Eine Seite für Hildburghausen

Suppen


  Die Suppe sieben Aufgaben erfüllt:
          sie nimmt den Hunger,

         den Durst sie stillt;

         sie füllt den Magen und reinigt den Zahn,

         macht schlafen und dass man verdauen kann und

         färbt mit Gesundheit die Wangen an.
 

Den gescheiten Text hat HJS im „Deutschen Sprichwörter-Lexikon“, herausgegeben zwischen 1830 und 1880 des großen Pädagogen und Revolutionärs Karl Friedrich Wander (1803 – 1879), gefunden. In der Sprichwort- und Zitatensammlung hat HJS mindestens zwei- bis dreihundert Zitate zur Suppe notiert. Enttäuschend sind die nahezu durchgehend negativen Aussagen zur Suppe. Ein gewisser Gipfelpunkt stellt ein holländisches Sprichwort dar, aber die wasserversierten nordwestlichen Nachbarn haben so ihre Erfahrungen im Umgang mit Wasser. Über ihre Tomaten will HJS nicht lästern, sie sind inzwischen Klassen besser geworden, aber nicht Klassenbeste, die von meinen Gartennachbarn Elke und Heiner sind besser.  

Bei unseren holländischen Nachbarn heißt es zu Suppen: 
                    
Soep, eens poep,
               eens pis, weg is’t
 

Im Deutschen sagen wir dazu: 

               Suppe essen, einmal pissen und
               einmal winden, so ist nichts mehr zu finden. 

Da könnte man doch ins Philosophieren kommen, denn manchmal scheint mir, haben wir verdrängt, dass sich Nahrungsaufnahme und die Exkremente einander bedingen. Auch in unserer Heimat gibt es zum Stoffwechsel eine ungeschminkte Wortwahl:  

               War gut rülpst un gut pforzt,
               braucht kenn Apotheker un kenn Orzt.
oder
               Wenn da sechst un lösst kenn Pfuurz,

               da denkt dr Orsch, ar künnt ze kurz.
 

Und wenn HJS an die Konstruktion des Menschen denkt, grübelt er und fragt sich, ob das mit den Normen der EU vereinbar ist und ob es dafür eine TÜV-Plakette gäbe: Mitten durch das Lustzentrum des Menschen führen die wichtigsten Entsorgungsleitungen und -kanäle … 

HJS wird sich beim Kapitel Suppen und Eintöpfe ganz besondere Mühe geben und vorher ein paar Gedanken zur Suppe auseinanderklamüsern, denn Suppe eines modernen Menschen hat nichts mit Tüten und viereinhalb-Minuten-Terrine und Maggi-Flasche zu tun.  

Gute Suppe ist Kult. Vor allem die Selbstgemachte. 

An diesem Ostersonntag 2013 hatten die Ostereier keine Chance, unentdeckt zu bleiben. Vom Frühling kaum eine Spur, wenn man von den Schneeglöckchen, Märzenbechern und einige voreiligen Krokussen absieht. Die Temperaturen liegen unter dem Gefrierpunkt und die Ostereier leuchten wie die Weihnachtssterne im Schnee.  

Der 31. März 2013 war ein merkenswerter Tag. Eigentlich liebt HJS solche Tage, auch wenn er nicht auf die Idee kam, den Osterspaziergang zu rezitieren. Am Vormittag grub er sich ein in seinen unaufgeräumten Hobby- und Schreibkral ein, sprich: Arbeitszimmer. Mit GS kochte er Rinder- und Schweinerouladen und Klöße, schrieb das Kapitel über seine geliebten Rouladen zu Ende und erweiterte das große Kapitel zu den Suppen. Am Nachmittag war der Osterspaziergang angesagt. Wir wollten Abschied nehmen vom Winter und liefen durch den Neu- und Restschnee 2012/13 am Hildburghäuser Fürstenweg. Just in diesem Moment traf eine E-Mail von den beiden Freunden Irene und Rolf aus Berlin ein. Den aus Leipzig stammenden Rolf kennt HJS persönlich nicht, aber wir sind per Internet gute Freunde geworden und haben rege Kontakte. Er ist ein national bekannter Kenner und Könner des Forschungs- und Sammelgebietes „Maß und Gewicht“. Irene stammt aus Hildburghausen und hat ihre Heimatstadt nie vergessen. Sie kramt nicht nur in längst vergangenen Erinnerungen. Sie liebt Berlin, ist aber wie ein Teenager noch sehr in ihre Heimatstadt verknallt. Heimatliebe besteht vermutlich nicht nur aus Erinnerungen. 

Rolf bestellte das von HJS verlegte und von Volkmar Leonhard verfasste Buch „Geschichte der ‚Ersten Fabrik condensirter Suppen von Rudolf Scheller’ Hildburghausen/Thüringen 1971 – 1947 – Ein Beitrag zur Geschichte der Fertigsuppen in Deutschland, der Schweiz und Österreich sowie ein Blick in die Geschichte der Meerschaumwarenherstellung in Deutschland und in die Frühzeit der industriellen Werbung“. Ungewöhnlich ein solch langer Buchtitel für ein schwer wiegendes Werk, immerhin mit 460 Seiten, 300 Abbildungen und 1.060 Gramm. Beim genaueren Hinsehen wird klar, das Thema musste sich HJS nicht künstlich herbeiziehen. Das ist zwar ein vergessenes, aber gleichzeitig auch ein bemerkenswertes historisches Kapitel. 

Der Apotheker, Chemiker und Fabrikant Friedrich Heinrich Rudolf Scheller (1822 – 1900) stellte im Frühjahr 1872, wenige Monate nach Gründung des Zweiten Reiches in einer Phase der nationalen Aufbruchstimmung, seine Fabrikation von der Meerschaumpfeifenherstellung um, auf etwas nie Dagewesenes, in der Nahrungsgüterproduktion etwas Sensationelles, nämlich die Herstellung von Fertigsuppen. Für leidenschaftliche Historiker ein spannendes Kapitel. Er produzierte im heutigen Polizeigebäude in der Dr.-Moritz-Mitzenheim-Straße. Der Leser kann im Detail die Firmengeschichte nacherleben, das Auf und Ab, Entdeckungen und die Existenz bedrohenden Enttäuschungen. Er erlebt nicht nur, welche Überlegungen zu der Erfindung der Fertigsuppen geführt haben, sondern auch, warum die Suppen zeitweise an der Haustür von jungen Frauen vertrieben wurden. Er erlebt mit, welche Auswirkungen es hatte, dass Maggi, Knorr, Zamek und wie die Firmen alle sonst hießen, auf den Markt drängten und sehr erfolgreich waren. In der Tat, ob man die Fertigsuppen mag oder nicht: In Hildburghausen wurden die Fertigsuppen erfunden, das ist jetzt reichlich einhundertvierzig Jahre her. Und für eine kurze Zeit war die Kleinstadt in Südthüringen für dieses Nahrungsprodukt der Mittelpunkt Deutschlands und Europas. Die Konzerngeschichten der oben genannten Firmen sind reichlich fehlerhaft, das hat HJS da und dort schon moniert. Die historische Erfindung geriet in Vergessenheit, weil Scheller nicht den Lohn für seine Erfindungen einstreichen konnte. Erst der in Frankfurt am Main lebende Rechtsanwalt und Ahnenforscher Volkmar Leonhard, ein Nachfahre der Schellers, forschte viele Jahre, vor allem im Familienarchiv, und schuf ein bemerkenswertes Werk. Dabei half ihm wesentlich seine Tante Irmgard Sendelbach, eine geborene Scheller, Ehefrau des Stadtbaurats und Mundartdichters Bernhard Sendelbach. Überhaupt scheinen die Schellers dafür prädestiniert gewesen zu sein, Geschichtsträchtiges in die Welt gesetzt zu haben. Die beiden Brüder, die Kaufleute Johann Erdmann Scheller (1785 – 1845) und Johann Wilhelm Scheller (1790 – 1863), werden zu den wichtigen Financiers und Beratern des Verlegers Carl Joseph Meyer gezählt. Für das unternehmerische Abenteurertum Meyers investierten sie ein gigantisches Vermögen. Ohne sie hätte es das Bibliographische Institut wohl nie gegeben, auch nicht Meyers Universal-Lexikon oder Meyers kaum noch überschaubare Montanunternehmen. Ganz nebenbei: Es gab auch einmal eine Zeit in Hildburghausen, in der sich hier wichtige künstlerische Werke des Weltkulturerbes befanden, nämlich in der bedeutenden Kunstsammlung von Johann Erdmann Scheller: Giordano, Holbein, Cranach, Tischbein, Rubens, Altdorfer u. a. … 

Da  HJS nicht unbedingt ein Missionar für Fertigsuppen ist, empfiehlt er Schmackhafteres.

Es ist einfacher, Menschen zu täuschen, anstatt sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.

Mark Twain, 1835-1910, amerikanischer Schriftsteller
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