartoffelteiges in Fett schwimmend herauszubacken, so waren das Löffeloffa. Wurde den geriebenen Kartoffeln mehr Mehl und Hefe zugegeben, wurden daraus Apenabuchtalan gebacken.

Im Reigen der Mehl- und Süßspeisen dürfen die Liwanzen nicht fehlen. Das sind kleine Eierkuchen (Pfannkuchen) in der Größe etwa einer Handfläche. Für sie gibt es eine eigene Pfanne. Ebenso gehören hierher die Hefeknödel, verschiedentlich gefüllt, etwa Powidl oder Blaubeeren. Darüber kamen dann Zucker, Zimt und ordentlich braune Butter. Ohne Füllung kamen sie mit einer „Pflauma- oder Beertonke“ auf den Tisch.

Eine weitere Leibspeise, wohl aller Riesengebirgler, allerdings aus rohen, geriebenen Kartoffeln zubereitet, schön knusprig in Öl oder Fett herausgebacken, war der Stoppelfocks, Reibekuchen oder Kartoffelpuffer zu Hochdeutsch. Wem läuft da nicht das Wasser im Munde zusammen, wenn er davon auch nur hört? 

Fleisch, Fleischspeisen blieben in der Hauptsache den Sonn- und Feiertagen vorbehalten. Unter der Woche gab es höchstens mal eine Kuttelsuppe, eine Blut- oder Leberwurst oder aber ein Blutfells. „Goulot“ (Sülze), die in jedem Haushalt selber gemacht wurde, stand auch öfters auf dem Speiseplan.

Wenn Fleisch auf den Tisch kam, dann war es in der Hauptsache Rindfleisch, das ergab sich aus der Rinderhaltung. Ganz selten nur, dass sich jemand mal ein Schwein fütterte, um es selbst zu schlachten.

Am häufigsten wurde das Rindfleisch gekocht und mit Krensoße gegessen. Die Einlage für die Fleischbrühe waren in erster Linie Nudeln – natürlich selbst gemacht – Tropfteig oder auch Leberknödel. Besser wäre es, Leberspatzen zu sagen, denn sie wurden mit dem Löffel abgestochen.

Natürlich gab es auch Schmor- und Sauerbraten, Rouladen, und nicht zu vergessen, Gulasch. Aus dem eigenen Stalle kamen schon mal ein Zicklein – a Happala – oder eine Henne auf den Tisch. 

Gemüse, Salat und auch Obst waren Mangelware. Wohl kam der Gemüsehändler, der „Gottwald“, ein-, zweimal in der Woche mit seinem Wagen, aber da war wieder die Geldfrage! So wurden hauptsächlich Kraut und – so um das Marschendorfer Fest herum (15. August) – Gurken gekauft. 

Obwohl bei fast jedem Haus ein kleines Hausgärtchen angelegt war, viel konnte es der Küche nicht liefern. Liebstöckel und Schnittlauch und wenn es hoch kam, ein paar Möhren und vielleicht etwas Zeller – Sellerie. Eventuell wurden noch ein paar Furchen Kartoffeln angebaut, bei weitem aber nicht so viele, dass sie über den Winter gereicht hätten. Dafür wäre mehr Ackerfläche nötig gewesen und das hätte weniger Gras und Heu für die Kühe bedeutet. Außerdem war der Ertrag zu gering. 

Was unseren Speiseplan bereicherte, das lieferte uns im Sommer der Wald. Einmal die herrlichsten Pilze, zum anderen die Beeren, die unser Obst waren. Vielfältig waren die Möglichkeiten, diese Waldfrüchte zuzubereiten. Ist eine Kostprobe gefällig? Mariechen Panzner geb. Richter kocht nach Mutters Art: Pilzbraten, Pilzschnitzel und Beerfellsl. 

Zum Pilzbraten können alle Pilzarten genommen werden.

Man gibt etwas Butter in ein „Kastrol“, dazu die klein geschnittenen Pilze und würzt diese mit Salz, Kümmel und etwas Pfeffer. Zugedeckt auf kleiner Flamme garen. Mit ganz wenig Mehl stäuben und mit etwas Sahne verfeinern. Dazu gibt es „Sterz und Gurkasolouta“. 

Diese Beilagen aß man auch zu Pilzschnitzeln: Dafür braucht man gesunde und feste, größere Steinpilze. Die Kappen schneidet man in etwa 1 ½ cm große Scheiben, würzt und paniert sie in Ei und Semmelbröseln und bäckt sie in der Pfanne in heißem Fett aus. 

Beerfellsl: (Fells bedeutet sowie wie Füllsel) Man braucht Pfannkuchenteig, gibt etwas Fett oder Öl in ein Kastrol und lässt es heiß werden. Jetzt füllt man so viel Teig in das heiße Fett, dass der Boden etwa einen cm hoch bedeckt ist. Nun streut man frische (auch gefrorene kann man heute nehmen) Blaubeeren darauf und schiebt das Kastrol in die vorgeheizte Backröhre, und man lässt das Ganze etwa 20 Minuten bei 175 °C backen. Wölben sich die Ränder leicht nach oben und zeigen sie eine zarte helle Kruste, dann ist das Beerfellsl fertig. Nun noch Zucker und Zimt darüber streuen und servieren. „Lot’s Eich schmecka!“ 

Auch für den Winter wurde unser „Obst“ haltbar gemacht. Einwecken, wie wir es heute kennen, war damals noch nicht verbreitet. So wurden die Beeren mit etwas Zucker gekocht, in Gläser abgefüllt, mit einem in Rum getränkten Cellophanblättchen belegt und mit Cellophan zugebunden. Vereinzelt wurden sie auch nur mit Zuckerwasser übergossen und zugebunden. Damit diese Beeren hielten, bedurfte es schon eines kalten Kellers. Dick zu Mus gekochte Blaubeeren, das war Beerpapp, Marmelade. 

Kommen wir zum Backen. Hier stand der Hefeteig an erster Stelle. Daraus wurden Striezel, Babe, Buchteln und Kuchen mit den unterschiedlichsten Belägen und auch Schmalzgebäck gemacht. Abgerührte oder Abgetriebene, wie man zu einem Gugelhupf aus Backpulverteig sagte, wurden kaum gebacken, ebenso wenig Gebäck aus Mürbteig. 

In vielen Häusern waren noch Backöfen zu finden. Wurde doch früher auch das Brot selbst gebacken, eine Notwendigkeit angesichts der weiten Wege und der großen Familien. Vereinzelt wurde das Brotbacken bis Ende der 30er Jahre beibehalten. Eine der letzten „Brotbäckerinnen“, jedenfalls bis die Kinder aus dem Hause waren, deren es sieben gab, war die „Braun Igenazen“ in Nieder Kleinaupa Nr. 103 (Mutter der heute noch in Kleinaupa lebenden Fanni Sagasser). So wurden 10 bis 12 Brotlaibe in der Woche gebacken. Ein Stück des Brotteiges wurde jeweils für Sauerteig zurück behalten. War das Brot aus dem Ofen, dann reichte die Wärme allemal noch für Kuchen aus. 

Nach: Bärbel Köstler: KLEINAUPA – Das höchstgelegene Dorf Böhmens unter der Schneekoppe. Überliefertes und Überlebtes. – Verlag Frankenschwelle KG, Hildburghausen, 2 Aufl. 2000, 2001, S. 244 – 248

Es ist einfacher, Menschen zu täuschen, anstatt sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.

Mark Twain, 1835-1910, amerikanischer Schriftsteller
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