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Unna Hilberhausen

 Bernhard Sendelbach

Unna Hilberhausen unn die Ümgegend
MCMVI (1906) 

„Komm zieh’ dich a unn namm dein Stacken,
ma wöll'n ä weng spazier’n geh’,
raus aus dar Stuhm, aus die vier Wänd,
da drinne kannste so nix g’seh. 

Ma genn ämal dann Stadtbarg nauf,
`ma wöll’n dann schönne Tag genieß’,
dort zeig ich dir vom Bismarckstorm
das Hilberhäuser Paradies. – 

Du mähnst, der Wag wär dir ze weit?
Hä! – Dann läfft jede alte Fra.
Ma genn ganz langsam, sachte nauf.
Siehste – ma sänn scho da.“ 

„Dar Barg kam mir viel höcher vür.“
„Dös möcht dös enge Tal.
Dös sitt vo unten bloß so aus,
Doch jetzter guck ämal.  

Da links, dös sänn die Lange Barg.
Die Koburg glänzt im Sonneschein,
Schloß Banz unn Värzehnheilig’n
unn dort dar Staffelstein. 

Dar weiße Flack is ä Kapell,
sie häßt Sankt Ursela.
Die Heldborg dort, da dar Straufhain,
sie sänn zum Greuf'n nah. 

Unn dös? – Dös sänn die Haßberg, ja,
es is ä ganze Schar.
Die beid'n Gleichbarg rachter Händ,
wie so ä G'schwisterpaar. 

Dahinta, da dös düstre Zeug,
die dunkelblau’n Höh’n,
die lieg'n ball bei Fulda scho,
es is die raue Rhön. 

Dann Pferdskopf kannste lieg’n seh,
die Geba dicht dabei.
Für’n Kreuzbarg is zu newalich,
da muss gut Watta sei.

 

Nu guck ämol dös Tal entlang.
Da äugt der Dolmar rüwa;
dös is dar Ei’g’fall’ne Barg
Unn Veßra gegenüwa. – 

Im Norden – siehste nix wie Wald,
Dös Buch unn's Rokolor,
dann Heil'gen Grund – unn auf dar Höh
guckts Jägahäusle vor. 

Dar Adlaschbarg, dar liegt sonst dort,
unn Barg, die sich fast gleichen,
doch steigt’s da auf unn wärd so trüb,
ich kann'se heut net zeigen. –  

Die Galg’nspitz’n, Fals’nkalla –
dahinta geh' ich gern.
Da wär dar Bleß bei Asfald noch,
bei Veilsdorf noch die Stärn. 

Dar Krautberg dös, dar Läusbarg da,
dahinna gleich die Leit'n.
Dös Wäldle dort – dar dicke Busch,
die Höh – die Wassascheid’n. 

Unn da – siehste dös Haus im Grund? –
Dös is die Meiarei;
dös söll a Übableibsel noch
von Karl dann Groß’n sei.

Da vorn dar Wallarosser Barg
unn dort dös Teichental,
da wärd Scharfschieß’n abgehalt’n
im Jahr zwä- unn dreimal. 

Die kahle Höh, dar Hahnerts,
gehört zu Friedenthal,
da führt die Straß’ nach Römhild nüwa,
da blöst dar Wind manchmal.

Gar öftersch siehste Militär
die Straß’n nausmarschier’n,
unn nacha tunse auf dar Höh
da ohm noch exazier’n.“ 

„Ich mähn, as wärd wahrhaftig kühl,
ich gläbb, ma kriegen Regen!?“
„Dort is’ a Schäffa, komm, geh’ mit,
dann tu ma mal drum fräg’n. – 

Gut’n Tag a, Schäffa, frass’n denn
a tüchtig deine Zieg’n?
Wie wärd dös Watta, bleits wie’s is’,
oda tun ma Reg’n krieg’n?" 

„Die Luft is’ gut, dös Watta höllt
drei Tag noch, liewa Ma,
doch wenn es eha regne söllt,
da will ich nix g’sagt ha. 

Wenn's flimmrig is’, die Barg sänn weit,
da höllt gut Watta a;
doch ka ma nach die Barg gegreuf,
da is ball Reg’n da. 

Dar Harrgott mächt dös Watta ja,
ähn üm dann annan Tag,
unn wie arsch will, so wärd’s unn is,
ar kanns känn racht gemach." 

„Komm, ma genn nu in ‚Lug ins Land’
unn mach’n ärscht ä Paus’n,
vo dort aus könne ma a g’seh
dös schönne Hilberhausen.“ 

„Da lieg'n soviel Dörfa noch!“
"Lass mich doch ärscht gewähr –
die zeig ich dir davorne noch,
dort kann ichse erklär.“  

„Dös also is dar ‚Lug ins Land’?
unn ah, ä schöns Gelänna!“ –
„Wo dös har is’, ich wäß der’sch net,
ich ka es net geänna. – 

Doch guck, dös is’ nu Hilberhausen –
unn g’föllt der’sch?" – „Ich bin wack!
Die Häusa grad, wenn’s Spielzeug wär,
ich möchts gleich ei’gepack!“ 

„Da is dös alte, schönna Schloss,
drin liegt jetz’ Militär,
dort kannste die Soldaten seh’,
sie springe hie unn her. 

Dar Ärrgart’n unn dar Kanal
auf eina grünen Wiese,
da stett ä schönnes Denkmal drauf
vo dar Königin Luise. – 

„Dös da, dös is’ die Gasanstalt,
es Schlachthaus gleich nahmdra.“
„Daß die so eng beisamme stenn?“
„Dös gett dich ja nix a! – 

Im Stadttheata – siehste dort? –
wärd g’spielt unn musiziert, -
die große Kärch, häßt Christuskärch,
da bin ich konfirmiert. 

Dös dort ist unna Technikum
bekannt in alla Wält,
unn wer in Hilberhaus’n war,
oft gern davo azählt. 

Dort hamma noch dös alte stenn,
ehemals Meyersch Institut,
die Börgaschul is nawadra,
die tut noch vill Jahr gut. 

Dös da, dös ist die Amtseinnahm’,
`s stenn gleich dahinna dicht
dös Landratsamt, s’Katastaamt –
unn a dös Amtsgericht. 

Dös alte, schönne Rathaus stett
dort mitt’n auf’n Markt.
Du siehst, es hat behäb’ge Törm
unn die Mauern, die sänn stark. 

Dadrinne war’n die Bärgamästa –
Warn’se kaum ä paar Jährle dort –
scho sännse als Minista widda
unn a als Landrat fort. 

Die Apostelkärch, dös Lazarett,
dös Seminar; dar Zwerg,
dar dort nar guckt a bißle vür
is die katholisch’ Kärch. 

Dös dort, dös is die Frohnveste,
doch dörfste dort net nei."
„Nu, wenn’s ‚nich jeht’, da lass ich’s ehm.“
„Ich denk’ a, lass dös sei! 

Unn hier is dös Gymnasium
unn dort is ’s Krankenhaus.
Dort ohm ganz rachts die Heilanstalt,
da genn ma morgen naus. 

Dös Haus, dös is dös Herrschaftshaus,
da war ä Mühl’n dabei;
Davo is dös Gelänna her,
richtig! Jetzt föllt masch ei’!" 

„Unn was is dös dort ohm, dar Park?
Ar glänzt im Sonneschein!“
„Dös is dar Gott’sacka mit dar Kärch,
ä alta, schönna Hain. 

Dadrinne liegt ä Harzogin,
die Harzogin Charlotte,
ä Kandalawa is ihr Mal
auf eina hohen Grotte. – 

Wohl dene, die dort schlaff’n,
die’s üwastanne hamm,
mei Vatta unn mei Mutta
lieg'n dort ohm begram.“ 

„Wie häßt denn nu dar Fluß da unt'n?“
„Dös is’ doch unna Werr!“
"Sie glitzert wie ä Silwaband
unn fließt die Kreuz und Quer. 

Die Inseln alle, Wehr und Mühl’n,
unn da unn dort die Brücken!
Ä wunnaschönes, herrlich Bild,
s’is wärklich zum Entzücken! 

Unn da im Einschnitt 's Bahngeleis!“
„Unn dort, guck, kömmt grad an
vo Veilsdorf runta nu ä Zug
vo unnrar Werrabahn. – 

Die Barg hier links sän märschtens Kalk,
drühm Sand dar ganze Wald.
Die Gleichbarg unn die Hohe Rhön,
dös ölles is Basalt. 

Rehböck, Fasan, Härsch, Hühna, Hasen,
die triffste beiderseitig a,
doch wenn se wie jetz weitaschieß’n
sän känne bal mehr da. 

Farnkraut, dös wächst a hühm unn drühm,
rachts kannste Sonnetau g’seh;
hier hühm auf Kalk unn Basalt a,
da findste Sauaklee. 

Drühm auf’n Sand gitt’s Kreuzotta,
lass dich davo net beiß! –
Hierrüm na höchstens Ringelnatta,
Eidächsen haufenweis. 

Pfiffa, Brätling, Kapuzina,
Stäpilz unn Wacholdaschwämm
Gitt’s bei uns, sovill du ha willst,
nahmse sackweis dir mit hämm. – 

Guck da, steigt jetzt ä Lärchen auf! –
Unn dort ohm sitzt ä Krack,
unn hörrschte, wie der Kuckuck ruft? –
Doch dar is sehr weit wack.“ 

„In Hilberhausen könnt marsch g'fall!“
„Da bleib na racht lang da!
Hier kannste dich racht schö ahol –
unn b’sondersch a dei Fra.“ 

Wärtschaften unn Hotel a gitt’s
hier grad wie Sand am Meer,
da wärschte ümmer gut bedient,
die Wärt frähn sich a sehr. 

Unn wennste frische Luft wißt ha,
raus auf die Barg, in Wald!
Unn jeden Tag a kannste bad,
ma ham ä Badanstalt. 

Unn deine Brief vo auswärts rei
B’sorgt’s Postamt ärschta Klasse;
dös hamma unn ä Kreisbänk a
unn a ä Stadtsparkasse.“ 

„Da gett die Sonne goldig unta,
ach, herrlich, ist dös schö!“
„Dös is dar Esselrietha Barg,
die runde, kahle Höh’. 

Da sterm die Bäuma zusehns ab,
a die Dörnerbüsch unn Schleh’n,
wovo, dös ka ich dir net gesag,
sie mähna, vo Arsen.“ 

„Nu nenn ma a die Dörfa noch,
die da im Awendschein
so friedlich liegen, unn ich will
nacher zufrieden sein.“ 

„Dös da is Bärkfald, Heßbarg dort
mit Schloss, Gut, Bräuarei,
dös dort häßt Veilsdorf unn dös da Klosta,
ä frühere Abtei. 

Dös hinten drauß’n, dös is’ Börn,
davor liegt Weikarschrod.
Friedrichsafang mit’n Tiergarten.“
„Unn dös im Awendrot?“ 

„Dös Dorf? – Dös is ja Ewenhards,
wärd Mawerds a genennt.“
„Unn hier, wo die drei Schlöt tun rauchen
unn helles Licht scho brennt?“ 

„Dös is dös schönne Esselrieth,
ä Name, dar drauf schließ'n lässt,
's is' unna Industriegebiet,
da war ämal die Rinderpest.“ 

„Unn dös, – wie häßten dös da noch?“
„Hah! Wo denn?“ – „Nu dös hier im Loch!
Dös is doch a scho ziemlich groß.“
„Ach dös da? Dös is Wallaroß.“ 

„Guck, da brennt ma jetzt in dar Stadt
In’n Haus ä Licht scho a.“
„Unn dort, da brenne die Latern,
nu is dar Awend da. 

Da läut’n scho die Glocken sechs,
dar Rauch steigt aus die Schlöt herauf,
da setzense dahäm bei mir,
wahrscheinlich jetz Ardöpfel auf. – 

Dös war nu unna Paradies.
Gitts Schönners auf dar Wält?“ –
„Ich gläbbs net!“ „Richtig ja so is,
unns A’seh’n kost kä Geld.“ – 

„Ma sänn dahämm, Dank! Gute Nacht!“
„Schlaff gut in Hilberhausen.
Doch lass ja net dei Fansta auf,
denn es wärd kühl heut draußen!

Anmerkung
Von diesem vielleicht schönsten und wichtigsten Gedicht Sendelbachs gibt es mehrere Fassungen. Nach Fertigstellung des Bandes Bernhard Sendelbachs Hilberhausen unn die Ümgegend erhielt Hans-Jürgen Salier von Wilfriede André eine Abschrift des Gedichts aus den sechziger Jahren, also noch zu Lebzeiten Bernhard Sendelbachs und vermutlich auch von ihm autorisiert. Für den Sendelbach-Band wählte Hans-Jürgen Salier die Fassung aus der Kulturwarte im Kreis Hildburghausen (1957), einer Monatsschrift des Kulturbundes. Der aufmerksame Leser stellt beim Vergleich der beiden Fassungen fest, dass sie sich in Teilen unterscheiden. Gründe hierfür könnten sein: Das Gedicht ist von Sendelbach verändert worden. Zudem schlichen sich bei der Anfertigung von Kopien Schreibfehler ein. Manche Textstellen wurden auch im Lauf der Zeit dem Zeitgeist od. den politischen Verhältnissen angepasst. Beide Fassungen sind von Irmgard Sendelbach autorisiert.

 

 

Es ist einfacher, Menschen zu täuschen, anstatt sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.

Mark Twain, 1835-1910, amerikanischer Schriftsteller
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