Eine Seite für Hildburghausen

EIN DEUTSCHER ZEITENSPIEGEL

Das Hamburger Nachrichten-Magazin stern veröffentlicht im Heft 46/1994 (10.11.1994) einen siebzehnseitigen Bericht des bekannten Journalisten, Publizisten und Historikers Heinrich Jaenecke (1928 – 2014) zum Lebenswerk Rudolf Mefferts unter der Überschrift

HILDBURGHAUSEN – EIN DEUTSCHER ZEITENSPIEGEL

Die Zeitschrift schreibt im Vorspann Zwischen Hitler und Honecker, dass Rudolf Mefferts Bilder das Gesicht einer Kleinstadt zeigen – einen deutschen Mikrokosmos.

Das Lebenswerk charakterisierend, schreibt Jaenecke:

… Rudolf Meffert war ein Fotograf der alten Schule. In diesem Haus war sein Atelier, das bekannteste der Stadt, und es gab kaum einen Hildburghäuser, der nicht irgendwann vor Mefferts Kamera gesessen hatte. Als er in den zwanziger Jahren sein Atelier eröffnete, war die Fotografie noch kein Spielzeug für jedermann, sondern eine ernste Sache. Man ging zum Fotografen, wenn der Lebensabschnitt es erforderte: Der Eintritt in die Schule, in das Militär, in die Ehe. Und man bestellte den Fotografen zu sich, wenn ein Jubiläum fällig war oder ein Geschäft eröffnet wurde. Der Fotograf war der Chronist der Stadt.

Mefferts beste Jahre fielen in Deutschlands schlimmste Jahre. Es war die Zeit des kollektiven Wahnsinns. Alle Leute trugen plötzlich Uniform, rissen zum Gruß den rechten Arm hoch, sagten statt guten Tag Heil Hitler.

***

Für den Fotografen war es eine ergiebige Zeit: Täglich war Maskerade und Mummenschanz, Parade, Aufmarsch, Appell. Ein Dauerdelirium, bei dem nur die auffielen, die nicht besoffen waren.

Rudolf Meffert blieb nüchtern. Er dokumentierte die Normalität des Irrsins, die Wirklichkeit der Absurdität. Und so hinterließ er ein Zeitgemälde, das an Intensität und Detailgenauigkeit kaum zu überbieten ist: eine deutsche Kleinstadt als Spiegelbild des „Dritten Reiches“. …

Hildburghausen: eine Stadt in Thüringen, eine Stadt in Deutschland, und das heißt, eine tausendmal gebrochene Biographie. Jeder schleppt sie mit sich herum, nichts wurde jemals ins reine gebracht, alles immer zugedeckt, bis es sich nicht mehr muckste unter den Betonschichten des Schweigens und Verleugnens und nichts übrigblieb als das schiefe Lächeln der Resignation und die dünne Hoffnung auf eine „bessere Zukunft“.

Besser, man forscht nicht allzu tief nach den Lebensläufen der Männer und Frauen, die sich damals von Rudolf Meffert in ihren pompösen braunen und schwarzen Uniformen porträtieren ließen, jeder ein kleiner Gauleiter und Volksbeaufsichtiger, der seinen persönlichen Beitrag zur Festigung des Nationalsozialismus und zur Vernichtung seiner Feinde leistete.

Von der bösen Zeit steht natürlich nichts in der hübschen Stadtgeschichte, die es im Buchladen zu kaufen gibt, und im Kreisarchiv ist die Nazizeit buchstäblich ausgelöscht. Sämtliche Jahrgänge der Lokalzeitung von 1933 bis 1945 sind zu DDR-Zeiten vernichtet worden. So brauchte man sich dieser Zeit auch nicht zu schämen. …“

Es ist einfacher, Menschen zu täuschen, anstatt sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.

Mark Twain, 1835-1910, amerikanischer Schriftsteller
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