Eine Seite für Hildburghausen

Steiner, Gerhard

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Steiner, Gerhard

(Prof. Dr. phil. habil.)
* 27. 05.1905, Hildburghausen
† 21. 11.1995, Berlin     
 


  Gerhard Steiner Ehrenbürger
   Prof. Dr. phil. habil. em. Gerhard Steiner erhält am 9. April 1990 von Bürgermeister Jürgen Ließ die Urkunde zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde von Hildburghausen.
  Repro: Pressefoto von Bernhard Großmann, Neffe von Gerhard Steiner

Germanist, Bibliothekswissenschaftler, Publizist, Schriftsteller  

Ehrenbürger Hildburghausens (1990)
Ehrenmitglied der Georg-Forster-Gesellschaft in Kassel (1991)
 

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1925
Abitur in Hildburghausen
Studium der Theaterwissenschaft, Germanistik, Pädagogik, Psychologie, Philosophie und Geschichte in München und Jena
1929 Promotion zum Dr. phil. der Universität Jena, anschl. Tätigkeit als Lehrer.
  Soldat im Zweiten Weltkrieg.
1945 – 1950 Bibliothekarprüfung und Chef der Ernst-Abbe-Bücherei in Jena.
1950 – 1953 Abteilungsleiter im Zentralinstitut für Bibliothekswesen in Berlin. S. hat maßgeblichen Anteil beim Aufbau des DDR-Bibliothekswesens.
1953 – 1970
Berufung und Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der DDR
1965 – 1970 Stellvertretender Direktor des Germanistischen Instituts.
1960 – 1970
Prof. für Literaturgeschichte an der Universität Greifswald. Er ist ein international bedeutender Georg-Forster-Forscher und hervorragender Kenner der jakobinischen Literatur.
Seit 1970
Freischaffender Schriftsteller in Berlin.
1990 – 9. Apr.
Verleihung der Ehrenbürgerrechte der Stadt Hildburghausen.

 
Autor und Herausgeber
(Auswahl)

von ca. 50 Büchern, besonders zur Literatur des 18. Jh. und zur Weltliteratur u. a.:

Forster. Ein Lesebuch für unsere Zeit (1953); 1813. Ein Lesebuch für unsere Zeit (1953); Petöfi. Ein Lesebuch für unsere Zeit (1955); Hebbel. Ein Lesebuch für unsere Zeit (1955); Ein kurzweilig Lesen von Till Eulenspiegel (1955); Jörg Wickram: Das Rollwagenbüchlein (1957); Lexikon der Weltliteratur (1963); Georg Forsters Werke in vier Bänden (1967 – 1970); Grimmelshausen: Das wunderbarliche Vogelnest (1972); Das Lalebuch (1977); Lexikon fremdsprachiger Schriftsteller (3 Bde. 1977 – 1980); Drei preußische Könige und ein Jude: Erkundungen über Benjamin Veitel Ephraim und seine Welt. Edition Hentrich, Berlin 1995; Werke zur Regionalgeschichte (s. dort), Hunderte wissenschaftliche Beiträge zur Literatur- und Theatergeschichte sowie zu historischen Themen. 

Anmerkung: Ab 1988/89 arbeiteten Gerhard Steiner und Hans-Jürgen Salier für transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin, an dem Ausstattungsband mit dem Titel „Hoch auf dem gelben Wagen – Bilder, Geschichten und Gedichte aus der Postkutschenzeit“.  

Nach der Einheit Deutschlands wurde die Vollendung des Projekts nicht weiter verfolgt. Nach 1990 bis zu seinem Tod verfasste Gerhard Steiner (1905 – 1995) fünf Bücher, drei davon erschienen im Verlag Frankenschwelle Hans J. Salier.

 Buchtitel und Aufsätze Gerhard Steiners mit Bezug zu Hildburghausen (Auswahl)

-   Minna Meyer – Eine fast unbekannte Frau der deutschen Verlagsgeschichte. In: Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophile. 62. Heft. – Leipzig, 1976

-  Die Sphinx zu Hildburghausen – Friedrich Sickler. Ein schöpferischer Geist der Goethezeit. – Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, 1985


-  Die Hugenotten zu Hildburghausen. In: Almanach für Kunst und Kultur im Bezirk Suhl. Nr. 8. – Suhl, 1987


-   Friedrich Rückerts Beziehungen zu Hildburghausen und Umgebung. – In: 200 Jahre Friedrich Rückert. Hg. Von Egbert Friedrich, Schriften des Rodacher Rückert-Kreises e.V. – Rodach b. Coburg, 1989


-    Eduard Schönfeld – Lebensbild eines hervorragenden Astronomen aus Hildburghausen. – Verlag Frankenschwelle Hans J. Salier, Hildburghausen, 1990


-   Geschichte des Theaters zu Hildburghausen. Spezieller Beitrag zur Kulturgeschichte des thüringisch-fränkischen Raumes und der theatergeschichtlichen Beziehungen Coburg – Meiningen. – Schriften des Rodacher Rückert-Kreises e. V., 14. Heft, Rodach b. Coburg, 1990


-    „Grüß’ dich, Deutschland, aus Herzensgrund!“ – Hundert Jahre deutsche Landschaftsdichtung (Mit einem Beitrag des Herausgebers zu den Gedichten und den 17 Stahlstichen aus „Meyer’s Universum oder Abbildung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde“). – Verlag Frankenschwelle Hans J. Salier, 1990, Hildburghausen


-    Ein Finanzier im Dienste der Literatur und Kunst – Erdmann Scheller in Hildburghausen. – In: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins, Bd. 6, 1991


-    Stille Dächer – zarte Liebe. Die Jugendzeit des Dichters Gustav Falke in Hildburghausen. – Verlag Frankenschwelle Hans J. Salier, Hildburghausen, 1994

- Steiner, Gerhard und Ingrid Merbach-Steiner: Die alte handwerkliche Papierherstellung: Aus vielerlei besonders archivarischen Quellen erarbeitet und durch historische Entwicklungen und durch die Darstellung Südthüringer und fränkischer Papiermühlen und ihrer Papiermacher erläutert. – Projekte, Halle, 2006

Aus dem Nachruf
des ehemaligen Vorsitzenden der
Pirckheimer-Gesellschaft e.V., Hartmut Pätzke 

Gleich ob es um den Kartenschreiber Thomas Mann ging oder im Göschenhaus um Seume, so konnte Prof. Steiner, Bibliothekar und Germanist, vielseitig wissenschaftlich und publizistisch tätig, mit einem sehr speziellen Wissen, das er als Bücherfreund und Forscher erlangt hatte, Wichtiges zum Gespräch beitragen. An der Ernst-Abbe-Bibliothek in Jena wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg Nachfolger eines Herrn Witsch. Nach seiner Übersiedlung nach Berlin, wo er an der Bibliothekarschule arbeitete, wurde er lehrend und forschend an der Humboldt-Universität, an der Akademie der Wissenschaften und an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald tätig. Sein Hauptforschungsgebiet wurden die deutschen Jakobiner und vor allem Georg Forster. Die 20bändige historisch-kritische Ausgabe der Werke Georg Forsters im Akademie-Verlag krönte diese Arbeit. Zuletzt erschien in der Edition Hentrich sein Buch „Drei preußische Könige und ein Jude“, posthum ein Buch über die Thüringer Papiermühlen (seine Vorfahren besaßen eine Papiermühle), für das er Vorarbeiten schon seit den dreißiger Jahren leistete …


Anmerkung: Pirckheimer-Gesellschaft e. V. = Vereinigung von Bibliophilen, Grafik- und Exlibrissammlern.

Namensgeber ist der Renaissance-Gelehrte und Humanist Willibald Pirckheimer 

 

Die Literaturwissenschaftlerin Dr. Hannelore Gärtner, Leipzig, schrieb am 25. Mai 2005 anlässlich des 100. Geburtstages in „Freies Wort“: 

Aus dem „Lexikon der Weltliteratur“ entwickelte sich … das „Lexikon fremdsprachiger Schriftsteller“, das drei Bände umfasste und das Gerhard Steiner als einer von drei Herausgebern betreute. Respekt gebietend (er war groß!), aber immer charmant, beherrschte er mühelos jede Beratungsrunde. Wirklich beeindruckend waren seine umfassenden Interessen, die sich nicht nur auf die Konversationsebene erstreckten, sondern durch wissenschaftliche Arbeit untermauert waren. Worauf er auch immer angesprochen wurde – er konnte etwas Substanzielles dazu sagen. Seine große Liebe galt aber zum einen Georg Forster, dem Aufklärer, Reisenden, Revolutionär, dessen Schriften er edierte und über den er unermüdlich forschte (und auch im Merseburger Archiv eine bis dahin unbekannte Handschrift fand), zum anderen seiner thüringischen Heimat und seiner Geburtstadt Hildburghausen. Wie kaum ein anderer fand er sich in der nicht ganz einfachen Geschichte der thüringisch-sächsischen Herzog- und Fürstentümer, der Residenzen und ihrer Familien zurecht. Meist wusste er noch eine Anekdote dazu, ein interessantes Detail, das in keinem Buch stand, er stieß auf Zusammenhänge, die noch niemandem aufgefallen waren. Seine Methoden waren akribisch, alles wollte er genau wissen, unpräzise Formulierungen der Texte von Autoren, die er als Herausgeber betreute, ließ er nicht gelten. Die von ihm bearbeiteten Blätter waren mit Korrekturen und Fragezeichen übersät (die Schrift war immer leserlich!), die den Dingen auf den Grund gingen, auch wenn das Mühe machte. … 

Gerhard Steiner 

Die Sphinx zu Hildburghausen -

Friedrich Sickler. Ein schöpferischer Geist der Goethezeit

 

(Auszug aus dem Vorwort des gleichnamigen Buches, S. 9 f.) 

Sooft ich in meiner Kindheit den Friedhof meiner Heimatstadt Hildburghausen besuchte, fiel mir ein eigenartiger Grabstein auf. Nicht weit vom Eingang entfernt stand das rätselhafte Denkmal mit einer Sphinx, und unter den Angaben über den Verstorbenen war der Sonnenlauf nach altägyptischer Auffassung symbolisch dargestellt. Der Name auf dem Grabstein sagte mir erst etwas, als ich, ein Primaner des Gymnasiums Georgianum meiner Heimatstadt und bibliothekarische Hilfskraft meines unvergesslichen Lehrers Dr. Rudolf Germann, die alte, reichhaltige Gymnasialbibliothek mit ordnen und verwalten durfte und zahlreiche Schriften des auf unserem Friedhof 1836 unter die Sphinx gebetteten Dr. Sickler entdeckte, von denen mehrere in Hildburghausen gedruckt worden waren. Sie betrafen sehr verschiedene Gebiete. Das Buch über „Die heilige Priestersprache der alten Ägypter“ deutete auf sein Grabmal hin. War es schon auffällig, dass ein Archäologe eine Untersuchung der Sandsteinbrüche bei Hildburghausen veröffentlicht hatte, so ließ mich vor allem die Frage nicht los, wie ein thüringischer Gymnasiallehrer es sich einfallen lassen konnte, eine „Topographie der Umgebung von Rom“ zu verfassen und 1811 herauszugeben. Zwar orientierte ich mich damals, soweit mir das möglich war, über den mir nunmehr interessanten Mann, aber erst ein halbes Jahrhundert später erschloss sich mir eine weitere wichtige Seite dieses vielseitigen Gelehrten: Ich gewann einen Einblick in seine politischen Anschauungen, als mir im Zusammenhang mit meinen Forschungen über die deutschen literarischen Reaktionen auf den griechischen Freiheitskampf 1821/30 ein Werk in die Hand fiel, das Sickler damals zur moralischen Unterstützung des griechischen Volkes in Hildburghausen herausgegeben hatte. Ein Blick in den Bestandskatalog der Bibliothek des Britischen Museums zu London machte mir klar, dass Sickler weit über sein heimatliches Territorium hinaus bekannt war: Ich fand
25 Werke von ihm verzeichnet, und auch im Katalog der Nationalbibliothek zu Paris sah ich ihn reich vertreten.

Nun suchte ich mich eingehender über ihn zu unterrichten und musste erfahren, dass die bisherigen sehr kurzen und sich sehr ähnelnden Darstellungen des Lebens und Wirken Sicklers mit ihren Irrtümern und Lücken dem Mann keineswegs gerecht wurden. So sah ich mich veranlasst, alle aufspürbaren Quellen über ihn zu erschließen, mich in seine Schriften und seine Geisteshaltung zu vertiefen und zu versuchen, ein vollständigeres Bild dieser Persönlichkeit, die zu unserem progressiven geistigen Erbe gehört, zu entwerfen und Sicklers Bedeutung aus unserer heutigen Sicht aufzuzeigen.

Die Gesamtheit seines Wirkens stellt sich uns als ein Kapitel Wissenschafts-
geschichte und Kulturgeschichte
dar. Diese wiederum sind nicht zu trennen von der Verbindungsgeschichte, die das Netz der Kommunikation der Gelehrten einer Zeit erschließt. Im Fall Sickler sind diese drei Gebiete eng mit den historischen und gesellschaftlichen Vorgängen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts verwoben und zugleich von den persönlichen Erfahrungen, Erlebnissen, Ansichten und Irrtümern eines selbstständig denkenden Wissenschaftlers, Pädagogen, Dichters und Publizisten geprägt. Aus der Verknüpfung des Gesellschaftlichen mit dem Individuellen mag sich uns ein Stück Wirklichkeit der Zeit erschließen.

 


Es ist einfacher, Menschen zu täuschen, anstatt sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.

Mark Twain, 1835-1910, amerikanischer Schriftsteller
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