Dös is aber gescheit
Margarete Braungart
Dös is aber gescheit!
Der fremde Leser stelle sich vor, dass er einem Einwohner unserer Gegend unbedingt etwas unerhört Interessantes, Wichtiges und Gescheites mitteilen muss. Seine Rede wird eindringlich, seine Stimme erhebt sich, sein Gesicht färbt sich durch Hitze rot, Schweißtropfen perlen auf der Stirn, er gestikuliert heftig – endlich hat er herausgebracht, was ihn so sehr beschäftigt hat. Sein Gegenüber sagt nur: „Käu“. Ein einziges Wort, ruhig und überlegt ausgesprochen. Der Fremde versteht das Wort nicht, nur den sprechenden Gesichtsausdruck. Das Wort „Käu“ steht für mindestens drei hochdeutsche Sätze, die hintereinanderweg ausgesprochen werden müssten. „Was du nicht sagst! Ist das wirklich so? Meinst du das im Ernst?“ Eine ebenso geniale Verknappung des sprachlichen Ausdrucks gibt es für Feierabendfrust: Statt „Ich bin k. o., völlig fertig, ich möchte nach Hause, vielleicht noch unter eine warme Dusche und dann schlafen ...“ und damit die allerletzten Kraftreserven zu vergeuden, genügen bei uns drei Worte: „Müd – Bett – hemm.“
Unsere Heimat ist Nordfranken, aber auch als Südthüringer sind wir ansprechbar. Den Westsachsen und Osthessen hat man für uns glücklicherweise noch nicht erfunden. Unsere Heimat ist auch das Land der Sprüchklopfer. Woher die Leute bei uns nur ihr bewegliches Mundwerk haben? Mag es daran liegen, dass von jeher viele Fremde durch unsere Gegend rauf-, runter- und 'nüberwärts gezogen sind und die Einheimischen sich mit den Durchreisenden knapp und freundlich verständigen mussten? Ist die Vielfalt unserer heimatlichen Landschaft daran schuld? Oder waren vielmehr Witz und Ironie allzeit geeignete Mittel, über die Unbill des Alltags hinwegzutrösten, um Ärger und Sorgen im Lachen zu ersticken, um mit einer bösen Situation besser fertig zu werden, indem man sie erst einmal mit treffenden Worten beschrieb? Einer sagt: „Alles bloß halwer sou schlimm wie duppelt sou schlimm.“ Jeder weiß nun, was er von der verfahrenen Situation zu halten hat. Der nächste kommentiert: „S gett dn Leutna wie dn Kinnerna“ und zeigt damit, dass er in der gleichen Bedrängnis wie sein Nachbar ist und drückt seine Solidarität aus. Der dritte tröstet mit den Worten: „Wos nit passiert, is manichmoal aa a Glück.“
Das Einfache ist oft das Geniale. Da ist die alte Frau, die die Schwerfälligkeit ihres Schwiegersohns mit einem einzigen Satz beschreibt, wie ihn kein Dichter besser formulieren könnte: „Wenn er's richtig eilig hat, muss er sich örscht noch amoal setz.“ Jeder hat bei uns die Chance, mit einem Ausspruch in die Ewigkeit einzugehen. Sogar einem armen Kerl mit einem Sprachfehler war diese Genialität des Ausdrucks gegeben. Bei einem Festmahl hat er auf seine Rechte gepocht, dass ihm zu den Klößen nicht nur die Soße, sondern auch Fleisch zustehen würde. Seine Forderung von damals: „Net ner Bnüh! A Bnocke!“ („Nicht nur Soße! Auch Fleischbrocken!“) bringt noch in der Gegenwart ganze Hochzeitsgesellschaften zum Lachen, und alle sind ihm dankbar für diesen Spaß.
Nach: Eckhard Witter, Michael Römhild, Margarete Braungart: Der Sprüchklopfer – Gescheites und Blödes aus dem Hildburghäuser Land. Mit Illustrationen von Susanne Braungart. – Verlag Frankenschwelle Hans J. Salier, Hildburghausen (3 Auflagen)