Feindliche kommunistische Brüder und
ein freiwilliger Gang zur Staatssicherheit
Die KPD (ML) brachte die
DDR-Kommunisten in Schwierigkeiten
(Geschrieben 7. bis 9. September 2011)
© Hans-Jürgen Salier
Es grenzte schon an Schizophrenie, wenn ein Bürger freiwillig zur Staatssicherheit ging. Eine quälende Nacht hatte HJS hinter sich. Was war zu tun? Hatte die Stasi eine Falle gestellt? Letztlich handelt es sich bei der Postsendung aus Kiel, die er an einem Frühsommer-Freitag 1982 im Briefkasten in der Rosa-Luxemburg-Straße 26 fand, um eine kommunistische „Hetzschrift“. Kommunistische „Hetze“ gegen DDR-Kommunisten? Die Konstellation war ungewöhnlich. Aber diese Kommunisten hetzten tatsächlich viel intensiver, als wir es aus Funk und Fernsehen oder heimlich in aus der Bundesrepublik geschmuggelten Zeitungen und Zeitschriften kannten. Bisher gab es nur die böse, böse Hetze der Kapitalisten und Imperialisten, der Bonner Ultras und Kriegstreiber, der Revanchisten, der Ausbeuter und Menschenhändler und die Gegenhetze durch den Chefhetzer Karl Eduard von Schnitzler oder Neues Deutschland, das Zentralorgan aller Oberhetzer oder die anderen hetzenden Partei-Schmierblätter.
Ein unbegreiflicher Gedanke! Also sollen sich doch die ausspähenden Kommunisten mit separatistischen Kommunisten ihren hausgemachten Bruder- oder Richtungskampf liefern. Kommunistische Feinde unter sich oder Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte. Sie waren und sind HJS unheimlich, egal wie sie sich heute nennen oder sich als Linke in allen möglichen Spielarten kaschieren. Sein ansonsten toleranter Großvater Ernst, der genügend Erfahrungen mit einheimischen Kommunisten hatte, pflegte rigoros zu sagen: „Einmal Kommunist – immer Lump!“ Diese Haltung begründete sich in der prinzipiellen Ablehnung linker und rechter Extremisten, die nicht nur die Seelen der Menschen verletzten, sondern sie auch geschlachtet haben.
Tags darauf ging HJS in Richtung der einstigen Fronveste, in der sich die Staatssicherheit eingenistet hatte, klingelte und gab dem Stasi-Mann Wudy den Brief. HJS kannte sein Gegenüber. Links neben der Eingangstür befanden sich ein kleiner karg mit Tisch und Stühlen ausgestatteter Besucherraum und ein Honecker-Konterfei. Höflich wurde HJS eingelassen und er betonte, dass es seine staatsbürgerliche Pflicht sei, diesen Brief hier abzugeben. Er sagte, dass er den Absender nicht kenne. Die knappe Frage zurück beantwortete er ebenso kurz mit dem Hinweis, dass seine Adresse allgemein durch Anzeigen und Fachartikel bekannt sei, zum anderen wäre sie auch im Telefonbuch nachzulesen.
Nachdem HJS im Juli 2006 seine Stasi-Unterlagen durchsah, merkte er, dass er damals in einer kleinen, aber gefährlichen Lawine gefangen war. Losgetreten hatten sie andere. Ob dieser Brief der Stasi-Postkontrolle durchgerutscht war oder ob er bewusst zugestellt wurde, um ihn zu überführen, ließ sich nicht nachvollziehen. Zu seiner Sicherheit war sein spontanes Handeln, zur Stasi zu gehen, die beste Lösung.
Schon einmal befand er sich in einer ähnlichen Situation, nur die Stasi hatte keine Kenntnis von einer Druckschrift, die er immer wieder las und er wie seinen Augapfel hütete. Aus Sicherheitsgründen gab er sie seiner damals siebzigjährigen Mutter, ihr konnte wohl kaum etwas passieren, „Das Manifest des Bundes Demokratischer Kommunisten Deutschlands“ vom Oktober 1977, das der Spiegel veröffentlichte und von dem Dissidenten Prof. Dr. Hermann von Berg verfasst wurde. Es erschien auch in broschierten Nachdrucken und sorgte in Ost und West für beträchtliche Turbulenzen und zu erheblichen Verstimmungen im beäugten gespannten Nebeneinander. Das DDR-Außenministerium teilte u. a. mit, weil es in einer großen Propaganda-Kampagne die Welt wissen ließ, das wäre eine Aktion zwischen dem Spiegel und dem Bundesnachrichtendienst. Das Spiegelbüro in „Berlin-Hauptstadt der DDR“ werde mit sofortiger Wirkung geschlossen, und bis 1985 wurde allen Spiegel-Mitarbeitern die Einreise in die DDR verwehrt. Die Geschichte des Manifests der angeblichen DDR-Opposition könnte seitenlang beschrieben werden, allein der Inhalt war wichtig und nicht zu entkräften.
Der zweieinhalb Jahrzehnte ältere Freund Dr. Hans Klutmann, ehemaliger Mitarbeiter des Berliner Senats, hatte sie HJS zu einem Treffen in Ost-Berlin mitgebracht, aber nicht im Reisegepäck, sondern mit Klebstreifen auf die Rückenhaut geklebt. Von der Sehnsucht nach Demokratie beseelt, begleiteten HJS viele der dort formulierten Gedanken und gaben im stürmischen Herbst 1989 Kraft. – Der 1933 in Mupperg bei Sonneberg geborene Autor Hermann Günter von Berg war in den 60er Jahren DDR-Geheimdiplomat (u. a. Leiter der Abteilung Internationale Verbindungen im Presseamt des Vorsitzenden des Ministerrats und Berater von Willi Stoph [1914 – 1999], Teilnehmer der Geheimverhandlungen zwischen der DDR und der Bundesrepublik) und war an der Ausarbeitung des Grundlagenvertrages maßgeblich beteiligt, 1970 Promotion, seit 1972 Professor an der Humboldt-Universität, 1986 in die Bundesrepublik ausgewiesen. Erst in den 90er Jahren wurde seine Urheberschaft als Verfasser des Manifests öffentlich. – Nachzulesen ist der gesamte Text des Manifest des Bundes Demokratischer Kommunisten Deutschlands unter www.chronik-der-mauer.de.
Eines ist aber sicher und durch entsprechende Stasi-Unterlagen belegt: Noch enger rückte er in die Observierung der Tschekisten. Aber der Reihe nach:
Der Standardbrief (unter 20 g) im Format DIN 6 enthielt kein Begleitschreiben, sondern eine im DIN A 4-Format gedruckte und auf DIN A 6-Format gefalzte Dünndruckpapier-Zeitung. Sie machte neugierig.
Was eine solche Zeitung enthielt, wird an einem Beispiel aus dem Jahr 1977 erläutert, die sich in den Stasiakten von HJS befunden hatte, also knapp 20 Jahre nach ihrer Beschlagnahme.
In den BStU-Unterlagen von HJS befindet sich die Kopie eines Schreibens vom 16. Juni 1982 der Bezirksverwaltung für/Staatssicherheit Suhl/Arbeitsgruppe XXII an die Leiter der Kreisdienststellen. Stasi-Minister Mielke erließ 1979 den Befehl 17/79, dass die Dienststellen eine Namensliste von DDR-Bürgern erhalten, deren Namen und Adressen bei Parteibüros, Kontakt- bzw. Deckadressen der proalbanischen „KPD“ (ML) in der Bundesrepublik Deutschland bzw. in Berlin (West) bekannt sind. Die dort verzeichneten DDR-Bürger sind als Adressaten für den Erhalt der „KPD“-Hetzschrift „Roter Morgen“ vorgesehen. Es wird weiter verfügt, dass der Personenkreis in den Speicher der jeweiligen Diensteinheit (in dem Falle die Kreisdienststelle Hildburghausen) aufzunehmen sei bzw. bei bereits vorliegender Erfassung als „Adressat der KPD-Hetzschrift – Roter Morgen –“ zu kennzeichnen und wie weiter zu verfahren sei. Das Schreiben wird vom Leiter der Bezirksverwaltung mit seiner Unterschrift bestätigt, L a n g e , Oberst.
Anmerkung
Es handelt es um den nachmaligen Generalmajor Gerhard Lange, der zu den Günstlingen Mielkes zu zählen war. Zur Zeit der Revolution von 1989 war er Chef der Bezirksverwaltung Suhl des Ministeriums für Staatssicherheit. Er endete im Januar 1990 durch Suizid.
Um diesen „ministeriellen Schwachsinn“ vor allem für jüngere Leser aufzuhellen, will HJS nachfolgend das Schreiben vom 16.06.1982 wörtlich übernehmen und mit Anmerkungen einige Fakten erklären, was es mit Personen, Verfahrensweisen, Abkürzungen usw. auf sich hat. Das Schreiben an die Kreisdienststelle Hildburghausen wurde mit einem gedruckten Formblatt mit dem Hinweis übermittelt „Ohne Anschreiben“. Absender ist am 17.06.1982 die Bezirksverwaltung Suhl, AKG-Ltr. (Auswertungs- und Kontrollgruppe), Tagebuch-Nr. 81/82 mit dem Betreff „Adressaten d. proalb. KPD (ML) Hetzschrift „Roter Morgen“ ger. an alle KD mit den Hinweisen „1. Zur Kenntnisnahme ... 4. Zur operativen Auswertung ... 6. Zum Verbleib“ und Unterschrift des Majors Hofmann (Arbeitsgruppe „Terrorabwehr“) enthielt eine handschriftliche Liste mit Adressaten. HJS wird an vierter Stelle genannt, es heißt hier:
4. Salier, Hans-Jürgen
geb. am 02.04.44 in Hildburghausen
PKZ 024244419737
Beruf: Lehrer. POS Josef-Meyer
Familienstand: verheiratet, 2 Kinder
wohnhaft: Hildburghausen, Rosa-Luxemburg-
Str. 26, Tel. 4426
erfaßt: KK KD Hildburghausen
(402 AG XXII)
- Person mit umfangreichen NSW-Verbindungen
im Rahmen seiner philatelistischen Tätigkeit
- 1981 „Roter Morgen (Abs. Volker Altmann. 23
Kiel 1 Kantstr. . S. kennt Absender nicht –
vermutet durch Philatelieveröffentlichungen Wohn-
adresse bekannt geworden. ...
Bezirksverwaltung für Suhl, 16. Juni 1982
Staatssicherheit Suhl
Arbeitsgruppe XXII
Bestätigt:
Leiter der BV
(Unterschrift)
L a n g e
Oberst
Auf der Grundlage des Befehls 17/79 des Genossen Minister er-
halten Sie in der Anlage eine namentliche Aufstellung von DDR-
Bürgern aus Ihrem Verantwortungsbereich, deren Name und Adressen bei Parteibüros, Kontakt- bzw. Deckadressen der proalbanischen „KPD“ (ML) in der BRD bzw. in WB (West-Berlin, d. Verf.) bekannt sind.
Anmerkungen
- Die KPD wurde 1956 in der Bundesrepublik verboten, sie erstand 1968 wieder als DKP (Deutsche Kommunistische Partei) und wurde wie ihre Vorgängerin im Wesentlichen von der SED finanziert. – Die KPD (ML) – Kommunistische Partei Deutschlands (Marxismus-Leninismus) wurde von dem ehemaligen KPD-Politiker Ernst Aust (1923 – 1985) am 31.12.1968 in Hamburg gegründet. Sie lehnte die DKP als revisionistisch ab und orientierte sich, dem damaligen linken „Zeitgeist“ in der Bundesrepublik gemäß, nach dem Maoismus. Nach dem Bruch zwischen Albanien und China war für die KPD (ML) das albanische Sozialismusmodell das Vorbild. Auch in der DDR entstand illegal eine Sektion, die vom MfS streng überwacht und mit aller Härte bekämpft wurde. In der Folgezeit bildete sich eine ganze Anzahl von Splittergruppen, die sich aber – nach kommunistischer Art und Weise – gegenseitig bekämpften. Organ der KPD (ML) war die Zeitung „Roter Morgen“. Prominentestes Parteimitglied war der 1947 in Kassel geborene Immobilienmakler und Verleger Bernd Lunkewitz, der 1991 den Aufbau-Verlag kaufte, der eigentlich dem Kulturbund der DDR bzw. der Nachfolgeorganisation gehörte.
- Eine an HJS gerichtete Postsendung aus dem Jahr 1981 mit einem Exemplar „Roter Morgen“ ist ihm nicht bekannt. Es müsste sich um einen Schreibfehler der Dienststelle des MfS handeln.
- Terrorabwehr F 402 Karteikarte der Vorverdichtungs-, Such- und Hinweiskarte (VSH-Kartei), Hinweiskarte (DIN A 6, Seite) VSH – Vorverdichtungs-, Such- und Hinweiskartei. Hierbei handelt es sich um den wichtigsten Informationsspeicher der operativen Diensteinheit. Sie enthält Daten und Angaben, wo Informationen über die betr. Person gespeichert sind, welche Personen im Zentralen Speicher (Abt. XII) erfasst sind und welche Information zur jeweiligen Person mit anderen Diensteinheiten ausgetauscht worden sind.
Die in der Aufstellung enthaltenen DDR-Bürger sind als Adressa-
ten für den Erhalt der „KPD“-Hetzschrift „Roter Morgen“ vorgesehen.
Der genannte Personenkreis ist in den Speicher Ihrer Dienstein-
heit aufzunehmen bzw. bei bereits vorliegender Erfassung als
„Adressat der KPD-Hetzschrift – Roter Morgen –“ zu kennzeichnen.
Über Personen der o.g. Aufstellung, die in Ihrem Speicher erfaßt
sind, bitten wir unter kurzer Nennung der Sachverhalte die
AG XXII mittels Form 402 zu informieren. Weiterhin bitten wir um kurzfristige Übermittlung der KMK-Angaben auf den beiliegenden Formularen.
Leiter der AG XXII
(Unterschrift)
H o f m a n n
Major
Anmerkung
KMK-Angaben – KMK = Kreismeldekartei. Personendatenträger in den Abt. Pass- und Meldewesen bei den VPKA (Volkspolizeikreisamt)
THEMEN UND TEXTAUSZÜGE AUS DER ZEITUNG ROTER MORGEN 1977
Anmerkungen
- Diese Zeitungsausgabe fand HJS in seinen Unterlagen der BStU mit einer Kopie des Versandumschlags vor. Die Postsendung (07.12.1977) erreichte ihn nicht, sie wurde von der Staatssicherheit beschlagnahmt. Absender ist eine Frau oder ein Herr „Weisfeld, Helsingborg 11, 28 Bremen“, eine Person, die HJS vollkommen unbekannt ist. Also war HJS zu diesem Zeitpunkt als Adressat des kommunistischen Blattes bereits bekannt und stand deshalb unter Beobachtung. Erst fünf Jahre später sollte ihn eine solche ominöse Sendung erreichen, die er aus persönlichen Sicherheitsgründen zur Kreisdienststelle des MfS brachte.
- Nach der Geheimrede Nikita S. Chruschtschows im Februar 1956 und dem Bekanntwerden der Auswüchse des millionenfachen stalinistischen Terrors wurde Stalin aus dem „Viergestirn“ herausgenommen. Die SED-Zeitungen beispielsweise „schmückte“ neben dem Titel nur noch das „Dreigestirn“ Marx, Engels, Lenin als Symbol. – Ausgerechnet Chruschtschow, der selbst unendlich viel Blut an seinen Händen kleben hatte, räumte mit der Reliquie Stalin auf. – Der Kommunismus ist bekanntlich die Weltbewegung, die mehr ihrer eigenen Führer ermordete und isolierte als von ihren tatsächlichen Feinden vernichtet wurden. Man geht in der ehemaligen Sowjetunion von einer Million Ermordeter und 7 – 8 Millionen vor allem in den Gulags darbender kommunistischer Funktionäre aus. In der Sowjetunion unter Stalin sind zwischen 1935 und Juli 1940 knapp 20.000.000 Menschen aus politischen Gründen verhaftet worden, von denen ein Drittel den Tod fand. Weltweit wird die Zahl der Menschen, die insgesamt dem kommunistischen Terror mit ihrem Leben bezahlen mussten, auf 90 bis 100 Millionen beziffert. Wie viele hundert Millionen Menschen geistig und körperlich geschunden und gequält, ihrer Lebensqualität beraubt oder eingeschränkt wurden, ist nie „ausgerechnet“ worden.
ROTER OKTOBER
Ausgabe DDR Oktober 1977 Solidaritätspreis 30 Pf.
Oben stand wie auf einem Schriftband: Lesen – weitergeben – lesen, darunter in Abwandlung der Marx-Engels-Phrase Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker, vereinigt Euch! Der Zeitungstitel in großen zweizeiligen Lettern ROTER MORGEN, daneben die bekannten kommunistischen Ikonen als Symbol der Partei – nicht wie die DDR-Bürger seit der 2. Hälfte der 50er Jahre gewohnt mit Marx/Engels/Lenin, sondern mit den fünf Gespenstern, die die Welt veränderten: Marx/Engels/Lenin/Stalin/Mao Tse-tung.
Es lebe der Rote Oktober
Nieder mit den neuen Kremlzaren!
(Der zweispaltige Aufmacher, der auf S. 4 und 5 fortgesetzt wird, feiert die welthistorische Bedeutung der Oktoberrevolution und den Einfluss auf das 20. Jahrhundert.
Es wird aufgefordert:) „Verteidigt das revolutionäre Erbe Lenins und Stalins.“ Zum DDR-Sozialismus heißt es: Was ist vom Sozialismus in der DDR heute geblieben? Nichts außer leeren Worten und Versprechungen, die auf dem Papier stehen, während die Wirklichkeit ganz anders aussieht. Die Verräter um Ulbricht und Honecker haben die Diktatur des Proletariats vernichtet und den Kapitalismus vollständig restauriert. Heute werden die Arbeiter und Bauern in der DDR wieder ausgeplündert unterdrückt wie in den westlichen Staaten. Nur in Worten und einzelnen Formen, nicht aber dem Wesen nach unterscheidet sich die Ausbeutung hier von der in den westlichen kapitalistischen Staaten. Deutlicher als die schönen Worte vom „Sozialismus“ und vom „Arbeiter- und Bauernstaat“ zeigt die brutale Unterdrückung der Arbeiterklasse, daß nicht das Proletariat, sondern für die neue Bourgeoisie die Staatsmacht in den Händen hält.
In der DDR ist die politische Unterdrückung gegenwärtig noch schärfer als in Westdeutschland. Unter dem Vorwand, die Errungenschaften des Sozialismus zu schützen, unterdrückt die neue Bourgeoisie jeden revolutionären Widerstand gegen ihre Ausbeuterherrschaft, hat sie eine faschistische Diktatur errichtet. Dieser angebliche Arbeiter- und Bauernstaat versperrt durch Mauer, Stacheldraht, Minengürtel und Schießbefehl seine Grenze, nicht etwa zur Abwehr der westlichen Imperialisten, sondern damit ihm die Arbeiter und Bauern nicht massenhaft den Rücken kehren können.
Honecker und die SED-Führung haben nicht nur den Sozialismus in der DDR vernichtet. Sie haben auch die Einheit der deutschen Nation mit Füßen getreten und sind heute die eifrigsten Befürworter der Spaltung Deutschlands. Damit haben sie zugleich den großen Kampf der deutschen Kommunisten und Patrioten, die im Kampf gegen den US-Imperialismus und die wiedererstarkende westdeutsche Monopolbourgeoisie, immer die Einheit der deutschen Nation verteidigten, verraten und verkauft. Um ihre Stellung als Ausplünderer der Arbeiterklasse und der Werktätigen in der DDR zu halten, haben sie sich unter die Fittiche des russischen Sozialimperialismus begeben. Mögen sie sich noch so sehr als Vertreter der Arbeiterklasse und des Volkes aufspielen, sie sind lediglich ein Marionettenregime der russischen Sozialimperialisten. Ihre Herrschaft steht und fällt mit den russischen Besatzern.
Auf der 1. Seite ist noch ein Einspalter zu finden (wird auf S. 3 fortgesetzt), der hart mit der Honecker-Clique wegen der Einführung der neuen Grundlöhne abrechnet. Das sei verschärfte Arbeitshetze und Ausbeutung, wird betont. Auch des 1. Todestages Mao Tse-tungs gedenkt man, Fortsetzung S. 8. – Der ganzseitige Artikel auf S. 2 steht unter der Schlagzeile „Von Sozialismus kann keine Rede mehr sein“ (gemeint ist die SED). Eine Glosse über „Erichs Krönung“, über die angeblich stabilen Preise in der DDR und die miserablen Kaffee-Mixturen endet mit dem Satz: „Zerschlagen wir die heuchlerische Fratze der Honecker und Konsorten, die nichts unversucht lassen, um unser Volk restlos auszuplündern!“ – Die Seite 6 beschäftigt sich unter der Überschrift „Honeckers Wohnungsbauprogramm – Wohnungselend für die Werktätigen“ mit der misslungenen Lösung der Wohnungsfrage als soziales Problem in der DDR. Auf S. 7 wird ein Interview eines illegalen Genossen der Sektion DDR unter der Überschrift „Deine scharfe Waffe – Roter Morgen“ geführt. Die Seite 8 schließt mit dem Beitrag „Verteidigt das revolutionäre Erbe des Genossen Mao Tsetung“.
Im „Keller“ der Seite 5 werden die Städte in der Bundesrepublik mit Parteibüros der KPD/ML (genaue Adressen, Tel.-Nummern, Sprechzeiten) genannt und in einer Übersicht wird der Hinweis gebracht „Hört Radio Tirana“ mit konkreten Daten zu Sendezeiten und Wellenlängen.
Anmerkung
Einzelne DDR-Bürger hatten den Sender Tirana, zwar schlecht zu empfangen, aber immerhin mit brisanten Meldungen und immer westlicher Musik längst für sich entdeckt. Es handelte sich um den Sender „Radio Tirana 3“, das Auslandsrundfunkprogramm Albaniens. In der Zeit des Kalten Krieges, als Albanien isoliert war und von der Volksrepublik China ideologisch beeinflusst wurde, sendete Radio Tirana in bis zu 23 Sprachen kommunistische Propaganda der albanischen Regierung gegen die „westliche Welt“, aber auch gegen die einst „untrennbar verbündeten“ kommunistischen Brüder, mit denen das Land aber längst gebrochen hatte.
In den Unterlagen der Birthler-Behörde (heute: Jahn-Behörde) befinden sich zwei DIN A 6-Kuverts des mir unbekannten Volker Altmann aus Kiel, einer vom Juni 1982 mit Maschinenstempel-Werbung der Bundespost für die „Kieler Woche“. Das Datum ist nicht mehr genau auszumachen, denn das Postwertzeichen hatte vermutlich ein fleißiger Briefmarkensammler bei der „Firma“ entfernt. Die Postsendung hatte HJS damals komplett abgeliefert. Auf dem letzten Umschlag (mit Postwertzeichen) datiert der Poststempel von Kiel auf den 8.10.1982. Diese Sendung hatte man bei der Stasi-Postkontrolle beschlagnahmt und HJS nicht zugestellt. Das Dienstleistungsunternehmen Staatssicherheit im Dienste der SED hatte Vorrang gegenüber dem Dienstleistungsunternehmen Deutsche Post (DDR). Der unfreie Postkunde dieser angeblichen demokratischen Republik war zum Abschöpfen interessant, mehr nicht.
Auszüge aus dem Manuskript
Eigentlich nicht erwähnenswert ... Der gewöhnliche DDR-Sozialismus im Leben des HJS – Begegnungen mit Staatssicherheit, Nationaler Volksarmee und die sozialistische Endzeitstimmung