Eine Seite für Hildburghausen

Meyer, Hermine

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Hermine Friederike Henriette Meyer, geborene Grobe („Minna“)

* 28.10.1804, Gehaus/Rhön (heute: Stadtteil von Stadtlengsfeld, Wartburgkreis)
† 16.11.1874, Hildburghausen
 
Inhaberin des Bibliographischen Instituts 

 

Hermine Grobe wird als Tochter des Weilaer Pfarrers und Schulinspektors Johann Salomo Grobe (1770 – 1837) im  Pfarrhaus von Gehaus geboren. G. lehrt in Weilar nach den Anschauungen des Schulmannes, Philanthropen und Schriftstellers Christian Salzmann (1744 – 1811) aus Schnepfenthal bei Gotha. Carl Joseph Meyer ist von 1807 – 1809 dort Zögling Grobes und der Familie sehr verbunden. Nach der kaufmännischen Lehre in Frankfurt am Main und seinen fehlgeschlagenen Spekulationsgeschäften und seinen unternehmerischen Niederlagen als Großkaufmann in London muss Meyer vor dem Schuldgefängnis fliehen und findet im Haus Grobe Verständnis, Bleibe und Arbeit. „Minna“, inzwischen zu einem gebildeten und hübschen sechzehnjährigen Mädchen herangewachsen, findet die Aufmerksamkeit Meyers.

Dr. Peter Kaiser schreibt resümierend in seiner Meyer-Biografie „Der Pläneschmied“: „Nun fand er in ihr die Lebensgefährtin, ohne deren ausgleichende und kluge Wesensart sein Leben ganz anders und wahrscheinlich nicht so erfolgreich verlaufen wäre, und die ihm später auch in schweren Zeiten immer treu zur Seite gestanden hat. Minna war zusammen mit ihren Geschwistern und den Schülern des Grobeschen Instituts erzogen worden. Außer dem Vater hatte auch ihre geistig vielseitige Mutter dafür gesorgt, dass die Sechzehnjährige über eine umfassende Bildung verfügen konnte. Die enge Verbindung zwischen Familie und Lehranstalt war für die Töchter des Pfarrerehepaars ein Glücksfall. Obwohl die Gymnasien in Deutschland zu dieser Zeit für Mädchen längst noch nicht geöffnet waren und ein Universitätsstudium für Frauen ohnehin als undenkbar galt, gab es doch hoch gebildete Frauen.“

Carl Joseph Meyer und Hermine („Minna“) Meyer verloben sich am 26. September 1820. Minna begleitet von nun an auch die Unternehmungen Meyers in ihrem Auf und Ab, so die Gründung der „Freiherrlich von Boyneburgischen Gewerbs- und Hülfsanstalt zu Weilar“, die sich vorwiegend mit der Barchentproduktion beschäftigt und die bereits 1823 aufgelöst wird. 1824 kehrt Meyer nach Gotha zurück, versöhnt sich mit seiner Mutter, und er legt die Grundlagen für das Bibliographische Institut. Nach Stabilisierung seiner finanziellen Verhältnisse heiratet er am 23. Mai 1825 im unterfränkischen Maßbach seine „Minna“. Sein Schwiegervater Grobe ist dort inzwischen Gemeindepfarrer. In das Kirchenbuch unter der Spalte „Trauzeugen“ trägt er ein „Die ganze Kirchgemeinde“. Das Paar lässt sich in Gotha nieder. Carl Joseph erwirbt in der Erfurter Vorstadt ein Grundstück, das einst den Eltern Minnas als Garten gedient hat. Das kleine Haus wird ausgebaut und dem jungen Paar wird am 4. April 1826 der Sohn Herrmann Julius geboren. Am 1. August gleichen Jahres wird das Bibliographische Institut gegründet. Als Inhaberin zeichnet Minna Meyer und Carl Joseph als Geschäftsführer. Das ist für die Zeit eine Sensation.

Minna Meyer lässt eine Anzeige veröffentlichen:
Ich habe die Ehre, Ihnen anzuzeigen, daß ich, unter heutigem Tage, für meine alleinige Rechnung, und mit den nötigen Fonds ausgestattet, ein literarischen Zwecken gewidmetes Institut unter der Firma ‚BIBLIOGRAPHISCHES INSTITUT’ dahier errichtet habe. Die alleinige Geschäftsführung desselben ist Herrn JOSEPH MEYER, meinem Gatten, übertragen, dessen Unterschrift Sie sich bemerken und keiner anderen Glauben beimessen wollen.

 

Ergebenst
                                                           MINNA MEYER
Unterschrift des Disponenten:
                                                 Herrn Joseph Meyer 

 

Das Unternehmen wird mit sehr viel Skepsis argwöhnisch beäugt und auch juristisch bekämpft. Minna Meyer ist die erste deutsche Frau, die ein sich entwickelndes Großunternehmen und einen weltweit bekannten Verlag führt. Wenig später, am 13. November 1828, schließen beide vor der Ratsdeputation Gotha einen Ehevertrag ab. Bei Human heißt es, dass er „nach den 1820 in London und 1823 in Weilar erlittenen Verlusten durchaus kein Vermögen in die Ehe gebracht habe, dass vielmehr sämtliches zusammengebrachtes Vermögen alleiniges Eigentum seiner Ehegenossin sei und außer der von ihren Eltern erhaltenen geringen Mitgift aus einer von Geheimrat von Boyneburg an sie gemachten Schenkung an sie herstamme, dass dieses Vermögen und der Ertrag des von ihm begründeten Korrespondenzblattes für Kaufleute den ursprünglichen Fond des am 1. August 1826 errichteten Bibliographisches Institutes bilde, das ihm folglich an diesem keine Eigentumsrecht zustehe und er dasselbe bloß im Auftrag seiner Ehegenossin leite ohne einen Anteil an dem bisher daraus gezogenen und künftig daraus zu beziehenden Gewinn solange in Anspruch zu nehmen, als seine Ehegenossin am Leben bleiben oder Deszendenz (= Nachkommenschaft) derselben vorhanden sein werde“.

Am 01.11.1928 schließt Hermine Meyer mit dem Bevollmächtigten des Herzogs Bernhard II. Erich Freund des Herzogtums Sachsen-Meiningen-Hildburghausen einen Vertrag zur Ansiedlung des Bibliographischen Instituts. Die Bedingungen in Hildburghausen sind mit dem verwaisten Brunnquellschen Haus, den Räumlichkeiten, Steuervergünstigungen, vorhandenen Geldgebern (Großhändler Johann Erdmann Scheller und Johann Wilhelm Scheller), fehlende Konkurrenz, günstige Verkehrsanbindung durchaus günstig. Die Fachkräfte für das moderne Unternehmen fehlten.
Mit Meta wird ihnen am 1. Februar 1832 in Hildburghausen ein zweites Kind geboren († 07.11.1875, Eutritzsch), sie ist vor allem künstlerisch hochbegabt. Minna Meyer ist in der gesamten Zeit ihres Lebens unternehmerisch und mit verschiedensten Verlagstätigkeiten befasst. Nach Joseph Meyers Tod am 27. Juni 1856 verfasst sie am 31. Juli 1856 ein „Cirkular“: Indem ich mich der schmerzlichen Pflicht entledige, Ihnen den am 27. vorigen Monats erfolgten Tod meines Gatten und des seitherigen Chefs des Bibliographischen Instituts, J o s e p h   M e y e r, anzuzeigen, benachrichtige ich Sie gleichzeitig, daß ich die Vollmachten und Funktionen des Verblichenen als unbeschränkten und alleinigen Disponenten meiner Firma auf meinen Sohn, H e r r m a n n   M e y e r, übertragen habe und bitte Sie, von seiner nachfolgenden Unterschrift Vormerkung zu nehmen.

 

                                                           Mit Hochachtung
                                                           Minna Meyer (Unterschrift)
                                                           Besitzerin des Bibliographischen Instituts 

Herrmann J. Meyer wird zeichnen:
Nach dem Tod Joseph Meyers konsolidiert Minna mit ihrem 1854 aus den USA zurückgekehrten Sohn Herrmann Julius die Geschäfte und verkauft verlustreich das gigantische Montanunternehmen. Meyers Montanbesitz ist mit über 50 km² der größte Mitteldeutschlands. Der Wert der Gruben wird 1857 auf über 6 Millionen Gulden geschätzt (etwa € 100.000.000). Am 15. Oktober 1862 erteilt sie ihrem Sohn Prokura und ab 24. Juni 1870 überträgt sie ihm das Bibliographische Institut als neuem Eigentümer – bei einer stillen Vermögensbeteiligung ihrer Tochter Meta, die am 16. November 1874 sehr jung verstorben ist. Für sich selbst verlangt die tatkräftige und religiöse Minna nur eine Leibrente.

Der kaufmännisch denkende Herrmann Julius führt das Bibliographische Institut zu höchster Blüte und verlagert das große Unternehmen 1874 nach Leipzig, wo er größere Entwicklungschancen sieht. Von Hildburghausen will sich Minna Meyer nicht mehr trennen, auch wenn sie unter großer Vereinsamung leidet. Sie überlebt diesen gewaltigen Einschnitt nur wenige Monate und stirbt am 16. November 1874 im zu ihrer Heimat gewordenen Hildburghausen.

Zeitgenössische Meinungen zu Minna Meyer

Ludwig Storch


Der Meyer-Biograf schreibt 1857 in der „Gartenlaube“ über Minna Meyer aufrichtig, wenn auch im schwülstigen Ton, dass sie den universellen Geist ihres Gatten vollkommen verstehend, diejenigen schönen Talente und Eigenschaften besaß, welche diesem Geiste als Stütze und Ergänzungsmittel zu dienen eben so geschickt als willkommen waren.

„Nie sah ich ein glücklicheres Ehepaar, nie ein reizenderes Bild in sich abgeschlossener, befriedigter Häuslichkeit. Die junge, hübsche Frau arbeitete mit ihrem Mann als Buchhalter. Es war ein ungemein wohltuender Anblick, sie emsig schreibend ihm gegenüber am Schreibpult stehen zu sehen. Nie habe ich wieder so viel wahre, echte Tugenden in einem Weibe beisammen gesehen, nie bot sich mir wieder ein so vollständiges Bild einer deutschen Hausfrau. Mit wahrer Virtuosität wusste sie ihre Obliegenheiten als Mutter und Hausfrau mit den von ihr so lebhaft verfolgten und geförderten Geschäftsinteressen zu verbinden. Während des lebhaftesten Betriebs des Geschäfts hatte Meyer keinen Comptoirgehilfen und sie keine Dienstmagd. Die Frau war in ihrer Art so ausgezeichnet, wie der Mann in der Seinigen.“

An anderer Stelle bemerkt Storch:
„Kann man sich ein wohlgefälligeres Bild denken, als das einer jungen, anmutigen Frau, die, wenn sie in der Küche und Kinderstube treu und emsig gewaltet, auf dem Kontor des Gatten Berge von Arbeit bezwingt und dann in den Mußestunden aus den Geisteswerken deutscher Schriftsteller die zutreffende Auswahl für das deutsche Volk trifft? 

Nach: Storch, Ludwig: Ein Pionier des Geistes. In: „Die Gartenlaube“, Jahrgang 1857, S. 613 f. 

A. Ostertag
Der ehemalige Buchbinder des Bibliographischen Instituts findet überschwängliche Worte des Lobes zur Ehe der Familie Meyer:
„Wenn ich oben sagte, daß der Chef der einzige geistige Leiter des Geschäfts sei, so darf ich einen Hauptfactor nicht vergessen, das war seine ihn zärtlich liebende Gattin, eine ebenso schöne als geistreiche Dame, liebevolle Mutter ihrer Kinder, thätige Mitarbeiterin auf dem Comptoire. Ich bin fest überzeugt, daß er seine aufregende Thätigkeit nur dadurch ertragen konnte, daß er die wenigen Stunden der Erholung, die er sich gönnte, im Kreise seiner Familie zubrachte, denn ich kann mich nicht erinnern, dass, und er verrieth auch nichts, er in den ersten Jahren meines dortigen Aufenthalts das Haus verlaßen hätte …, daher gab es nur wenige Personen in Hildburghausen, die ihn gesehen haben. … In diesen Räumen [des Materiallagers] hielt sich auch trotz strengen Verbotes des Vaters der kleine 4-5jährige Herrmann auf und brachte mich einmal in arge Verlegenheit, indem er sich von mir eine Prise erbat. Unvorsichtig genug ließ ich ihn ein paar Körnchen naschen, worauf er das heftigste Nasenbluten bekam, ich brachte ihn schleunigst zur Mama, ich sagte die Veranlaßung nicht, sonst hätte ich einen tüchtigen Rüffel bekommen, denn es war nicht gut Kirschen essen mit dem Papa. Den intensivsten Haß hatte der Chef gegen das Rauchen und dabei die feinste Nase, er roch es sofort, wenn jemand geraucht hatte, und wehe dem, der erwischt wurde, sofortige Entlassung traf ihn. Viel Spaß machte es uns, wenn Herr Meidinger aus Frankfurt auf der Reise zur Ostermesse als Gast im Institut sich aufhielt und mit der langen Pfeife die Ateliers und Werkstellen besuchte.“ 

Dr. Armin Human
schreibt in seiner kulturhistorischen Studie: „Da aber stand ihm in erster Linie seine Gemahlin, die Pfarrerstochter aus Weilar, zur Seite, eine Dame, die den universellen Geist ihres Gatten verstand und mit ihm vorzüglich in der Zeit der Auferbauung des Institutes im eigentlichen Sinne alle Mühe und Arbeit teilte. War sie es doch, die nicht nur eine Reihe von Comptoirarbeiten mit besorgte, sondern auch die Auswahl und Redaktion der in die verschiedenen Classikerausgaben aufzunehmenden Stücke. So war sie für das Gedeihen der Anstalt, der ‚Inhaberin und Eigentümerin’ sie war, von hoher Bedeutung, eine Dame voll Geist und Thatkraft, eine glücklich veranlagte Natur mit klugem Wort, immer thätig und energisch und mit hellem Auge aus den hohen, vornehmen Zimmern ihres Heims alles das verfolgend, was in Welt und Litteratur vorging, was von Zeitgenossen über sie noch zu erfahren war, war sie eine hochgewachsene Dame, von einfacher Lebenshaltung, sicher im Benehmen, anmutig im Verkehr, voll lebhafter Freude an allen guten Seiten des Lebens …“
 

 

Dr. Peter Kaiser, München
Biograf Joseph Meyers zu Minna Meyer
 

Dass ihre und Josephs Ehe über dreißig Jahre in allen Höhen und Tiefen gut und vertrauensvoll blieb, war nicht zuletzt ihr Verdienst. Ihr guter Einfluss auf ihren oft schwierigen Gatten, für den sie immer wieder eine ausgleichende Vermittlerin war, kann überhaupt nicht hoch genug angesetzt werden. 
Minnas Bedeutung für den Verlag nahm im Laufe der Zeit immer mehr zu. Sie war keineswegs nur nominell die eigentliche Besitzerin, wie ihr von konkurrierenden Buchhändlern und Verlegern unterstellt worden war, sondern sie brachte ihr Wissen und ihre Arbeitskraft in vollem Umfang in den Aufbau und täglichen Ablauf der Verlagsarbeit ein. Dass sie zunächst allein und später mit Unterstützung eines Buchhalters und zwei Schreibern die gesamten finanziellen Obliegenheiten des Verlages leitete, war nur der eine, wenn auch der wichtigste Teil ihrer Teilhabe. Ihrer Sorgfalt und Umsicht war es zu verdanken, dass das Bibliographische Institut nicht nur aus den anfänglichen finanziellen Engpässen herauskam. Mit der Zeit wurde es zu einem blühenden wirtschaftlichen Unternehmen, dessen Aufschwung ihr zu einem ganz wesentlichen Teil zu verdanken ist. Daneben wirkte sie aber auch bei der redaktionellen Gestaltung und Textauswahl für die Klassikerbibliothek mit. Der Bildung, die sie zu Hause und im Institut ihres Vaters erwerben konnte, verdankte sie ihre gediegenen Kenntnisse in der deutschen Literatur, die die ihres Mannes ergänzten, in mancher Hinsicht wahrscheinlich auch übertrafen. Dass sie das alles neben ihren Aufgaben als Mutter und Hausfrau schaffte und dabei für ihren oft aufbrausenden und reizbaren Mann eine stets geduldige und liebevolle Partnerin und Ratgeberin war, hat ihren Zeitgenossen unbeschränkte Bewunderung abgenötigt. In Hildburghausen hatte sie dann selbstverständlich auch eine Hilfe im Haus. Anders hätte sie die Doppelbelastung nicht mehr bewältigen können. 

Aus: Kaiser, Peter: Der Pläneschmied. Das außergewöhnliche Leben des Verlegers Carl Joseph Meyer. Eine Biografie. – Salier Verlag Leipzig u. Hildburghausen, 2007. ISBN 978-3-939611-17-2, S. 94 f.

 


 

Es ist einfacher, Menschen zu täuschen, anstatt sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.

Mark Twain, 1835-1910, amerikanischer Schriftsteller
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