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Sagen

 

Sagen Hildburghausen 

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Eckhard Witter

Das Achtläuten – Sagen aus dem Hildburghäuser Land
 

Verlag Frankenschwelle Hans-Jürgen Salier, Hildburghausen, 1990

Aus der Buchreihe „Sagen des Landkreises Hildburghausen (4 Bände)
 

Der Stadt Hildburghausen Ursprung und Name 

Die alten Chronisten schreiben die Gründung der Stadt Hildburghausen dem Sohne des Frankenkönigs Chlodwig, Childerich (Hilderich, Chilbert, Hildbert) zu, der auf der Heldburg residiert und da, wo jetzt Hildburghausen steht, ein Lusthaus besessen haben soll, wo er sich zu Jagd und Vergnügen oft aufgehalten habe, eine Meinung, die sich einesteils hören ließe, da der Name der nachmaligen Stadt in den ältesten Urkunden Hilteburgehusen geschrieben vorkommt, andernteils aber doch nicht wenig gesucht und noch mehr unwahrscheinlich ist. Hiltiburg, Hiltburg ist aber ein altdeutscher Frauenname, und gar nicht unmöglich ist, dass jene Hiltburg, welche unter der Regierung Ludwigs des Frommen in Frankreich reich begütert war und das Stift Fulda mit ansehnlichen Besitzungen in Sundheim, Nordheim, Streu, Attenhausen, Saal, Wettringen etc. zu ihrem Seelenheil dotierte, die ursprüngliche Besitzerin oder Gründerin der ersten Ansiedlung war. Dieselbe Hiltburg kann es sein, deren Namen auch noch das zerstörte Schloss Hiltenburg auf der Rhön verewigen soll. Das älteste Haus in Hildburghausen soll eine Steinkemenate da, wo das heutige Rathaus steht, gewesen sein. 

 

Die Katz am Steg 

An einem Stein des Steinernen Stegs, der von der Brücke zu Hildburghausen bis an das Siechenhaus führte, und bei dessen Beginn eine Martersäule steht, sah man das Bild einer Katze eingehauen. Davon geht die Sage: Es war ein Mann, namens Katz, der hatte sein Leben verwirkt und erbot sich, zur Buße einige kostspielige Bauten auszuführen, was ihm bewilligt wurde. So baute er den ehemaligen Turm über dem unteren Stadttor, auf dem sich ein Uhrwerk befand. Als Wahrzeichen erblickte man an diesem Turm einen Menschenkopf, in die Stadt sehend. Dieser Kopf ist noch zu sehen als Schlussstein an der Brücke über den Mühlgräben, östlich der Post. Er blickt nach dem Schloss zu. Derselbe Mann baute nun auf seine Kosten jenen Steg und ließ zum Andenken an seinen Namen die Katze in den Stein meißeln. Der Steg ist verschwunden, und nur die halbverwitterte Martersäule steht noch heute an der Brücke. Man sagt, Würzburg zahle alljährlich noch eine geringe Abgabe zur Erhaltung dieses alten Steinbildes, darauf Christus am Kreuz und seine Mutter mit dem Jünger Johannes abgebildet ist.

Zu beiden Seiten erblickt man den Apostel des Frankenlandes, den heiligen Kilian, und den ersten würzburgischen Bischof, St. Burchardus.

   

Das Achtläuten 

In Hildburghausen läut`s wohl acht.
Döswag`n, dass m`r hier
Nach Müh` un Arwet Feierahmd macht
Un anig zum Bier?
Da bist de err ganz sicherlich,
Dös, wenn de denkst, da läut`s für dich! 

Dös rührt euch von ere Gräfin har
Aus alter, grauer Zeit,
Gott weeß, wie viele hunnert Jahr
Dass s`is, dös Weiberleut.
M´r schlöt die Chronik manchmal auf,
As stett a drin, m`r markt nett drauf. 

Die Gräfin war a warme – harch!
Da kunste was gespür!
Da drühm die Grafschaft Hennbarg,
Die war f`r Zeit`n ihr!
Da warsch d`r Reichsten ene mit,
Die `s in der ganzen Gegend gilt. 

Un selle Gräfin hat a Mal
Da drühm rümm sich vererrt,
Die arme Frah verzwofelt ball,
Dass ihr dös widerfährt,
Sie kunnt sich in der Waldung drinn
halt nimmermehr zeracht gefinn. 

Wie leicht war sünst`n dös geschenn,
Wie herümm euch die Baam
Zum Häusern nei gewachsen senn,
Da hat`s a Holzwark gahm,
Wo`s flackerweis so hamlich stund,
Dass weder Sonn noch Mond nei kunnt! 

Wie mucht`s da dare Gräfin sei!
A Mutterseeln alleh
Unt`r Wölf und Füchs un wille Säu,
Da kann sich ens gefreh –
Bei Nacht und Nabel üm und dümm
Un so a G`sellschaft um sich rümm. 

O, lieber Gott! Sie barmt und flennt
Un jammert ach un weh,
Sie schreit um Hülf, sie ringt die Händ
Un will f`r Angst vergeh.
O Gott! Namm du dich ihrer ah!
Sie weeß net mehr wonaus – wonah! 

Doch krieg net gleich f`r Angst in Sack,
Wenn a d`r Mensch oft denkt:
Dös Unglück hat `ne schö beim Frack,
Wärd`s oft noch gut gelenkt;
Da get a Glücksstern auf un leucht,
Wo m`r ganz verlassen deucht. 

Denn an dan Ahmd war hier agrad
A Bärgerzammekunft
Zum allgemeene Wohl d`r Stadt,
Bei Licht un bei Vernunft,
Un dazu hat dös Glöckle ahm
Von Rathausthorm `s Signal gegahm. 

Wie`s no so läut un weit hie schallt,
Hört`s ja die Gräfin ah,
No denk d`r draußen in d`n Wald
Die Frehd von dara Frah!
Die läfft in en Karjahr
Uff`s Läuten zu – un kümmt hierhar. 

Da fellt sie uff die Knie un dankt
Ihrn Harrgott un d`r Stadt,
Ihrn Gott, dass se hier angelangt,
Fürsch Läuten hier d`r Stadt;
Un dass m`r ewig an se denkt:
Hat sie d`r Stadt a Buch geschenkt. 

Un zwar a Buch von Rat un Tat,
A so a Buch is rar!
Wenn`s a kee goldne Buchstamm hat,
Was drinn stett, is doch wahr!
Seitdem die Stadt dös Buch besitzt,
Warn ümmer Blatter raus geschlitzt. 

Dafür muss aber ihr zu Ehrn,
Grad so wie selle Nacht,
Im Fall, dass sich nuch mehr vererrn,
Dös Glöckle läut um acht,
Un von Micheli a muss läut
Bis in die halbe Fastenzeit. 

Jetzt freilich kann`s net mehr passier,
Dass sich nuch ens vererrt,
Staatsmäßig ward jetzt g`sorgt d`rfür,
Dass hall in Wäldern wärd,
Dös kann m`r racht handgreuflich seh,
M`r därf nar an d´r Warr noh geh. 

Die Gräfin labt schä lang net mehr,
Un wär se net gestorm,
So künnt se´s Glöckle heit nuch hör,
Wenn´s bimbelt uff`m Torm,
Un wenn´s nett eigett mit d`r Zeit,
Läut`s achte bis in Ewigkeit. 

Der Mönch in Ketten 

An der Stelle der heutigen Fronveste zu Hildburghausen stand früher ein Zeughaus. Dort erschien allnächtlich ein Mönch mit lang wallendem Barte und in aschgrauer Kutte. Er keuchte langsam des Weges daher, schwer beladen mit einer Last von Ketten und seufzte unaussprechlich. So büßte er ein sündenvolles Leben und musste also wandern, bis er jemand fand, der ihm die Ketten  abnahm. Dies muss ohne Zweifel geschehen sein, da sich dieser Spuk in unseren Zeiten nicht mehr hören noch sehen lässt. 

Vom Leichenzug beim Dürrhof 

Zwischen Hildburghausen und Steinfeld in der Nähe des Dürrhofes haben viele zur Nachtzeit einen von schwarzen Männern getragenen Sarg aus dem „dicken Busch“ quer über die Chaussee die sogenannte Wacholderrange hinunterbringen sehen.

Der Besitzer des Dürrhofes, H., erzählt, er habe in einer Sommernacht seine Wiese unterhalb des Teiches gewässert. Plötzlich sei der  Sarg erschienen und dicht an ihm vorübergetragen worden.

Vor Schrecken habe er sich zu Boden geworfen und lange nicht gewagt, den Kopf zu erheben.

Auch der „Öler“ Ebert sah auf seinem Heimwege den Sarg quer über die Chaussee tragen und stürzte vor Schrecken in den Chausseegraben. 

Die nächtliche Wehklage 

In einer Nacht rief der Wächter zu Hildburghausen die Mitternachtsstunde ab und schritt die Gasse hinauf, die beim Rathause auf die Marktgasse führt. Da hörte der Mann hinter sich ein klägliches Wimmern, schneidende Klagetöne und einen schlurfenden Schritt. Als das kein Ende nahm, blieb er an der Ecke stehen und leuchtete die Gestalt an. Er erblickte mit Grauen ein uraltes, völlig in sich zusammengedrücktes und gebücktes Weiblein, in graue Laken gehüllt und mit einem spinnwebenfarbigen Gesicht, dass harmte noch einmal auf das herzzerbrechendste. Dann zerfloss es vor seinen Augen wie ein grauer Nebel. Der Nachtwächter dachte sich wohl, dass das kein gutes Zeichen sein möchte, und behielt die Sache für sich, sagte niemanden etwas davon.

In der nächstfolgenden Nacht, als derselbe Mann wieder die nämliche Straße ging, und an die Stelle kam, wo er zuerst das Gewinner und Gewinsel vernommen, sah er aus einem Hause schwarze Rauchwolken heftig in die Höhe steigen. Gleich darauf schlug eine helle Flammenlohe aus dem Dache. Rasch wuchs die wilde Glut obgleich der Nachtwächter Feuer rief und tutete. Es währte zu lange, bevor ausreichende Hilfe kam, weil die Menschen im ersten Schlafe lagen. Das Feuer griff immer weiter um sich, und eine Reihe Häuser brannte bald zur gleichen Zeit. Bis an jene Ecke, wo die nächtliche Wehklage verschwunden war, setzte sich die Feuerbrunst fort. Dort stand das Feuer wie gebannt und fraß nicht weiter.

Solches Gespenst der Wehklage kennt man auch in anderen Städten Thüringens. So besonders in Weimar, wo auch ein gespenstiges Klageweib wimmernd und sich jammernd gebärend durch die Straßen geht, wenn es brennen wird oder der Stadt sonst ein Unglück droht. 

 

Schäfer- und Hasengespenst 

Hildburghausen ist eine Stadt sehr alten Ursprunges, daher ihr auch örtliche Sagen nicht fehlen.
Als nun Hildburghausen noch ein eigenes Fürstenhaus besaß, stand vor dem stattlichen Schlosse Tag und Nacht eine Schildwache, welche zu einer Zeit, als das Militär in den Krieg gezogen war, durch eine Bürgermiliz versehen wurde. Da ist gar mancherlei wahrgenommen und erzählt worden.
So wachten einmal drei Bürgerwehrmänner. Da es gerade eine recht schöne Mondscheinnacht war, so traten die Männer aus der Wachstube heraus ins Freie und beobachteten den Mond. Plötzlich gewahrte der eine von den dreien, dass sich über die Schulter des einen seiner Kameraden ein Schäfer lehnte, groß und stattlich von Gestalt, mit krausem vollen Barte, den Kopf mit einem weitkrempigen Schlapphut bedeckt und in der Hand die lange Schippe.
Der Schäfer machte eine gar nicht unfreundliche Miene, sondern schaute sehr ruhig drein. Der aber, auf dessen Schultern sich die Gestalt des Schäfers lehnte, sah, fühlte und merkte nichts von ihr.

Indem schlug die Turmuhr Mitternacht, und die Erscheinung verschwand. Vergebens sahen alle drei, nachdem der Kamerad verkündet hatte, was er gesehen, sich nach dem gespenstigen Schäfer um. Zu einer anderen Zeit hatten zwei andere Bürger nachts die Wache am Schlosstor. Beide standen in ziemlich gleichgültigen Gedanken. Da trottete aus der Schlossecke her plötzlich ein Hase auf sie zu, blieb vor ihnen stehen und machte sein Männchen. Die Wächter haschten nach dem Hasen, konnten seiner aber nicht habhaft werden. Jetzt wollten jene den zudringlichen Lampe in die Flucht jagen, allein dies gelang wieder nicht, vielmehr wurde der Hase größer und größer, begann seine großen Augen wie Feuerräder zu rollen und ein weniges Feuer auszupusten. Noch hielten die Bürgerwehrmänner tapfer stand. Sie legten ihre rostigen Schießprügel auf ihn an und wollten Feuer geben. Es gab aber keiner Feuer, weil beiden das Gewehr versagte. Darauf verschwand alles, der Hase zuerst und dann die beiden Wehrmänner. Sie ergriffen nämlich das Hasenpanier und flüchteten zitternd in ihr sicheres Wachstüblein hinein. 

Der Geisterkampf 

Die Poststraße führt von Schleusingen aus nach Hildburghausen über Gerhardtsgereuth durch den Wald. An einer Stelle erblickt man oft zwei gespenstige Kämpfer, welche beide verzweifelt aufeinander loshauen, bis einer sinkt und der andere verschwindet.

Das sollen nach der allgemeinen Sage die ruhelosen Geister zweier Hildburghäuser Bürger sein, von denen der eine dem anderen eine Summe Geld schuldete, aber niemals bezahlte. Worauf der Gläubiger schwur, er wolle dem Schuldner das Geld vom Leibe herunterschlagen.

Als beide einander an jener Waldesstelle begegneten, entbrannte sogleich der tödliche Kampf. Der Gläubiger überwältigte den Schuldner und schlug ihn tot, verscharrte den Leichnam und kehrte nach der Stadt zurück. Aber auch ihm ließ das Gewissen keine Ruhe, endlich rannte er zum Walde und erhängte sich über dem Grabe des Ermordeten. Als man seinen Leichnam nun auch dort begrub, entbrannte der Geisterkampf der beiden und dauern mit Ungestüm oft halbe Nächte hindurch oder doch von Mitternacht an bis zum ersten Hahnenschrei. Der Zufall wollte es, dass der Leichnam des Erschlagenen aufgefunden wurde. Man grub ihn aus und setzte ihn in geweihter Erde bei, da hatte der Spuk ein Ende. 

Bezahle deine Schulden 


Nach der Volksweise:

 

„Der Müller tut sich grämen
 

Es war einmal ein Hildburghäuser,
schuldet Gelder einem Hildburghäuser.
Ans Bezahlen dacht er nimmermehr.
Das aber kränkt den anderen sehr.

Zornig schwur er seinem Schuldner:
„Schlag das Geld dir noch vom Leib herunter!“
Einmal trafen sie sich in dem Wald,
wo einer auf den anderen prallt.

Wo die Post nach Schleusingen führte
über Gerhardtsgereuth nach Hildburghausen,
da entbrannte die böse Leidenschaft,
Der Gläubiger hat größre Kraft; 

schlug ihn tot, verscharrte seine Leiche
und floh schnell zur Stadt aus dem Bereiche,
wo die schwere Mordtat er beging,
woran doch all sein Sinnen hing. 

Das Gewissen schlug ihm immer,
und je länger her: Es ward nun schlimmer.
Läuft zur Stelle, wo geschehn der Mord,
erhängt sich an demselben Ort. 

Als sein Leichnam dort begraben,
konnt er noch keine Ruhe haben;
und ein grimmer Geisterkampf entbrennt
zwischen den Toten ohne End. 

Naht der Wandrer sich der Stelle,
wird es auch in dunklen Nächten helle,
und Gespenster kann man kämpfen sehn,
bis dass frühmorgens Hähne krähn. 

Halbe Nächte währt das Wüten
und Gläubiger, Schuldner sich die Stirne bieten,
bis der eine fällt, der andre drauf
verschwinden muss im flüchtigen Lauf. 

Als man’s nicht vermutet hätte,
fand man des Erschlagenen Ruhestätte.
Man begrub ihn in geweihter Erd;
da hat das Spuken aufgehört. 

Die Mehleiche 

Die in der vorigen Sage erwähnte Straße führt auch durch die Stadtwaldung. Da ist es nicht recht geheuer. Vor nicht gar langer Zeit ging eine alte Frau in jenen Forst ins Leseholz, und als sie so recht im tiefen Wald war, sah sie unter einer ganz alten Eiche eine weißgekleidete und totenbleiche Frau. Die trug auf ihrer Schulter einen langen und schweren Sack voll Mehl, ruhte damit an der  Eiche und winkte der armen Frau, näher zu ihr hinzukommen, gab ihr auch durch Gebärden zu verstehen, sie möge ihr den Sack abnehmen. Die arme Alte aber hatte Angst und fürchtete sich und sah woanders hin – wie sie nun aber endlich den Blick wieder erhob und nach der Eiche hinsah, war die Frau verschwunden.

Als nun die Alte nach Hause gekommen war, erzählte sie, was sie gesehen, ihrer Nachbarin, und diese sprach: „Ei, Nachbarin, wisst ihr denn das noch nicht? Das ist ja die böse Müllerin gewesen, die bei ihren Lebzeiten das Getreide der armen Leute auf unbarmherzige Weise gemotzt hat. Da sie nach ihrem Tode so greulich spukte, ist sie in den Stadtwald gebannt worden und muss nun mit dem schweren Mehlsack umgehen, bis sie jemand findet, der ihr den schweren Sack abnimmt, wodurch sie erlöst wird. Die Eiche, an der die schlimme Müllerin jedes Mal ausruhen darf, heißt die Mehleiche. 

Die Folge vom Getreidemetzen 


Nach der Volksweise:

 

„Einst saß ich in dem Hammer“
 

Es ist noch nicht so lange,
dass eine alte Frau
im Stadtwald Hildburghausens
sah einen Geist genau.
Sie las sich Holz zusammen
und war im tiefen Wald,
da schaut sie weißgekleidet
die totenbleich Gestalt. 

An einer alten Eiche,
da saß gekeuert sie.
Ein Sack lang, schwer mit Mehle
im Rücken macht ihr Müh.
Sie winkt der Frau herüber
und gibt ihr zu verstehn:
„Nimm mir den Sack herunter,
ich kann nicht stehn noch gehen“. 

Die Frau bekam das Fürchten,
woandershin sie sah.
Als sie den Blick erhoben:
der Geist war nicht mehr da.
Zu Hause angekommen,
sagt sie`s der Nachbarin.
„Hast du`s noch nicht erfahren?
Das ist die Müllerin 

Die hat den armen Leuten
gar unbarmherziglich
Getreide, gut gemessen,
gemetzt durch manchen Schlich.
Nach ihrem Tode spukte
es fürchterlich umher.
Drum bannt man sie zum Walde
der Stadt, dass Ruhe wär. 

So lange muss sie umgehn,
bis dass sich jemand find`,
der ihr den Sack abnähme;
doch alle furchtsam sind.
Drum bleibt sie unerlöset,
bis an den Jüngsten Tag.
Die Eiche, da sie ruhet,
Mehleiche heißen mag!“

 

Dös Krautgarteng`spenst 

D´r Bahnwärter vo d´r Werrabahn an d´r Werrabahn hat öftersch in hellen Nächten änn Mah in die Krautgärten rümmlaufen seh´n, d´r arg g´stöhnt unn wie scheint ä schwere Last auf d´r Schulter getragen hat. Merkwürdigerweis awer n´r in Frühjahr unn in Herbst, wenn also noch niss g´pflanzt oder scho alles abgeernt war. Hat d´r Bahnwärter dann Mah agerufen, war d´r ümmer wie in Ardboden nei vaschwunden, unn ä weißer Newel is aufg´stieg´n. Ämal war ä Strassenhäuser länger in Hilberhausen gebliehm unn is ärscht spät von Zollhof aus hämmgegenge. Es war Herbst unn racht newelich, unn sa isser vo die Straß abgekomme unn links nei die Krautgärten geraten. Da kümmt auf ämal ä Mah riesengroß in dann Newel mit´n schweren Stäh auf d´r rachten Schulter auf´n zu unn lispelt ümmer: „Wo söll ich´n hintu? Wo söll ich´n hintu?“

D´r Strassenhäuser Bauerschmah war zuärscht erschrocken, awer dann hatt er laut gerufen: „Dummer Hund, wo du´ne hargenomme hast!“ „Gott sei Dank, – auf dös Wort ha ich scho lang gewart“, hat d´r Mah mit dann Stäh auf d´r Schulter g´sagt unn is in Newel vaschwunden. Seit derer Zeit hamm die Bahnwärter dort dann Mah immer g´senn. Es söll ähner gewasen sei, d´r ümmer zu Lebzeiten sein Nachbar dann Grenzstäh ins Land nei g´setzt hat, ümm für sich mehr ernten zu können. 

Der Schuster auf dem Friedhof 

In Hildburghausen war ein Schustergeselle, der sich bei einer Wette anheischig machte, zur Mitternachtsstunde in der Gottesackerkirche zu arbeiten. Gesagt, getan. Mit einem Male steht an der Stelle, wo er seinen Sitz aufgeschlagen, eine Totenbahre, auf der ein ausgestreckter Leichnam liegt. Nach einer Weile, als der Schuster arbeitete, richtete sich der Leichnam in die Höhe. Da fasste der Schuster seinen Hammer und rief: „Was tot ist, bleibe tot!“ und schlug dem Leichnam vor die Stirne. Da sank dieser bald zurück, und der unerschrockene Schuster flickte weiter.

Nach einer Weile erhob sich der Leichnam abermals, aber nur um einen noch härteren Schlag zu empfangen, der ihn wieder die Länge lang hinstreckt. Nach vollbrachter Arbeit packt der Schuster seine Arbeitsgeräte zusammen und eilt zur Gesellschaft zurück. Verwundert wird er empfangen und mit zahlreichen Fragen bestürmt, wie es ihm ergangen sei, ob ihm nichts erschienen? Unbefangen erzählt er, dass ein langer Kerl auf einer Totenbahre als Toter gelegen und sich ein paar Mal gegen ihn aufgerichtet habe. Er aber habe ihn mit seinem Hammer ein wenig an die Stirne getippt und gerufen: „Was tot ist, das bleibe tot!“

Darüber entsetzten sich die Lichtstubengenossen, denn einer ihrer Kameraden hatte sich sich fortgeschlichen in aller Eile, als die frevelhafte Wette gemacht wurde, und sich als Toter auf die Bahre gelegt, um den Schuster tüchtig zu erschrecken. Nun lag er für immer dort und hatte das Aufstehen völlig vergessen. In vollem Maße hatten beide die Strafe für ihren Vorwitz.

 

Die wunderbare Rettung der Stadt Hildburghausen

            im Dreißigjährigen Krieg

 

Bis zum Jahr 1632 blieb unser Gebiet von den Schrecken des großen Krieges verschont, wenn man von Einquartierungen und Lieferung absieht, die von den Durchzügen herrührten. Doch dies änderte sich, als Wallensteinsche Kriegshorden die Veste Coburg berannten, die der schwedische Oberst Taupadel mit Umsicht und Tapferkeit verteidigte. Verärgert durch den erbitterten Widerstand der Protestanten, befahl der Friedländer, in lutherischem Gebiet keine Nachsicht oder gar Milde zu üben. – Ein willkommener Freibrief für Plünderung und Drangsalierung der Bevölkerung, für Brandschatzung und Mord durch die entmenschte Soldateska! – Eisfeld, Rodach, Ummerstadt und Heldburg gingen in Flammen auf. Aber wie durch ein Wunder sollte dem Landstädtchen Hildburghausen dieses Schicksal erspart bleiben.

Am 2. Oktober versah der Stadtfähnrich Lorenz Schüßler den Dienst als Kommandant der Wache am oberen Tor. Gegen Mittag tauchten einige Kompanien Wallensteinscher Kriegsvölker in der Vorstadt auf. Ihr Offizier verlangte mit barschen Worten Einlass. Widerstand war sinnlos, konnte den überlegenen Feind nur zu größerer Härte reizen. So wurden die schweren Torflügel geöffnet. Schüßler begrüßte den fremden Offizier ehrerbietig und forderte ihn auf, ihm auf das Rathaus zu folgen. Dieser musterte den Hildburghäuser Stadtfähnrich von Kopf bis Fuß. „Wenn ich meinen Augen trauen kann, dann bist du der Lorz Schüßler!“ rief er dann aus. Nun erkannte auch der Torkommandant in dem fremden Kriegsmann seinen ehemaligen Zeltkameraden aus der Zeit, als er noch mit den Kaiserlichen ritt. Manche Gefahr hatten sie gemeinsam bestanden, manche Entbehrung gemeinsam wie Brüder ertragen. Lebhaft unterhielten sich die beiden auf ihrem Gang zum Rathaus. Schüßler erfuhr, dass Hildburghausen Plünderung und Einäscherung drohte. Mit bewegten Worten bat er den Freund um Schonung seiner Vaterstadt. Ein kostbares Geschenk, ein Schiff aus getriebenem Silber mit einem massiv goldenen Steuermann – der Bürgermeister selbst hatte es aus seinem Besitz geopfert –, gab schließlich den Ausschlag. Hildburghausen sollte nicht wie die anderen Städte an allen vier Ecken angezündet werden, wenn die einmarschierten Soldaten die Plünderungserlaubnis erhielten und die Stadt sich durch eine hohe Geldsumme löse. Der Rat stimmte zu.

Doch war die Gefahr noch nicht völlig gebannt. Am Krautberg und Stadtberg wimmelte es von beutegierigen Söldnern, die darauf warteten, über die unglückliche Stadt herfallen zu können. Sie galt es zu täuschen. Am Abend wurden Reisig und Stroh auf dem Markt und auf der Stadtmauer aufgetürmt. Mit einbrechender Nacht wurde diese ungeheuere Menge Brennstoff entzündet. Aus der Entfernung musste es aussehen, als ob die Stadt lichterloh in Flammen stände. „Hier ist nichts mehr zu holen“, dachten die lauernden Plünderer. Rasch zogen sie noch in der Nacht ab, um anderswo Beute zu machen.

Auch wenn Schatzung und Plünderung die ohnehin bereits ausgesaugte Stadt Hildburghausen ruinierten, so blieb den Einwohnern doch wenigstens das Dach über dem Kopf erhalten. Lorenz Schüßler, der Retter Hildburghausens, wurde mit Ehren überhäuft und war der Held des Tages. 

 

Die Predigt im Walde 

„Amen!“, schallte es durch den Wald, und ärgerlich hängte der Herzog die Büchse über die Schulter. Für heute war die Jagd gehalten. Eigentlich sollte es diesmal einem starken Sechzehnender gelten. Mit Einbruch der Dämmerung waren seine Durchlaucht und der Kammerherr durch Hochwald und Gebüsch gepirscht und hatten sich, jedes Geräusch vermeidend, dem Ort genähert, wo allabendlich ein feister Platzhirsch zur Äsung austreten sollte.

Doch an diesem Abend war es ein anderer Geweihter, der den Platz behauptete. Ein junger Pfarramtskandidat aus dem Residenzstädtchen Hildburghausen, des langen Wartens auf eine Pfarrstelle müde, hatte seine Zuflucht in eine List genommen. Mehr als anderthalb Jahre schon wartete er vergebens auf seine Anstellung. Wurde er beim Superintendenten vorstellig, hieß es nur, er solle sich in Geduld und Sanftmut üben, andere würden schon viel länger als er auf eine Stelle hoffen. Bittgänge ins Schloss erwiesen sich ebenfalls als Metzgergänge.

Dem Kammerdiener aber gefiel die Ausdauer, mit der dieser junge Kandidat sein Ziel verfolgte. Mit welchem Eifer würde dieser Gottesstreiter, der beste Referenzen vorweisen konnte, sich dem Heil der ihm anvertrauten Seelen widmen. Pfiffig schmunzelnd hatte er ihm einen Plan dargelegt, wie dem Landesherrn eine Probe des Könnens zuteil werden sollte. Er wollte ihm Ort und Zeit mitteilen, wenn der Herzog wieder auf die Jagd ging. Im Revier sollte dann der immer wieder Zurückgestellte mit lauter Stimme seine Predigt üben und alles Wild verscheuchen. Waren es nun die wohlgesetzten Worte der Predigt oder die Beharrlichkeit des jungen Dieners des Herrn, kurzum der stimmgewaltige Prediger im Walde erhielt eine der besten Pfründen im ganzen Herzogtum. Vielleicht fürchtete der Herzog aber auch nur die kräftige Stimme des Herrn Kandidaten – vor allem in seinen besten Jagdrevieren. 

 

Die Dunkelgräfin

 

Im Jahre 1807 kam in der Residenzstadt Hildburghausen ein seltsames Paar an. Vor allem war es das geheimnisvolle Auftreten der offenbar adligen Dame, das die Neugier und Klatschsucht der Hildburghäuser herausforderte und ihr den Namen Dunkelgräfin einbrachte. Man sah sie immer nur tief verschleiert. Fuhr sie mit ihrem Begleiter aus, dann wählten die beiden Zeit und Weg so, dass sie nur wenigen Leuten begegneten. Als einmal ein Metzgerbursche mit einem blutbesudelten Messer in Richtung der Fenster deutete, war dies Anlass genug, sofort die Wohnung zu wechseln.

In ihrem neuen Quartier, dem Radefeldschen Haus (Ecke Schleusinger Straße- Geschwister-Scholl-Straße) erschreckte sie das Waffenklirren zweier fechtender Studenten so, dass sie in Ohnmacht fiel und ihr Begleiter durch großzügige Stiftung und Spenden linderte.

Später siedelten die Dunkelgräfin und ihr Begleiter in das Schloss zu Eishausen über. Erging sie sich im Garten, dann konnte man den Dunkelgrafen mit geladenen Pistolen in der Faust am Fenster stehen sehen. Das Dienstpersonal, eine Köchin und ein Diener, verwehrten jeglichen Besuchern den Zutritt zum Schloss.

Als einmal die Köchin ihr Kind mit in die Küche nahm und dabei ertappt wurde, drohte man ihr die sofortige Entlassung an.

Am 25. November 1837 verstarb die geheimnisvolle Dame und wurde auf dem Schulersberg bei Hildburghausen beigesetzt.

Es gibt eine Reihe von Hinweisen, dass es sich um die Tochter Ludwigs XVI. handelte. Durch seelische Foltern in der Gefangenschaft und das Intrigenspiel in den Kreisen der französischen Emigranten völlig gebrochen, entsagte sie der Welt und verbarg sich in der Thüringer Kleinstadt Hildburghausen. Beweise ihrer Identität gibt es nicht, da man offensichtlich auf höheren Befehl jegliche Beweisstücke verschwinden ließ, um eine Identifizierung unmöglich zu machen.

Als „Rätsel von Hildburghausen“ ging die geheimnisvolle Dunkelgräfin in die Stadt- und Literaturgeschichte ein. 

 

Weitersrodaer Schätze 

In der Richtung von Eisfeld nach Hildburghausen zu, doch nur eine halbe Stunde von dieser letzteren Stadt, liegt das Pfarrkirchdorf Weitersroda, auch Weitersrod geheißen, mit einem alten Burgschlosse, das ein Herr von Heßberg erbaute, Dort, im Schlosse nämlich, sollen große Schätze verborgen und verzaubert ruhen.

Zu einer Zeit ließ sich ein hell brennendes Lichtlein sehen, das aber so. wie jemand dasselbe erblickt hatte, alsbald wieder verschwand. Einige Männer vermuteten an der Stelle, wo das Licht sich blicken ließ, einen Schatz. Sie besprachen sich miteinander, wie sie ihn heben wollten. Da gesellte sich unvermutet ein Mönch zu und bedeutete ihnen, dass der Schatz allerdings vorhanden sei, aber im Stalle liege und dort unter tiefem Schweigen gehoben werden müsse. Die Männer gruben eifrig und schweigend an der bezeichneten Stelle. Bald kam ein kupferner Kessel zum Vorschein, angefüllt bis zum Rande mit alten verschimmelten Talern.

„Herr Gott, die Menge!“, schrie einer der Männer laut auf. Plumps, verschwand der Kessel mit den Talern, und schwabb, hatte der Sprecher eine Ohrfeige, dass ihm Hören und Sehen verging.

Auch eine weiße Jungfer lässt sich im Weitersrodaer Schloss zu Zeiten sehen. Sie trägt einen Schlüsselbund und möchte gern erlöst sein. Auch sie ist eine Schatzhüterin, wie jener Mönch ein Schatzhüter. An das stillschweigende Heben der Schätze ist die Erlösung beider geknüpft. Diese Jungfrau erschien einer Magd des Schlosses auf einem Gange und bot derselben ihren Schlüsselbund an. Sie sagte der Magd, in einem alten Schuppen gegenüber dem Schlosse ruhe der Schatz, der ihr, der Magd, beschert sein solle, in einem Kasten. Sie möge denselben getrost öffnen und daraus alles nehmen, was sie finde.

Die Magd eilte nach dem Schuppen, fand die Truhe, die sie vorher nie gesehen, schloss und schlug den Deckel. Siehe, die Lade war voll Geld bis an den Rand. Oben darauf aber lag ein kleines totes Kind, dem ein Messer in der Brust stak. Da grausete der Magd über alle Maßen. Sie entfloh bebend. Da tritt ihr die Jungfrau mit Händeringen entgegen, nimmt ihr den Schlüsselbund wieder und verschwindet unter schweren Seufzern.

Die von ihr erhoffte Stunde ihrer Erlösung hatte abermals noch nicht geschlagen. 

 

Vom spukenden Mönch zu Weitersroda 

Zu Weitersroda war früher, freilich nur der Sage nach, ein Mönchkloster, von dem aus zwei geheime Gänge, der eine nach dem alten Heßberger Schlosse, der andere nach dem früheren Benediktiner Nonnen- und späteren Mönchkloster Veilsdorf unterirdisch führen sollen. Verwünschte Mönche spuken noch in diesen Gängen. Einer derselben erscheint dann und wann in der Mitternachtsstunde in den Stallungen des Gutes, prügelt die Knechte durch, wirft sie aus ihren Betten, bindet darauf das Vieh los und hetzt es im Stalle herum. 

 

Geisterkämpfe am Judengottesacker 

Etwa 100 Schritte von Weitersroda liegt der Judengottesacker. Unter diesem stand vor Zeiten eine Kapelle, die abgetragen wurde, nachdem die jetzige Pfarrkirche erbaut worden war.

Bei Gelegenheit dieser Abtragung entzweiten sich ein paar Zimmerleute so heftig, dass einer den anderen erschlug, nachdem er ihm oben am Walde, der über dem Judenfriedhof hinzieht, aufgelauert hatte. Kaum aber war die unselige Tat geschehen, so folterten Reue und Gewissensbisse den Mörder, und er legte alsbald Hand an sich selbst. Beider Leichname wurden an der Stelle, wo man sie fand, verscharrt. Über ihrer Grabstätte wurde ein großer Stein aufgerichtet, in welchem eine Zimmeraxt bildlich eingemeißelt wurde.

Diese Stätte blieb ein verrufener Ort, denn oftmals wurden bei nächtlicher Weile die Geister der beiden, in blutige Laken gehüllt, miteinander kämpfend, erblickt. 

Das Sühnekreuz bei Weitersroda 

Der Mittag war schwül und schwer die Luft,
Dunkel der Wald, wie eine Gruft.
Am dicken Baumstamm mühten sich zwei
Und sägen ... und plaudern allerlei. 

Da fällt dem einen von ungefähr
Aus der Tasche ein Groschen. Und fällt so her.
Er kann ihn nicht finden, wie er auch sucht.
Da schöpft er Verdacht. Er schreit, er flucht. 

„Du Hund! Hast mir meinen Groschen gestohlen!“
„Beileibe nicht!“ – „Der Teufel soll dich holen –
Du hast ihn!“ – „Ich schwör´s ich hab ihn nicht!“
Sie rasten, sie schlagen sich ins Gesicht. 

Sie greifen in hitziger Eile
Beide nach blinkendem Beile.
Sie schlagen einander blutig und tot,
Rings ist der Boden scharlachrot. 

So fand man sie am gleichen Tag.
Nichts weiter die Sage zu melden vermag.
So starben sie elend die zwei ...
Und der silberne Groschen lag dicht dabei! 

Das Grabkreuz 

In einer Lichtstube in Weitersroda wurde die Frage aufgeworfen, ob ein Bursche wohl so furchtlos sei, vom Gottesacker in der Mitternachtsstunde ein Grabkreuz zu holen. Und da war gleich ein vorlautes und keckes Knechtlein bei der Hand, das rief: „Was gilt´s? Ich tu´s!“ Es ward eine Wette gemacht, und der verwegene Bursche eilte – gerade schlug es 1 – nach dem Kirchhofe. Nachdem er über die Mauer geklettert und in den Gottesacker hinabgesprungen war, rüttelte er so lange an einem der Kreuze, bis er es in Händen hielt. Als er aber wieder an der Mauer empor kletterte, fühlte er sich zurückgerissen, und eine Grabesstimme rief: „Mein Kreuz! Mein Kreuz!“ Da schwand dem Knecht das Bewusstsein, und er blieb wie leblos auf dem Gottesacker liegen. Da er nicht wiederkehrte, machten sich etliche Burschen mit Laternen auf, ihn zu suchen, fanden ihn starr und kalt, mit entstellten Zügen. Man trug ihn nach seiner Behausung und brachte ihn wieder zu sich, doch nicht länger, als bis er mit matter Stimme und halber Besinnung mitgeteilt hatte, was ihm widerfahren war. Dann starb er. 

Bürden 

Groß war der Landbesitz der Mönche zu Veßra. Fast in jedem Dorf besaßen sie einige Äcker und Wälder, aus denen sie Nutzen und Gewinn zogen. Von besonderer Bedeutung waren die Fischteiche zwischen Hildburghausen und Eisfeld, bekam man doch aus ihnen die Fastenspeise, den begehrten Fisch.
Alljährlich zum Fischzug im Herbst, aber auch zu den notwendigen Arbeiten an Dämmen und zulaufenden Bächen zogen die Veßraer Mönche dorthin. Fischgarn und Werkzeuge führten sie in großen Packen mit sich. Am Ufer der Teiche legten sie die Lasten ab und errichteten Hütten, die ihnen für einige Wochen als Unterkünfte dienten. Jede Kleinigkeit, die man vergessen hatte, musste aus dem fernen Veßra geholt werden. Dies wie auch die schwere Arbeit war ihnen eine rechte Bürde.

Daher wurden einzelne Mönche zu ständigen Aufsehern bestellt, feste Häuser für sie errichtet und Klosterbauern dort angesiedelt. Sie kamen gern, denn hier boten ihnen nicht nur Feld und Wald Nahrung, sondern auch der Fischfang und der Verkauf der Fische auf den Märkten zu Eisfeld und Hildburghausen brachten manche klingende Münze.

Nach den Bürden der Mönche erhielt das hier entstandene Dorf seinen Namen. 

Birkenfelder Sage

Vor vielen Jahren, als noch der Herzog Joseph von Hildburghausen seine Jagden im Birkenfelder Grund hielt, gab es in Hildburghausen auch einen Kreiser oder Forstwart. Ein junger Jägerbursche ging zu dieser Zeit einmal in den Heiligen Zwölf Nächten bei Mondschein über den Fürstenweg auf den Anstand, setzte sich endlich dem Saalig gegenüber an der Hangleite auf einen großen Grenzstein und wartete auf Hasen. Er hatte schon manchmal aus dem Holz herauskommen sehen, aber alle waren für den Schuss zu weit. So wartete er Viertelstunde um Viertelstunde. Da hörte er deutlich, wie es in Eishausen auf der Kirche 12 schlug. Zugleich raschelte es auch in seiner Nähe, und als er sich umschaute, bemerkte er einen Igel, aber einen absonderlichen großen mit Augen wie Feuerkohlen. Der Igel lief immer im Kreis um den Grenzstein, auf dem der Jäger saß. Dieser wunderte sich, dass in dieser Winterzeit ein Igel im Schnee umherlief. Aber sein Verwundern wurde noch größer, als hinter dem Igel nun auf einmal drei Hasen einher liefen, Männchen machten und sich gar nichts an den Jäger kehrten. Schon wollte er sein Gewehr in den Anschlag heben, da bellte drüben im Saalig ein Hund. Gleich darauf kam aus dem Dickicht eine sonderbare Gestalt, ein Mann in uralten, engen Kleidern mit zerschlitztem Wams und einen niedrigen Hut mit langer Feder. Der Mann trug einen schweren Kessel auf dem Rücken und setzte ihn alle 20 bis 30 Schritte nieder. Dabei hörte man, dass im Kessel Goldstücke rollten. Jedesmal, wenn der Kessel niedergesetzt wurde, heulte der Hund, und der Fremde murmelte in einer unbekannten Sprache. Langsam kamen Mann und Hund dem Jäger näher. Da gewahrte dieser mit Schrecken, dass das Gesicht des Fremden wie Spinnwebe aussah. In seiner Angst drückte der Jäger los. Krachend rollte der Schuss durch den Grund. Zugleich aber bekam der Jäger eine Ohrfeige, dass er vom Grenzstein herabstürzte und mit dem Gesicht im Ackerfeld lag. Hohnlachend hörte er den Fremden noch rufen: „Hättest du den Kessel mit tragen helfen, so wärest du jetzt ein reicher Mann!“ – Eine ganze Weile blieb der Jäger noch liegen und konnte sich vor Schrecken nicht rühren. Als er gegen Morgen nach Birkenfeld kam, musste er sich krank ins Bett legen. Er hat diese Nacht sein Leben lang nicht vergessen. 

Der Feuerreiter

 

Wohltätig ist des Feuers Macht,
Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht.
Doch furchtbar wird die Himmelskraft,
Wenn sie der Fessel sich entrafft. 

„Feuer! Es brennt!“, gellte der Schreckensruf durch die nächtlichen Gassen von Pfersdorf. Ein stattlicher Bauernhof stand in hellen Flammen. Rasch hatten sich Männer und Frauen gefasst. Röchelnd japste die altersschwache Feuerspritze ihren dünnen Strahl in das prasselnde Flammenmeer. Doch bald musste man erkennen, dass Menschenkraft das lodernde Inferno nicht mehr eindämmen konnte. Schon leckte die Lohe nach den Dächern der umliegenden Häuser und Scheunen. Da half weder verzweifelt Mühe, noch ein zum wolkenverhangenen Himmel gesandtes Gebet. Der Hirtenalte wankte herbei. Erwartungsvolle Blicke streiften ihn scheu. Brachte er die Rettung? Von ihm wusste man, dass er mehr als Brot essen konnte. Dreimal umging er die Brandstätte. Dann warf er einen Laib frisches Brot in die Flammen. Ein feuerrot gekleideter Reiter preschte auf einem struppigen Fuchs aus dem brennenden Gehöft. Ihm folgte die Lohe, das Feuer fiel in sich zusammen, und das Dorf war gerettet. Dankbar wandte man sich an den Alten. Der brummte nur in seinen schlohweißen Bart:

„Mer müss´s nander versteha!“ 

Das Geschenk der Zigeuner 

Rau fegte der Nordost über den Hahnritz. Schneeregen peitschte den Männern und Frauen in das braune Gesicht. Es waren Zigeuner. Einen langen Weg hatten sie hinter sich, und es war nicht abzusehen, wo sie eine Bleibe finden können. Überall wies man sie aus den Dörfern.
So kamen sie nun nach Pfersdorf. Doch auch hier wollte keiner den braunen Gesellen einen Platz in der Scheune geben. Verzweifelt klagten die Mütter, bitterlich weinten die Kinder, und Hass erfüllt sahen die Männer auf die, die sie mit handfesten Knüppeln in den Händen aus dem Dorf jagen wollten. Doch eine der Bäuerinnen, ihren Mann hatte sie vor Jahren verloren, erbarmte sich des braunen Völkchens und gewährte den Zigeunern in ihrer Scheune Unterkunft. Als sie am Abend noch einmal nach dem Rechten sehen wollte, blieb ihr das Herz vor Schrecken fast im Leibe stehen.
Mitten in der Scheune brannte ein großes Feuer, und die braunhäutigen Gesellen saßen darum, als ob dies etwas ganz Gewöhnliches wäre. Die Bäuerin brachte vor Schreck kein Wort über die Lippen. Ein altes Zigeunerweib trat vor sie hin, strich ihr übers Haar und sagte: „Gute Frau, musst nicht Angst haben vor dem Feuer der Zigeuner! Wir haben Gewalt über das Feuer.“ Zum Beweis ließ sie eine Schütte Stroh herbeiholen. Dann steckte sie einen Strohhalm mitten hindurch. Mit einer Heugabel hielt einer der Braunhäutigen die Schütte ins Feuer, das jäh aufflammte. Als man die Garbe aus dem Feuer zog, war sie restlos verbrannt, nur der eine Halm war völlig unversehrt. Kein Fünkchen Feuer, kein Fleckchen Ruß!

Am nächsten Morgen zogen die Zigeuner weiter, nachdem sie sich bei der Bäuerin bedankt hatten. Die alte Zigeunerin aber sprach: „Weil du uns und unsere Kinder vor dem sicheren Tod gerettet hast, will ich dir ein Geschenk machen. Geld und Gut habe ich nicht. Aber ich will machen, dass dein Gehöft vom Feuer verschont bleibt, und wenn das ganze Dorf ein riesiges Flammenmeer sein sollte.“

Wie mir erzählt wurde, soll der Feuerspruch der Zigeuner sich in wunderbarer Weise erfüllt haben. Ja, einmal sei der ganze Straßenzug ein Opfer der Flammen geworden. Wie durch ein Wunder blieben aber Haus und Scheune der gastfreundlichen Bäuerin von Feuerbrunst verschont, während rechts und links die Häuser in Schutt und Asche sanken. 

Das Reiterkreuz 

Kommt man von Leimrieth aus nach Pfersdorf, erblickt man am Straßenrand ein verwittertes Steinkreuz. Es erinnert an einen Reiter, der hier bei einem Sturz vom Pferde den Tod fand.

Lange war unsere Heimat von den Schrecken des großen Krieges verschont geblieben. Es war Herbst geworden, Herbst des Jahres 1634. In Pfersdorf rüstete man zu einer zünftigen Bauernhochzeit. Doch da sprengte ein Trupp kaiserlicher Dragoner ins Dorf. Barsch forderten sie Nahrungsmittel, Futter für die Pferde und Geld. Doch bevor die Einwohner dem Befehl des Offiziers nachkommen konnten, hatten die Reiter Stall und Scheune geleert, Truhe und Schrank erbrochen. Wehe dem, der sie an ihrem räuberischen Tun hindern wollte! Es war nun ein Werk weniger Stunden, und ein wohlhabendes Bauerndorf nicht mehr wussten, woher sie Speise und Trank für die nächsten Tage, geschweige für den ganzen Winter, nehmen sollten.

Verständnislos hatte der junge Bräutigam dem Treiben der Räuber mit der kaiserlichen Feldbinde zugesehen. Verzweifelt ballte er die Fäuste, als der Hufschlag verhallte. Da brach es aus ihm heraus: „Warum soll ich mich treten lassen? Selber will ich treten!“

Seiner Braut waren diese zornigen Worte zunächst unverständlich. Wenige Tage später wurden sie ihr in furchtbarer Weise klar. Ihr Zukünftiger war verschwunden. Bauern brachten die Nachricht, er sei den Dragonern gefolgt, habe Handgeld genommen und sei selbst Landsknecht geworden. Weinend sank die verlassene Braut zu Boden. Schmerzhaft regte sich das junge Leben, das sie unter dem Herzen trug.

Der Winter kam, der Hunger folgte, die Krankheit war sein Begleiter. Der Totengräber hatte in diesem Winter viel Arbeit.

Zwei Knechte mussten ihm zur Hand gehen. Einmal wurde ein Kindergrab an der Friedhofsmauer ausgehoben. Es war die letzte Ruhestätte für das neugeborene Kind der verlassenen Braut. Als sie es in die kalte, dunkle Grube senkten, tat die verzweifelte Mutter einen furchtbaren Fluch über den, den sie einst geliebt hatte.

Jahre vergingen. Friede wurde. Da kehrte ein schmucker Reiter in seine Heimat zurück. Schon sah er von weiterem das Vaterhaus, das den großen Krieg überstanden hatte. Doch als er in das Dorf sprengte, bäumte sich sein Ross. Er stürzte zu Boden. Leute, die herbeieilten, um zu helfen, erkannten ihn als den treulosen Bräutigam von einst. Der Fluch der verlassenen Braut hatte sich in furchtbarer Weise erfüllt. Beim Sturz vom Pferd hatte er sich das Genick gebrochen.

 

Es ist einfacher, Menschen zu täuschen, anstatt sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.

Mark Twain, 1835-1910, amerikanischer Schriftsteller
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