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Hildburghausen Zschaeck

Bürgermeister Dr. Hermann Zschaeck

Über die Vorgänge am 7. April 1945 in Hildburghausen
 

Der Festungskommandant Reichert liess mich am Sonnabend 7.4. vorm. 9 Uhr kommen und erklärte mir, dass über die Taktik des bevorstehenden Kampfes nichts gesagt werden könne; es ginge auf keinen Fall, dass die Bevölkerung weisse Fahnen hisse. Gegen 12 Uhr setzte die Beschiessung der Stadt mit Artillerie ein, zunächst nur spärlich und vereinzelt, später mehr. Gegen 14.30 Uhr traf ich auf einem meiner Kontrollgänge in der Schlossgasse die von der Kaserne abrückende Besatzung mit 8 – 10 Mann unter Führung von Hptm. Reichert; er erklärte mir, dass man sich auf den Stadtberg zurückzöge. Ich ging dann unter fortwährender Beschiessung zum Markt zurück; die Stadt war völlig leer, nur einige Feuerwehrleute u. Luftschutzposten taten ihre schwere Pflicht. Der Volkssturm war bereits um 13 Uhr aufgelöst worden. Die Verbitterung in der Bevölkerung war umso grösser als bekannt war, dass der Landrat und Kreisleiter, der Oberstleutnant, der stellv. Landrat u. der Fahrbereitschaftsleiter ihre Familien nach rückwärts in Sicherheit gebracht hatten u. selbst auch nicht mehr da waren; ich war der einzige, der auf seinem Posten geblieben war. Es bestand ein Reichsbefehl, dass jeder Bürgermeister, der weisse Fahnen hisst, erschossen wird, vollstreckte Urteile dieser Art waren auch bekannt gegeben worden. Bei der verbrecherischen Sinnlosigkeit, den Krieg ins Land zu tragen, erwog ich trotz dieses Reichsbefehls, dem Kampf im Interesse der Bevölkerung ein Ende zu machen. Nach kurzer Überlegung wies ich eine Frau, die ich im Luftschutzkeller des Landratsamtes traf, an, am Blitzableiter des Landratsamtes ein weisses grösseres Tuch zu hissen; ich selbst rief im Sächs. Hof u. die Fa. Mohr in Häselrieth, woher die Amerikaner anrückten, an u. bat, weisse Fahnen zu hissen u. tat dasselbe am Rathaus.

Nach einiger Zeit, während ich allein im Keller des Rathauses sass, hörte ich Schiessen auf dem Markt; ich ging hinauf und sah, wie ein deutscher Feldwebel nach dem weissen Tuch am Blitzableiter des Landratsamtes schoss. Ich ging auf ihn zu, er brüllte sehr. Da erschienen ein anderer Feldwebel und ein Gefreiter, die mich suchten, weil ich das Hissen weisser Fahnen veranlasst hätte; sie kamen aus Richtung Sächs. Hof. Sie behaupteten, sie hätten von einem SS-Führer den Befehl, mich zu erschiessen, sie zogen u. entsicherten ihre Revolver. Nur mit lautestem Protest erzwang ich mir Gehör, mein Hinweis auf das Verbrecherische des Kampfes um die Stadt brachte nur noch mehr Wut bei den Soldaten auf. Ich erreichte aber durch meinen Protest, dass man mir erklärte, ich sei verhaftet, und dass man mich zum Bahnhof zu dem SS-Führer bringen müsse, der mich erschiessen würde. Man nahm mich rechts und links am Mantelärmel fest und führte mich zum Bahnhof durch die Bernhardstr. Am Bahnhof war kein SS-Führer mehr. Man wollte mich rückwärts in Richtung Stadtberg abführen, die Amerikaner waren schon erheblich nah angerollt. Ich protestierte erneut u. immer wieder und sagte, dass ich in dieser Situation auf den Marktplatz gehöre u. nicht in den Wald. Bei dem Durcheinander und dem Näherrücken der Amerikaner brachte ich den Soldaten allmählich die Ansicht bei, dass ihr Verhalten sinnlos sei; als sie schwankend wurden, benutzte ich, zumal die Amerikaner immer näher kamen und dadurch die Soldaten unsicher wurden, in der Unruhe die Gelegenheit und zog mich durch den Nonnespark zurück zum Markt, wo dann gegen 18 Uhr die Amerikaner einrückten. 

Hildburghausen, 10. Mai 1945

 

 

 

Es ist einfacher, Menschen zu täuschen, anstatt sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.

Mark Twain, 1835-1910, amerikanischer Schriftsteller
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