Eine Seite für Hildburghausen

Dessert einmal anders

Zufälle und eine Wintergeschichte

„Was machst du da?“, fragte die kleine Hexe das Männlein. „Siehst du das nicht?
Ich – haptschi – ich brate Maroni.“ „Maroni? Was ist das?“ „Kastanien sind es“,
erklärte das Männlein. Dann hob es  den Deckel vom Öfchen und fragte sie:
„Möchtest du welche? Zehn Pfennig die kleine Tüte und  zwanzig die große Ha-a-ptschi!“
Der kleinen Hexe stieg der Duft der gerösteten Kastanien in die Nase. „Ich möchte ganz
gerne einmal davon kosten, aber ich habe kein Geld mit.“ „Dann will ich dir ausnahmsweise
ein paar umsonst geben“, sagte das Männlein. „Bei dieser Bärenkälte wirst du was Warmes
vertragen können. Haptschi!“
                   (Otfried Preußler, 1923 – 2013) 

Am 18. Februar 2013, in diesen Tagen als das Kapitel zu den Maronen geschrieben wurde, starb der großartige Autor Otfried Preußler, den HJS nicht gerne bei den Kinder- und Jugendbuchautoren einordnet, denn er hat nicht nur die Herzen der Jüngsten, sondern auch die der Erwachsenen berührt. Der Meistererzähler ist wie GS im böhmischen Reichenberg geboren worden, heute heißt die Stadt Liberec (Tschechien). Es sind aber auch die Zufälle des Lebens, dass Bastian Salier 2004 für eine Aufzeichnung „Die kleine Hexe“ auf der Naturbühne in Steinbach-Langenbach im Landkreis Hildburghausen das Buch schrieb und Regie führte. Das Stück bildete die Rahmenhandlung für eine mehr als vierstündige TV-Samstagabend-Unterhaltungssendung des Mitteldeutschen Rundfunks. Mit von der Partie war die Amateurbühne Hildburghausen, dessen Mitglied er Jahre zuvor war, und Eva-Maria Hagen, die Mutter von Nina Hagen und ehemalige Lebensgefährtin von Wolf Biermann, die in den sechziger und siebziger Jahren als Diva Brigitte Bardot der DDR bezeichnet wurde.  

Maroni kauft man in der Weihnachtszeit beim Maroniröster, möglichst auf schwach glimmender Holzkohle verarbeitet, abgefüllt in Papiertüten, die man in Wien Stanitzel nennt. Auf dem Coburger Weihnachtsmarkt aber inzwischen auch anderswo hat der Maronihändler „Hightech“-Papiertüten mit zwei Öffnungen dabei, das Stanitzel. In einer befinden sich die Maronen, die zweite ist für die Abfälle gedacht. Sinnvolle Abfallentsorgung. 

Weihnachtsmarkt 2012 

Die Nase tropft bei klirrender Kälte. Irgend jemand rempelt dich an, ...tschuldigung! In der einen Hand das Stanitzel, der Glühwein – aufrecht stehend – in der Jackentasche, denn zum Marino-Essen musst du beide Hände frei haben. Es klebt. Die Hände sind holzkohlenstaubverschmutzt. Mit den Fingern einer Hand versuchst du, die scharfkantigen heißen Schalen zu entfernen. Unter deinen Fingernägeln sammelt sich nicht nur unappetitliche Schwärze. Es kriecht anschwellender Dauerschmerz hervor. Du bleibst mannhaft und unterdrückst das Übelgefühl, verdrängst das Scheyßwort, das du wegen der Vornehmheit mit Y schreibst. Deine Angetraute führt dich mit bekannter Mimik ehelich-freundlich oder energisch-liebevoll zu ihren fleischlichen Gelüsten, zum Südtiroler Speckstand, um zu guter Letzt festzustellen: Der Fettteil ist viel zu fett. Wohl wissend, dass der mit den Maroni werkelnde Gemahl eigentlich gerade auf das Fette, wenigstens beim Speck, scharf ist. Zu Hause gesteht sie sich, dass es vorteilhafter gewesen wäre, ein größeres Stück Tiroler Speck gekauft zu haben. Auch nach französischem Knoblauchchampignons heischt sie noch. Er wird, modernen Fast-Food-Verhältnissen entsprechend, auf Papptellern serviert. Das vegetarische Pfannengericht sieht gesünder aus, auch wenn es strenger riecht. Und du kommst mit deinen Maroni nicht klar. Dein Eigenhauch lässt selbst die Brillengläser beschlagen. Deine Kunststofflinsen fokussierst du auf den Maroneninhalt, selektierst mit geröstete Raupen, denn es gehört nicht zusammen, was nicht zusammen gehört. Fazit: Weihnachtsromantik lässt sich nie und nimmer unterkriegen: Nein niemals!

Es ist einfacher, Menschen zu täuschen, anstatt sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.

Mark Twain, 1835-1910, amerikanischer Schriftsteller
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