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Pichelsteiner Topf

 Pichelsteiner Fleisch oder Pichelsteiner Topf

Das Erforschen eines neuen Gerichtes
       tut mehr für die menschliche Fröhlichkeit 
     
als das Erforschen eines neuen Sterns.“

(Jean Anthelme Brillat-Savarin,
             Schriftsteller und Gastrosoph) 

Der Begriff Pichelstein oder Pickelstein begegnete HJS im Sommer 1990, als er nach seiner Verlagsgründung mit dem Projekt der Herausgabe des Buchtitels „Kochbuch“ von Hedwig Kost beschäftigt war. HJS suchte nach interessanten Themen für sein im Entstehen begriffenes Verlagsprogramm. Seine ehemalige liebe Nachbarin in der Schlossgasse 12, Eva Kost, gab ihm einen Tipp. Sie war eine angeheiratete Nichte von Hedwig Kost und Ehefrau des bekannten Hildburghäuser Arztes, Dr. Ernst Kost. Ihr Sohn, der Arzt Hans-Richard Kost, ist der ein halbes Jahr jüngere Freund von HJS aus Kindheits- und Jugendtagen. 

Das Kochbuch von Hedwig Kost hat zwischen Rennsteig und Main Kochgeschichte geschrieben, war es doch seit den zwanziger Jahren das berühmteste seiner Art in der Region. HJS benannte es wegen der Vermarktung um in „Kochbuch – Thüringisch-fränkische Küche“. Das ist sicherlich im Sinne von Hedwig Kost (1871 – 1949), der Leiterin einer weithin bekannten Kochschule in Sonneberg, deren unschätzbares Werk bis in unsere Zeit wirkt und damit auch für eine gute Verbreitung unserer Buchproduktion, vor allem in Südthüringen, in Ober- und Unterfranken, sorgt. Das Buch hat auf seine Weise dazu beigetragen, das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, vor allem zu Coburg.  

HJS sagt immer scherzhaft, dass die Coburger ohnehin die einzigen freiwilligen Bayern seien, die es mit einem simplen, aber raffinierten Schachzug nach dem Weltkrieg schafften, sich Bayern anzuschließen und nicht dem zu bildenden Freistaat Thüringen. Schwere Zeiten lagen 1918/19 hinter den Menschen und ungewisse vor ihnen. Am 1. Juli 1920 wurde der Anschluss der beiden Freistaaten Bayern und Coburg vollzogen, denn nach langen und zähen Verhandlungen, die zur ersten demokratischen Volksabstimmung in Deutschland führten, entschieden sich am 30. November 1919 immerhin 88 Prozent der wahlberechtigten Einwohner des Freistaats Coburg, sich dem Freistaat Bayern anzuschließen. Der Vollzug des Anschlusses geschah am 1. Juli 1920. Viele Vergünstigungen und Zugeständnisse Bayerns an Coburg, die durch einen Staatsvertrag geregelt wurden und die noch heute gelten, waren wichtig. Die Coburger stimmten vor allem wegen ihrer Lebenssituation ab. Der Magen war wohl das Hauptargument. Nach fast sechs Hungerjahren gab es im Agrarland Bayern im Gegensatz zu Thüringen gefüllte Fleischtöpfe. Lebensumstände dominieren die Meinungsbildung und sind oft stärker als Versprechungen irgendwelcher Ideologen.

Dagegen entschied am 12. Dezember 1919 der Freistaat Meiningen, zu dem auch Hildburghausen gehörte, als letztes Gründungsland den Beitritt nach Thüringen, das nach einer „klein-thüringischen Lösung“ gebildet wurde, also ohne die preußischen Gebiete z. B. Erfurt und auch nicht mit dem preußischen Kreis Schleusingen, zu dem Suhl gehörte, oder das hessische Schmalkalden. Hauptstadt wurde Weimar und nicht das preußische Erfurt. – Die Entscheidung der Coburger war nicht die schlechteste. 

Zum Kochbuch von Hedwig Kost: HJS wollte keinen Reprint herausbringen, denn das Original konnte von jungen Leuten nur schwer gelesen werden, weil ihnen die Frakturschrift nicht geläufig war. Auch solche Kleinigkeiten gehören zu unserer reichen Kultur. Für HJS ist unverständlich, dass sich viele Leute die Dinge nicht selbst erschließen, wenn es Elternhaus und Schule schon versäumen. – Den Neusatz übernahm die Satzfirma Günter Menzner in Grub am Forst, mit der HJS viele Projekte auf den Weg brachte. Die Post Antiqua wurde ausgewählt, eine Schrift, die 1932 von Herbert Max Otto Post gestaltet wurde. Sie entstand also in die Wirkungszeit von Hedwig Kost. HJS liebt diese Schrift noch heute. Nur ganz wenige Korrekturen wurden eingebracht. Inhaltlich hatte sich also zur 5. Auflage von 1935 überhaupt nichts verändert. Allerdings unterlief HJS ein Fehler, der nie moniert wurde, obwohl beim Verlag Frankenschwelle und im Salier Verlag inzwischen vier weitere Auflagen in einer Auflagenhöhe von mehr als 10.000 Exemplaren produziert wurden. Die letzte Auflage gab es 2010. HJS war auch in Bastians Verlag der Herausgeber. Unter dem Kapitel Gemischte Gerichte steht an erster Stelle Pickelsteiner Fleisch (Eintopfgericht), Nummer 2 war das an anderer Stelle ebenfalls zitierte Irish Stew. Der informierte Leser hat es längst gemerkt: Es müsste Pichelstein heißen.  

In keinem Atlas der Welt findet sich ein Ort namens Pichelstein. HJS hat ein gutes Dutzend Kochbücher in seinen Bücherregalen stehen, in denen versichert wird, das sei ein Ort in Südwestdeutschland, eines verrät einen ganz anderen Standort, nämlich im Bayerischen Wald. Da kommen wir der Sache schon ein Stückchen näher. Nun könnte HJS so tun, als hätte er das alles selbst herausgefunden: Hat er nicht! Googeln bildet. 

Im größten Lexikon der Welt, in der WIKIPEDIA, hat er des Rätsels Lösung gefunden, da heißt es: 

Es gilt als erwiesen, dass das Rezept von der aus Kirchberg im Wald stammenden Wirtin Auguste Winkler, geb. von Kiesling stammt. Sie betrieb in Grattersdorf bis zu ihrem Tod im Jahre 1871 ein Gasthaus. Der Eintopf wurde vermutlich nach dem nahegelegenen Büchelstein benannt, wo ab 1839 auf einer Waldwiese das Büchelsteiner Fest gefeiert wurde. Das schnell zubereitete, warme Gericht erfreute sich dort allgemeiner Beliebtheit. Schon 1879 bei der Vierzigjahrfeier des Festes wurde das „Freilichtkochen“ des Büchelsteiners als „herkömmlich“ bezeichnet. Im Dialekt des Bayerischen Waldes wird das ü als i ausgesprochen und die Aussprache wurde wahrscheinlich dann als Pichelsteiner verschriftlicht.

Parallel dazu trafen sich die Bürger von Regen ab 1874 traditionell am Kirchweihmontag zum Pichelsteiner Essen, das bis heute als Pichelsteiner Fest gefeiert wird. Die Veranstalter des Büchelsteiner Festes und des Pichelsteiner Festes stritten lange Zeit über den Ursprung des Gerichtes und die Herkunft des Namens. Nach einer Theorie wurde der große Kessel für die Suppe früher als Pichel bezeichnet. Der Heimatforscher und Schriftsteller Max Peinkofer bezeichnete diese Theorie als „erheiternde Behauptung“ und „erfundene Sage“ und führte die Entstehung entschieden auf das Fest am Büchelstein zurück. Eine wirklich aussagekräftige wirtschafts-geographische Analyse zu diesem Thema fehlt jedoch.

Erstmals in einem Kochbuch erwähnt wurde das Eintopfgericht 1894. 

Ist das nicht eine hübsche Geschichte für ein Lexikon und erst für ein Kochbuch? Nichts Genaues weiß man nicht. Wenn dieses eigentlich regionale Eintopfgericht so schnell in die Kochbücher und in die Küchen einzog, kann man schon von einem Siegeszug sprechen – quer durch Deutschland. Auch in Kochbüchern der DDR ist es zu finden. HJS aß dieses so in einer Speisekarte genannte Gericht zum ersten Male Ende der 90er Jahre in der Kurklinik Masserberg bei einem Silvesteraufenthalt und dann oft und überall … 

HJS erspart es sich jetzt, selbst ein Rezept zu entwickeln oder auf „seinen“ Küchenstand zu bringen. Beim Pichelsteiner wäre es angebracht gewesen, dass ein Autor vom anderen mit Quellenangabe abschreibt, damit nicht unter einem Namen hundert Rezepte kursieren. HJS hat zig Rezepte verglichen, seine geliebte Hedwig Kost kommt den frühen Rezepten sehr nahe. Alfons Schuhbeck braucht in seiner Kochschule (2011) ganze zwei Seiten, natürlich mit sieben Farbbildern. Sie ahnen sicherlich schon, was er noch an Gewürzen mit einarbeitet: Knoblauch in Scheiben (HJS hackt ihn lieber klein), Chilipulver oder Cayennepfeffer, Koriander … Fehlt noch etwas? Ja. Zwei Scheiben Ingwer. Dass der Sternekoch einen Teil seines Gemüses rautenförmig schneidet, muss HJS nicht gesondert betonen. Da hätten wir doch alles zusammen. Schuhbeck machts möglich.

 Pichelsteiner Fleisch – nach Hedwig Kost

1 Pfd. Fleisch ohne Knochen (je ¼ Pfd. Rind-, Kalb-, Schweine- und Hammelfleisch), 1 ½ - 2 Pfd. verschiedene Gemüse, wie sie die Jahreszeit bietet (z. B. Erbsen, Karotten, Kohlrabi, Blumenkohl, Spargel im Frühjahr, Pilze, Wirsing, gelbe Rüben, Schwarzwurzeln, Sellerie, Lauch im Herbst und Winter, 1 ½ Pfd. rohe Kartoffeln, 1 Zwiebel, 10 g  Rindermark oder Fett, 25 g Salz, ¼ Teel. Pfeffer, 1/8 l saure Sahne oder Milch, ¼ l Wasser.

Das vorbereitete Gemüse wird in Streifen oder Scheibchen geschnitten. In einem gut verschließbaren oder Pichelsteiner Topf gibt man das Fett und darauf schichtweise Gemüse, Fleisch und Kartoffeln, streut Zwiebelwürfel, Salz und Pfeffer dazwischen, gibt Sahne und Wasser darüber und verschließt das Gefäß. Man kocht das Gericht bei mäßigem Feuer 2 – 2 ½ Stunden, schmeckt es ab und richtet es in einer Schüssel an oder gibt es im Pichelsteiner Topf zu Tisch. 


Tipps

-      Das Fleisch mit sehr scharfem Messer in ca. 1,5 cm große Würfel schneiden, Sehnen und Fett entfernen und mit den Zwiebeln sehr stark in einer Pfanne anbraten (evtl. auch die einzelnen Fleischsorten portionsweise), dann folgt das Aufschichten im Topf. 

-      Sind Gemüse, Fleisch und alle weiteren Zutaten im Topf aufgeschichtet, hat ein Quirl oder Kochlöffel nichts mehr im Eintopf zu suchen. Liebe eifrige Hausfrauen, bitte auch nicht probieren, es bleibt, wie es ist. 

-      Möglichst fest kochende Kartoffeln verwenden. 

-      Das Gemüse hat eine Kantenlänge von ca. 2 cm. 

-       Anstelle von Wirsing kann auch Weißkraut beigegeben werden, ferner rote Paprika, Petersilienwurzel … 

-       Petersilie waschen und grob hacken. Die Petersilienstiele können zusammen gebunden mitkochen, die Suppe wird mit den Petersilienblättern angerichtet. 

-      Neben Salz und Pfeffer kann gewürzt werden: 2 Lorbeerblätter, getrocknetes Bohnenkraut, je 1 TL Koriander-, Piment-, Pfefferkörner, Kümmel (auch gemahlener), geriebene Muskatnuss. 

-      Wer den Eintopf nicht klar, sondern sämig essen möchte, reibt noch eine gekochte Pellkartoffel darunter.

   


Es ist einfacher, Menschen zu täuschen, anstatt sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.

Mark Twain, 1835-1910, amerikanischer Schriftsteller
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