NEWS - Archiv 2014
30. Dezember 2014
Wir danken allen, die uns in diesem Jahr falsch verstanden haben und uns dennoch eine gewisse Aufmerksamkeit schenkten, auf die wir verzichten können.
Keine Sorge, wir werden Euch auch im neuen Jahr wieder mit reichlich Gesprächsstoff versorgen!
Wir danken vor allem denjenigen, die uns verstanden haben und wünschen für das neue Jahr 2015 alles erdenklich Gute. Ein Jahresende ist kein Ende und kein Anfang, vielleicht aber eine Zwischenstation für erfolgreiches Handeln, ein Leben mit gewonnenen Erfahrungen und Weisheiten.
Wir lesen uns 2015 wieder!
Historische Ansichtskarte, Prägekarte, um 1900
Tipps gegen den Kater
Ein Kater vom Alkoholgenuss lässt sich mindern, wenn man vor dem Schlafengehen einen rohen Apfel isst. (Großmutters Weisheit)
Das Knabbern von Nüssen, Oliven, Chips, belegten Brötchen usw. hilft, den Kater im Zaum zu halten.
Wer gleich viel Wasser wie Alkohol trinkt, konsumiert insgesamt über den Abend weniger Alkohol. Außerdem wird dadurch die Alkoholmenge verdünnt. Und vor dem zu Bett gehen, sollte man noch einmal möglichst viel Mineralwasser trinken!
Historische Ansichtskarte, Prägekarte, um 1900
21. Dezember 2014
Weihnachtskarte des Salier Verlags Leipzig und Hildburghausen
Zeichnung Rainer Bach, Chemnitz
Weihnachten. Das sind hell erleuchtete Nächte voller Kerzen,
glückliche Gesichter, vollkommene Kinderseligkeit.
Vergessen sind aller Kummer, alle Schmerzen,
es zählt nur noch die freudige Zeit.
Möge die Weihnachtszeit uns helfen, gelassener durchs Leben zu gehen,
nicht nur wahrzunehmen, was lästig ist.
Mögen wir die schönen Dinge wieder deutlich sehen
und uns auf das beschränken, was wirklich wichtig ist.
(Verfasser unbekannt)
Weihnachtskarte des Salier Verlags Leipzig und Hildburghausen, 2009
Zeichnung Rainer Bach, Chemnitz
Eine Kurzgeschichte - Verfasser unbekannt
Die vier Kerzen
Vier Kerzen brannten am Adventskranz. Es war ganz still. So still, dass man hörte, wie die Kerzen zu reden begannen. Die erste Kerze seufzte und sagte: „Ich heiße Frieden. Mein Licht leuchtet, aber die Menschen halten keinen Frieden, sie wollen mich nicht.“ Ihr Licht wurde immer kleiner und verlischt schließlich ganz.
Die zweite Kerze flackerte und sagte: „Ich heiße Glauben. Aber ich bin überflüssig. Die Menschen wollen von Gott nichts wissen. Es hat keinen Sinn mehr, dass ich brenne.“ Ein Luftzug wehte durch den Raum und die zweite Kerze war aus.
Leise und sehr traurig meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort. „Ich heiße Liebe. Ich habe keine Kraft mehr zu brennen. Die Menschen stellen mich an die Seite. Sie sehen nur sich selbst und nicht die anderen, die sie liebhaben sollen." Und mit einem letzten Aufflackern war auch dieses Licht ausgelöscht.
Da kam ein Kind in das Zimmer. Es schaute die Kerzen an und sagte: „ Aber, aber Ihr sollt doch brennen und nicht aus sein!“ Und fast fing es an zu weinen. Da meldete sich auch die vierte Kerze zu Wort. Sie sagte: „Hab keine Angst! Solange ich brenne, können wir auch die anderen Kerzen wieder anzünden. Ich heiße Hoffnung!“
Mit einem Streichholz nahm das Kind Licht von dieser Kerze und zündete die anderen Lichter wieder an.
„Weihnachtsmesse in Hildburghausen“, Aquarell
Werner Knackmuß (1908 – 1964)
Redakteur,Maler, Grafiker und Buchillustrator
Das Jahr nähert sich dem Ende und wieder einmal ist Weihnachtszeit. Tage, an denen wir alle in uns gehen sollten und kurz darüber nachdenken, ob wir die vergangenen 12 Monate auch wirklich sinnvoll genutzt haben. Man sagt, dass ein Jahr nur so viele Tage hat, wie man auch auf sinnvolle Art und Weise genutzt hat. Tage, in denen wir uns alle gemeinsam Gedanken machen sollten und uns glücklich schätzen müssen, dass es uns gut geht. Die Liebe zu den Menschen, die uns am Herzen liegen, sollte niemals vergehen. Doch um dies zu bemerken, darf uns nicht nur Weihnachten dienen. Nutzt die kommenden besinnlichen Tage, um Harmonie und Liebe für das gesamte Jahr entstehen zu lassen. Nehmt Eure Lieben in den Arm und schaut gemeinsam zu, wie die Kerzen langsam niederbrennen.
Frohe Weihnachten und ein großes Lesevergnügen
bei www.dunkelgraefinhbn.de und www.schildburghausen.de
Ihre Frau Schildburg (Ines Schwamm)
Herr Hausen (Hans-Jürgen Salier)
12. Dezember 2014
„Man schüttet kein schmutziges Wasser weg, wenn man noch kein sauberes hat.“
„Unartige“ weihnachtliche Gedanken von Gerd Krauß
Das waren die Worte von Konrad Adenauer (* 5. Januar 1876 – † 19. April 1967), als man ihn darauf hin ansprach, warum er in seiner Regierung und in den Ämtern ab 1949 Nazis beschäftigte. Das war vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.
Heute, immerhin nach fünfundzwanzig Jahren, nachdem das SED-Regime zerschlagen wurde, sitzen SED-Bonzen und Stasileute in einer Landesregierung. Ich frage mich, warum es nur einzelne Menschen gibt, die dagegen protestieren? War alles nicht so schlimm in der DDR? War die SED und das Ministerium für Staatssicherheit nur ein netter Fußballverein, der hin und wieder ein paar Tore geschossen hatte, doch ansonsten eine sehr saubere Mannschaft war? Gab es nicht genug Menschen in Thüringen und in der DDR, die unter diesen Verbrechern gelitten, die ihnen ihr Leben zur Sau gemacht haben?
Die göttliche Ruhe hier im Land, angesichts dieser Tatsache kann und will ich nicht verstehen. Man geht in die Stadt und andere Regionen, um die Weihnachtsvorbereitungen zu treffen, man kauft ein, bäckt Plätzchen – so wie in jedem Jahr –, freut sich auf das Fest und lässt den lieben Bodo in Erfurt einen guten Ramelow sein.
Ich bin entsetzt über diese Lethargie. Selbst kann ich physisch nicht viel ausrichten, ich spreche von der Teilnahme an Demonstrationen, zwölf Jahre im Rollstuhl gibt mir nur die Möglichkeit, meinen Frust darüber in Textform zu gießen.
Ich kann es nicht beweisen und es ist medizinisch nicht nachzuvollziehen, ob an meinem Dasein im Rollstuhl nicht auch die Stasi eine Aktie daran hat. Die Zeit im Stasiknast war verbunden mit Gummiknüppelschlägen, den Schlagstöcken ins Genick, auf den Rücken und auf die Beine, wenn ich nach sechs bis acht Stunden nicht mehr an der Wand mit erhobenen Händen stehen konnte, wenn ich einfach zusammengebrochen war. Und die, die das getan haben, taten es auf Befehl der SED und auch zur Befriedigung des eigenen Vergnügens.
Heute dürfen sie in eine zweite Runde gehen – es war ja alles nicht so schlimm, sie haben ja nur Befehle ausgeführt, der oft missbrauchte Terminus „Befehlsnotstand“ wird bemüht. Sie haben Tausenden ihr Leben für immer kaputt gemacht, so durfte ich auch ich kein Abitur machen, weil ich in dem netten Fach „Staatsbürgerkunde“ meine eigene Meinung sagte und nicht das, was die SED vorgab, weil ich mir die Freiheit genommen hatte, selbst zu denken und nicht den gequirlten Mist der „parteikonformen Vordenker“ nachgequatscht habe.
Mich würde es nicht wundern, wenn Ramelow mit seiner Bagage dieses Fach in den Schulen wieder einführen würde – war doch gut so, den Schülern wurde die Linie klar gemacht. Wer da seinen Buckel krumm gemacht hat, aus dem ist ja was geworden, war schon toll das „DDR-Schulsystem“.
Und ich konnte wirklich noch eine Fachschule besuchen, nicht weil die DDR so nett war und „Abtrünnigen“ vergeben konnte und ich die Absolution erhielt, nein, ich habe meinen Namen bei der Heirat gewechselt und bin weit weg von meinem Heimatort gezogen. Die Stasi brauchte ein halbes Jahr, bis sie es geschnallt hatten: „Wer ist Wer?“ (Übrigens ein gebräuchliches Vokabular des MfS)
Danach begannen die Runden der Verhöre wieder, aber nicht, weil ich zu dieser Zeit „auffällig“ war, nein, ich hatte Freunde, die es gewagt hatten, einen Ausreiseantrag zu stellen, und man konstruierte gegen mich Vorgänge, um mich als IM zu werben. Doch dieses Tor genehmigte ich dieser Mannschaft nicht.
Vielleicht geistert es in den Köpfen der heute noch bestehenden Stasivereine und der SED-Bonzen schon herum, um Thüringen eine Mauer zu ziehen. Wundern würde es mich nicht. Aus kranken Gehirnen können nur verseuchte Gedanken kommen. Aber es war ja nicht alles schlecht in der DDR, wir durften zu Weihnachten in die Kirche, es gab sogar Christbäume, die man im Wohnzimmer aufstellen konnte und ich bin mir sicher, bei einigen lachte sogar Honecker, Stalin oder Dzierżyński von der Spitze.
Noch können wir Weihnachten nach unserer Fasson feiern, also tun wir das in diesem Jahr noch, wer weiß es schon, was demnächst auf uns zukommen wird.
Und somit wünsche ich allen, die heute noch aufrecht für unsere Zukunft und die unserer Kinder und Enkel auftreten, ein gesegnetes und schönes Fest sowie ein gesundes und optimistisches 2015.
Der Mensch kann mit dem Mund soviel lügen wie er will – mit dem Gesicht, das er macht, sagt er stets die Wahrheit.
(Friedrich Wilhelm Nietzsche
1844 – 1900
deutscher Philosoph, Essayist, Lyriker und
Schriftsteller)
10. Dezember 2014
Nach dem Fall von Mauer und Stacheldraht besuchte Ralph Giordano auch Hildburghausen:
„Ich habe das Gefühl, eine der fotogensten Städte Thüringens gesehen zu haben. Durch die Verheerungen deutscher Geschichte so vieler Jahrhunderte hat diese Stadt ein angenehmes Selbstbewusstsein bewahrt, das weder deutsche Krähwinkeligkeit beeinträchtigen noch deutsche Anmaßung fehlleiten konnte. Eine schöne Stadt.“
(Ralph Giordano
20. März 1923, Hamburg-Barmbek – 10. Dezember 2014, Köln
Journalist und Publizist, Schriftsteller und Regisseur)
8. Dezember 2014
Was in Deutschland (auch) passiert
Von Gerd Krauß
Nachdem nun Thüringen einen roten, von SED und Stasi unterstützten Ministerpräsidenten hat, treiben in den Köpfen so mancher Menschen die kuriosesten Blüten. So die Vorsitzende der JUSO, Jugendverband der SPD, Johanna Uekermann, 1987 im bayerischen Straubing geboren, kann sich vorstellen, dass das Thüringer Modell Rot-Rot-Grün auch auf Bundesebene möglich und wünschenswert ist.
Das ist nicht nur die Meinung einer einzelnen Person, die nachwachsende Generation hat verbreitet solche irrsinnigen Ansichten. Nun stelle man sich vor, es bildet sich ein Konglomerat von solchen Utopisten der SPD und von Phantasten der Linken wie Sahra Wagenknecht (Kommunistische Plattform), die den Weltsozialismus anstrebt, mit Vertretern von B90/Grüne, die ohnehin keine politische Meinung haben, doch nach Macht gieren. Was kommt dabei für Deutschland heraus?
Da stellt sich zwangsläufig die Frage, warum wir in der DDR 1989 auf die Straße gegangen sind und die Verbrecher dieses Systems zum Teufel gejagt haben? Diese politischen Gedankenspiele führt die Friedliche Revolution von 1989 in der DDR und im Ostblock ad absurdum.
Das große Problem ist die Schwäche der beiden Parteien CDU und CSU, die in den letzten Jahren einen Stillstand herbeigeführt haben und sich zu sehr mit sich selbst beschäftigen. Auf jeden Fall möchte ich nicht in einem Deutschland leben, in dem eine Sozialistische Einheitspartei regieren wird, egal, wie sie im Moment heißt.
Dr. Hubertus Knabe, der Historiker und Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, schreibt in „Honeckers Erben“: Die Wahrheit über DIE LINKE“: „Die Geschichte könnte sich in gewisser Weise wiederholen. Wie einst die KPD in der Weimarer Republik könnten angesichts der sich verschärfenden sozialen Verwerfungen in der „Berliner Republik“ nun ihre Nachfahren von der Partei Die Linke zu den großen Profiteuren einer Weltwirtschaftskrise werden. Zumal diesmal weit und breit keine ernst zu nehmenden Widersacher in Sicht sind, die – wie seinerzeit gewaltsam die Nazis – den Kommunisten ihren Erfolg bei den Heerscharen von Benachteiligten und Unzufriedenen streitig machen könnten. Und zumal sich Die Linke diesmal verfassungskonform und staatstragend gibt, anders als weiland die KPD, die nie einen Hehl aus ihrer antiparlamentarischen Einstellung gemacht und die junge Demokratie – teilweise im Verein mit den Rechtsextremisten – nach Kräften unterminiert hatte.“
Staatstragend gibt sie sich, die „Rote Garde“ im Thüringer Landtag und der Staatskanzlei, doch ihre Vergangenheit können sie nicht ungeschehen machen.
Einige Beispiele in Kurzfassung (in Wirklichkeit könnte man sich seitenlang äußern), Quelle: u. a. Wikipedia:
André Blechschmidt: Parlamentarischer Geschäftsführer, 1977 bis 1982 Studium des Marxismus-Leninismus an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Von 1982 bis 1989 Mitarbeiter im Rat des Bezirkes Erfurt. Eine seiner Aufgaben war der Bereich Kirchenfragen. Von der Spionageverwaltung der Staatssicherheit wurde Blechschmidt als „Inoffizieller Mitarbeiter“ mit Arbeitsakte“ (IMA) [Inoffizieller Mitarbeiter für besondere Aufgaben] registriert, doch seine Akte gilt als „verschwunden“.
Margit Jung: Stellvertretende Fraktionsvorsitzende trat 1981 der SED bei und studierte bis 1985 Kulturwissenschaften im Fernstudium. Von 1985 bis 1986 besuchte sie die Bezirksparteischule in Mittweida und arbeitete danach bis 1987 als wissenschaftliche Mitarbeiterin für die SED-Kreisleitung Werdau. Von 1987 bis 1990 war sie schließlich Abteilungsleiterin für Kultur beim Rat des Bezirkes in Gera.
Steffen Harzer: Seit 1980 SED-Mitglied, über ihn braucht man nun für Hildburghausen keine Erklärungen abzugeben. Als andere im Herbst 1989 auf der Straße standen, besuchte er die Bezirksparteischule der SED in Schleusingen.
Dieter Hausold: Seit 1990 PDS-Mitglied
Ralf Kalich: 1979 bis 1982 an der Offiziershochschule der Grenztruppen der DDR in Plauen und diente danach bis 1990 als Berufsoffizier bei den Grenztruppen.
Dr. Birgit Klaubert: 1973 Kandidatin der SED, ein Jahr später Mitglied der Partei.
Knut Korschewsky: 1988/89 Besuch der Bezirksparteischule in Schleusingen, bis 1990 Mitglied der FDJ-Kreisleitung in Suhl.
Rainer Kräuter: Leutnant der Volkspolizei der DDR.
Jörg Kubitzki: 1976 bis 1990 Berufsoffizier der NVA.
Tilo Kummer: Unteroffizier auf Zeit im Berliner Wachregiment Feliks Dzierzynski,MfS.
Frank Kuschel: K1 (MfS) politische Kriminalpolizei der DDR.
Ina Leukefeld: IM MfS DDR
Ute Lukasch: 1979 bis 1990 Mitglied der SED.
Gudrun Lukin: 1973 bis 1978 Studium marxistisch-leninistische Philosophie in Rostow am Don. Ab 1978 wissenschaftliche Assistentin am Institut für Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU). 1973 trat Lukin in die SED ein.
Dr. Johanna Scheringer-Wright: Seit Jugend an in sozialistischen Vereinigungen der Bundesrepublik Deutschland aktiv, sie trat 1977 der SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiter-Jugend [Marxistisch-leninistisch orientierter Jugendverband, der 1968 von jungen Mitgliedern der verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands gegründet wurde und von der SED unterstützt wurde]) bei und 1979 der DKP.
Zu den LINKEN im Thüringer Landtag gehören noch ein paar Figuren, die jedoch in ihrer Biografie und Alter nicht zu der alten Garde gehören, jedoch von dem Glanz der Verblassten offensichtlich angezogen wurden. Von diesen Menschen werden wir nun regiert. Das ist ein Schlag für alle ins Gesicht, die unter dem SED-Regime gelitten haben, die im Stasiknast saßen, die in DDR-Psychiatrien verschwunden sind, die Angehörigen derer, die an der deutsch-deutschen Grenze erschossen wurden, die, deren Biografien in der DDR zerstört wurde und oftmals nicht nur sie selbst betraf, sondern die ganze Familie.
Doch Ramelow hat sich in seiner „Dankesrede“ für das DDR-Unrecht entschuldigt und möchte die DDR-Vergangenheit aufarbeiten lassen. Von wem denn? Von seinen Stasispitzeln oder Offizieren? Ich sehe das Geschwafel nur als eine Super-Satire für die Herren Eulenspiegel und Münchhausen.
6. Dezember 2014
Ein herzliches Dankeschön und Riesenkompliment
Berthold Dücker 5.12.2014
Liebe Freunde und Patrioten,
ein herzliches Dankeschön und Riesenkompliment auch von mir Unmaßgeblichem an alle Aufrechten, die in den letzten Wochen und Monaten so vorbildlich gekämpft und Widerstand geleistet haben. Bis gestern Abend – eine rundum gelungene Veranstaltung. Nichts war umsonst. Mich macht dieses Beispiel unendlich stolz. Alles richtig, was Clarsen Ratz geschrieben hat. Nur: Ob ich als Demokrat dieses Ergebnis je werde akzeptieren können, weiß ich (noch) nicht. Heute sage ich: Wohl eher nicht und niemals. Ich werde es hinnehmen müssen, so sehr mir auch das Herz blutet. Ich bin noch nicht fertig damit.
Doch dies steht für mich schon heute felsenfest: Der heutige Tag ist und bleibt für mich ein Tag der nationalen politischen Tragödie und Schande.
Ich bin mir weiterhin auch noch nicht klar darüber, was mich an diesem heutigen Erfurter Trauerspiel am meisten enttäuscht hat. Die Kommunisten, die über 40 Jahre hinweg dieses Land an die Wand gefahren und (auch moralisch) ruiniert haben und sich nun wieder ins gemachte Nest setzen? Eher am wenigsten. Sie haben die Chance genutzt, die Ihnen der Rechtsstaat geboten hat und dessen System sie auf der „Suche nach neuen Wegen zum Kommunismus“ (Gesine Lötzsch) erklärtermaßen „überwinden“ wollen. Mit allem was dazu gehört, neuerliche Enteignungen eingeschlossen.
Das war und ist alles bekannt. Niemand kann sich heute mehr davor wegducken und scheinheilig sagen, dass er das nicht gewusst hätte. Wirklich tief enttäuscht haben mich die Christdemokraten, die stets alles besser wussten, wie letztendlich mit dem DDR-Erbe und der sie tragenden SED umzugehen sei. Wider besseres Wissen, vielleicht auch bloß aus Dummheit, hat man bis zum Schluss geglaubt, das „Problem“ löse sich quasi von alleine, nämlich biologisch. Welch eine fatale Fehleinschätzung! Ich habe stets davor gewarnt, Ministerpräsidenten, Minister, Parteiobere. Ich habe mir als noch aktiver Journalist die Finger darüber wund geschrieben. Sie wollten, eine der wohl typischen deutschen Untugenden, immer „alle mitnehmen“. Dabei weiß doch jedes Kleinkind: Wer immer alle „mitnehmen“ will, kommt nicht voran. Stillstand bedeutet das. Und den haben wir nun, bzw. das verheerende Ergebnis davon.
Eine wirkliche, tiefgreifende, offensive und dauerhafte Auseinandersetzung mit der zweiten deutschen Diktatur hat vor allem in unseren Schulen und Hochschulen bis heute nicht stattgefunden. Das erschreckende, beschämende Unwissen vor allem unter jungen Menschen über den Unrechtsstaat DDR ist symptomatisch und bedrückend. Das ist die Schuld vor allem der Union. Die Folge davon haben wir heute erfahren. Alle, die dafür Verantwortung tragen,sollten sich ob ihrer politischen Fehlleistung heute und für den Rest ihres Lebens in Grund und Boden schämen – und möglichst aus dem politischen Leben verschwinden. Wir brauchen eine radikale Erneuerung, gerade in der CDU.
Dann ist dann noch die Riesenenttäuschung SPD. Nie, niemals hätte ich für möglich gehalten, dass sich diese einst stolze urdemokratische Partei so weit herablassen und sich selbst aufgeben könnte, wie das heute im Thüringer Landtag geschehen ist. Diese Partei ist für mich nur noch ein jämmerlicher Haufen geschichts- und verantwortungsloser Verräter, vaterlandsloser Gesellen, also doch! Ab heute ist diese SPD für mich ein politisches „geht überhaupt nicht mehr“. Sie ist für mich nun endgültig aufgegangen in der kriminellen SED. Welch ein Niedergang! Welch eine Schande! Welch ein Verrat!
Da wären da noch die Grünen. Ich habe noch nie besonders viel von ihnen gehalten. Und immer auch geahnt, dass sie eigentlich nur ein politisch weitgehend unzuverlässiges, ultralinkes Sonderangebot waren und sind. Und „Bündnis 90“? Seit heute wissen wir: Maskerade! Nichts als Maskerade. Auch das konnte die böse alte Tante SPD in ihrer pathologischen Blindheit nicht mehr erkennen. Nun ist halt zusammen gewachsen, was zusammen gehört. Die neue nun und wirkliche Blockflötentruppe. Sollen sie sich doch konsequenterweise nun auch wieder SED nennen!
Wenigstens das wäre jetzt ein angebrachter Akt der Ehrlichkeit. Aber was ist schon ehrlich im schmutzigen Politgeschäft!? Für mich gilt ab heute, fortan Kommunisten, SPD und Grüne gleichermaßen zu bekämpfen. So ich noch die Kraft dazu habe nach dieser Enttäuschung. Ich bleibe dabei: Der 5. Dezember 2014 ist und bleibt für mich ein tieftrauriger Tag der nationalen Schande. Trotz aller Traurigkeit und (hoffentlich vorübergehenden) Resignation herzliche Grüße aus
Geisa,
Berthold Dücker
Notiz zu Berthold Dücker
Von Hans-Jürgen Salier
Viele unserer Leser können mit dem Namen Berthold Dücker sicherlich nur wenig anfangen. Den 1947 in Geismar (Rhön) geborenen Journalisten kenne ich in meiner Tätigkeit als Verleger und Autor seit mehr als zwei Jahrzehnten. Heute bedauere ich, dass es zwischen uns zu wenige Begegnungen gegeben hat. Dücker ist ein Mann klarer Worte, der sich Zeit seines Lebens nicht „wenden“ musste und auf ein bemerkenswertes Lebenswerk zurückblicken kann. Ich schätze ihn als modernen und kompromisslosen Demokraten. – 1993 übernahm er die Chefredaktion der regionalen Tageszeitung „Südthüringer Zeitung“, die in Teilen des Wartburgkreises und im Landkreis Schmalkalden-Meiningen erscheint. Er engagierte sich für den Aufbau des ehemaligen US-amerikanischen Militärstützpunktes Point Alpha als Gedenkstätte. 1995 wurde er Vorsitzender des Vereins „Grenzmuseum Rhön Point Alpha“ und initiierte 2003 das „Kuratorium Deutsche Einheit e.V.“, dessen Vizepräsident er ist. Seit 2005 werden Persönlichkeiten der Welt mit dem „Point-Alpha-Preis“ für Verdienste um die Einheit Deutschlands und Europa in Frieden und Freiheit ausgezeichnet.
2005 kam es mit ihm zu einer öffentlichkeitswirksamen Buchpremiere des dritten Bandes „Grenzerfahrungen – Bezirk Suhl – Bayern/Hessen“ (Verlag Frankenschwelle Hildburghausen) im „Haus auf der Grenze“ zwischen Geisa und Rasdorf.
Mit diesen wenigen Worten zur Person Berthold Dücker will ich es bewenden lassen. Für weitere Informationen sei an WIKIPEDIA verwiesen.
Herzlichen Dank möchte ich Berthold Dücker für seine Gedanken zur Wahl des Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen am 5. Dezember 2014 sagen.
Berthold Dücker - Seine Flucht und das Leben danach
Berthold Dücker wagte am 24. August 1964 im Alter von gerade einmal 16 Jahren den Versuch der Republikflucht. Vor seiner Flucht hatte Herr Dücker mit niemandem darüber gesprochen, weder mit seinen Eltern noch mit seinen beiden Brüdern, die gerade ihren Wehrdienst in der NVA ableisteten. Der Grund für dieses Verhalten war, die Familie nicht in Gefahr zu bringen, denn eine Mitwisserschaft hätte fatale Folgen gehabt. Nur in der Schulklasse war Flucht ein Thema. Zuerst hatten mehrere Mitschüler einen ähnlichen Plan wie er, aber zuletzt waren nur noch Berthold Dücker und ein Freund übrig. Als seine Entscheidung fest stand, ging er zu seinem Schulkameraden und fragte ihn, ob er mitmachen wollte. Dieser antwortete, er habe an diesem Tag keine Zeit und außerdem wäre dann niemand da, der den elterlichen Hof übernehmen könnte. Also plante Herr Dücker, die Flucht alleine zu wagen.
Er näherte er sich der innerdeutschen Grenze und zerschnitt mit einer einfachen Zange die erste Reihe des Stacheldrahtzaunes. Dann robbte er durch das Minenfeld, welches zwischen den beiden Zaunreihen angelegt worden war, und zertrennte auch den zweiten. Damit war er im sogenannten Niemandsland angekommen. Dies war die übliche Bezeichnung für das Gebiet zwischen den Grenzsicherungsanlagen und der eigentlichen „Staatsgrenze West der DDR“. Da der Jugendliche sehr aufgeregt war und aus Angst entdeckt zu werden, rannte er halb aufrecht in Richtung Bundesrepublik Deutschland. Dabei stolperte er und fiel mehrmals hin. Der Grund dafür waren Gräben, die eine Flucht mittels Kraftfahrzeug verhindern sollten, und Stolperdrähte, welche im Laufe der Jahre mit Gräsern zugewuchert waren. Berthold Dücker verlor auf diesem Weg einen Schuh und seine Brille, aber die Ankunft im Westen war für ihn das wichtigste. Er hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Er trug außerdem einige kleinere Verletzungen davon, doch er lief unbeirrt seinem Ziel entgegen. Das letzte Hindernis, das der Flüchtende zu überwinden hatte, war ein Weidezaun. Er übersprang ihn und war somit in der Gemarkung Rasdorf, dem ersten Ort auf dem Gebiet der BRD, angekommen.
Noch völlig in Panik lief er zu einem Unterstand für Kühe, um sich in Sicherheit zu bringen. Kurz nach seiner Ankunft hörte er einen Traktor in seine Richtung fahren. Berthold Dücker erhoffte sich Hilfe und lief in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Er erzählte dem Fahrer, woher er kam und fragte ihn, was zu tun sei. Dieser schickte ihn nach Setzelbach, wo eine Station des Zolls der BRD war, obwohl es bis zur Wiedervereinigung an dieser Grenze nichts zu verzollen gab. Dort angekommen, begannen Verhöre, der Bundesgrenzschutz und die Polizei wurden informiert. Gegen Abend wurde Berthold Dücker in Fulda in den Zug gesetzt. Mit einem provisorischen Fahrschein sollte er in das Notaufnahmelager an der Margarethenhütte in Gießen fahren. Dies war die erste Anlaufstelle für alle Flüchtlinge, die aus der DDR kamen.
Während der Fahrt lernte der Jugendliche eine ältere Dame kennen. Da er etwas merkwürdig aussah, fragte sie ihn, woher er käme und ob seine Mutter Bescheid wüsste. Als er dies verneinte und ihr die Ursachen dafür mitteilte, bat sie um die Adresse der Eltern, um ihnen einen Brief zu schreiben. Sie stellte den ersten Kontakt zu den Eltern her und berichtete ihnen, dass sie ihren Sohn gesehen hatte und er wohlbehalten angekommen war. Später nahm er selbst über Nachbarn, Verwandte und Freunde brieflichen Kontakt zu seiner Familie auf.
Zu Hause wurde seine Mutter - sofort nachdem die Grenzsicherungsorgane die Flucht bemerkt hatten - von der „Stasi“ verhört. Den Vater von Berthold Dücker verhafteten die staatlichen Behörden direkt an seinem Arbeitsplatz im Kabelwerk in Vacha, um ihn zu verhören. Wochenlang wurden die Eltern immer wieder befragt und beobachtet. Dabei wurde auch mit Tricks gearbeitet, um von den Eltern ein Geständnis zur Mitwisserschaft an der Flucht ihres Sohnes zu erhalten. Die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatsicherheit erzählten ihnen zum Beispiel, dass der Flüchtende auf eine Mine getreten wäre, daraufhin verstorben sei und die Eltern in Anbetracht dieser schrecklichen Situation doch reden könnten. Aber die Methoden wurden durchschaut.
Berthold Dückers Flucht hatte auch Folgen für seine beiden Geschwister. Der älteste Bruder hatte eine Woche zuvor seinen ersten Heimaturlaub. Deshalb bestand die Vermutung, dass er ihm Hinweise gegeben und ihn bei seinem Unternehmen unterstützt hätte. Dies konnte allerdings nicht nachgewiesen werden. Jedoch wurden die zwei Brüder für den Rest ihrer Wehrzeit versetzt.
Da Berthold Dücker erst sechzehn Jahre alt und damit noch nicht volljährig war, hatte man zunächst versucht, ihn aus der Bundesrepublik zurückzuholen. Deshalb wurde massiv Einfluss auf die Eltern ausgeübt, um die Rückführung ihres Sohnes zu erwirken. Wäre das der Wunsch der Eltern gewesen, hätte die BRD dem nachkommen müssen. Dafür verlangte sein Vater von der „Stasi“ die Gewissheit, dass sein Sohn wieder nach Hause ins Sperrgebiet kommen könnte. Da ihm dies verweigert wurde, unternahm er keine Anstrengungen, seinen Sohn zurückzuholen.
Aufgrund dieser Bemühungen, die hauptsächlich vom Ministerium für Staatssicherheit betrieben wurden, musste Berthold Dücker vergleichsweise lange im Gießener Notaufnahmelager bleiben, obwohl die Notaufnahmeverfahren sonst relativ schnell vonstatten gingen.
In Gießen wurden dem „Zonenflüchtigen“ einige entscheidende Hinweise für sein weiteres Verhalten in Bezug auf seine Familie gegeben. So sollte er zum Beispiel in dem ersten Brief, den er an seine Eltern schrieb, eine Legende einbauen. Diese sollte zur Entlastung der Eltern dienen, da alle Briefe, die von ihm kamen, von der Stasi gelesen werden würden. Er durfte keine Formulierungen verwenden, aus denen man hätte schließen können, dass die Eltern von seiner Flucht gewusst hatten. Die Legende sollte aber so aufgebaut sein, dass Vater und Mutter sofort bemerkten, dass es sich dabei um eine Lüge handelte.
Außerdem wurde Berthold Dücker, wenn auch sehr unzureichend, auf sein zukünftiges Leben in der BRD vorbereitet. Vom realen Leben, von Steuern, Versicherungen usw. hatte er keine Ahnung. Den Flüchtlingen wurden zunächst lediglich sinnlose Dinge gelehrt. Er erinnert sich daran, dass sie lernen mussten „wie man Baden-Württemberg schreibt“, obwohl es keinerlei Notwendigkeit dafür gab, da er ein Deutscher und somit der Sprache mächtig war. Nach dieser Einführung verließ er das Notaufnahmelager in Gießen und ging seinen eigenen Weg.
Ihm war klar, dass er sich von nun an um sich selbst kümmern musste und dass das Leben im freien Teil Deutschlands keinesfalls einfach für ihn werden würde. Mit einem Flüchtlings-C-Ausweis für politische Flüchtlinge wäre vieles leichter für ihn geworden: Er wäre auf allen Ebenen unterstützt worden. Dieser wurde im allerdings mit der Begründung, dass ein Sechzehnjähriger noch keine politische Meinung habe, verweigert.
Er entschied sich für Fulda als seinen neuen Wohnsitz und zog zuerst in das Kolpinghaus, ein Gesellenhaus für junge Männer, die nicht an ihrem Heimatort arbeiteten oder einen zu langen Weg zur Arbeit hatten. Berthold Dückers erste Aufgabe bestand nun darin, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Sein Traumberuf, der Journalismus, musste zunächst zurückstehen, da ein Studium seinen finanziellen Rahmen gesprengt hätte. Berthold Dücker wollte deshalb auf Umwegen zu seinem Traumberuf kommen und begann bei der Fuldaer Zeitung eine Schriftsetzerlehre. Nebenbei wusch er abends im Hotel Schütze Teller ab, im Winter fegte er bei der Bundesbahn die Schienen und bei verschiedenen Unternehmen säuberte er die Höfe. Aufgrund der Überbelastung brach er zusammen und kam ins Krankenhaus. Daraufhin wurde ihm ein Attest ausgestellt, das ihm jede Arbeit im Stehen verbot. Da der Beruf des Schriftsetzers zu 100 Prozent eine Tätigkeit im Stehen war, verlor er seinen Ausbildungsplatz. Durch eigene Bemühungen bekam Berthold Dücker 1965/66 eine Lehrstelle bei einer anderen Zeitung. Später verließ er Fulda und ging nach Lauterbach.
In den folgenden Jahren fuhr er von Zeit zu Zeit an die Grenze zwischen Setzelbach und Geismar, um in seine Heimat zu schauen. Dabei sah er einmal einige Frauen auf dem Feld arbeiten, die einer bückenden Tätigkeit nachgingen. Als er seine Mutter erkannte, rief er nur „Mama“. Zu etwas anderem war er zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage. Als sie ihn hörte, sprang sie auf und rief so laut sie konnte seinen Namen. Sofort sprangen „Bewacher“ herbei, schnappten die Mutter und brachten sie weg.
Seine erste Reise in die DDR wurde Berthold Dücker 1973 im Zuge der Ostverträge und einer Amnestie ermöglicht. Da er zunächst fürchterliche Angst hatte, ließ er sich auch politisch beraten. Dabei erhielt er den Hinweis, dass es gut sei, seine Reise anlässlich des Weltjugendtages in Ost-Berlin durchzuführen, denn die DDR-Führung würde angesichts solcher Menschenmassen nichts Spektakuläres unternehmen. Man hatte sogar den Tod Walter Ulbrichts einige Tage geheim gehalten, damit die Jugend der Welt in Berlin jubeln konnte.
Die erste Reise in seine alte Heimat, die Rhön, wurde Berthold Dücker anlässlich des Todes seiner Mutter gewährt. Aufgrund der bestehenden Verträge zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland hätte er seine im Sterben liegende Mutter besuchen können. Dies wurde ihm allerdings verweigert. Zuerst wollten die DDR-Behörden auch seinen Besuch bei der Beerdigung verbieten. Da er aber Journalist war, schaltete er die Bundesregierung ein und so wurde sein Aufenthalt im Osten Deutschlands im letzten Augenblick genehmigt. Während dieser Zeit durfte er das Haus der Familie Dücker nicht verlassen, geschweige denn in einen anderen Ort fahren. Während der Trauerzug von zu Hause aus zum Friedhof führte, wie das damals üblich war, lief Berthold Dücker zusammen mit seinem Vater hinter dem Sarg her. Dabei sah er am Straßenrand den Abschnittsbevollmächtigten und „gewisse Kameraden“ stehen, die ihn beobachten bzw. überwachen sollten. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen für seine Reise hätten eine Haftstrafe zur Folge gehabt. Sofort nach der Beerdigung musste er die DDR wieder verlassen.
Danach dauerte es bis zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten, bis er seine Heimat wieder sehen konnte. Deshalb traf er sich in der BRD mit anderen Leuten, die aus dem Geisaer Amt stammten, in einem Heimatkreis. Dieser trat alle zwei Jahre zu Pfingsten zusammen. Die Menschen unterhielten sich über die alte Heimat und pflegten Kontakte untereinander. Der Austausch war wichtig, da alle das gleiche Schicksal teilten. Außerdem war man mit seinen Problemen allein, da es im Westen kein großes Interesse für Flüchtlinge gab. Wenn nicht etwas Spektakuläres passierte während einer Flucht, wurde sie mit einer Drei-Zeilen-Meldung in der entsprechenden Tagespresse abgetan. Jedoch wurde dieser Heimatkreis vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR als etwas ganz Schlimmes betrachtet, obwohl es sich nur um eine lockere Verbindung handelte. Er wurde deshalb regelrecht unterwandert. Leute aus der alten Heimat wurden als Inoffizielle Mitarbeiter des MfS zu Spionagezwecken in den Westen geschickt.
Berthold Dücker wurde aber nicht nur in Verbindung mit dem Heimatkreis immer wieder mit dem System der DDR konfrontiert. Er wurde während der gesamten fünfundzwanzig Jahre, von seiner Flucht 1964 bis zur Grenzöffnung 1989 beobachtet. So wurden zum Beispiel sämtliche Briefe, die er zu seinen Eltern schickte geöffnet, gelesen und zum Teil verschwanden diese auch. Seine Pakete wurden durchwühlt und manchmal sogar geplündert.
Da Berthold Dücker die Heimat nur sehr ungern verlassen hatte, verspürte er die ganze Zeit den Drang zurückzukehren. Aus diesem Grund ergriff er sofort nach der Wiedervereinigung die Möglichkeit dazu. Seine Verwandten im Osten Deutschlands konnten, als er diesen Plan 1993 in die Tat umsetzte, diese Entscheidung gar nicht verstehen. Doch er ließ sich davon nicht beirren. Herr Dücker zog nach Geisa und er setzt sich heute sehr engagiert für die Aufarbeitung der Geschichte der Trennung seines Vaterlandes ein.
Der Text wurde von Benjamin Kenzler verfasst.
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5. Dezember 2014
Gunter Weißgerber
Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke, Herr Gysi, formuliert das Ziel seiner Partei so: "Wir wollen ein Teil dieser Gesellschaft sein, um sie dann grundlegend verändern zu können." Wer nicht wissen sollte, was das heißt, die Gesellschaft grundlegend zu verändern, dem hilft Frau Wagenknecht weiter, eine von Herrn Gysis ersten Stellvertreterinnen. "Letztliches Ziel" der Partei Die Linke, sagt Frau Wagenknecht, seien die "Überwindung" der Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland und die Installierung des "Weltsozialismus". ….
…Wem von den Abgeordneten des Thüringer Landtags die nach Auschwitz und dem sowjetischen Gulag errungene Freiheit ein Wert ist, der sollte, ehe er auf dem Wahlzettel das Kreuz setzt, noch einmal innehalten und sich bewußt machen, wofür er sich gegebenenfalls hergibt. Keiner von ihnen behaupte eines Tages, Frau Wagenknecht und Herr Gysi hätten es ihm nicht deutlich genug zu verstehen gegeben.
Reiner Kunze, 4.12.2014
1989 wollten wir die parlamentarische Demokratie. Die haben wir und sie wandelt auch
auf krummen Wegen. Sogar in Sackgassen vermag sie uns zu verführen.
Für solch eine Sackgasse entschied sich heute eine parlamentarische Mehrheit von 46
Thüringen Landtagsabgeordneten, die dem Gestern eine Zukunft geben wollen, vorerst in Thüringen mit Einfluss über den Bundesrat auf Deutschland und Europa.
Daraus wird nichts Gutes entstehen. Die politische Spaltung der Bundesrepublik wird sich gen Mitte vertiefen. Zwar wird das konservative Lager dominanter, bereits in der letzten Bundestagswahl verfehlten die Unionsparteien nur sehr knapp die absolute Mehrheit, doch wird sich ein ähnlich großes Lager jenseits der Mehrheit herausbilden. Die Bundesrepublik wird in eine stärkere Zerreißsituation geführt.
Geht es so weiter, wird sich die Bevölkerung spätestens 2017 vor die Frage gestellt sehen, welches Lager diese Bundesrepublik stärker zu schützen vermag. Ein Bündnis mit
Systemablehnern dürfte hier die eindeutig schlechteren Karten haben.
SPD und Grüne haben sich heute ihre Hände schmutzig gemacht. Dies wird tief ins kollektive Bewusstsein eindringen.
Gunter Weißgerber 5.12.2014
5. Dezember 2014
Es ist vollbracht!
Von Gerd Krauß
Ich warte auf den Tag, bis er vom Berg herabsteigt und uns vermittelt, was ihm der brennende Busch geflüstert hat. Dann können wir nur hoffen, dass wir nicht zur Salzsäule erstarren, entweder vor Ehrfurcht oder vor dem Glanz, mit dem er uns alle blenden möchte.
Er wird die Zäsur in die Welt verkünden, der erste rote Ministerpräsident im Grünen Herzen Deutschlands zu sein und das nicht ohne die Häme seiner Spießgesellen, Wasserträger und Lakaien. Nachdem er aus Berlin von seines Gleichen vertrieben wurde und sah das Thüringer Land, dachte er bei sich: „Dieses Land mache ich mir Untertan.“
Doch eines ist sicher, ein Zarathustra ist er bestimmt nicht, soviel „Licht“ kann er nicht aufbringen, um uns zu erleuchten. Unsere Erleuchtung hatten wir 1989, als wir mit der Kraft der Erkenntnis feststellen mussten, dass die SED-Regierigen auch nur aus Fleisch und Blut waren und nicht das ewige Leben für sich gepachtet hatten.
Der Christ Ramelow kennt sicher den Bibelspruch: „Der Herr ist mein Fels und meine Burg und mein Erretter, mein Gott, auf den ich mich verlasse.“ (Psalm 18,3). Aber der Fels und die Burg ist nicht die Staatskanzlei und seine Geheimpolizisten nicht die Erretter, das Volk schon gar nicht!
Die Roten wollen nicht die Knechte der Banken und Konzerne werden, doch das Volk wird der Knecht der neuerwachten SED-Diktatur. Und das mit zwei Drittel SED-Genossen und Stasispitzeln in der Linkspartei! Ob die SPD und die Grünen sich im klaren sind, was sie hier in Thüringen losgetreten haben? Ich glaube nicht, es kann nicht rational erklärt werden, wenn Parteien ihre althergebrachten Programme und Ideale für einen gelernten Krämer und hobbylinken ungläubigen Christen über den Haufen werfen.
Doch der „Fünfjahrplan“ ist geschrieben. Und Historiker sowie Philosophen sagen oft und sind der Meinung, Geschichte wiederholt sich nicht.
Der Gegenbeweis ist heute am 5. Dezember 2014 angetreten.
3. Dezember 2014
Appell an die Abgeordneten im Thüringer Landtag
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie treten am 5. Dezember 2014 im Parlament zusammen, um eine
neue Regierung für Thüringen zu wählen.
Mit Ihrer Wahl werden Sie nicht nur für Thüringen und für die
Bundesrepublik Zeichen setzen, sondern auch die damit in sehr
komplexen Zusammenhängen stehende deutsch-europäische Politik
beeinflussen. Jede/r Einzelne Thüringer Landtagsabgeordnete
übernimmt morgen eine wesentlich größere Verantwortung, als dies
auf den ersten Blick gegeben scheint.
In den der Landtagswahl vorausgegangenen parteiinternen
Wahlkreiskonferenzen der Linkspartei wurden in freien und geheimen
Wahlen schwer belastete Kandidaten nominiert und in freien und
geheimen Wahlen in der nachfolgenden Landeslistenkonferenz dieser
Partei wurden diese schwer belasteten Kandidaten auf vordere
Listenplätze von großen innerparteilichen Mehrheiten innerhalb der
Linkspartei gesetzt. Dies bedeutet ganz klar, dass die
Linksparteimitgliedschaft Thüringens die früheren MfS-Belastungen
ihrer Mandatsträger des Vorzeigens für wert befindet und auf diese
Schuld prinzipiell stolz ist. Lernprozesse sehen anders aus.
Die Linkspartei demonstriert damit ganz klar, dass sie den Begriff
Unrechtsstaat nur ihrem Wunsch geschuldet, einen
Ministerpräsidenten zu stellen, rein taktisch akzeptiert. Zumal Sie alle
wissen, es gab keine Tendenz zum Unrechtsstaat. Die DDR war
konstitutionell ein Unrechtsstaat. Mit dem Text der
Koalitionsvertragspräambel nähren SPD und Grüne die
SED/PDS/Linkslüge vom demokratischen Neubeginn nach 1945,
welcher leider in unrechtsstaatliches Handeln abglitt. Genau dies war
jedoch überhaupt nicht so. Nicht im richtigen System wurden leider
auch Fehler gemacht, sondern im Unrechtssystem wurden zum Glück
nicht nur Verbrechen begangen!
Sehr geehrte Abgeordnete, wenn Sie am 5. Dezember mit der Wahl
eines Linksministerpräsidenten zugleich diese Präambel bestätigen,
schreiben Sie die Lüge der kommunistischen Geschichtsrevisionisten
fort. In dem Fall, sehr geehrte Abgeordnete von SPD und Grünen,
laden Sie morgen schwere Schuld auf sich. Eine Schuld, die
Jahrzehnte des Abtragens erfordern und vieles von dem verschütten
wird, was seit 1989 an Erkenntnissen gewonnen wurde.
Die Linkspartei ist europakritisch, antiwestlich und sieht geographisch
zwischen Deutschland und Russland nur geringer Wertschätzung
bedürfende nachrangige Staaten. Wer mit dieser Partei unter Führung
dieser Partei eine Koalition eingeht, der muss wissen, dass er über den
Bundesrat auch die deutsche Politik in Europa und in der westlichen
Allianz beeinflussen wird. Unsere europäischen Nachbarn werden dies
sehr genau beobachten.
Sehr geehrte Abgeordnete des Thüringer Landtages, bitte nehmen Sie
Ihre Verantwortung für Thüringen und die Bundesrepublik wahr und
wählen Sie nicht das unübersehbare Risiko eines Linken
Ministerpräsidenten!
Wählen Sie am 5. Dezember 2014 eine Regierung, die in
Kontinuität der (einseitig) Samtenen Revolution von 1989
unzweifelhaft für ein gemeinsames freies und demokratisches
Europa steht!
Kathrin Begoin Stefan Sandmann Rainer Kunze Sabine Heideler
Stephan Hilsberg Clarsen Ratz Matthias Büchner Gunter Weißgerber
https://aufruf2014.wordpress.com/
3. Dezember 2014
Hier herrscht Ordnung und
die Herabwürdigung
Gänselieschens Glühweinmarkt in Hildburghausen 2014. Das war wieder ein großes Ding. Der Tag war voller Fleiß, guter Ideen, einer Menge Spaß und unendlich vieler Gespräche. Am 1. Adventssonntag hat man sich – wie jedes Jahr – gerne getroffen.
Aber auch so etwas kann sich abspielen, wir leben gottlob in einer Demokratie: Ein Mann mittleren Alters sprach mich nicht unter meinem bürgerlichen Namen, aber immerhin als „Schildburg“ an (Herr Hausen war gerade mal ein paar Tage weg). Knurrig fragte er, was wir uns einbildeten, die großartigen Politiker der Linken so unanständig durch den Kakao zu ziehen, das wäre doch eine Herabwürdigung allerersten Ranges und das hätte doch alles mit Demokratie nichts zu tun. Auf die Aussage „allerersten Ranges“ war ich ganz toll stolz. Soviel Ehre mit dem Glühweinbecher in der Hand, das gibt es nicht alle Tage. Dem linken Menschenfreund wollte ich nicht kontern, vor allem nicht mit ihrem Verhalten gegenüber aufrechten Demokraten, für die sie nur den Abfall, die Lügen und Verleumdungen dieser Welt übrig haben. Da braucht man nur oberflächlich ihre Aussagen in den Medien zu verfolgen. Der Begriff „Herabwürdigung“ machte mich stutzig. Den gab es im Strafgesetzbuch derDeutschen Undemokratischen Republik mit härtesten Strafandrohungen.
Zur Erinnerung, ein Teil der LINKEN bekennt sich verbal dazu, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei (der Jurist Gysi bekanntermaßen nicht) – vermutlich aber nur aus taktischen Gründen wegen der demokratischen Machtübernahme.
Im „Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik“ heißt es im § 220:
„Öffentliche Herabwürdigung
(1) Wer in der Öffentlichkeit die staatliche Ordnung oder staatliche Organe, Einrichtungen oder gesellschaftliche Organe, Einrichtungen oder gesellschaftliche Organisationen oder deren Tätigkeit oder Maßnahmen herabwürdigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung, Haftstrafe, Geldstrafe oder mit öffentlichem Tadel bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer Schriften, Gegenstände oder Symbole, die geeignet sind, die staatliche und öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen, das sozialistische Zusammenleben zu stören oder die staatliche oder gesellschaftliche Ordnung verächtlich zu machen, verbreitet oder in sonstiger Weise anderen zugänglich macht.“
Nicht wahr, da herrschte Ordnung, im ersten deutschen Staat der Arbeiter und Bauern? Das war fürwahr ein sozialistischer Rechtsstaat mit solchen Willkür-Gummi-Paragrafen. Das konnte beinahe jeden DDR-Bürger treffen, ein Witz über die teuren Genossen genügte schon. Dann wurde der unmoralische Witz-Erzähler aus dem Verkehr gezogen oder mit Androhungen mundtot gemacht, vielleicht auch für die Stasi im Auftrag der SED erpresst. Deshalb sperrte man auch vorsichtshalber sofort das deutsche Teilvolk in Sicherheitsverwahrung ein, und innerhalb dieses Knasts hatte man dann noch zusätzlich die Stasi-Knäste, dann die allseits unter den kommunistischen Staatswächtern beliebten Strafvollzugsanstalten Untermaßfeld, Hoheneck, Bautzen und, und, und.
Eine Nummer schizophrener war der § 106 des Strafgesetzbuches der DDR:
„Staatsfeindliche Hetze
Wer mit dem Ziel, die sozialistische Staats- oder Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik zu schädigen oder gegen sie aufzuwiegeln,
- Schriften, Gegenstände oder Symbole, die die staatlichen, politischen, ökonomischen oder anderen gesellschaftlichen Verhältnisse der Deutschen Demokratischen Republik diskriminieren, einführt, herstellt, verbreitet oder anbringt;
- Verbrechen gegen den Staat androht oder dazu auffordert, Widerstand gegen die sozialistische Staats- oder Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik zu leisten;
- Repräsentanten oder andere Bürger der Deutschen Demokratischen Republik oder die Tätigkeit staatlicher oder gesellschaftlicher Organe und Einrichtungen diskriminiert;
- Den Faschismus oder Militarismus verherrlicht, wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bestraft.“
Diesen Gedanken wollte ich noch vor dem 5. Dezember 2014 loswerden, wenn die Nachfahren der SED mit ihren Geheimpolizisten an der Seite ihren ersten Ministerpräsidenten im Freistaat Thüringen inthronisieren wollen.
Noch Fragen, liebe User?
26. November 2014
Gegen eine SPD-Unterstützung eines linken Ministerpräsidenten!
25. November 2014
Zwischen zwei Landtagswahlen darüber nachgedacht
oder
Wie geht’s weiter mit der „Weihnachtspartei?“
Am 14. September 2014 wurde der Landtag des Freistaates Thüringen gewählt, lauter eifrige, honigsüß lächelnde und heischende Lippen, eine Kopfpeepshow der Eitelkeiten.
Am 4. Dezember 2014 sind 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 Tage verstrichen. Nicht die Welt hat gewählt, sondern ein kleiner Landstrich mit reichlich zwei Millionen Einwohnern, in New York oder Beijing wäre das eventuell mit einem Vorort vergleichbar. Vielleicht haben wir uns auch verzählt.
Eine Regierung steht noch nicht, da irren wir uns nicht. Ab 5. Dezember werden erstmal die Büros ausgeräumt, dann werden die Büros eingeräumt, die besinnliche Adventszeit haben wir auch noch, dann kommen die unzähligen feucht-fröhlichen Weihnachts- und Jahresabschlussfeiern, das Weihnachtsshoppen nach Dingen, die der Mensch nicht braucht, das Erlernen von Weihnachtsliedern und das Schmücken des Christbaumes. Dann legt sich der Weihnachtsfrieden über das Land, selbst das Hündchen kriegt einen Extraknochen, auch das Finanzamt hält still, gnadenreiche Weihnachtszeit. Auch die Ungläubigen befüllen wieder die Kirchen und blicken selig und zufrieden. Ihnen ist aber kein Kind geboren worden, sie halten vermutlich Fürbitte für die ganz knusprige Weihnachtsgans, vielleicht probieren sie es zur Vorsicht mal wieder mit dem lieben Gott. Und dann ist bis zu den drei Öberschten, wie man hier sagt, also den Heiligen Drei Königen, immer noch Weihnachtsfrieden, im benachbarten Bayern meist noch etwas länger. Und dann geht es allerorten mit Neujahrsempfängen und würde- und salbungsvollen Reden bis weit in den Februar hinein. Da findet sich doch mal wieder gar keine Zeit für vielleicht anstehende Neuwahlen, denn man weiß ja immer noch nicht so hundertprozentig im Landtag, wie man sich verhalten soll. Inzwischen, am 24. November, einen Monat vor Weihnachten, hat sich unser alter Freund Dr.-Ing. habil. Andreas Kniepert (FDP, 1990 – 1994 war er Fraktionsvorsitzender und er ist auch einer der Mitväter unserer Verfassung, einer der Gescheitesten der alten Riege) zu Wort gemeldet und dem Erfurter Hühnerhaufen Bewegung verschafft. Na, endlich! Hin und wieder sollten die Gewählten über ihr Sein nachdenken. – So ganz nebenbei: Hat denn eigentlich schon mal jemand nachgerechnet, was uns dieser politische Murks bis hin zu den angeblich demokratischen Mitgliederbefragungen gekostet hat?
Na und wir? Inzwischen haben wir doch einen Komplettlehrgang für Schlagwagenschaffner absolviert, freche und ernsthafte Texte geschrieben, Auto, Garten und Haus winterfest gemacht, manche haben Kinder gezeugt, in der Bundesliga ist der neue Meister schon beinahe gekürt … Das nächste Mal wählen wir die Weihnachtspartei, denn vor Ostern ist in Erfurt nicht mit einer kontinuierlichen Arbeit zu rechnen. Da geht es uns auch wieder gut, da haben wir wieder Frühlingsgefühle und die Spargelzeit ist ausgebrochen. Und Weihnachten kommt dann wie von selbst, vielleicht auch eine kleinere oder größere Wirtschafts- oder Finanzkrise oder beides. Zum Glück ist die Politik wehrhaft und wacker aufgestellt und die Wohltaten werden auch noch mit strahlenden Augen an das geknechtete deutsche Volk verteilt.
Was es mit der Weihnachtspartei auf sich hat? Da sind alle die drinnen, die nicht alle auf dem Christbaum haben, vielleicht fehlt ihnen auch nur eine Latte am Zaun.
Frau Schildburg und Herr Hausen geben die Diskussionsrunde frei – zum Amüsieren!
24. November 2014
Parteitag „Bündnis 90/Die Grünen“ und
das altbekannte Chaos
Wer am Wochenende den Parteitag der linksliberalen Bündnisgrünen verfolgt hat, stößt zwangsläufig auf Widersprüche in den Reden und Diskussionen.
Sie kritisieren Putin mit seiner Expansionspolitik und auch die LINKEN, die ihn einmal politisch unterstützen, aber es ablehnen, militärisch in den Krisengebieten dieser Welt einzugreifen.
Sicher muss man es abwägen, wo und wie man eingreift und wo nicht. Mir als Pazifisten fällt es ohnehin schwer, dazu eine Stellung zu beziehen. Verhandlungen an einem Tisch bevorzuge ich, sie sind besser als Bomben und Maschinengewehre von „Heckler & Koch“. Doch massive Kritik an der Linkspartei üben und in Thüringen eine Regierungskoalition mit ihnen eingehen, das erscheint mir sehr inkonsequent, ja beinahe absurd.
Zu diesem Parteitag habe ich kein Wort dazu vernommen, keine Erklärung, keine Rechtfertigung, nur viel Geschrei über die Kriegshandlungen bei den Kurden und ob sie Waffen liefern sollen oder nicht. Das Gleiche Theater zu Syrien und Kritik an den Drohnen der NATO (vielleicht mit Recht).
Cem Özdemir möchte, dass B´90/Grüne eine „Partei der Freiheit“ sei. Freiheit bedeutet aber nicht, sich mit der SED zu vereinigen, um eine Regierungskoalition einzugehen. Denn in der gemeinsamen Präambel in Thüringen erkennen sie es an, dass die DDR ein Unrechtsstaat war, und die SED, jetzt „LINKE“, kommen nun einmal aus der ehemaligen DDR und haben bis heute ihre Ideologie, ihre diktatorische Geisteshaltung nicht geändert. Zu diesem Spektrum hinzu kommen noch ein paar verkappte Gestalten aus der Deutschen Kommunistischen Partei aus den sogenannten alten Bundesländern, die ohnehin nicht verstehen und wissen wollen, was die SED vierzig Jahre getrieben hat. Das alles passt doch nicht zusammen!
Was wollen sie nun, die „Grünen Hoffnungsträger“?
Der Parteitag hat es nicht zum Ausdruck gebracht. Viele Worte, doch kein Inhalt! Shakespeare hätte gesagt: „Viel Lärm um nichts!“ Sollen sie doch wieder zu dem alten Slogan von den Anfängen der Steine- und Molotowcocktail-Werfer kommen: „Macht kaputt, was uns kaputt macht!“, aber was werden sie finden?
Selbst die „Grünen“ aus den neuen Bundesländern, nicht einmal die aus Thüringen haben ein Wort zu dem Arschkriechen mit Ramelow verloren. Ist das auf einem Parteitag kein Thema?
Bei diesem Chaos kann ich nur hoffen, dass es doch in Thüringen bald Neuwahlen gibt und einigen Menschen endlich die Augen und Ohren aufgegangen sind.
21. November 2014
Der feine Haarstrich bei Adelhausen
Rede von Dr. Jörg Bernhard Bilke |
Niemand in diesem Saal dürfte sich noch an den Sommer 1942 erinnern. Einige von Ihnen werden den Mauerbau in Berlin am 13. August 1961 miterlebt haben, und fast alle den Einsturz dieser Mauer am 9. November 1989. Das war vor einem Vierteljahrhundert, und deshalb sind wir heute hier versammelt.
Im Sommer 1942 war ich fünf Jahre alt und wohnte mit meinen Eltern in der Heldritter Straße. Damals unternahm die Belegschaft der Glanzgoldfabrik Carl Hauser, die meinem Vater gehörte, einen Betriebsausflug nach Thüringen. Mein Vater konnte nicht daran teilnehmen, er war im Krieg in Finnland, aber meine Mutter hatte den Worsten Adolf, einen Landwirt in der Hildburghäuser Straße, gebeten, uns zu fahren. Er hatte zwei Pferde vor seinen Plattenwagen gespannt und saß auf dem Kutschbock. Wir saßen auf Bänken hinter ihm und wurden über Rudelsdorf zum Straufhain gefahren.
Nach dem Aufstieg auf den Straufhain schauten wir auf unser Rodach hinunter, und nach dem Abstieg fuhren wir über Streufdorf und Seidingstadt nach Völkershausen, wo wir Thüringer Klöße aßen. Es war eine fröhliche Runde, die da bei schönstem Wetter eine Landpartie ins Heldburger Unterland unternahm, und niemand der Beteiligten hätte sich vorstellen können, dass solche Reisen in drei Jahren nicht mehr möglich sein würden. Deutschland hatte 1945 den Krieg verloren, Rodach lag in der amerikanischen Besatzungszone, der Straufhain und Völkershausen in der russischen. Dazwischen gab es nun eine Grenze, die mit den Jahren dichter und dichter wurde.
Es hätte auch, vielleicht ist dieses Gedankenspiel erlaubt, ganz anders kommen können. Dann nämlich, wenn die Abstimmung 1919, ein Jahr nach dem Ersten Weltkrieg, anders verlaufen wäre. Damals musste die Coburger Bevölkerung darüber entscheiden, ob das Coburger Land Teil des Freistaates Thüringen werden oder sich dem Freistaat Bayern anschließen sollte. Man stelle sich vor, Coburg wäre bei Thüringen geblieben und somit 1952 der südlichste Landkreis des DDR-Bezirks Suhl geworden. Dann hätte, noch vor DDR-Gründung 1949, eine Bodenreform stattgefunden und das Rittergut Butler in Heldritt wäre zerstückelt und Kleinbauern übergeben worden. Die Betriebe Siemens und Habermaaß in Rodach wären sofort enteignet worden, Eugen Habermaaß, der Vater von Klaus Habermaaß, und Franz Pfeiffer vom Schweighof wären in Internierungslager verschleppt worden. Hunderte von Coburgern wären nach Westberlin geflohen, und die innerdeutsche Grenze wäre bei Lichtenfels verlaufen.
Ein halbes Jahr Ferien
Zum Glück kam alles ganz anders, und die Rodacher haben 1945 hörbar aufgeatmet, dass sie in die amerikanische Zone gekommen waren und nicht in die russische. Haben wir Kinder eigentlich damals gemerkt, was 1945 in und um Rodach herum geschah? Im Jahr des Kriegsendes wunderten wir uns schon darüber, dass unsere Ferien so lange dauerten. Im April 1945, kurz vor dem Angriff amerikanischer Truppen auf Rodach, hatten uns die Lehrer nach Hause geschickt. Aber niemand wusste, wann wir wieder in die Schule kommen sollten, die Lehrer nicht und unsere Mütter auch nicht. Erst im Spätherbst mussten wir nach diesen herrlich langen Ferien, die mehr als ein halbes Jahr gedauert hatten, wieder einrücken mit Schulranzen, Schwamm und Schiefertafel. Und wir hatten einander unglaublich viel zu erzählen über den Angriff auf unsere Stadt Rodach, über die brennenden Häuser, über das brüllende Vieh in den Ställen und über die amerikanischen Soldaten in Rodach, die freundlich und kinderlieb waren und uns Kaugummis, Erdnüsse und Apfelsinen schenkten. Unserem Klassenkameraden Helmut Markwort hatten sie sogar eine Uniform schneidern lassen und nahmen ihn mit auf ihren Erkundungsfahrten an die Grenze zu Thüringen. Da saß unser „Jimmy“, wie wir ihn nannten, kaugummikauend auf dem Schoß eines GIs, die Hände am Lenkrad eines Jeeps und nach allen Seiten hoheitsvoll grüßend.
Merkten wir Kinder eigentlich, dass dort eine neue Grenze entstand, wo vorher nur die Landesgrenze zwischen Bayern und Thüringen gewesen war? Wenn wir durch die Wälder streiften, die Rodach umgaben, da merkten wir schon, dass es nicht mehr möglich war, auf Indianerpfaden oder Feldwegen hinüber zu schlüpfen nach Massenhausen oder Hetschbach. Am deutlichsten war diese neue Grenze bei Adelhausen ausgezeichnet. Da stand ein Schlagbaum, der keiner war, denn er konnte nicht angehoben werden, um Besucher hereinzulassen. Im Gegenteil: Wir Westdeutschen, wir „Kapitalisten“, sollten fernbleiben, an der Grenze bei Adelhausen begann die „sozialistische Staatengemeinschaft“, die bis Wladiwostok am Pazifik reichte.
Also standen wir Rodacher hilflos am Schlagbaum und starrten hinüber. Wir konnten die Leute auf der anderen Seite nur noch aus der Ferne beobachten, wie sie aus ihren Häusern traten, über die Straße gingen und in anderen Häusern verschwanden. Rauch stieg auf aus den Schornsteinen, Hunde bellten irgendwo in den Gehöften, sprechen konnten wir mit den Thüringern nicht mehr. Wenn wir winkten, winkten sie nicht zurück, das war ihnen verboten worden, denn wir waren der „Klassenfeind“. Und selbst, wenn wir besuchsweise hätten einreisen dürfen, Adelhausen, Holzhausen, Eishausen, Steinfeld, Streufdorf hätten wir nie erreicht, denn der ganze Heldburger Zipfel war seit 1952 Sperrgebiet, ohne Sondergenehmigung nicht zu betreten, und die hätte ein Westdeutscher nie bekommen!
Haben wir Kinder damals in Rodach eigentlich mitbekommen, was da vor sich ging? Über Einblicke in die hohe Politik und in die Absichten der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs verfügten wir nicht. Wir hörten nur ängstlich und voller Neugier zu, wenn die Erwachsenen Geschichten erzählten von Grenzübertritten unter Lebensgefahr, von Grenzflüssen, die bei Nacht und Nebel durchschwommen wurden, von glücklicher Ankunft im Westen. Zehn Jahre nach dem Krieg, 1955, sahen wir alle Helmut Käutners Spielfilm „Himmel ohne Sterne“, wo das alles vorkam, was wir schon lange wussten: Ein bayerischer Grenzpolizist, stationiert in der Nähe Coburgs, verliebt sich in eine Thüringer Arbeiterin, die in den Westen fliehen will. Er hilft ihr bei der Flucht, und beide werden an der Zonengrenze erschossen. Wir waren tief erschüttert, als wir im Coburger Uniontheater diesen Film gesehen hatten.
Verbotenes Land
Manche von uns hatten freilich auch Erfahrungen mit Grenzübertritten im Verwandten- und Freundeskreis, hatten womöglich verwandtschaftliche Beziehungen nach Heldburg, Streufdorf oder Hildburghausen, die jetzt zerschnitten waren. Im Frühsommer 1945, wenige Wochen nach Kriegsende, gelangte meine sächsische Großmutter auf gefährlichen Wegen von Berlin nach Rodach. Damals war der Eisenbahnverkehr noch unterbrochen, Personenzüge fuhren nicht, das Telefonnetz war noch zerstört, und Briefe wurden noch nicht befördert. Meine Großmutter in Berlin machte sich Sorgen um ihre beiden Töchter, meine Mutter und meine Tante, die mit ihren vier Kindern in der Heldritter Straße wohnten. Eines Tages trat sie eine ungewissen Reise an, fuhr, wie viele andere Nachkriegsdeutsche auch, in Güterzügen nach Süddeutschland, manchmal saß sie auch auf Pferdefuhrwerken, wenn ein gutmütiger Bauer sie eine Strecke mitnahm, oder sie ging zu Fuß, bis sie Hildburghausen erreicht hatte, von wo Rodach nur noch elf Kilometer entfernt lag. Im Morgengrauen schlich sie, immer von Angst erfüllt, doch noch erschossen zu werden, bei Lempertshausen über die Grenze. Eine Bauersfrau öffnete das Fenster und rief auf Fränkisch: „Wo komma Sie denn har?“, und sie antwortete auf Sächsisch: „Von driehm, von driehm!“ Auch meine Leipziger Tante hat uns auf diese Weise nach dem Krieg mehrmals in Rodach besucht. Ich sehe sie noch, wie sie mit Hartmut von Berg, dem Rodacher Holzhändler, der sich in den Wäldern auskannte, auf einem Feldweg zum Reith hinauf schritt, von wo sie auf Schleichwegen Thüringen erreichte.
Mein Rodacher Freund, der Leichts Erhard, hat mit seiner Großmutter eine ganz andere Geschichte erlebt. Die Webers Alma, so hieß sie, wohnte neben uns im letzten Haus in der Heldritter Straße und fuhr immer mit ihrem Handwagen in den Reith zum Reisigsammeln. Dabei war sie einmal, noch vor dem Mauerbau 1961, versehentlich über die Grenze geraten und von DDR-Grenzsoldaten als „imperialistische Spionin“ festgenommen worden. Noch während des Verhörs hielt sie krampfhaft einen derben Stecken in der Hand, den sie nicht hergeben wollte. Den sozialistischen Grenzwächtern, die sich bedroht fühlten, erklärte sie, den Stock brauche sie noch für ihren „Göker“ in Rodach. Das Verhör gegen die Abgesandte der „Bonner Ultras“, die „illegal“ die Staatsgrenze überschritten hatte, dauerte Stunden, bereitgestelltes Essen wies sie trotz ihres Hungers zurück: „Des könnt ja vergift` sei!“ Der Leichts Erhard, ihr Enkel, durfte sie dann an der Grenze bei Adelhausen wieder abholen.
Unser Klassenkamerad Volker Musbach, dessen Vater in Rodach Polizist war, erzählte mir einmal, wie er mit seinen Eltern in den Nachkriegsjahren von Weimar, woher sein Vater stammte, mehrmals zu Verwandten nach Holzhausen gefahren war. Von dort waren sie nachts immer über die Grenze nach Rodach geschlichen, wo seine Mutter aufgewachsen war. Nach 1952, als die Grenzanlagen ausgebaut wurden, war auch das nicht mehr möglich. Aber da lebte Volker mit seinen Eltern längst bei uns in Rodach.
Wenn man heute zum Georgenberg hinauffährt, kommt man an eine Kreuzung, von der vier Straßen abgehen: Ganz rechts geht’s zum Georgenberg, ganz links zur Bratwursteiche, an der ehemaligen Waldgaststätte „Jägersruh`“ vorbei, deren letzter Wirt Otto Metz war. Halbrechts erreicht man nach einer halben Stunde Fußweg den „Pavillon“, von wo aus man durch die Bäume in vier Kilometern Entfernung die Veste Heldburg sieht, halblinks fährt man heute nach Holzhausen. An der Stelle, wo der Rodacher Stadtwald aufhört und Holzhausen ganz nah zu sehen ist, steht noch heute der von Moos überwachsene und im Waldboden halb versunkene Grenzstein, der anzeigt, hier war das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha zu Ende und das Herzogtum Sachsen-Meiningen begann. Unweit von dieser Stelle soll sich in den fünfziger Jahren ein Mann aufgehängt haben, der aus Holzhausen stammte und nach Rodach geflohen war. Er konnte sein Heimatdorf zum Greifen nah vor sich liegen sehen, hätte es aber, da es im Sperrgebiet lag, auch auf Thüringer Seite nie betreten dürfen.
In Rodach gab es, bis zum KPD-Verbot 1956, auch einige Kommunisten. Einer davon war der Weberschneider, er hieß Weber und war von Beruf Schneider. Er schwärmte immer vom Sozialismus in er DDR und dass er bald in den „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ übersiedeln wolle. Eines Tages war er verschwunden, und wir Rodacher dachten, er wird wohl jetzt „drüben“ wohnen, im „gelobten Land“. Viele Jahre später, die Mauer war schon gebaut, fuhren einige Rodacher nach Westberlin und machten auch einen Abstecher nach Ostberlin. Mit der S-Bahn war man vom Bahnhof Zoo in Berlin-Charlottenburg in wenigen Minuten am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin-Mitte. Und wie es der Zufall so wollte, trafen sie irgendwo in Ostberlin den Weberschneider aus Rodach. Sie standen da und erzählten von Rodach, wo er jahrelang gelebt hatte. Und als sie wissen wollten, wie es ihm denn nun in der DDR ginge, hätte er nur noch geheult. Er hätte überhaupt nicht mehr reden können, erzählten die Rodacher, er hätte nur noch geheult!
Stadt im toten Winkel
In den 40 Jahren der deutschen Teilung sind die Straßennamen in Rodach nie verändert worden. Es gab eine Heldburger Straße, es gab eine Hildburghäuser Straße, aber sie führten ins Nichts! Die Städte, nach denen diese Straßen benannt waren, lagen in unerreichbarer Ferne. Rodach war, wie es Altbürgermeister Kurt Hoffmann, der Vorgänger Ernst Englmaiers, einmal genannt hat, zur „Stadt im toten Winkel“ geworden. Fuhr man nach Süden, nach Gauerstadt, so war die Welt dort zu Ende, auf der anderen Seite lag Billmuthausen, ein Dorf, das es seit 1978 nicht mehr gibt, das aber lag schon in Thüringen. Fuhr man nach Norden, nach Heldritt, wusste man, Hetschbach auf der anderen Seite war unerreichbar, es lag schon in Thüringen. Und westwärts lagen Adelhausen, Eishausen, Steinfeld, unerreichbar für uns waren diese Dörfer als lägen sie auf dem Mond.
Schon in den fünfziger Jahren wuchsen auf der Wegstrecke der Hildburghäuser Straße, die jenseits der Kreuzung Lempertshausen/Rossfeld lag, Gras und Unkraut. Die Straße wurde nicht mehr gebraucht, im Laufe der Zeit brach der Asphalt auf, und kleine Bäume schossen empor. Hier fuhren keine Autos mehr, wohin auch? Nur die Krähen saßen auf den Kastanienbäumen und glotzten dumm, wenn ein einsamer Wanderer sich hierher verirrte und am Schlagbaum, der keiner war, hinüber starrte nach Adelhausen.
Ein anderer Aussichtspunkt war der Pavillon im Rodacher Stadtwald. Wenn man über den Baumwipfeln die Veste Heldburg sah, wurde einem ganz seltsam zumute. Die Dächer schimmerten in der Abendsonne, der Weg dorthin war nur vier Kilometer weit, aber dieses verwunschene Märchenschloss war dennoch unerreichbar. Vielleicht existierte es wirklich nur in der Phantasie des Betrachters, der im Rodacher Pavillon stand! Am 17. Dezember 1989 bin ich das erste Mal seit dem Krieg, als ich noch Kind war, wieder auf der Veste Heldburg gewesen.
Ohne dass wir in Rodach dessen gewahr wurden, verwuchs die Grenze mit unserem Leben. Schon in Coburg auf dem Gymnasium schauten die Mitschüler belustigt, wenn man von Rodach erzählte. Das wäre ja finsterste Provinz, dahinter gäbe es nur noch die „Ostzone“. Wer aus dieser Ecke wegwollte, konnte nur in eine Richtung fahren: Nach Coburg! Und dann weiter nach Bamberg, Nürnberg, München. Man konnte aber auch, wenn man wollte, in die „Ostzone“ fahren, nur nicht über Adelhausen. Das ging schon aus technischen Gründen nicht, weil die Straße auf DDR-Gebiet wegen des Todesstreifens weggerissen war. Wo heute mein Klassenkamerad Reinhold Möbus sein „Rodacher Flüssiges Obst“ produziert, wo heute auf einer Anhöhe das Café Bernard liegt, waren früher Sprengminen vergraben, die DDR-Flüchtlinge zerfetzten.
Viel früher, als es noch keine innerdeutsche Grenze gab, also während des Krieges, erreichte man von Rodach aus die Stadt Wasungen bei Meiningen in höchstens anderthalb Stunden. Man konnte vorher bei seinen Freunden anrufen und sagen: „Ich komme Euch heute Nachmittag besuchen, ich bringe Kuchen mit!“ Solche Sätze waren in den Jahren der Teilung 1949/89 derart unwirklich, dass man sie nicht einmal denken mochte. Mein Patenonkel war Landarzt in Wasungen. In den Sommerferien 1954 und 1955 habe ich ihn besucht. Das war eine beschwerliche und umständliche Reise. Ich musste von Rodach nach Coburg fahren, von dort nach Lichtenfels, von wo ich mit dem Interzonenzug München/Berlin bis Ludwigstadt/Probstzella fuhr. Dort musste ich umsteigen in einen Bummelzug, der über Saalfeld und Arnstadt, über Ilmenau und Suhl nach Meiningen fuhr. Und dort musste ich wieder umsteigen, bis ich am Spätnachmittag in Wasungen ankam.
Damals, als ich Schüler am Casimirianum in Coburg war und die Sommerferien in Wasungen bei Meiningen verbracht hatte, begann meine Liebe zu Thüringen. Wir fuhren von Wasungen aus nach Eisenach und auf die Wartburg, wir fuhren nach Meiningen und Schmalkalden. Nach Weimar, der Stadt der deutschen Klassik, sind wir damals leider nicht gekommen. Neun Jahre später, im Sommer 1964, fuhren wir, eine Gruppe freigekaufter DDR-Häftlinge, in einem Bus der „Staatssicherheit“ an Jena und Weimar, an Erfurt und Gotha vorbei Richtung innerdeutsche Grenze. Das waren geschichtsträchtige Orte, durch deren Straßen ich gerne gegangen, mit deren Einwohnern ich gerne gesprochen hätte. Dass es noch ein Vierteljahrhundert dauern sollte, bis ich in Weimar am Ufer der Ilm stand, wo Goethe den Mond bedichtet hatte, war damals unvorstellbar für mich.
Als die Ostsee zufror
In den zwei Jahren, die ich im Zuchthaus Waldheim in Sachsen verbracht hatte, hatte ich die unglaublichsten Fluchtgeschichten gehört. Staunend mit voller Bewunderung hatte ich vernommen, was Menschen in ihrem Freiheitsdrang und ihrer Verzweiflung alles unternehmen, um diesen verhassten Staat DDR verlassen zu können. So war im Februar 1963, was ganz selten vorkam, die Ostsee zugefroren. Über 200 „Republikflüchtlinge“ sollen damals bei Boltenhagen aufs Eis gegangen und nach Lübeck gelaufen sein. Es hieß, wenn Schneetreiben einsetzte und der Flüchtling ein Bettlaken um seinen Körper schlang, konnte er nach wenigen Metern nicht mehr gesehen werden. Die DDR-Regierung hätte damals den ganzen DDR-Bezirk Rostock zum Sperrgebiet erklärt. Züge der „Reichsbahn“ und Privatautos, die aus dem Süden kamen, wurden streng kontrolliert. Wer ein Bettlaken im Koffer hatte, wurde sofort festgenommen. Das alles erzählte mir im März 1964 ein Mithäftling in Waldheim, der es nicht geschafft hatte.
Die Biologiestudentin Carmen Rohrbach aus Halle wollte über die Ostsee nach Dänemark fliehen. Mit ihrem Freund stieg sie bei Nienhagen nachts in ein Schlauchboot, als sie vom Lichtkegel eines Suchscheinwerfers der Küstenwache erfasst wurden. Von panischer Angst erfüllt, sie könnten entdeckt werden, stachen sie mit Messern auf das Schlauchbott ein, stiegen dann ins Wasser und schwammen mit unglaublicher Energie 28 Stunden lang immer Richtung Dänemark. Dann stießen sie, schon in internationalen Gewässern, auf eine Boje, zogen sich hoch und schliefen sofort vor Erschöpfung ein. Nach wenigen Stunden wurden sie von der „Volksmarine“ aus Rostock entdeckt und verhaftet.
Dabei hatten sie trotz allem noch Glück im Unglück! Auf dem Friedhof der dänischen Insel Mön gibt es eine Gräberreihe, wo unbekannte DDR-Flüchtlinge beigesetzt wurden, die in der Ostsee ertrunken und deren Körper an Land geschwemmt worden waren.
Die innerdeutsche Grenze reichte von Lübeck an der Ostsee bis Hof in Oberfranken. Sie war 1378 Kilometer lang und durchschnitt Bauernhöfe, Dörfer wie Mödlareuth in Oberfranken und historisch gewachsene Landschaften wie das Eichsfeld in Thüringen. Sie trennte Eltern von ihren Kindern und verhinderte, dass Liebespaare zueinander fanden. Zu dieser Grenze gehörte auch die 1961 in Berlin errichtete Mauer, die 43 Kilometer lang war. Für die, die über diese Grenze flohen, weil sie in Freiheit leben wollten wie die Westdeutschen auch, wurde sie zur Todesfalle: Hier starben zwischen 1961 und 1989 fast 1000 Menschen! Sie wurden erschossen oder von Minen zerfetzt. Derjenige DDR-Soldat, der den Fangschuss gesetzt hatte, bekam Sonderurlaub und eine Geldprämie. Wem die Flucht nicht gelang, verlor vielleicht einen Arm oder ein Bein oder verblutete auf dem Minenfeld wie der 18-jährige Peter Fechter 1962 an der Berliner Mauer, wer Glück hatte, wurde verhaftet und kam für Jahre ins Gefängnis.
In diesem Sommer 2014 wurde in Wittenberge an der Elbe, das liegt in der Prignitz im nordwestlichen Brandenburg, eine Gedenktafel für einen jungen Mann von damals 21 Jahren enthüllt, der am 19. August 1974 von DDR-Grenzsoldaten brutal umgebracht worden war. Hans Georg Lemme, 1953 geboren, leistete im Sommer 1974 seinen Wehrdienst bei der „Nationalen Volksarmee“ in Schwerin. Er war für den 20. August zum Wachdienst im Gefängnis Bützow-Dreibergen, das voller politischer Häftlinge war, eingeteilt worden. Das konnte er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren und entschloss sich zur Flucht. Beim Durschwimmen der Elbe nach Schnackenburg in Niedersachsen wurde er um 22.50 Uhr von einem Grenzboot gestellt und, als er auf Warnschüsse nicht reagierte, gnadenlos gejagt. Obwohl es ihm mehrmals gelang, unter dem Boot durch zu tauchen, ließen seine Kräfte nach. Da beschloss die Besatzung des Grenzbootes, den Flüchtling zu töten, um so die Flucht zu verhindern: Er wurde von der Schiffsschraube zerfetzt! Im „Vollzugsbericht“ an die „Staatssicherheit“ liest sich das so: „Zur Verhinderung des Grenzdurchbruchs entschloss sich daraufhin der Bootsführer, den Grenzverletzer mit dem Boot zu überfahren.“ Von blutrotem Wasser und abgetrennten Gliedmaßen stand nichts in diesem Bericht. Als den Eltern der Sarg übergeben wurde, war er verschlossen und durfte auch nicht mehr geöffnet werden.
Flucht übers Minenfeld
Solche Vorfälle, dass ein Mensch auf der Flucht über die innerdeutsche Grenze umgebracht wurde, gab es zu Hunderten. In seinem Buch „Die wunderbaren Jahre“ (1976) schilderte der DDR-Schriftsteller Reiner Kunze, der damals im thüringischen Greiz lebte, eine ähnliche Geschichte, der er den Titel gab „Schießbefehl“. Dieser kurze Text erregte bei den DDR-Gewaltigen einen solchen Zorn, dass der Autor im April 1977 nach Bayern ausgebürgert wurde. Berichtet wurde von einem jungen Mann, der bei einem Fluchtversuch erschossen worden war. Als er schon mehrere Stunden tot war, wurden der Mutter immer noch Lügen erzählt, dass ihr Sohn noch am Leben wäre, obwohl er längst eingeäschert war:
„Ich fahre zum Vater, sagt er, nimmt das Motorrad, und ich denke, warum kommt er denn nicht wieder, wo der bloß bleibt. Langsam werde ich unruhig, da kommen die und sagen, ich soll nach Plauen kommen, er hat über die Grenze gewollt, und sie haben ihn erwischt. Also bin ich mit dem nächsten Zug nach Plauen gefahren, er hat schon gestanden, sagen sie, und als ich mich nicht mehr beherrschen konnte und mir die Tränen kamen, haben sie gesagt, machen Sie sich keine Sorgen, gute Frau, Ihr Gerhard lebt, er hat gut gegessen, und jetzt schläft er. Und wenn`s während der Armeezeit gewesen wäre, wär`s schlimmer. Er hatte doch gerade erst seinen Facharbeiter mit Abitur gemacht, und am Montag sollte er einrücken … Und dann, am Montagnachmittag, kommen die von hier und sagen, ich soll am Dienstag nach Plauen kommen. Ich backe einen Kuchen, kaufe ein, und dann sagen sie mir in Plauen, ob ich denn nichts wüsste, ob denn unsere nichts gesagt hätten, er hat sich erhängt. Mit der Unterhose. Und sie hätten ihm einen Zettel gegeben, ob er mir nicht ein paar Worte schreiben wollte, aber er hätte abgelehnt. Wie er mir das hat antun können … Und sehen darf ich ihn nicht, nur noch kurz vor der Feier, die im Gefängnis stattfindet. Aushändigen können sie mir nur die Urne.“
Solche schrecklichen Vorkommnisse scheint es am Rodacher Grenzabschnitt, wo der NVA-Soldat Werner Weinhold am 19. Dezember 1975 flüchtete, nicht gegeben zu haben. Aber das täuscht! Wer sich einmal der Mühe unterzieht, nach den vier umfangreichen Bänden zu greifen, die der Verleger Hans-Jürgen Salier in seinem Hildburghäuser Verlag „Frankenschwelle“ und im Salier Verlag Leipzig und Hildburghausen unter dem Titel „Grenzerfahrungen“ herausgebracht hat, findet dort Hunderte von Dokumenten wie Aktenvermerke, Protokolle über das Abschießen von Flüchtlingen, Anweisungen der „Staatssicherheit“, die dem Leser vor Augen führen, was wirklich an der Grenze zwischen 1949 und 1989 passiert ist. Einige von ihnen werden sich noch an den ARD-Journalisten Lothar Loewe erinnern. Er war DDR-Korrespondent in Ostberlin und sprach am 21. Dezember 1976 in der TAGESSCHAU folgenden Satz: „Hier in der DDR weiß jedes Kind, dass die Grenztruppen der DDR den strikten Befehl haben, auf Menschen wie auf Hasen zu schießen.“ Schon einen Tag später wurde er aus Ostberlin ausgewiesen!
Zu den weniger bekannten Fluchtgeschichten gehört, was drei junge Männer aus Hildburghausen erlebten. Sie tranken sich eines Abends Mut an und erreichten auf Umwegen die Grenze bei Adelhausen. Wie durch ein Wunder überwanden sie Zäune, Kontrollstreifen, Kolonnenweg. Kein Scheinwerfer erfasste sie, kein Signalgerät löste Alarm aus, keine Mine explodierte. Als sie den ihrer Meinung nach letzten Zaun überstiegen hatten, fingen sie vor Glück an zu singen. Dann aber kam wider Erwarten noch ein Zaun, auch den überwanden sie. Völlig erschöpft und irre vor Freude erreichten sie um 3.00 Uhr morgens Rossfeld, wo sie den Milchfahrer aus Rodach trafen. Der schüttelte nur ungläubig den Kopf, als er ihre Geschichte hörte, und erklärte ihnen dann, im Abschnitt vor dem letzten Zaun, wo sie gesungen hätten, da lägen die Minen, die sie hätten zerfetzen können. Da erschraken sie noch nachträglich!
Zwischen Rossfeld und Streufdorf auf der DDR-Seite hatte ein junger Bauer den Auftrag, den Todesstreifen zu eggen, damit man die Fußspuren Geflüchteter erkennen konnte. Er wurde bewacht von DDR-Grenzsoldaten, die rauchten und miteinander redeten. Plötzlich tauchte auf der Westseite der Grenze eine Streife der bayerischen Grenzpolizei auf. Innerhalb weniger Sekunden musste sich der junge Bauer zur Flucht entschließen, denn er wusste, die DDR-Soldaten durften nicht ins Bundesgebiet hineinschießen, zumal dann nicht, wenn auf der anderen Seite Grenzpolizei auftauchte. Die Flucht gelang. In mehreren Fällen ist es vorgekommen, dass angeschossene Flüchtlinge das Bundesgebiet erreichten und dennoch, wenn es ungefährlich war, von DDR-Soldaten zurückgeschleppt und wegen „Republikflucht“ zu langen Haftstrafen verurteilt wurden.
Die unglaublichste Geschichte passierte in einer Sommernacht in Lempertshausen. Auf der DDR-Seite durfte ein Bauer, dem die Grenzsoldaten vertrauten, nachts im Grenzgebiet sein Getreide ernten. Nach Mitternacht schlich er über das Minenfeld nach Lempertshausen zu Verwandten, wo sie mehrere Stunden miteinander redeten. Im Morgengrauen schlich er zurück und brachte die Ernte ein. Alles blieb für mehrere Stunden unentdeckt. Am Vormittag aber riefen seine Westverwandten bei ihm in Thüringen an und fragten: „Ist der Karl wieder zurück?“ Die Sache flog auf, er wurde verhaftet und verurteilt.
Im Sommer 1957 war Bundestagswahlkampf. Eugen Gerstenmaier, der Bundestagspräsident in Bonn, kam nach Kirchheim/Teck bei Stuttgart, wo ich damals die Oberschule besuchte, und hielt eine flammende Rede, die in dem Satz gipfelte: „In vier Jahren, meine Damen und Herren, haben wir die Wiedervereinigung!“ In vier Jahren, im Sommer 1961, hatten wir aber nicht die Wiedervereinigung, sondern die Mauer in Berlin, die 28 Jahre stehen sollte.
Die Nacht, als die Mauer fiel
Haben wir kleingläubigen Westdeutschen jemals daran geglaubt, dass dieses schändliche Bauwerk eines Tages fallen würde? Selbst Erich Honecker übergoss uns 1989 mit Hohn und Spott, als er 1989 großspurig verkündete, der „antifaschistische Schutzwall“ werde noch 100 Jahre stehen bleiben. Und dann fiel die Mauer in einer Nacht. Hätten wir jemals für möglich gehalten, dass zwei Worte, ausgesprochen von Günter Schabowski auf der Ostberliner Pressekonferenz am Abend des 9. November 1989 „sofort, unverzüglich“ einen ganzen Staat von der Landkarte verschwinden lassen würden? Überall wurde jetzt die innerdeutsche Grenze aufgerissen, und die befreiten DDR-Bürger strömten mit glücklichen Gesichtern heraus in den Westen, den sie nur aus dem Fernsehen kannten. Eine Magdeburger Ärztin war gegen Mitternacht am 9. November immer noch ungläubig, ob die Mauer gefallen und die Grenzen offen wären. Sie stieg in ihr Auto und rief ihrem Mann zu: „Ich fahre nach Helmstedt, ich muss nachsehen!“, und ihr Mann rief ihr nach: „Bring mir eine Flasche Westbier mit!“ In Marienborn wurde sie von den DDR-Grenzsoldaten einfach durchgewinkt. Die wunderten sich nur, als sie nach einer Stunde zurückkam, um nach Magdeburg zu Mann und Kindern zu fahren. Das hatten sie nicht erwartet!
Als in Rodach am 18. November die Grenze aufging, war ich auf Dienstreise in Heilbronn. Um 19.00 Uhr schaltete ich die ZDF-Nachrichten HEUTE ein und sah unglaubliche Dinge: Da kamen aus Adelhausen johlende Fußgänger, die die Nacht durchgefeiert hatten, über die Grenze, gefolgt von zahllosen Autos, in denen winkende Menschen saßen. Und auf der Westseite kamen ihnen „meine Radicher“ entgegen, an ihrer Spitze Bürgermeister Ernst Englmaier, der Sektflaschen und Gläser mithatte. Und die Adelhäuser hatten Siegfried Gatzer dabei, der zwei Trompetensoli in den noch dunklen Novemberhimmel blies.
Und ich? Ich war nicht dabei. Ich saß in meinem Heilbronner Hotelzimmer und starrte in die Glotze. 40 Jahre hatte ich auf diesen Tag gewartet. Ich hatte doch den heiligen Schwur getan, ich wollte zu Fuß von Radich nach Hilberhausen laufen, elf Kilometer hin und elf Kilometer zurück, wenn die Grenze geöffnet werden würde Warum hat mich denn keiner aus Rodach angerufen?
Wenn man heute, ein Vierteljahrhundert später, von Rodach nach Adelhausen fährt, ins „Café auf dem Todesstreifen“, merkt man nicht mehr, wo Franken aufhört und Thüringen anfängt. Man gleitet dahin auf der Straße und sieht nichts mehr von der einstigen Grenze. Vielleicht sollte man oben auf der Kuppe, wo die bayerischen Grenzpolizisten bis 1989 ihren Unterstand hatten, einmal anhalten. Wenn man aussteigt, kann man quer über die Straße noch den feinen Haarstrich erkennen, wo der graue Teer aufhört und der schwarze anfängt. Der schwarze Teer ist der jüngere, hier war einmal die Grenze, die Deutschland geteilt hat!
Dr. Jörg Bernhard Bilke Coburg, 9. November 2014
Biografisches zu Dr. Jörg Bernhard Bilke
XXXXXXXXXXXXXxxxxxx | XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX |
10. Februar 1937 | geboren in Berlin-Moabit |
Ostern 1937 | Umzug mit den Eltern nach Rodach bei Coburg |
1937/1959 |
aufgewachsen in Rodach mit drei jüngeren Schwestern |
1947/55 |
Besuch des humanistischen Gymnasiums Casimirianum in Coburg |
1955/58 | Besuch der Oberschule in Kirchheim/Teck bei Stuttgart, Abitur Ostern 1958 |
1958/60 | Studium der Klassischen Philologie, der Germanistik und der Geschichte an der Freien Universität Berlin |
1960/61 |
Studium der Germanistik, Komparatistik und Geschichte in Mainz, Mitarbeiter der Studentenzeitung „nobis“ |
1961: 9. September | verhaftet auf dem Karl-Marx-Platz in Leipzig während der Buchmesse, verurteilt zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus (Torgau, Rositz bei Altenburg, Leipzig, Waldheim) |
1964: 25. August | freigekauft von der Bundesregierung in Bonn für 40 000 Mark (800 Häftlinge für 32 Millionen Mark) |
1965/66 | Studium in Mainz |
1966/67 | acht Monate Deutschlehrer in Västergötland/Schweden |
1967/70 | Studium in Mainz, danach freier Mitarbeiter in Hörfunk und Zeitungen |
1972/73 | Gastdozent für DDR-Literatur (acht Monate) am „Institute of German Studies“ der Indiana University in Bloomington/Indiana |
1974/76 | Abfassung der Dissertation über das Frühwerk von Anna Seghers 1926/32 |
1975/77 | wissenschaftlicher Mitarbeiter an der OST-AKADEMIE in Lüneburg (18 Monate) |
1977: 1. Juni | Promotion in Mainz |
1977/78 | Kulturredakteur der Tageszeitung WELT in Bonn ( zehn Monate ) |
1978 | Redakteur bei der STIFTUNG OSTDEUTSCHER KULTURRAT in Bonn (drei Monate) und bei INTER NATIONES (sechs Monate) |
1979: bis 30. Juni | als freier Autor in Rodach (sechs Monate) |
1979/80 | wissenschaftlicher Mitarbeiter der OST-AKADEMIE in Lüneburg (15 Monate) |
1981/82 | Redakteur in der BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG in Bonn (20 Monate) |
1983/2000 | Chefredakteur der KULTURPOLITISCHEN KORRESPONDENZ in der STIFTUNG OSTDEUTSCHER KULTURRAT |
2000: seit 1. August | Rentner in Bad Rodach |
2003: 22. Oktober | Verleihung des Bundesverdienstkreuzes in Siegburg/Rheinland |
18. November 2014
Wir waren, sind und bleiben das Volk!
Von Gerd Krauß
Sie fälschten die Wahlen,
sie säten Wind,
doch ernteten Sturm.
Und der Sturm wurde ein Orkan.
Als sie nicht mehr weiter wussten,
tauschten sie ihre führenden Genossen aus.
Genau wie Stalin es sie einst lehrte.
Sie nannten es „Erneuerung“ und „Dialog“.
Als Gorbatschow ihnen sagte,
sie können keine Hilfe mehr erwarten,
blieben die Panzer in den Hallen.
Ratlosigkeit machte sich breit.
Der Druck des Volkes ließ sie verzweifeln.
Es gab viele ihres Geistes,
die die Maschinengewehre wieder
auf den Häusern platzieren wollten.
Die chinesische Lösung war eine Option.
Erst waren es Rowdys und Asoziale,
später die Kirche,
doch es war das Volk;
und ein neues Volk
stand nicht zur Verfügung.
„Wir waren auf alles vorbereitet,
doch nicht auf Kerzen und Gebete“,
so ein Stasigeneral aus Leipzig.
Ja, Kerzen und Gebete für unser Leben
und das Land.
Aus dem Land flüchteten die Menschen,
der DDR-Gulag leerte sich.
Das Land lag am Boden,
die Wirtschaft und Wohnungen
brachen zusammen.
Dann brach die Mauer
und sie nannten es „Wende“
Sie wollten sich anpassen,
änderten den Namen,
aber es blieben die gleichen Verbrecher.
Heute sind sie wieder da,
in alt gewohnter Weise.
Mit Sprüchen, Lügen und Parolen
und blasen ihre Schalmeien,
so fingen sie ihre Ratten.
Noch immer haben sie nicht erkannt:
Das Rad der Geschichte kann man
nicht zurück drehen.
Auch wenn sie heute wieder
ihre Zähne lächelnd fletschen,
ihre Zeit ist vorbei.
Wir dulden keine Neuauflage DDR,
auch wenn das rote Pack in
Ostnostalgie zergeht,
wir sind in unserer Meinung frei,
und wir bleiben es.
Wir sind das Volk!
Die Kerzen liegen schon bereit!
14. November 2014
Ist die Demokratie –
wie wir sie in Deutschland seit 1949 kennen –
noch aktuell?
Ein demokratisches Gedankenspiel
Von Gerd Krauß
Die kommunalen Verwaltungen, die Landesregierungen und die Bundesregierung in Deutschland setzen sich aus Parteien zusammen, die bei den Wahlen um Mehrheiten kämpfen und bei den Bürgern um Sympathie mit verschiedenen Programmen werben.
Die Parteienlandschaft hat sich im Laufe der Jahre oftmals verändert. Es fehlt zunehmend nach Immanuel Kant die „reine Vernunft“, sie wird zur „spekulativen Vernunft“. Die gesellschaftliche Metaphysik ist abhanden gekommen. Die klassischen Formen, die zentralen Probleme in der Politik, der theoretischen Philosophie, nämlich die Beschreibung der Fundamente, Voraussetzungen, Ursachen oder die „ersten Gründe“, der allgemeinsten Strukturen, haben ihre ursprüngliche Form verloren.
Die Konstanten in unserem Land sind die CDU/CSU und die SPD. In den letzten Jahren kommen zunehmend andere kleine Parteien hinzu, auch durchaus undemokratische, sie steigen auf wie ein Komet und zerfallen genau so schnell in die Bedeutungslosigkeit.
Die gesamte Politik in unserem Land ist reine Parteienpolitik.
Kann man das in Zukunft so noch aufrecht erhalten? Die Grundformel Demokratie bleibt sicher bestehen, doch die Handlungsweisen in den Parlamenten entfernen sich immer schneller von der Verwirklichung des Willens des Volkes.
Vor den Wahlen werden die Bürger hofiert und nach den Wahlen werden sie vergessen. Die Versprechungen der Parteien zu den Wahlen sind danach bedeutungslos. Und dennoch ist es eine Demokratie, wie es sie in Deutschland vor 1949 noch nie gab.
Das hat bislang gut funktioniert, doch man muss sich die Frage stellen, ob eine reine Politik durch Parteien bestimmt, noch zeitgemäß ist. – Sieht man sich die Kandidaten der Parteien an, so werden sie nach einer vollzogenen Wahl nichts als Parteipolitik umsetzen, setzen Beschlüsse ihrer Vorstände durch, obwohl sie in einem Parlament nur ihrem Gewissen verpflichtet sein sollten.
Es ist Mode geworden, als Parlamentarier die „Parteidisziplin“ einzuhalten. Und gerade dann, wenn es um Entscheidungen geht, die für das Volk wichtig sind, das Leben verändern können, z. B. im sozialen oder auch im gesundheitspolitischen Bereich, gibt es keine Einzelentscheidungen, pluralistische Meinungen schon, sie werden durch Mehrheiten ausgebremst.
Das Streben in den Parlamenten ist das Streben nach Mehrheiten, um die Sache geht es erst in zweiter Linie. Cui bono est?
Sitzen die Volksvertreter, durch das Volk gewählt, erst einmal in ihren Parlamenten, so hat das Volk keinen Einfluss mehr über die Entscheidungen, die das Volk tangiert. Das Volk muss sich auf die gewählten Abgeordneten verlassen und oft sind die Bürger dann verlassen. Der Volkes Wille ist nur eine schöne Floskel, die in der Tagespolitik keine Rolle mehr spielt.
Es sollte so laufen, dass das Volk seine Vertreter kontrolliert und das Parlament die Regierung. Doch wer das glaubt, der irrt.
Nur ein Beispiel: Werden von der Bundesregierung Waffenexporte beschlossen, so wird das in einem kleinen Kreis, bestehend aus Kanzler/in, Finanzminister, Außenminister, Wirtschaftsminister, Kanzleramtsminister und Verteidigungsminister hinter verschlossenen Türen verhandelt und beschlossen. Das Parlament erfährt von den Ergebnissen im besten Falle erst zwei Jahre danach, obwohl die Abgeordneten die Pflicht haben, die Entscheidungen zu kontrollieren, um bei zweifelhaften, zwielichtigen Entscheidungen ein Veto einzulegen. Diese Möglichkeit gibt es nicht!
Abgeordnete jeder Partei beklagen diesen Zustand selbst. Und das alles bei einem bestehenden „Informationsfreiheitsgesetz“. So wird das Parlament von Entscheidungen der Bundesregierung ausgeschlossen.
Ist das noch Demokratie?
Ein weiterer Faktor der hinzu kommt und seine Spuren in der Parteienlandschaft hinterlässt ist, dass sich die etablierten Parteien langsam aber sicher spalten.
Bei „Bündnis 90/ Die Grünen“ ist es schon lange zu vernehmen und auch auf ihren Parteitagen zu sehen, es gibt die „Fundis“ und die „Realos“. Ihre Meinungen zu politischen Problemen driften weit auseinander. Eine einheitliche „GRÜNE“ Politik ist so nicht möglich.
Bei der Partei „DIE LINKEN“ ist es weitaus komplizierter. Hier sind es die Fundamentalisten, die Reaktionäre oder „DIE KOMMUNISTISCHE PLATTFORM“, die sich immer noch an der stalinistischen Politik orientieren. Es gibt die DDR-Nostalgiker, die orthodoxen Marxisten, die Revisionisten und die rot gestrichenen „Funktionäre“ aus den alten Bundesländern, die vielleicht einmal Honeckers Biografie gelesen haben und sich einbilden, einen „Demokratischen Sozialismus“ auf deutschen Boden zu schaffen.
Das ist zum Scheitern verurteilt, denn so ein Experiment gab es schon. So agiert die Linkspartei zum Selbstzweck.
Schaut man auf die SPD, so sind nun auch im Angesicht der Wahlen in Thüringen Auflösungserscheinungen und Parteiaustritte zu sehen. Doch abgesehen von den aktuellen Ereignissen, gibt es auch zwei Flügel in dieser Partei. Sie nannte sich „Volkspartei“ ist aber seit Jahren gespalten durch einen „Linken Flügel“ und dezimiert sich somit selbst.
Selbst in der Volkspartei CDU gibt es Abtrünnige, die Reformen anstreben, doch immer noch von „oben“ ausgebremst werden.
Die CSU verkörpert eine Geschlossenheit, die aber nach Strauß zu bröckeln begann.
Kann im Angesicht dieser Auflösungserscheinungen noch der Text unserer Nationalhymne von Heinrich Hoffmann von Fallersleben, „Einigkeit und Recht und Freiheit […]“ ohne Gewissensbisse gesungen werden?
So wie sich die FDP in Wohlgefallen aufgelöst hat und aus den Parlamenten verschwunden ist, so wird es der SPD passieren, wenn sie sich als Steigbügelhalter für DIE LINKENmissbrauchen lässt. Die 12,4 Prozent in Thüringen ist das erste Zeichen und sie verdient den Terminus „Volkspartei“ nicht mehr.
Jetzt kommt die Stelle, an der man fragen muss, ob sich diese Form der parlamentarischen Demokratie auf der Basis von politischen Parteien auf Dauer aufrecht erhalten lässt?
Ein etwas übertriebenes und abgewandeltes, auf alle Parteien zutreffendes Zitat: „Das ist die Kraft, die Ordnung will und stets das Chaos schafft [...]“.
Könnte man sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, die Parteipolitik in den Verwaltungen, Länder- und Bundesparlament abzuschaffen? Eine wahre Herrschaft des Volkes herstellen, indem das Volk in ihrem Umfeld Personen wählt, zu denen sie Vertrauen haben, die intellektuell auf dem Niveau sind, Regierungsarbeit neutral und parteiunabhängig durchzuführen. Eine Parlamentsarbeit, bei der nur das Gewissen des Einzelnen entscheidet?
Nach meiner Meinung können das Personen aus dem öffentlichen Leben sein, bis hin zum Wissenschaftler, Philosophen, Arbeiter, Rentner, Bauern, Menschen mit einer Behinderung, geeignete Menschen aus dem gesamten Spektrum der Gesellschaft.
Ich finde, das jetzige System, in dem nur die Parteien und deren Ansichten die Grundlage der Politik ist, hat sich überholt, und man sollte sich in der Gesellschaft ernsthaft darüber Gedanken machen. Dabei geht es dann nicht mehr um Mehrheiten und Koalitionen. Selbst die Minister und Kanzler sollten direkt, nach ihren Fähigkeiten gewählt werden und sind so nicht mehr beliebig austauschbar, selbst wenn sie von ihrem Ressort nicht die leiseste Ahnung haben, wie Schachfiguren, die man auf dem Brett verschieben kann.
Zwar gilt für die Demokratie wie für die Republik, dass der Staat Sache des Volkes ist, nach dem Leitspruch Ciceros (* 106 v. Chr.) „res publica res populi“, aber entscheidend für ihre Durchführbarkeit ist ihre Organisationsform. Über sie muss streng gewacht werden. Mag z. B. die Bundesrepublik im republikanischen, also rechtsstaatlichen Sinne, als repräsentatives System gegründet worden sein – sie hat diesen Standard längst verloren. Sie ist zur Parteienoligarchie verkommen, in der die Gewaltenteilung unterlaufen wird, in der es Fraktionszwang, Denk- und Forschungsverbote gibt, in der mehr oder weniger einflussreiche Gesellschaften mit hierarchischer Herrschaftsstruktur ihre Machtziele verfolgen dürfen.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal Immanuel Kant (1724 – 1804) bemühen: „Der Parteienstaat duldet weder echte Parlamente, noch echte Gerichte, sondern ist eine Despotie einer oligarchischen Führerschaft, stabilisiert mit manchem Mittel, vor allem dem der medialen Propaganda.“
8. November 2014
Eine für mich wichtige Klarstellung
Geschrieben am 7. November 2014
von Gerd Krauß
Oft wird in den Medien und einschlägigen Talkshows davon gesprochen, dass das NEUE FORUM, das sich im Jahr der Friedlichen Revolution 1989 in der DDR als eine Bewegung von und mit Bürgerrechtlern gegründet hatte, sich nach den ersten demokratischen Wahlen am 18.März 1990 den Bündnis-Grünen angeschlossen hätte.
Das ist so nicht richtig!
Es gab Gespräche und auch einige politisch Tätige bei den Bündnis-Grünen, die das gern gesehen hätten, doch in Thüringen waren wir uns vom Neuen Forum einig: Es gibt keinen Anschluss.
Als damaliger Landessprecher des NEUEN FORUMS für Thüringen war ich der Meinung, wir waren 1989 als Bürgerrechtsbewegung notwendig, doch unser Tun und Wirken war mit den ersten freien Wahlen nach der sozialistischen SED-Diktatur bereits am 18. März 1990 in seiner Form beendet.
Wir wollten keine politische Macht und schon gar keine Partei werden. Es mag sein, dass einige Mitstreiter des NF zu Parteien gewechselt sind und das NEUE FORUM in anderen Bundesländern sich den Grünen angeschlossen hat, doch das war nicht die Regel, schon gar nicht in Thüringen.
1989 war das NEUE FORUM notwendig, denn es gab keine andere Organisation oder politische Vereinigung, die die Strukturen der SED und des Ministeriums für Staatssicherheit offen legten und auflösten.
Bei der heutigen politischen Lage in Thüringen, mit einem möglichen roten Ministerpräsidenten wäre es notwendig, man würde das NEUE FORUM wieder reaktivieren, das nicht als Partei, sondern als eine Gruppierung der außerparlamentarischen Opposition (APO) wirkt.
Die CDU und die AfD sind die einzigen Parteien, die eine rote Koalition ausbremsen könnten, ich bezweifle aber die Effektivität. Aus diesem Grund sehe ich eine dritte politische Kraft in Thüringen als notwendig.
Wir wollen uns die Erfolge der Friedlichen Revolution und der Freiheit nicht durch die Gestrigen, die roten Phantasten in Thüringen kaputt machen lassen. 40 Jahre stalinistische Diktatur sind genug und das rote Leichentuch darf sich nicht wieder über Thüringen ausbreiten.
Ein Zitat von Wolf Biermann im Deutschen Bundestag am 7. November 2014, gerichtet an die Linksfraktion:
„Ihr seid nicht LINKS, ihr seid nicht RECHTS, ihr seid der elende Rest dessen, was zum Glück überwunden ist.“
6. November 2014
Hans-Jürgen Salier
6. November 2014 – 19 Uhr
Vortrag in der Kirche „St. Marien“ in Streufdorf
Eröffnung der Sonderausstellung
„Die Grenzöffnung im Rodachtal – Erinnerungen“
1778, wenige Monate vor Ausbruch der Französischen Revolution, schrieb Voltaire, der große Philosoph der französischen und europäischen Aufklärung:
„In manchen Ländern hat man angestrebt, dass es einem Bürger nicht gestattet ist, die Gegend, in der er zufällig geboren ist, zu verlassen. Der Sinn dieses Gesetzes liegt auf der Hand: Dieses Land ist so schlecht regiert und wird so schlecht regiert, dass wir jedem verbieten, es so zu verlassen, weil es sonst die ganze Bevölkerung verlassen würde.“
In diesen Wochen und Monaten des Jahres 2014 wird in Erinnerung des Falles von Mauer und Stacheldraht im wunderbaren Herbst 1989 immer wieder in den Medien gefragt: „Was haben Sie am 9. November 1989 gemacht und erlebt?“
Diese Frage werde ich Ihnen in wenigen Minuten nicht beantworten, wohl aber aus meiner Sicht kommentieren. Für mich war punktgenau der 6. November 1989, also heute vor 25 Jahren, ein privat und politisch wichtiger Tag. Am 5. November, als Zehntausende in Richtung Bundesrepublik abhauen wollten, um im Jargon der Zeit zu sprechen, reiste ich aus dem Westen zurück nach Hildburghausen. Privat hatte ich mir den Besuch auf der weltgrößten Briefmarkenmesse, der PHILATELIA ´89; in Köln organisiert. Ein Buch mit dem Titel „Klassische Briefmarken“, das ich mit dem Journalisten und Vorsitzenden des DDR-Philatelistenverbandes, Peter Fischer, geschrieben hatte, wurde dort erstmals vorgestellt, hatte also Premiere, im Land des Klassenfeindes. Mein Arbeitgeber transpress VEB Verlag für Verkehrswesenkonnte mich offiziell nicht reisen lassen, weil das Wort Valuta tatsächlich ein Fremdwort war. Man verdiente eine Menge Westgeld mit den Autoren, für die Autoren blieb nichts übrig. Der Band erschien in einer Auflage von 11.000 Expl. Und kostete in zwei Ausführungen DM 30,00 bzw. DM 50,00. So makaber es klingt, ein Todesfall in der Familie ließ die Traumreise Wirklichkeit werden. Dass ich in Köln Begegnungen und Gespräche mit zwei wunderbaren Menschen hatte, darum werde ich noch heute beneidet. Einen ganzen Tag, den 2. November, verbrachte ich mit dem Helden von Bern, dem Ehrenspielführer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Fritz Walter, der übrigens auch Werner Bergmann aus Häselrieth kannte, den ersten FIFA-Schiedsrichter der DDR. Vorher traf ich zusammen mit dem Helden von Mogadischu, Hans-Jürgen Wischnewski, dem berühmten „Ben Wisch“, der für mich immer würdig gewesen wäre, den Friedensnobelpreis zu tragen. Mit dem begeisterten Hobby-Philatelisten und Fachbuchautoren Wischnewski führte ich ein Fachgespräch zum Sammelgebiet Thurn und Taxis, darüber hatte ich Ende der siebziger Jahre ein Buch geschrieben, das auch er besaß. Also wussten wir, wovon wir sprachen.
Am 6. November 1989, dem für mich politisch so wichtigen Tag, rief ich meinen Freund, Zahnarzt Jochem Vonderlind, an und sagte, dass die in der LDPD organisierten Liberalen, also angebliche Blockflöten, die richtige und immer wieder auf politische Veränderung drängende Kraft in Hildburghausen seien. Dort will ich mitmachen, obwohl ich mir geschworen hatte, nie einer Partei beizutreten. Erfahrungen prägen. Im Oktober 1960, also noch viele Monate vor dem leidvollen 13. August 1961, stellte mir der Chef einer Lehrerbildungseinrichtung in einer extra deswegen einberufenen Versammlung der Studenten wie bei einem Tribunal die kategorische Frage, ob ich in die „Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ eintreten wolle oder nicht. Ansonsten werde ich „geext“, also aus der Fachschule rausgeworfen. Ich trat ein. In mir brach kein Weltbild zusammen, auch wenn ich mich wegen meiner Charakterlosigkeit schämte. – Am Morgen des 6. November freute sich Jochem Vonderlind und sagte: „Geh’ ins Sekretariat in der Karl-Marx-Straße (so hieß die ehemalige und heutige Obere Marktstraße in Hildburghausen).“ Dort traf ich den Kreisvorsitzenden Franz Lichte und seinen Mitarbeiter Horst Gärtner. Und auf dem Flur sagte ich zu beiden: „Wenn ihr wollt, gehöre ich ab heute zu euch.“ Sehr deutlich sagte ich ihnen aber auch, wenn diese Partei falsche sozialistische Wege ginge, bin ich mal Mitglied gewesen. Der Mitgliedsausweis datiert auf den 10. November, also einen Tag nach dem für die Deutschen so geschichtsträchtigen 9. November.
Heute vor 25 Jahren. Einen Tag nach Rückkehr aus der Bundesrepublik und drei Tage vor Fall von Mauer und Stacheldraht sandte ich einen handschriftlichen Brief an meinen langjährigen Freund, den Geschäftsführer des Bundes Deutscher Philatelisten e.V. (BDPh), Wolfgang Fendler aus Friedrichsdorf im Taunus, weil unser geplantes Treffen zur PHILATELIA in Köln ausfallen musste.
Dank meiner umfangreichen Stasiakte fand ich den euphorischen Brief vom 6. November 1989 über die Zustände in der DDR wieder. Auch wenn die DDR vor dem nicht übersehbaren Zusammenbruch gestanden hatte, waren die Tschekisten noch immer in treuer Pflichterfüllung ihres Kampfauftrages der SED ausgelastet und besaßen sogar funktionsfähige Kopierer, vermutlich aus der Westproduktion. Die Geheimpolizei war mehr denn je mit der „Aufdeckung und Beseitigung feindlicher Zersetzungstätigkeiten“ beschäftigt und stocherte mit begrenzter menschlicher Erkenntnisfähigkeit scheinbar sinnlos in unzähligen Wespennestern herum. Feinde über Feinde wurden gesehen. Die Wut eines Großteils der DDR-Bevölkerung gegen das SED-Dienstleistungsunternehmen war längst am Siedepunkt. Die Menschen hatten plötzlich kaum noch Furcht vor den Kundschaftern an der unsichtbaren Front. Die Geheimpolizei dagegen sah jetzt hinter jedem Gebüsch mehr Feinde denn je. Private Gedanken und Erlebnisse um den jämmerlichen Zustand der DDR um den Tag der Grenzöffnung wurden wie Hochverrat eingestuft. Einer dieser tschekistischen Helden saß mir dann reichlich zehn Jahre später im Stadtrat Hildburghausen gegenüber.
Das Thema Aufbruch in die Freiheit lässt sich vielgestaltig in diesem brodelnden deutschen Teilstaatsgebilde DDR darstellen, denn die Sichtweisen und die persönlichen Erlebnisse auf diese Zeit sind höchst unterschiedlich. Und das martialische Grenzgeschehen wird von Mitbürgern selbst im Jahr 2014 klein- und die DDR groß geredet, und da will ich mich über die bewegende bewegte Geschichte Streufdorfs nicht auslassen, die zutiefst die Herzen berührt. Sie wurde bereits vielfach dokumentiert und ist auch im Zweiländermuseum sehr gut nachvollziehbar.
Für mich ist die Zeit von Ende September, dem Abschreiben und Verteilen von Aufrufen des Neuen Forums, bis zur Stasibesetzung am 5. Dezember 1989, an der ich beteiligt war, das Schlüsselerlebnis meines Lebens, der vielleicht spannendste und glücklichste Lebensabschnitt.
In der DDR kommt es 1989 zu einem einmaligen Vorgang in der deutschen Geschichte – die Friedliche Revolution gelingt. Im Wesentlichen kam sie aus der Kirche, aber auch viele nationale sowie internationale Kausalitäten und Beeinflussungen kennt sie. Die Einheit Deutschlands ohne Krieg und Sieg! – Unvorstellbar. Auf alles waren die DDR-Machthaber bis in den letzten Winkel vorbereitet: auf militärische Gewalt und Internierungslager, nur nicht auf Kerzen und Gebete! Wer Kerzen in der Hand hält, wirft keine Steine. Gerne bezeichne ich unsere wunderbare gewaltlose Revolution der Herbsttage 1989 auch als Kerzenlichtrevolution.
Nicht nur für mich ist der 9. Oktober in Leipzig der eigentlich entscheidende Tag, das Kerndatum, und nicht der 9. November. Meine Erlebnisse vom 10. Oktober in Leipzig haben sich fest eingeprägt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich Autorenberatungen vereinbart und erlebte die bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse in der Messestadt. Der 9. November ist aus meiner Sicht überbewertet. Zwar zeitigte er mit dem Fall der Mauer ein wunderbares symbolhaftes Ergebnis. Aber zu viele Menschen gaben sich mit dem Erreichten zufrieden. Aus meiner Sicht ist es die letzte Willkürentscheidung, eine Ventilentscheidung, der SED gewesen. Auch wenn wir alle sehr glücklich gewesen sind, danken wir der DDR und der Schwejkiade des unbedarften Günter Schabowski oder dem inzwischen zum Helden mutierten Stasioberstleutnant Harald Jäger, Diensthabender der Grenzübergangsstelle Bornholmer Straße, nicht dafür. Die DDR-Führung wollte ihre eigene Haut und ihre Pfründe im Schutze der nahenden Demokratie retten. Die einstigen Machthaber müssten uns danken, weil wir sie vorübergehend aus ihren irrationalen Zwängen befreit haben. Die Entscheidung nahm – wir spürten das im ganzen Land bei Demonstrationen, Kundgebungen, Friedensgebeten und Fürbittgottesdiensten – der Revolution mit den freien Reise- und Konsummöglichkeiten viel Kraft.
Eines meiner Anliegen in den zurückliegenden 25 Jahren war es stets, dass aus dem Gedächtnis der Menschen die Daten und Fakten nicht getilgt werden und dass die Mechanismen untergegangener Unrechtssysteme weiter ohne Vorbehalte offen dargestellt und diskutiert werden. Dann werden auch Propagandisten und Protagonisten aus den unbelehrbaren extremistischen Lagern mehr und mehr der Nährboden für geistige Verführungen entzogen. Gegenwärtig bin ich dabei, ein Buch zu schreiben, das ich mir zum 70. Geburtstag schenken wollte. Es trägt den Titel „Eigentlich nicht erwähnenswert …“ und den Untertitel „Der gewöhnliche DDR-Sozialismus im Leben des HJS – Begegnungen mit Staatssicherheit, Nationaler Volksarmee und sozialistische Endzeitstimmung“. Wider Erwarten harrt es noch der Edition. Es sind weitere Stasi-Akten aufgetaucht. Dieses friedliche Buch hätte mir vor einem Vierteljahrhundert einige Jahre Haft eingebracht, denn ich werte dort meine Stasiakte aus, und einige meiner Denunzianten leben fröhlich und uneinsichtig um mich herum und haben sich zumeist wieder parteipolitisch eingeordnet, bei ihrer Nachfolgepartei. – Einige Kapitel in sehr frühen Fassungen können Sie heute auf zwei Homepages im Internet nachlesen, auch dieser Redebeitrag wird in den nächsten Tagen dort zu lesen sein.
Noch gefährlicher sind sicherlich die insgesamt 2200 Seiten der vier Bände „Grenzerfahrungen“, die ich verlegte, lektorierte und als Mitautor mitschrieb, in denen die deutsch-deutsche Grenze im Raum Südthüringen, Bayern und Hessen als Geschichte eines Verbrechens dokumentiert wurde. Zur Thematik und zu den Ereignissen 1989/90 habe ich in den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten ca. fünftausend Druckseiten verlegt, bearbeitet und geschrieben sowie unzählige Dokumente und Akten ausgewertet. So weiß ich, wovon ich spreche und schreibe.
Diktaturen und gesellschaftliche Katastrophen gründen sich immer auf menschenfeindlichen Ideologien. So steht außer Frage, die Geschichte der deutschen Teilung, der deutsch-deutschen Grenze beginnt nicht am 8. Mai oder mit dem Besatzungswechsel nach dem 1. Juli 1945, auch nicht mit dem Mauerbau am 13. August 1961, sondern datiert auf den Tag der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 und den Überfall der Deutschen Wehrmacht auf das benachbarte Polen am 1. September 1939, dem Beginn des Zweiten Weltkriegs. Das sind die eigentlichen Ausgangsdaten für die Grenzziehung, denn ohne das Versagen und die Polarisierung der Gesellschaft wäre es nicht zum nationalsozialistischen System und seiner Verbrechen gekommen, vor allem nicht zur Entfachung des Weltenbrandes, zur Besetzung Deutschlands und zur Spaltung in vier Besatzungszonen und damit auch dem feindlichen Gegenüberstehen von zwei Weltsystemen und dem folgenschweren Kalten Krieg.
Die einstige Demarkationslinie oder deutsch-deutsche Grenze, der DDR-offizielle Sprachgebrauch war Staatsgrenze, die sie aber nie war, griff über Jahrzehnte einschneidend in den Lebensalltag und in die Lebensumstände der Menschen ein und prägte zwangsweise viele Biografien von Bürgern in Ost und West, gerade hier in Südthüringen, vor allem im Heldburger Unterland – an der Trennlinie zweier Weltsysteme.
Selbstverständlich haben die Mauerkommunisten Recht, wenn sie sagen, dass Grenze und Mauer staatserhaltend und notwendig gewesen seien. Ohne diese martialische Grenze und das Schandmal Mauer wäre der Staat DDR zeitlich wesentlich eher zusammengebrochen. Die unverbesserlichen DDR-Anhänger betonen das bis in die Gegenwart und genießen dabei schamlos alle Annehmlichkeiten der Demokratie, vor allem die Meinungs- und Reisefreiheit. Sie werden nicht müde zu betonen, dass die DDR ein anerkannter und souveräner Staat gewesen sei. Das ist eine Verhöhnung eines Großteiles der ehemaligen DDR-Bevölkerung. Kann es ein schlimmeres Urteil über ein Staatswesen geben, das seine Bevölkerung einsperren oder einmauern muss, um selbst zu überleben und den Menschen eine unausgegorene Ideologie aufzwingt, nach der entschieden wird, wer Freund oder Feind des Systems ist? Ist das nicht die gleiche Klientel, die gegenwärtig die Leserbriefspalten der Printmedien und die Internetplattformen nutzt, geistige Umweltverschmutzung betreibt und trotz aller Probleme die tatsächlich vorhandenen blühenden Landschaften kleinredet? Haben diese Leute vergessen, wie die heruntergewirtschafteten Städte und Dörfer der zusammengebrochenen DDR aussahen, die auf Verschleiß gefahrenen Betriebe und Institutionen, die geschändete Umwelt, die durch eine angebliche „wissenschaftliche Weltanschauung“ und durch ein gigantisches Spitzelsystem gestörten zwischenmenschlichen Beziehungen sowie die vielen zerstörten Biografien? Haben sich diese Mitbürger je vorgestellt, welchen Entwicklungsstand die sozialistische DDR und ihre Bruderländer heute hätten, welches geistige und materielle Elend herrschte, wenn es sie noch gäbe?
Die gebetsmühlenhaft verbreitete Argumentation, die DDR habe zur Stabilität in Europa und in der Welt beigetragen, ist eine riesengroße Lüge. Das Gegenteil ist der Fall. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Zerfall ist das „sozialistische Weltsystem“ mit Gewalt und Blut stabilisiert worden. Nie hat die westliche Allianz den Machtbereich des Sowjetkommunismus trotz himmelschreiender Unterdrückung angetastet. Erinnert sei an den Aufstand am 17. Juni 1953 in der DDR, den Aufstand 1956 in Ungarn, an den Prager Frühling 1968 und an die revolutionären Ereignisse 1980 bis 1989 in Polen.
Da kann man schon eher der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages vom 16. Juni 1994 folgen, die feststellte: Die wirkliche Grundlage der äußerlichen Stabilität des Systems war die von der Sowjetunion gegebene Existenzgarantie; als sie zurückgezogen wurde, stand das Regime der aufbegehrenden Bevölkerung haltlos gegenüber und brach zusammen. Eine freie Wahl konnte sich das Regime zur Weiterführung seiner Politik ohnehin nicht leisten.
Diese DDR-Weltanschauungsdiktatur mit ihrem staatlich verordneten Atheismus und ihrem militanten Gehabe und Gepränge hielt die Menschen in einem vierzigjährigen Prozess der Entmündigung. Viele Leute sind in diese miefige und spießige sozialistische Nestwärme und Verlogenheit eingetaucht. Und so mancher Bürger will es sich nicht eingestehen, dass er den falschen Götzen hinterhergelaufen ist. Pausenlose Anpassung und gebückte Haltung, die geheuchelten Lebensentwürfe verursachen auf Dauer enorme Schäden, aber auch Schäden bei der Verwirklichung der deutschen Einheit. Die an den Folgen der Entmündigung erkrankten Menschen wurden nun in eine freie und nicht fehlerfreie Gesellschaft entlassen. Dazu waren aber viele total untauglich und haben nicht die Schuld ihrer Lebensverhältnisse dem Verursacher gegeben, sondern den neuen, demokratischen Verhältnissen. Die neuen Feindbilder mussten die Verfechter der alten Ordnung nicht aufbauen, die waren durch einen gigantischen Propaganda- und Desinformationsapparat bereits vorhanden. Es konnte ja nicht sein, dass man tatsächlich demokratisch wirkenden Parteien auch demokratisches Handeln zubilligt. Ein einziges Lob habe ich für die DDR übrig: Es gehört zu den wenigen Vorzügen der Diktatur, dass sie den Freiheitssinn lebendig hält.
Die Demokratie muss weiterhin wachsam sein. Die populistischen und wirklichkeitsfernen Heilslehren aus den rechts- und linksextremen Lagern sind nicht lebenstauglich. Das zurückliegende Jahrhundert mit seinen gesellschaftlichen Katastrophen hat das bewiesen. Auch die verklärende DDR-Nostalgie mit ihren Auswüchsen ist absolut inakzeptabel. Den schrecklichen Satz: „Es war nicht alles schlecht!“, kann man auch so formulieren: „Es war noch sehr viel mehr nicht gut in diesem Lande!“
Verdrängung oder das häufig praktizierte Schön- oder Kleinreden sind verhängnisvolle Irrtümer und zeugen von der mangelnden Fähigkeit, gegenwärtige Probleme anzupacken und anpacken zu wollen. Das wiederum hängt mit dem Entmündigungsprozess der Menschen durch zwei Diktaturen des 20. Jahrhunderts zusammen. Ein gewaltiger Schaden, der diesem Volk schon seit 1933 zugefügt wurde. Das Nazireich will ich nicht mit der DDR vergleichen, aber den Druck zur Lüge und zur Doppelzüngigkeit haben beide Systeme gemeinsam. Meine persönliche Wende und Abkehr von der Heilslehre des Sozialismus als junger Lehrer in Hellingen, im Heldburger Unterland, vollzog ich Mitte der 60er Jahre, als ich mit Erschütterung das Buch LTI (Lingua Tertii Imperii – Sprache des Dritten Reiches) von Victor Klemperer las, das in der DDR in einer kleinen Alibiauflage erschien. Mit seinen sprachwissenschaftlichen Studien und in seinen Tagebüchern hat der unbestechliche Beobachter Klemperer den Alltag der Zeit des Nationalsozialismus dokumentiert, von dem sich verblüffende und erschreckende Analogien auf den „ersten Arbeiter-und-Bauern-Staat auf deutschem Boden“ ableiten lassen. Die Diktatur des Proletariats, die widerlich rechthabende Partei, die Militarisierung der Gesellschaft, das geistige und körperliche Eingesperrtsein fanden sicherlich manche meiner Mitbürger humanistisch, vorsorglich und sozial. Ich fand es unerträglich.
Der Slogan der Massen in den Herbsttagen 1989 wechselte von Wir sind das Volk! zu Wir sind ein Volk! Es ging nicht mehr um die Erneuerung der DDR zu einem demokratischen und rechtsstaatlich geformten Staat, sondern um den Anschluss an den Teil Deutschlands, in dem Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bereits eine vierzigjährige Bewährungsprobe bestanden hatten. Das Vertrauen zum SED-Staat war dem Volk abhanden gekommen. Nun wurde nicht mehr verdrängt, was sie bedeutet hat, das Vorenthalten auch aller Menschenrechte, des Rechts zu reisen, des Rechts, seinen Beruf frei zu wählen und auszuüben, des Rechts, sich Wohlstand durch freien Handel zu erwerben, des Rechts, seine Kinder auf höhere Schulen und auf Universitäten auch dann zu schicken, wenn man nicht der Klasse der Arbeiter und Bauern angehört, das Recht, sich frei zu versammeln und in Vereinen zusammen zu schließen, das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren und schließlich der Rechte auf Freiheit der Person und auf körperliche Unverletzlichkeit.
Fürwahr eine gute Entwicklung, die sich täglich überall tausendfach widerspiegelt. Sie gilt es weiter zu gestalten und zu schützen. Auch wenn nicht alles gelang und manches nicht oder noch nicht vollendet ist. Es lohnt sich, sich für die Menschen einzusetzen. Es sei aber Vorsicht geboten, wenn extremistische Ideologen im Internet, in Presse, Hörfunk und im Fernsehen mit phrasenhafter Kritik die Demokratie unterwandern und beklatscht oder bejubelt werden.
Notwendige Nachbemerkungen zur Wende
Am 18. Oktober 1989 tritt der SED-Generalsekretär Honecker angeblich aus gesundheitlichen Gründen zurück. Das Politbüro des ZK der SED, das Übel der kommunistischen Diktatur, sieht sein Heil in der Flucht nach vorn, um sich ihre Pfründe zu sichern. Der Nachfolgeparteichef Krenz beharrt auf dem Führungsanspruch der SED und kündigt vollmundig eine Wende an, bei der der Sozialismus nicht in Frage gestellt wird. Das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ kreiert die politische Sprachschöpfung Wende zwei Tage später. So ungefähr, als sei das alles ein Spaziergang, eine kleine Wende mit der SED sowie Herrn Krenz und weiter. Es war ja alles nicht so schlimm. Es sind ein paar Fehler gemacht worden. Wir braven Sozialisten müssen heute dafür büßen, dass einige wenige unmoralisch gehandelt haben. Das wirkt bis heute. Und den Protagonisten der SED und vielen ihrer Nachfolger kommt das Wort Revolution nicht über die Lippen. Wer diese Revolution abstreitet, hat seine Gründe. Nicht das System hat Fehler gemacht, sondern das System selbst ist der Fehler. Das ist eine Revolution gewesen und keine Wende, sie ist Teil der europäischen Freiheitsrevolution, wie es Hans-Dietrich Genscher in einem Vorwort eines von meinem Sohn Bastian und mir vor anderthalb Jahrzehnten geschriebenen Buches formulierte.
Ihnen allen hier in dieser altehrwürdigen Kirche wünsche ich, dass die Aufbruchstimmung vom glücklichen Herbst 1989 auch im zweiten Vierteljahrhundert nach der wunderbaren Kerzenlichtrevolution nicht verblasst und dass Sie weiterhin engagiert für die deutsche Einheit einstehen. Lassen Sie nicht nach, die Menschen Ihres Umfeldes aufzuklären, vor allem aber die nachgeborenen Generationen in die Demokratie mitzunehmen, auch wenn sie manchmal Unzulänglichkeiten aufweist. Den Ausstellungsmachern der akribischen Ausstellungen im Zweiländermuseum – und besonders der heutigen Sonderausstellung – kann man nicht genug danken. Ein Zitat des unvergessenen Václav Havel hat sich mir unauslöschlich eingeprägt:
„Der Nachteil der Demokratie ist, dass sie diejenigen, die es ehrlich mit ihr meinen, die Hände bindet. Aber denen, die es nicht ehrlich meinen, ermöglicht sie fast alles.“
4. November 2014
Gerd Krauß
geschrieben am 4. November 2014
Der „Christ“ Ramelow
Wenn sich Ramelow vor den Medien kritisch zu der berechtigten Äußerung unseres Bundespräsidenten zu einem möglichen roten Ministerpräsidenten in Thüringen äußert, so ist das keine Einmischung in die Tagespolitik. Die LINKE schreit, die anderen Roten (SPD) blasen in Ramelows Horn und Bündnis 90/Grüne sind gespalten wie immer. Sie haben keine Meinung, wollen aber mit den SED-Genossen an die Macht. Ihnen scheint ohnehin alles egal zu sein, Hauptsache in der Landesregierung mitmischen. Doch dass es in diesen Reihen, so Frau Göring-Eckardt, auch Bedenken für eine solche Regierungskonstellation gibt, ist noch nicht bis nach Thüringen geschallt.
Ramelow beklagt sich öffentlich, dass ein Christ einen „Mitchristen“ politisch zu disqualifizieren versucht, was ja nicht der Fall war. Es wird zu einem primitiven Politikum von ihm und seinen LINKEN Spießgesellen hochgespielt. Wenn sich der rote Ramelow selbst als „Mitchrist“ bezeichnet, so ist das nichts als ein Oxymoron.
Ob Ramelow bislang Marx gelesen hat, wage ich zu bezweifeln? Wie schrieb doch Karl Marx:
„Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes.“
Aber Karl Marx hat Ihnen, Herr Ramelow, vermutlich nicht viel zu sagen. Der von der SED missbrauchte Halbgott wird von Ihnen nicht zitiert, auch wenn er bei Parteitagen als misslungener Gartenzwerg neben Ihnen und Ihren Genossen steht. Nicht Marx ist der Zwerg, sondern die selbstgerechten Linken:
Ja, was denn nun, Herr Ramelow, Christ und SED-Politiker? Geht das? Und wie will ein in Westdeutschland geborener und aufgewachsener Mensch uns die DDR erklären, endlich die Geschichte aufarbeiten? Ist dazu wirklich ein Ramelow nötig? Es wäre für Thüringen besser, er nimmt seine Bibel, das Gesang- und sein Parteibuch und geht dahin zurück, wo er her kam.
Ich glaube, eine Aufarbeitung der DDR-Diktatur, des Unrechtsstaates, der verkommenen Politik der Gerontokraten und Stasischergen können wir doch viel besser und brauchen keinen umgepolten Ramelow! Wie will man die DDR erklären, wenn man sie nicht kennt? Ein kühnes Vorhaben, Herr Ramelow!
Und noch einen Satz an die Thüringer SPD: Ihr wart es bei der Gründung der SDP 1990 in der noch-DDR, die freudig die SED- und die hauptamtlichen sowie ehrenamtlichen MfS-Genossen in Eure Reihen aufgenommen habt, das ist Euch jetzt bei der positiven Basiszustimmung und einer Regierungsbildung mit Ramelow gewaltig auf die Füße gefallen!
Und das mit Recht!
2. November 2014
6. November 2014 19.00 Uhr in Streufdorf
Zweiländermuseum Streufdorf/Kirche „St. Marien“
Eröffnung der Sonderausstellung
„Die Grenzöffnung im Rodachtal – Erinnerungen“
Zum feierlichen Festakt in der Kirche „St. Marien“ spricht
Hans-Jürgen Salier
zur Lebenssituation in der Region und würdigt
die Friedliche Revolution als Teil der europäischen Freiheitsrevolution.
30. Oktober 2014
Heute vor 25 Jahren in Hildburghausen
30. Oktober 1989
30.10.1989, Montag
In Hildburghausen beginnen die Montagsdemos, von den SED-Funktionären „Rathausgespräch“ genannt. Eingeladen hat der SED-BürgermeisterJürgen Ließ. Ausgangspunkt ist ein sogenanntes öffentliches Forum im Stadttheater mit SED- und Kreisfunktionären, an dem der 1. Sekretär der SED-Kreisleitung, Herbert Lindenlaub, der Vorsitzende des Rates des Kreises, Johannes Müller, der Bürgermeister und andere SED-Funktionäre, Vertreter der Blockparteien und Kommunalpolitiker teilnehmen.
Nicht alle Interessenten finden Einlass. Vor dem Theater protestieren etwa 500 Menschen. Der Chef des Arbeitertheaters „Wladimir Majakowski“, Rolf Weißleder, setzt gegenüber dem 1. Kreissekretär Herbert Lindenlaub durch, aus Sicherheitsgründen nicht mehr Leute ins bereits überfüllte Theater einzulassen (Nach einer anderen Quelle [Gerd Krauß] ist es der Häselriether Vikar Michael Wendel (Neues Forum) gewesen. – Eilig werden Lautsprecheranlage und Mikrofon nach draußen verlegt, weil die Bürger an der Diskussion teilnehmen wollen. Sie vermuten im Theater ein handverlesenes Publikum, genau wie dreieinhalb Wochen zuvor bei den Jubelfeierlichkeiten zum 40. Jahrestag. Das Angebot wird nicht angenommen. In Sprechchören wird gefordert, herauszukommen und auf den Marktplatz zu ziehen. Dem Druck wird nachgegeben. Auf dem Marktplatz versammeln sich ca. 1.500 Menschen.
Die empörten Bürger fordern Rechenschaft. Einige ergreifen spontan die Möglichkeit, ans Mikrofon zu treten und kritische Fragen zu stellen. Doch die Veranstaltung wird mit der Inkompetenz der SED-Bonzen um den 1. Kreissekretär Lindenlaub zu einer Farce.
Wie die zensierte SED-Zeitung Freies Wort die Veranstaltung sieht, ist auf als Faksimile dargestellt („Den begonnenen Dialog nun sachlich fortsetzen“).
Im Rückblick auf die erste Demo in Hildburghausen schildert der damals in der Bürgerrechtsbewegung aktiv tätige Gerd Krauß seine Eindrücke:
„[ ... ] In gewohnter Manier saßen die Damen und Herren auf der Bühne hinter dem Vorhang, und das Fußvolk durfte in begrenzter Zahl auf den Rängen Platz nehmen. Das konnte natürlich nicht gut gehen, wie sich schnell herausstellte; denn das Theater quoll aus allen Nähten. Weiterer Einlass wurde dann auch verweigert, schon wegen der ‚Sicherheit’.
Die Situation drohte zu entgleisen, doch Herr Wendel, damals Vikar in Häselrieth, reagierte schnell und beherzt.
Er forderte die Massen über Mikrofon auf, friedlich zum Marktplatz zu gehen, um dort eine Demonstration abzuhalten, die nicht von der Kreisleitung der SED gesteuert werden konnte. So versammelte man sich auf dem Marktplatz, und vor dem Rathaus wurden, erstaunlich unbürokratisch, Lautsprecher und ein Mikrofon installiert. Bürgermeister Ließ rief zur Besonnenheit und Ruhe auf.
Es war schon interessant und spannend zu beobachten, wie zaghaft, unbeholfen und teilweise auch aggressiv Fragen an die Damen und Herren der SED-Kreisleitung und des Rates des Kreises gestellt wurden, die in nur sehr geringer Zahl auf dem Marktplatz erschienen waren. Die sogenannten ‚Blockparteien’ waren überhaupt nicht vertreten.
Es war alles andere als Routine, woher auch. Wir alle mussten erst lernen, die Emotionen im Zaum zu halten und am Mikrofon vor vielen Zuhörern passende Worte zu Sätzen zu formulieren. Im Staatsbürgerkunde-Unterricht war uns ja nicht beigebracht worden, wie man eine ‘Revolution’ gegen den ‚real-existierenden Sozialismus’ zu organisieren hatte. In der Masse der Demonstranten war dann auch eine ständig mitschwingende Angst zu verspüren, denn niemand wusste zu diesem Zeitpunkt, wie sich die politische Lage entwickeln würde.
Auf dem Marktplatz wimmelte es nämlich von hauptamtlichen und nebenberuflichen Stasileuten und – nicht zu vergessen – von zahlreichen Grenzhelfern. Man konnte IM Bernd, IMK Erna, IM Atze, Mitarbeiter der K 1 und viele andere ‚Staatsschützer’ ausmachen.
Heute wüsste ich gern, was damals in so manchem Kopf vor sich gegangen ist. Was mag sich da im Unterbewusstsein abgespielt haben? Sicher ging fast allen durch den Kopf: Wann kommen die Schlagstöcke? Wann werden Waffen eingesetzt? Eskaliert die Demo? Gibt es Gewalt von der einen oder anderen Seite?
Der Vormann der SED-Kreisleitung, Herr Lindenlaub, wurde mit Fragen konfrontiert, die sich in erster Linie auf sein Einkommen und seine Privilegien bezogen. Fragen, warum es eine derartige Misswirtschaft im Kreis und in der gesamten DDR gab, wurden kaum gestellt. Es wurde auch nicht gefragt, wie sich im sogenannten ‚Sozialismus’ eine so scharf abgegrenzte Zweiklassengesellschaft entwickeln konnte: auf der einen Seite die SED-Genossen, die Mitglieder der Blockparteien und die sonstwie Privilegierten, auf der anderen Seite die, die sich ducken mussten oder sich in gesellschaftliche Nischen verkrochen hatten.
Die Antworten der Herren Lindenlaub und Müller, letzterer Vorsitzender des Rates des Kreises, fielen dann auch recht spärlich und alles andere als befriedigend aus. Da hat Erich Mielke mit seiner berühmt-berüchtigten Phrase ‚Ich liebe euch doch alle’ eindeutig Pate gestanden. Doch wie sollte es auch anders sein? Wir ‚kleinen Leute’ und ‚Untertanen’ hatten unsere erheblichen Probleme mit der völlig neuen und ungewohnten Situation auf dem Marktplatz. Und genau so ging es auch diesen Leuten, die vier Jahrzehnte lang nicht einmal im Traum daran gedacht hatten, jemals kritische Fragen beantworten zu müssen, schon gar nicht vor Bürgern, die sich, mit Kerzen in der Hand, in Demonstration übten.
Damals hatte ich den Eindruck, dass die Kerzen für die ‚Obrigkeit’ eine sehr ketzerische Symbolik besaßen. Mithin waren sie auch völlig richtig am Platz, denn die ‚allmächtigen’ Staatsdiener hatten Angst vor den Kerzenträgern, so mächtige Angst, dass die Kerze im Fenster meiner Wohnung dem MfS sogar einige Sätze in meiner Akte wert war.
So wurde auch kaum öffentlich, geschweige denn laut über die Rolle der Stasi gesprochen, am wenigsten von denen, die so bittere Erfahrung mit der ‚Firma’ hatten machen müssen.
Die Angst war immer noch allgegenwärtig.
Ich selbst stand wie ein Wachhund neben Lindenlaub, der andauernd nervös in seiner Sakkotasche herumfummelte. Er stand unter mächtigem psychischem Druck, und ich war ständig auf dem Sprung, zuzufassen. Würde er seine Dienstwaffe ziehen? Damit war natürlich zu rechnen, denn verletzte oder in die Enge getriebene Raubtiere greifen an oder beißen zu!
Kurz vor Ende der ersten Hildburghäuser Demo fasste sich eine Frau – ich glaube, sie wohnte sogar in Hildburghausen – ein Herz und trat ans Mikrofon. Ihre ersten Worte kamen noch zögernd und zaghaft. Doch dann brachen die unterdrückten Emotionen und die ungeheure über lange Zeit angestaute Wut auf das DDR-System aus ihr hervor. Sie berichtete, wie ihre gesamte Familie immer wieder durch die Mühlen der SED-Diktatur und der Stasi gedreht worden waren. Ihr Zeugnis war für die Zuhörer sehr bedrückend.
Ihre tränenerstickte, teilweise schreiende Stimme ließ den Menschen auf dem Marktplatz kalte Schauer über den Rücken laufen.
Die erste Montags-Demo war ein voller Erfolg. Die Hildburghäuser haben damals bewiesen, dass auch in ihrer Stadt die Kraft der Massen in Bewegung gebracht werden konnte. Was nach der Demo noch zu tun blieb, erledigten die Genossen der Volkspolizei. Während der Demo hielten sie sich diskret im Hintergrund. Und als alles vorbei war, löschten sie auf dem Marktplatz die noch brennenden Kerzen ...“
(Nach: Gerd Krauß: Über die Vergangenheit – die Gegenwart und die Zukunft – Zum 10. Jahrestag der ersten Montags-Demo am 30.10.1989 in Hildburghausen. – In: Südthüringer Rundschau, 28.10.1999. – Hildburghausen/Haßfurt (Auszug)
Im Eisfelder „Volkshaus“ finden sich ca. 800 Bürger zum 1. Eisfelder Rathausgespräch ein, um den Dialog mit Funktionären und dem Stadtrat in Gang zu bringen. Den kritischen Fragen und Reden stellen sich Bürgermeister Gerd Braun, der stellvertretende Bürgermeister Hans Hartwig, der Ortsparteisekretär Joachim Soltysek, der Zeiss-Betriebsdirektor Adolf Stirzel u. a. Wie bei anderen ersten Gesprächen werden vielfältige Forderungen gestellt, zu unterschiedlichsten Themen, und es wird teilweise überaus temperamentvoll diskutiert und gestritten. In drei Stunden kommen mehr als 30 Redner zu Wort: Manfred Oginski: fordert mehr Mitsprache- und Demonstrationsrecht, Zulassung des Neuen Forums und anderer politischer Gruppierungen, Presse- und Reisefreiheit, Verbesserung der Versorgung. Vikar Bodo Dungs verlangt die Kontrolle der Partei- und Staatsfunktionäre und stellt ihre Arroganz bloß. Für künftige Wahlen werden mehrere Kandidaten zur Auswahl gefordert (Dr. Hans-Henning Axthelm, Günter Recknagel), Wahlen sollen zur Pflicht erhoben werden (Hans Sprockhoff), eine Eingabe an den Bürgermeister zu eventuellen Unregelmäßigkeiten bei den Kommunalwahlen am 07.05.1989 (Vikar Bodo Dungs). Der stellvertretende Bürgermeister distanziert sich von den Funktionären, die „öffentlich Wasser predigen und heimlich Wein trinken“ und spricht von den negativen Auswirkungen auf die SED. Wichtiges Thema ist der sträflich vernachlässigte Umweltschutz: Verbrennen von Spanplatten im Möbelwerk und der qualmende Schornstein der Porzellanfabrik (Thomas Achtelstetter), Verschmutzung der Werra und die Umweltbelastung durch nicht fachgerecht ausgebrachte Gülle (Udo Oleska), Industrieabwässer (Herbert Nickel). Ratsmitglied Anette Philipp spricht von spürbaren Veränderungen 1990, Manfred Schröder und Dr. Hans-Henning Axthelm appellieren an die Bürger, dass Umweltschutz Sache aller sei. Ute Schuchardt fordert Spielplätze. Großen Raum nehmen in der Diskussion die ungelösten Wohnungsprobleme und der schlechte Bauzustand vieler Häuser ein. Kritisiert werden die für die Werktätigen unzureichenden Ladenöffnungszeiten. Der Bau eines Schwimmbades wird angesprochen. Adolf Stirzel verspricht bis 1995 Abhilfe.
Es wird gefordert, das Rathausgespräch fortzusetzen und auch in fachspezifischen Gruppen zu beraten.
Im Themarer Jugendklubhaus „Nikolai Ostrowski“ (heute: Schützenhaus) kommt es mit ca. 300 Bürgern zu einem öffentlichen Dialog.
In Schleusingen (zum Zeitpunkt Kreis Suhl-Land, heute: Landkreis Hildburghausen) demonstrieren ca. 2.500 Bürger gegen das SED-Regime und stellen brennende Kerzen vor dem Rathaus ab.
In der Folgezeit gibt es in vielen Orten nach dem Leipziger Vorbild Montagsdemos.
30.10.1989, Montag
Die Leipziger Montags-Demo mit ca. 200.000 Teilnehmern wird in einer Live-Schaltung der DDR-TV-Nachrichtensendung Aktuelle Kamera teilweise übertragen.
Die 1519. und letzte Hetzsendung des Schwarzen Kanals von DDR I mit Karl-Eduard von Schnitzler endet nach wenigen Minuten. Sie ist abgesetzt worden.
Die Deutsche Post der DDR verausgabte am 28. Februar 1990 ein Sonderpostwertzeichen mit Zuschlag (35 + 15 Pf) mit der Inschrift „WIR SIND DAS VOLK“, der Nikolaikirche, LEIPZIG 1989, Demonstranten und dem Stadtwappen.
Oktober 1989 Flüchtlinge/Übersiedler
3.780 Übersiedler mit dem Zug
23.446 Übersiedler mit Bussen und als Einzelreisende
13.109 Übersiedler, die mit dem Zug aus Prag einreisten
81 Übersiedler, darunter 7 Kinder kehren zurück
10 Flüchtlinge über die Grenzsperranlagen
28. Oktober 2014
Gegen eine SPD-Unterstützung eines linken Ministerpräsidenten!
+++ Ab 3.11. 2014 sollen in Thüringen nach 25 Jahren wieder Montagsdemonstrationen die Menschen in ihren Bann ziehen und ein deutliches Nein zu dem unwürdigen Schauspiel der beabsichtigten Inthronisierung der SED-Nachfolger formulieren. +++ Auch von Ihrer Teilnahme wird unser Erfolg abhängen. +++ In der Hoffnung, viele von Ihnen am 3.11. 2014 um 20.oo Uhr in Ilmenau treffen und sprechen zu können, verbleiben wir namens der Erstunterzeichner mit freundlichen Grüßen! +++
http://aufruf2014.wordpress.com/
23. Oktober 2014
Die kommunistische Mischpoke
ist wieder „unterwegs“!
Ihr Mitglieder
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen,
schaut auf den Freistaat Thüringen!
Die Abgeordnete Christel Wegner, DIE LINKE, im niedersächsischen Landtag forderte in einem Interview mit dem ARD-Politmagazin „Panorama“ eine Rückkehr der zu DDR-Zeiten gefürchteten Staatssicherheit.
Wir zitieren die Dame: „Ich denke, wenn man eine andere Gesellschaftsform einrichtet, dass man so ein Organ wieder braucht, weil man sich auch davor schützen muss, dass andere Kräfte, reaktionäre Kräfte, die Gelegenheit nutzen und so einen Staat von innen aufweichen.“
Damit hat sich die LINKE durch eine ihrer Aktivistinnen restlos entlarvt, auch wenn der Dauerschwätzer GG süffisant abwiegelt, denn er träumt ja schon im Bund von der gegenwärtigen Thüringer Gemengelage.
Der Text kann gelesen werden unter:
http://m.welt.de/politik/article1674202/Politikerin-der-Linkspartei-fordert-neue-Stasi.html
Unser Kommentar
Das ist der Beweis, dass das Aussetzen von Gehirnaktivitäten bei den LINKEN nicht unweigerlich zum Tode führt. Wo führt sie hin, diese geistige Verwahrlosung der SED-Nachfolgepartei und die Hofierung durch einige zweifelhafte Sozialdemokraten und angebliche Vertreter einer einstigen Bürgerrechtspartei?
Bürger, schaut auf den Freistaat Thüringen!
19. Oktober 2014
Gerd Krauß
geschrieben im Oktober 2014
25 Jahre
Friedliche Revolution und Mauerfall
In diesen Tagen werden sich viele Menschen an die Zeit im Herbst 1989 erinnern. Nicht nur für die Bürger in der DDR war es ein bedeutungsvolles Jahr. Mit Erwartungen und auch Besorgnis schaute die europäische und westdeutsche Politik auf das kleine, eingemauerte Land und ihre Akteure. Seien es die Oppositionsbewegungen oder die staatlichen Stellen, die der Opposition entgegen hielten. Dem Staat liefen die Menschen weg, war es in Ungarn oder in der Prager Botschaft, in der Geisteshaltung waren es unzählige.
Es stand die Frage im Raum, bei den beginnenden Demonstrationen, wird es geduldet oder favorisierte man von Seiten der SED die „Chinesische Lösung“? Der Mut der Menschen aber überwog alle Bedenken.
Schon 1980 begannen Bürgerrechtler sich zielgerichtet und intensiv in Nischen und unter dem Dach der evangelischen Kirche zu treffen, um später in der Öffentlichkeit die Probleme in der DDR aufzuzeigen. Es waren der Verfall der Innenstädte, die Umweltsünden in den Industriegebieten und im Chemiedreieck Leipzig, Halle, Bitterfeld und Wolfen, die undemokratischen Wahlen mit einem von der SED verordneten Wahlbetrug, die verdeckte Arbeitslosigkeit, die Medienzensur, die Bevormundung staatlicher Stellen dem Bürger gegenüber sowie die fehlende Reisefreiheit.
Eine Rechtsstaatlichkeit gab es nicht, man konnte keine Gerichte anrufen und es war nicht möglich, mit Hilfe eines Rechtsanwaltes seine Belange durchzusetzen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen waren die Rechtsanwälte Werkzeuge der SED und Staatssicherheit. So auch der kleine Mann aus Berlin, der im Rechtsanwaltskollegium der DDR eine maßgebliche und zweifelhafte Rolle spielte und das bis heute in seiner Partei immer noch praktiziert.
Zumeist waren es junge Leute, die sich aktiv engagierten. Es entstanden Umweltbibliotheken, in denen man Literatur in die Hände bekam, die die Wirklichkeit und den tatsächlichen Zustand der DDR, der Industrie und der Umwelt mit allen von der DDR-Regierung und den Ministerien geheim gehaltenen Zahlen lesen konnte. Dort hatte man die Möglichkeit, Bücher aus der Bundesrepublik Deutschland zu lesen, die man auf keinem Ladentisch in der DDR fand.
Doch nicht nur diese Informationsstellen galten für den interessierten Bürger als Quelle der Wahrheit, vor den Umweltbibliotheken, die meist unter dem Dach der evangelischen Kirche angesiedelt waren, gab es die ersten Protestaktionen und die Forderungen auf Freilassung von politisch Inhaftierten, die von der Staatssicherheit festgenommen wurden.
1989 war das Jahr der Entscheidung und der millionenfachen Hoffnung auf eine Veränderung im Land. So wie es die letzten vierzig Jahre mit Unterdrückung, Bespitzelung, Denunziation und auch Anpassung lief, konnte es nicht weiter gehen.
Immer mehr Menschen fanden Mut zum Handeln, der letztendlich in Demonstrationen im gesamten Land mündete. Am 7. Oktober begann es in Plauen und am 9. Oktober in Leipzig mit Massendemonstrationen und den Rufen: „Wir sind das Volk“, „Schließt euch an“, „Neues Forum zulassen“ und „Keine Gewalt“.
Bei vielen dieser Demonstranten spukten die Bilder vom Tian´anmen-Platz vom Sommer 1989 im Kopf.
Zum friedlichen Ausgang trug auch der abendliche Aufruf über den Stadtfunk sechs prominenter Leipziger um den Gewandhauskapellmeister Professor Kurt Masur, den Theologen Peter Zimmermann, den Kabarettisten Bernd-Lutz Lange und die Sekretäre der SED-Bezirksleitung Leipzig Kurt Meyer, Jochen Pommert und Roland Wötzel bei.
Diese Demonstrationen machten Schule in der gesamten DDR. So erinnern sich viele Akteure auch in Hildburghausen an die ersten Demonstrationen.
Die DDR-Regierung konnte dem nichts mehr entgegen halten und kapitulierte. Gegen Gebete und Kerzen kamen sie mit ihrer verkümmerten Ideologie nicht an. Ein General der Volkspolizei sagte in diesen Tagen: „Wir können gar nicht so viele Gefängnisse bauen, um die Gegner der DDR einzusperren.“
Die SED hatte ihre Macht verloren, sie versuchte aber, mit scheinheiligen Worten von Krenz, einen Dialog ins Leben zu rufen. Doch für einen Dialog war es viel zu spät.
Kein Mensch, der auf der Straße seinen Forderungen Ausdruck verlieh, wollte sich wieder dem nichtssagenden ideologischen Geschwätz aussetzen.
Dann kam der 9. November 1989 mit einer Pressekonferenz von Günter Schabowski. Sie war das Ende der Berliner Mauer und der Grenzen um die DDR.
Heute kann man sagen, es war kein Missverständnis von Schabowski, sondern eine gezielte Meldung, die DDR war nicht mehr zu halten:
„Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD bzw. zu West-Berlin erfolgen. Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“
Die Mauer öffnete sich, die DDR war Geschichte.
Vierzig Jahre Diktatur und Bevormundung waren zu Ende.
Heute, nach 25 Jahren, blicken wir auf die Ereignisse im Jahr 1989 zurück und das nicht mit gemischten Gefühlen, sondern immer noch mit Freude und Genugtuung.
Auch wenn die einstige zweifelhafte Grande Dame der DDR-Bildung und der Zwangsadoptionen, Margot Honecker, heute immer noch vom „aufgehenden Samen des Sozialismus“ spricht, es war eine Utopie, ein Experiment, das wir nie wieder zulassen werden, auch wenn die Ewiggestrigen nichts unversucht lassen, durch Hintertürchen wieder an die Macht zu gelangen.
15.Oktober 2014
Friedrich Ernst Prinz von Sachsen-Altenburg
1905 – 1985
Historiker, Archäologe, Autor
Das Rätsel der Madame Royale
Marie Thérèse Charlotte von Frankreich
Ein zweihundertjähriges Geheimnis im Licht neuerer Forschungen
Überarbeitet und herausgegeben
von Marianne Eichhorn
Verlag Frankenschwelle Hans J. Salier, Hildburghausen, 1991
© Salier Verlag Leipzig und Hildburghausen
Vorbemerkung
Bei dem auf der Homepage publizierten Text handelt es sich um das zusammenfassende Kapitel XV. des international auch bemerkenswerten Werkes von Friedrich Ernst Prinz von Sachsen-Altenburg.
Zur Werkgeschichte ist auf dieser Homepage an anderer Stelle nachzulesen oder in den Bänden
„Das Geheimnis von Hildburghausen“
von Helga Rühle von Lilienstern und Hans-Jürgen Salier
(Seiten 221 – 236)
Wenn der Leser nach allen bisherigen Ausführungen die Geschichte der Geheimnisvollen noch einmal bedenkt, so wird er selbst zu der Erkenntnis kommen, dass es kein Argument gibt, welches der Identität der Dunkelgräfin mit der Madame Royale widerspricht, ja dass ungezählte Fakten erst begreiflich werden, wenn man sie unter dieser Voraussetzung betrachtet. Jeder Versuch, das Rätsel der Madame Royale auf eine andere Weise lösen zu wollen, wird bald in ein Chaos von unvereinbaren Widersprüchen geraten. Nicht nur, dass das Verhalten des Sachsen-Hildburghäuser Hofes, das sonst unbegreiflich erscheinen muss, unter diesen Gesichtspunkten allein verständlich werden kann, man wird auch nur so begreifen, was den Dunkelgrafen zu seiner betont respektvollen Haltung der Dame gegenüber bewogen hat und warum er sie nach ihrem Tode nicht als seine Gemahlin ausgeben konnte. Auch seine verschiedenen brieflichen Äußerungen an die Witwe Kühner, die Dame betreffend, würden verständlich werden, wie zum Beispiel „sie war eine arme Waise“, oder „meine Verbindung mit ihr hatte etwas Romantisches, einer Entführung Ähnliches“; und selbst die Scharre zugeschriebene Bemerkung „sie hat kein Vermögen, aber sie ist die Herrin über alles“, wäre dann richtig.
Wenn der Senator Andreae in – übrigens französisch geschriebenen – Briefen an den Dunkelgrafen ihn stets mit „Monseigneur“ anredete, so lässt dies vermuten, dass auch er dem Geheimnis auf der Spur war, nur dass er in van der Valck ebenfalls eine Persönlichkeit von hohem Rang zu sehen glaubte. Als ihm dieser auf eine die Dame betreffende Frage brüsk antwortete: „Ich halte es für gut, wenn Sie in Wahrheit sagen können, dass Sie nicht wissen, wer die Dame ist“, so wollte er wahrscheinlich nur begreiflich machen, dass er sich anderen gegenüber schweigsam verhalten sollte.
Die noch bis zum Erscheinen von Maeckels erstem deutschem Buch im Jahr 1926 vielfach gehegte und auch schriftlich vorgebrachte Überzeugung, die auf die Hofmannschen Artikel in der „Gartenlaube“ zurückgehen dürfte, der Dunkelgraf sei in Wirklichkeit dennoch nichts anderes gewesen als der eiserne Hüter eines lichtscheuen Geheimnisses, der bezahlte Gefangenenwächter einer reichen Erbin, bedarf dann ebenso wenig einer Widerlegung wie der Aufsatz von R. Fruin in der holländischen Monatsschrift „Historia“, der zu beweisen versuchte, dass Leonardus Cornelius van der Valck ein draufgängerischer Abenteurer und die Dame seine Geliebte gewesen wäre. In diesem Falle müsste man ja alle Fürstlichkeiten, die ohne jeden Zweifel in das Geheimnis eingeweiht waren – an der Spitze natürlich den Herzog Friedrich und die Herzogin Charlotte –, des Mitwissens und der Begünstigung eines Verbrechens oder eines Liebesverhältnisses bezichtigen. In welch hoher Achtung aber van der Valck auch bei bedeutenden Männern seiner Zeit stand, kann man u. a. einem noch in seinem Nachlass befindlichen Brief des berühmten Arztes Loder, Freund Goethes, Schillers und Humboldts, vom 7. Juni 1800 aus Jena entnehmen, der im Tone hoher Verehrung gehalten ist. Van der Valck war kurz zuvor wegen einer schweren Krankheit von Loder behandelt worden.
Dieser Brief lautet in sinngemäßer deutscher Übersetzung,
Verehrter Herr!
Es betrübt mich aufrichtig, daß Ihr Aufenthalt in Jena mit solcher Unannehmlichkeit verbunden war, umso mehr, als ich nur geringfügig und mit wenigen guten Ratschlägen, die Sie nicht einmal gern annehmen wollten, ärztlich helfen konnte. –
Was meine geringen Hilfeleistungen für die Wiederherstellung Ihrer Gesundheit anbetrifft, so gebührt mir dabei kein Verdienst, weil Sie diese in einer Weise belohnt haben, daß das Übermaß mich betroffen gemacht hat. Aber da ich nur als Arzt für Sie gelten sollte, so fürchte ich Sie zu verletzen, wenn ich das Zeichen Ihrer Zufriedenheit nicht annehmen wollte. Ich werde es also behalten, aber nur unter der Bedingung, daß Sie mir gestatten, die ärztliche Behandlung, die ich persönlich nicht vollenden konnte, brieflich fortzusetzen. Dabei bedrückt mich auch noch, daß ich durch meine ärztliche Beanspruchung nicht die Freude hatte, die Dankesbezeugungen, die Sie mir erweisen wollten, persönlich anzunehmen: von heute ab bin ich es, der Ihnen Dank schuldet. – Ich bitte Sie also, verehrter Herr, meinen Dank und die Versicherung meiner höchsten Wertschätzung entgegenzunehmen, mit der ich, verehrter Herr, die Ehre habe zu verbleiben
als Ihr verehrungsvoll ergebener Diener
Loder
Der Brief von Dr. Justus Christian Loder lautet im französischen Originaltext:
Die Tatsache, dass weder in Hildburghausen, noch später in Meiningen Akten über das Paar geführt worden sind, kann nur zwei Gründe gehabt haben: Entweder war der ganze Fall viel zu unwichtig, um aktenkundig zu werden, oder aber zu bedeutungsvoll, als dass man es hätte wagen dürfen, darüber etwas zu Papier zu bringen, was auf eine Kenntnis der Begebenheiten schließen ließ.
Es hat Zeiten gegeben, in denen die Neugierde von ganz Deutschland so leidenschaftlich erregt war, und in denen der Regierung wie dem Fürstenhof so starke und wie man glaubte so wohlbegründete Vorwürfe gemacht wurden, dass es, um die Gemüter zu beruhigen, angebracht gewesen wäre, eine Aufklärung zu geben. Warum tat man dies nicht? Auch hier gibt es nur zwei Antworten: Entweder man wollte oder durfte keine Aufklärung geben. Dann aber beweist eine solche Haltung die große Bedeutung des Geheimnisses zur damaligen Zeit, besonders wenn das Schweigen auf einem gegebenen Ehrenwort beruhte; oder man war später wirklich nicht mehr in der Lage, das Geheimnis zu enthüllen, weil es frühere Fürstengeschlechter mit ins Grab genommen hatten.
Wollte man aber am Ende annehmen, das Sachsen-Hildburghäuser Herzogspaar und danach auch die Sachsen-Meininger Regierung wären von van der Valck hinsichtlich der Dame und deren Rätsel hinters Licht geführt worden und seien das Opfer eines raffinierten Betrugs gewesen, so braucht man nur daran zu denken, dass sich alles dreißig respektive achtunddreißig Jahre lang sozusagen unter den Augen der Regierung, des Hofes und der Polizei abgespielt hat. Wenn es auch damals noch keine Auskunftsbüros gab, wäre es doch in einer so langen Zeit einem Fürstenhaus, das über die besten Verbindungen und Beziehungen zu anderen Höfen und deren Polizeiorganen verfügte, ein Leichtes gewesen, sich über zwei unter seinem besonderen Schutz lebende Fremde genügend Auskunft zu verschaffen, wenn es über eine solche nicht längst verfügt hätte.
Alle diese Betrachtungen und Überlegungen, an die man noch eine Reihe weiterer knüpfen könnte, sollen nur noch einmal bewusst machen, dass man an das Rätsel von Hildburghausen natürlich mit allen nur möglichen Bedenken herangehen kann, dass man aber, wenn man sich an die Tatsachen hält, die bekannt sind, immer wieder zu derselben Lösung kommen muss, denn wie wollte man sich damit abfinden, dass ein und dieselbe Lösung des Rätsels von ganz verschiedenen Quellen ausgeht, die untereinander nicht die geringste Verbindung hatten und die also auch nicht den leisesten Verdacht aufkommen lassen können, man habe ein Komplott ausgeheckt, um eine in Wirklichkeit echte Herzogin von Angoulême als unecht erscheinen zu lassen. Bei diesem Komplott müssten ja alle die Fürstlichkeiten miteinander verbündet gewesen sein, die in der Dunkelgräfin die echte Madame Royale gesehen haben, ferner Dr. Brinkhaus, der auch nicht eine dieser Fürstlichkeiten gekannt oder in brieflichem Verkehr mit ihnen gestanden hat, und dann schließlich die Autoren aller genannten Bücher, die so vieles absolut Unbegreifliche von der geschichtlichen Herzogin von Angoulême zu berichten haben. Es kann doch kein Zufall sein, dass sich die verschiedenartigsten Gerüchte aus drei verschiedenen Ländern, nämlich Frankreich, Deutschland und Holland, fast mühelos ineinanderfügen lassen, um immer wieder nur zu der einen Lösung zu kommen. Diesen Umstand müssen wir besonders festhalten im Hinblick auf die vielen Einzelfragen, die noch durch Spezialforschungen zu beantworten wären.
Wie sich aber bisher alle die Punkte, an denen zunächst die ganze Hypothese zu scheitern schien, aufgeklärt haben, so darf man auch von weiteren Untersuchungen erwarten, dass sie für die noch offenstehenden Fragen ebenfalls die richtigen Antworten finden werden.
An eine durch einwandfreie Dokumente zu belegende Lösung des Rätsels ist, wie hier nochmals wiederholt werden soll, von Anfang an nicht geglaubt worden. Heute ist eine solche noch viel weniger möglich, nachdem man zuverlässig weiß, dass Akten gerade über dieses geschichtliche Geheimnis nie existiert haben. –
Im Falle der Herzogin von Angoulême nahmen die Lenker ihres überaus seltsamen Schicksals den Standpunkt ein, dass man etwas Unechtes ruhig für echt gelten lassen konnte, sofern nur kein Schriftstück existierte, welches das Gegenteil beweist. Eine direkte Gegenüberstellung der Dunkelgräfin mit der Herzogin von Angoulême ist nicht möglich, und so müssen wir uns hinsichtlich des Rätsels der Madame Royale mit Indizienbeweisen begnügen. Aber auch ein Indizienbeweis kann unter Umständen den gleichen Wert haben wie ein dokumentarischer, denn obgleich die Regel gilt „wer behauptet, muss beweisen“, so kann doch ein Fall wie der der Madame Royale auf einen Punkt anlangen, wo es schwieriger sein dürfte, einen Irrtum zu beweisen, als die Richtigkeit der vielen Indizien zu widerlegen. Es ist ja schon öfters der Fall eingetreten, dass ein Richter allein auf Grund schwerwiegender Indizien zu einer klaren Erkenntnis kommen konnte und danach das Urteil fällte. Jedenfalls ist sehr zu wünschen, dass eine bis in alle Einzelheiten befriedigende Lösung des Rätsels der Madame Royale möglich wird, denn es handelt sich dabei fraglos um eine Angelegenheit von damals europäischer Bedeutung. Die restlose Aufklärung derselben würde auch heute noch nicht zu unterschätzende Folgen nach sich ziehen, wäre man doch genötigt, eine ganze Reihe historisch recht wichtiger Ereignisse des vorigen Jahrhunderts unter einem neuen Gesichtspunkt zu beurteilen.
Wenn wir uns noch einmal dem rätselhaften Charakter der Herzogin von Angoulême zuwenden, so besteht kein Zweifel, dass sie sich in ihrer Jugend aus hohem Idealismus schützend vor ihre Adoptivschwester und Freundin stellte, dass sie aber später der Versuchung nicht widerstehen konnte, eine Position einzunehmen, die sie als Platzhalterin vor der Welt wohl hätte einnehmen dürfen, nicht aber so, wie dies durch ihre spätere Heirat geschehen ist.
Daher wurde aus aufopferungsvollster schwesterlicher Freundschaft in der Folgezeit die völlige Inanspruchnahme der Lebensrechte einer Herzogin. Vielleicht war ihre innere Unruhe, die uns selbstverständlich erscheint, der Schlüssel zu der allen Zeitgenossen unerklärlichen Kälte ihres Wesens, der Schlüssel zu ihrer Herzlosigkeit. Schon nach ihrem ersten offiziellen Auftreten als Herzogin von Angoulême wird von ihr berichtet, dass der hervorstechendste Zug ihres Charakters Härte, Selbstbewusstsein und Gefühlskälte waren. Diese Eigenschaften steigerten sich im Laufe ihres Lebens in einem Maße, dass diese Entwicklung von den meisten, die mit ihr zusammentrafen, als ungeheuerlich empfunden wurde. Dabei zollten ihr damals selbst ihre Gegner Achtung, da sie Energie, Mut und Ausdauer im Verfolgen ihres Lebensziels bewies. Es bedarf dafür nicht erst der Äußerung Napoleons: „Der einzige Mann unter den Bourbonen ist die Herzogin von Angoulême!“ lhr Ziel war die Erhaltung des französischen Königtums. Für diese Idee lebte sie und ihr verstand sie alles unterzuordnen. Je mehr man aber in ihr Wesen einzudringen versucht, umso mehr spürt man, dass die Art, wie sie diese Idee verfolgte, unnatürlich gewesen ist. Alle Äußerungen und Handlungen dieser Frau scheinen allein vom reflektierenden Verstand diktiert, nichts geschah aus dem Instinkt und schon gar nichts aus dem Gefühl, alles aus kluger Berechnung. Diese Haltung nahm ihr jeden natürlichen Charme. Was im Wesen der Marie Antoinette die Menschen bezauberte und was alle Zeitgenossen bei der großen Maria Theresia als selbstverständliches, gesundes Herrschertum empfunden hatten, beides fehlte der Herzogin von Angoulême. Sie war ein „Wesen ohne Gnade“. Es ist aber auch denkbar, dass sich hinter ihrer unerbittlichen Haltung eine Unsicherheit verbarg, musste sie doch ständig bemüht sein, das Geheimnis ihres Lebens zu wahren.
Dass das innige geschwisterliche Freundschaftsverhältnis zwischen der Prinzessin Marie Thérèse Charlotte und ihrer Gespielin ursprünglich auf Gegenseitigkeit beruhte, steht außer Frage. Der tragische Wandel im Charakter der Herzogin kann sich also erst in den Jahren ihres Wiener Aufenthalts zwischen ihrer Ankunft im Januar 1796 und ihrer Abfahrt nach Mitau im Sommer 1799 vollzogen haben. Da es seinen eigenen Plänen entsprach, wird Ludwig XVIII. alles getan haben, um die Adoptiv- und Halbschwester seiner Nichte in seinem Sinn zu beeinflussen, was um so leichter gewesen sein mag, als der 1795 auf dem Schafott hingerichtete Stiefvater der Ernestine de Lambriquet zuletzt sein Kammerdiener gewesen ist. Ferner dürfen wir annehmen, dass Ludwig XVIII. der Urheber eines Gerüchts war, der Dauphin habe Graf Axel von Fersen, den Verehrer und Liebhaber der Marie Antoinette zum Vater gehabt, während sie, die Pseudo-Nichte, die gleichzeitig auch seine natürliche Nichte war, doch wenigstens blutmäßig eine richtige Bourbonin sei. Dies Gerücht sollte die Achtung vor ihrer königlichen Adoptiv- und Stiefmutter zerstören. so erscheint auch erklärlich, weshalb sich die Herzogin von Angoulême später selbst vor den Augen der Öffentlichkeit kühl und teilnahmslos an dem Schicksal der Königin zeigte.
Aus zahlreichen Berichten weiß man, dass die spätere Herzogin nicht sofort dem Drängen des Oheims, ihren Vetter zu heiraten, nachgegeben hat. Erst nach drei Jahren fielen die Würfel, und am 10. Juni 1799 wurde die Ehe in Mitau geschlossen. Nun aber musste die echte Madame Royale ganz aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwinden, während die falsche in das Rampenlicht der Geschichte trat. Die Herzogin von Angoulême soll zwei Tage vor ihrem Tod am 19. Oktober 1851 dem Wiener Nuntius Viale in ihrem Wohnsitz zu Frohsdorf ein Testament überreicht haben, mit der Bedingung, es erst hundert Jahre nach ihrem Tod bekannt zu geben. Es konnte sich darin nur um die Lösung ihres Lebensrätsels handeln. Aber der 100. Todestag der Herzogin, der von allen, die an ihrer Echtheit zweifelten, mit Spannung erwartete 27. Oktober 1951, verging, ohne dass man etwas erfuhr, und die Vermutung lag nahe, dass es immer noch Gründe gegeben haben mag, den Inhalt des Testaments zu verheimlichen.
So verschieden auch die Motive der drei entscheidenden Personen für eine Substituierung (= Vertauschung) gewesen sind, die der Madame Royale selbst, die des Grafen von Provence (später Ludwig XVIII.) und die des Prinzen von Condé, in einem Punkt waren sie sich einig: Die Prinzessin wollte und sollte unter keinen Umständen an den Wiener Hof kommen.
Dass die echte Madame Royale dafür gute Gründe hatte, ist bereits ausführlich geschildert worden. Nach allem, was ihr widerfahren ist, kann man ihren Wunsch verstehen, ein friedliches Leben in völliger Abgeschiedenheit zu führen.
Von dem Grafen von Provence, dem späteren Ludwig XVIII., ist bekannt, dass der Wert irdischer Güter bei ihm im Vordergrund aller seiner Interessen gestanden hat. Er wollte sich das mit der Hand der Prinzessin verbundene Vermögen keinesfalls entgehen lassen, und da er selbst ohne Nachkommen war, tat er alles, um die Tochter Ludwigs XVI. mit seinem Neffen Angoulême, dem präsumtiven bourbonischen Thronanwärter, zu vermählen. Um diesen Plan zu verwirklichen, musste aber vor allem vermieden werden, dass die echte Madame Royale unter den Einfluss ihrer mütterlichen Verwandten und in die Abhängigkeit der Wiener Heiratspläne geriet.
Prinz Condé, dem Heerführer der royalistischen Truppen gegen die Armeen der Republik, war daran gelegen, das Idol Frankreichs, die „Orpheline du Temple“, ihrem Land zu erhalten, unabhängig davon, ob er von der Schwangerschaft gewusst hat oder nicht. Auch wenn die Übergabe der Madame Royale an die nächsten Verwandten ihrer Mutter menschlich gesehen damals das Nächstliegende war, so erschien seine Befürchtung begründet, dass die „Fille de France“ durch eine vom Wiener Hof vorgesehene Vermählung mit ihrem Vetter, dem Erzherzog Karl, ihrer Heimat verlorengehen würde. Dieser Bruder, Kaiser Franz II., erfreute sich wegen seines ritterlichen Verhaltens in den Kämpfen der vereinten monarchischen Armeen gegen die der Französischen Republik allgemeiner Beliebtheit. Hinzu kamen noch die sehr aktiv betriebenen Intentionen des österreichischen Außenministers, Baron Thugut. Verschiedene Motive waren es, die den Führer der Wiener Politik dazu bewogen, alles zu tun, um die geplante Heirat zustande zu bringen. Ein recht beträchtlicher Teil der Mitgift der Königin Marie Antoinette war nämlich noch nicht ausbezahlt worden, der bei einer Vermählung der Prinzessin mit dem Erzherzog Karl dem Hause Habsburg-Lothringen verblieben wäre, und dann hätte Aussicht bestanden, das bei der Eheschließung Franz Stephans mit Maria Theresia verloren gegangene Stammland Lothringen den Nachkommen des Hauses Habsburg zurückzugewinnen.
Bei den Sympathien, die die royalistischen Emigranten für die Königstochter hegten, ist es also begreiflich, dass der Prinz von Condé sie ihrer Heimat erhalten wollte. In den Briefen der Königin Marie Karoline von Neapel, der bereits erwähnten Schwester Marie Antoinettes, finden sich Hinweise, dass sie eine Vermählung ihrer Nichte mit dem Enkel des Prinzen Condé, dem Herzog von Enghien, für angemessen gehalten hätte. Bezeichnenderweise schrieb sie unter dem Eindruck ihrer „verlorenen Ehre“: „Das müße ihr genügen.“ Aber auch dem Prinzen Condé selbst wäre wohl eine solche Verbindung erwünscht gewesen. Dass er der Prinzessin in der neutralen Schweiz die Wege ebnen wollte, entnahmen wir schon seiner Anfrage an den englischen Gesandten Wickham, ob der Kanton Bern wohl bereit sein würde, sie aufzunehmen. Das besagt jedoch nicht, dass er in das Komplott der Unterschiebung verwickelt war, denn seine Empörung wegen mangelhafter Berichterstattung und unterbliebener Benachrichtigung über Zeitpunkt und Dauer des Aufenthalts der Prinzessin in Basel deuten eher darauf hin, dass der Graf von Provence und sein Vertreter in der Schweiz, Graf d'Avaray, ihm absichtlich die Durchreise der Madame Royale verschwiegen haben, weil sie befürchten mussten, dass Condé bestimmt in Basel erschienen wäre. Dennoch kann man bezweifeln, ob er der Substituierung und dem Untertauchen der Prinzessin zugestimmt haben würde.
Zuletzt sei noch auf einige Zusammenhänge hingewiesen, die sich mir bei dem Bemühen, die Schicksalsfäden der Hauptpersonen zu entwirren, ergeben haben. Immer mehr wurde mir klar, dass der Komponist der Marseillaise, Rouget de Lisle, bei dem Schicksal der Madame Royale als der späteren „Dunkelgräfin“ eine wesentliche Rolle gespielt hat. Höchstwahrscheinlich war er das vermittelnde Bindeglied zwischen den ursprünglichen Beschützern der Prinzessin in der Schweiz und van der Valck. Nach einer glaubhaften Überlieferung ist Rouget de Lisle im Jahre 1799 in einer wichtigen geheimen Mission nach Holland gereist. Es wird berichtet, dass niemand von dieser Reise Kenntnis hatte außer Talleyrand, dem großen Intriganten und Kenner vieler bedeutender Geheimnisse seiner Zeit. Andererseits wissen wir auch, dass van der Valck, der sich während seiner Pariser Diplomatenzeit mit Rouget de Lisle angefreundet hatte, damals ebenfalls in Holland war. Der Tod seiner Großmutter hatte ja seine Lebensgrundgrundlagen entscheidend verändert und dadurch die Ausführung seiner selbstlosen Aufgabe ermöglicht. So darf man mit ziemlicher Gewissheit annehmen, dass Rouget de Lisle dazu beigetragen hat, fortan das Schicksal der Prinzessin in die Hände van der Valcks zu legen.
Aus dem Buch der Holländer H. A. und H. A. Th. Lesturgeon „Marie-Antoinette en haar Kinderen“ habe ich mir die Stellen notiert, woraus man eine wichtige Bestätigung des eben Gesagten finden kann:
„Wir zitieren ein Schreiben des Generalleutnants G. J. W. Koolemans Beynen, welches nicht nur das Material, das sich mit van der Valck befaßt, ergänzt, sondern welches auch eine Hypothese aufstellt über die Art, in der er bei der ganzen Angelegenheit eine Rolle gespielt haben kann. Auf Grund von allerlei Untersuchungen der Geschehnisse des Jahres 1799 über die Landung der Engländer und Russen in Nordholland und speziell über das Wirken des Dichters Rouget de Lisle in unseren Angelegenheiten, kommt Koolemans Beynen zu folgender Annahme: „Vermutlich ist Rouget de Lisle während des ganzen Feldzuges in Nordholland in unserem Lande gewesen, doch trotz meiner Untersuchungen in den Archiven vieler Städte und Dörfer habe ich ihn hier zu Lande nicht aufspüren können. Ich glaube aber, daß man durch die von mir angegebenen Fakten zu erkennen vermag, daß van der Valck nicht von Anfang an der Berater und Begleiter der „Dunkelgräfin“ gewesen sein kann, wenn diese Daten mit denen der 1795 auf freien Fuß gesetzten Tochter Ludwigs XVI. verglichen werden, und daß, wenn er der Berater und Begleiter der Dunkelgräfin gewesen ist, er dieses Amt erst nach seiner Entlassung als Sekretär unserer Gesandtschaft in Paris in der ersten Hälfte des Jahres 1799 hat ausüben können. Der genaue Zeitpunkt seiner Entlassung sollte meines Erachtens hier wohl zu finden sein. Dabei kommt mir der Gedanke, ob Rouget de Lisle nicht die Zwischenperson gewesen sein könnte, die van der Valck zur Übernahme seiner späteren Mission veranlaßt hat.“
Außerdem bringt das Schreiben des Generalleutnants Koolemans Beynen nachstehende wichtige Bemerkungen:
„1. hatte Rouget de Lisle 1795 offiziell angefragt, ‚das Mädchen aus dem Temple’ („La jeune personne du Temples“) bis an die Grenze begleiten zu dürfen.
2. hat Rouget de Lisle, während er bei dem holländischen Botschafter Schimmelpenninck in Dienst stand, van der Valck sehr gut kennengelernt, so daß dieser zu der Zeit, als er selbst Geschäftsträger der Batavischen, also holländischen Botschaft, war, am 14. September 1798 an Gogel, den Beauftragten für Auswärtige Angelegenheiten in Holland, geschrieben hat: ‚Der Bürger Rouget de Lisle gibt mir täglich neue Beweise seiner Anhänglichkeit für unser Vaterland, und ich bin besonders erfreut darüber, daß unsere Regierung mich beauftragt hat, ihn in allen meinen Schritten um Rat zu bitten, insbesondere, wo es sich um einen Mann handelt, für den ich seit langem die größte Achtung und Freundschaft habe.’
3. ist Rouget de Lisle, der auch ein Vertrauter von Talleyrand war, im Juli 1799 mit einem Auftrag nach Holland gekommen, von dem Schimmelpenninck nichts gewußt hat. Dieser schrieb nämlich am 19. Juli 1799 an den späteren ‚Marschall von Holland’, Daendels, der auch Generalgouverneur der Ostindischen Besitzungen war: ‚Viele Empfehlungen an Rouget de Lisle, wie geht es ihm und was tut er denn bei uns?’ Und Koolemans Beynen fährt fort: ‚Wie ich schon sagte, ist in den Niederländischen Akten keine Spur von einem Aufenthalt Rouget de Lisle's in Holland zu dieser Zeit gefunden worden, obgleich er viele offizielle Personen hier kannte. Sein Bruder war sogar Adjutant von General Daendels. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß er einen Auftrag von Talleyrand hatte und was dieser im Schilde führte, weiß niemand. Kurze Zeit nach dem 18. Brumaire, dem 9. November 1799, ist Rouget de Lisle wieder in Paris zurück.“
Aus diesen Aufzeichnungen, die mir General Koolemans Beynen freundlicherweise zur Verfügung stellte, entnehme ich noch die folgenden Daten: Am 28. Februar 1799 bittet van der Valck aus Gesundheitsgründen um seine Entlassung aus dem holländischen Staatsdienst. Dieses Gesuch geht ohne ein Begleitschreiben des Botschafters Schimmelpenninck unmittelbar an van der Goes, den damaligen Außenminister der Batavischen Republik. Am 19. April 1799 schlägt Schimmelpenninck van der Goes vor, als Ersatz für van der Valck den Bürger Reinhold zu benennen, den Sekretär der Gesandtschaft der Batavischen Republik in Hamburg. Van der Valck war kurz zuvor seiner Funktion enthoben wordcn. Seine Entlassungsurkunde trägt das Datum vom 22. März 1799! Ich hatte das Papier in meinen Händen, als mir Konsul Schermer im April 1951 in Amsterdam die Möglichkeit gab, den Nachlass van der Valcks noch einmal zu sichten. Dort fand ich noch weitere Dokumente, die das Gesagte bestätigen:
Am 26. März 1799 bereits hatte der holländische Gesandte Schimmelpenninck van der Valck einen Pass ausgestellt, den Bacher – jawohl Bacher! – am 23. Praerial VIII, also September 1799, als französischer Regierungskommissar in Frankfurt/Main durch Visum bestätigte.
Am 7. Mai 1799 stellte der holländische Außenminister van der Goes für van der Valck einen Pass nach Deutschland aus, der am 21. Oktober 1799 verlängert worden ist.
Am 6. Januar 1801 stellt wiederum Bacher, nunmehr als Gesandter Frankreichs beim ständigen Reichstag in Regensburg, ein Visum für van der Valck aus, um vorübergehend noch einmal nach Holland zurückkehren zu können, vielleicht um seine geldlichen Angelegenheiten zu regeln.
Und mit Datum 30. Juni 1807 fand sich ein Pass für Mainz; zu diesem Zeitpunkt ist van der Valck bereits als Vavel de Versay mit seiner Gefährtin in Hildburghausen gewesen.
Ich möchte dieses Buch nicht beschließen, ohne dabei zu erwähnen, wie sehr mich der Gedanke immer beschäftigt hat, weshalb gerade die Töchter eines protestantischen Hauses in so besonders hilfreicher Weise sich der katholischen Königstochter von Frankreich angenommen haben, scheint doch auf den ersten Blick kein deutsches Fürstenhaus den französischen Geschehnissen gegenüber räumlich weiter entfernt gewesen zu sein als das Mecklenburger, dem die Königin Luise von Preußen und die Herzogin Charlotte von Sachsen-Hildburghausen entstammen. Dies erschien mir äußerst merkwürdig, bis ich Kenntnis von den herzlichen Beziehungen erhielt, die das österreichische Kaiserhaus mit dem Landgrafenhaus von Hessen-Darmstadt einst verbunden haben. In der Universitätsbibliothek von Heidelberg fand ich den sehr anschaulichen Bericht eines Grafen zu Leiningen, dem ich die fast vergessene Tatsache entnehmen konnte, dass die Kinder des hessischen Landgrafenpaares mit den jüngeren Erzherzoginnen von Österreich auf ausdrücklichen Wunsch der Kaiserin Maria Theresia zusammen erzogen worden waren. Der Landgraf Georg Wilhelm von Hessen-Darmstadt stand im österreichischen Heeresdienst und lebte damals mit seiner zahlreichen Familie mehrere Jahre in Wien. So entstand zwischen der jungen Erzherzogin Marie Antoinette und den zwei jungen hessischen Landgräfinnen eine innige Freundschaft, die von lebenslanger Dauer war. Noch bei einem der letzten Verhöre während ihrer Gefangenschaft, als die Königin von Frankreich nach zwei Miniaturen gefragt wurde, die sie unter den wenigen ihr verbliebenen Sachen aufbewahrte, antwortete sie: „Es sind die Bilder meiner Jugendfreundinnen, der Landgräfinnen von Hessen-Darmstadt“ (siehe Montioye, Kap. XII). Eines der beiden Porträts stellte die spätere Herzogin von Mecklenburg-Strelitz, die Mutter der Herzogin Charlotte und der Königin Luise dar! Das Freundschaftsband, das einst die Mütter geknüpft hatten, umschloss also auch deren Töchter, und damit löst sich diese Frage des „Rätsels der Madame Royale“ in menschlich schöner Weise.
(Leicht bearbeitet von Hans-Jürgen Salier, Oktober 2014)
12.Oktober 2014
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4.Oktober 2014
Ein neues Experiment DDR?
Geschrieben von Gerd Krauß im Oktober 2014
Was derzeit in Erfurt passiert, übertrifft jede Sendung der Muppet-Show!
Matschie will die Brocken hinwerfen, er möchte Ministerpräsident werden, die „Roten“ blockieren. Ist ja völlig klar, ein Ramelow will sich seine Wahlprozente nicht vom Nutellabrot nehmen lassen.
Bündnis 90/Grüne haben offensichtlich keine Meinung, so wie immer, sie sind mit sich selbst beschäftigt, der ewig anhaltende Kampf der Fundis gegen die Realos oder umgekehrt. Die Socken strickende Fraktion sitzt in ihrem Büro und eine Hälfte strickt an roten Socken, andere an dunkelroten.
Uneiniger kann man nicht sein.
Die „Linken“ nutzen ihre Wahlprozente in Thüringen als einen Testfall, der für sie einmal auf Bundesebene wirksam werden soll.
Die Phantasien der Phantasten.
Man denke nur an Benno Ohnesorg, der von einem Westberliner Polizisten, (Karl-Heinz Kurras) SED-Mitglied und Mitarbeiter des MfS, am 2.Juni 1967 nach einer Demo einfach so erschossen wurde. Wenn die verbalen Argumente ausgehen, fliegen die Kugeln. Solche und ähnliche Ereignisse ziehen sich seit 1917 durch die gesamte „Rote Geschichte“.
Wer hätte das vor fünfundzwanzig Jahren gedacht, dass die Roten Verbrecher und Diktatoren wieder an die Oberfläche schwimmen? Und nun mit Hilfe von westdeutschen Dummschwätzern, die nie in der DDR gelebt haben, nichts von ihr wissen und sie immer noch als einen souveränen Staat bejubeln.
In der DDR gab es mal einen geflügelten Spruch: Hast du einen dummen Sohn, so schicke ihn zur Bauunion,hast du einen, der ist noch dümmer, die SED nimmt ihn immer.“
Ob das Ramelow wohl kannte?
In den Koalitionsverhandlungen ist es ein Thema, ob die DDR ein Unrechtsstaat war oder nicht. (Intellektueller kann es nicht werden)
Solange es die „Linken“ immer noch abstreiten, will die SPD mit ihnen nicht koalieren. (vorerst)
Ist das nicht ein Witz aus einer witzlosen Zeit?
Wer in der DDR lebte und einigermaßen klar denken kann, für den ist das keine Fragestellung: Die DDR war ein Unrechtsstaat, eine Diktatur, ein Staat, der das Recht nach seinen Ansichten beugte, es gab keine Verwaltungsgerichte und kein Verfassungsgericht, keine Rechtssicherheit, Recht sprach die SED – die hatte immer Recht, keine freien Wahlen, eine Autokratie mit der Hilfe ihrer Machtinstrumente, eine Gerontokratie!
Wer das heute noch in Frage stellt, kann unmöglich Ministerpräsident in einem Rechtsstaat werden und das noch mit der Hilfe von demokratischen Parteien, absolut undemokratisch und irrwitzig.
Schizophrener geht es nicht mehr.
Ein Ministerpräsident, der nie in der DDR gelebt hat, sollte unter Demokraten kein Problem darstellen, doch ist Ramelow ein Demokrat?
Ist er nicht – seine Partei hat nichts, aber auch gar nichts mit Demokratie zu tun, die umbenannte SED, der Teufel im Schafspelz, der einer Utopie nachjagt.
Schon der Gedanke, er könnte Thüringen regieren, ist für alle die, die demokratische Parteien gewählt haben, ein Schlag ins Gesicht.
Die Metaphysik ist in Thüringen aus den Fugen geraten, sicher nicht bei den Wählern, doch bei denen, die meinen, eine politische Veränderung herbei führen zu müssen, die rückwärts gerichtet ist.
An dieser Stelle möchte ich den ehemaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR und Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates der DDR Honecker zitieren: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“.
Und Geschichte wiederholt sich doch!
Tja, was meinen die Roten in Erfurt dazu? Treten sie sich wieder einmal selber in den Arsch?
Hatten wir nicht vierzig Jahre politische Experimente und stalinistische Dogmen?
Ja, ich weiß, es war nicht alles schlecht in der DDR, kann man ja in fast jeder Zeitung lesen, in so manchem Interview im TV zum Jahrestag der Friedlichen Revolution in der DDR von Menschen sehen und hören, oft waren sie zu dieser Zeit Kinder oder noch gar nicht geboren und darum holen wir uns die DDR zurück. Wir können uns getrost zurücklehnen, Ramelow macht das schon.
Das gelbe Haus in der Geschwister-Scholl-Straße/Ecke Dr.-Wilhelm-Külz-Straße steht noch leer. Es gibt doch in Hildburghausen noch genügend Mitmenschen, die einmal dort „gearbeitet“, ihr täglich Brot schwer verdient hatten, ob sie Ramelow wieder reaktiviert? Für die Nationale Front ist auch noch ein Plätzchen frei, ich bin mir sicher.
Sie hätten zumindest die Möglichkeit, meine Mitte 1989 begonnene OPK zu vollenden. Auch die Wanzen aus meiner ehemaligen Wohnung am Markt habe ich noch, man kann sie bestimmt wieder einbauen.
Diese Gedanken habe ich mit Magen- und Darmkrämpfen geschrieben, der Kopf brummt und es dröhnt in den Ohren, doch das Schlimme ist, wer denkt überhaupt über die Konsequenzen nach?
Schön ist, was wir sehen,
noch schöner, was wir kennen,
am schönsten aber ist, was wir nicht begreifen.
1.Oktober 2014
Kaum zu glauben
Wenn das kein „linker Faschismus“ ist
Auf der Homepage der Partei DIE LINKE Hildburghausen fanden wir zum Anklicken einen Text zum 20. September 2014. Auch wenn die kommunistischen Weltverbesserer wieder nur Zitate als Argumentation nutzen, wird deutlich, wes Geistes Kind sie sind. Was sagt eigentlich der evangelischgläubige Laienprediger Bodo Ramelow zu diesem Text, der von Anja Mayer, Mitglied des Parteivorstandes der Partei DIE LINKE und zuständig für feministische Politik, ins Internet gestellt wurde? – Bertolt Brecht (Der aufhaltsame des Aufstieg des Artur Ui, 1941) hätte wohl gesagt: „Der Schoß ist fruchtbar noch – aus dem das kroch.“
Der Tag wird kommen, an dem wir alle frei und gleich sind!
Zum heute in Berlin stattfindenden sogenannten "Marsch für das Leben" erklärt Anja Mayer, Mitglied des Parteivorstands der LINKEN und zuständig für feministische Politik:
Seit einigen Jahren demonstrieren in Berlin radikale AbtreibungsgegnerInnen, christliche FundamentalistInnen und AntifeministInnen. Das kann und will DIE LINKE nicht unwidersprochen lassen! Deshalb ist DIE LINKE im Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung aktiv und deshalb beteiligen wir uns geschlossen an der Gegenkundgebung "Leben und Lieben ohne Bevormundung". DIE LINKE fordert unter anderem die Abschaffung des Paragrafen 218, die rezeptfreie Abgabe der Pille danach und streitet für das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper. Bereits erkämpfte Freiheiten und Rechte werden wir nicht preisgeben. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der Menschen selbstbestimmt und frei entscheiden können wie sie leben und wen sie lieben wollen. Und wir gehen fest davon aus: der Tag wird kommen, an dem wir alle frei und gleich sind!
Mit einem Zitat aus dem Song "Der Tag wird kommen" von Marcus Wiebusch halten wir deshalb den "LebensschützerInnen", die heute demonstrieren, entgegen: "All ihr homophoben Vollidioten, all ihr dummen Hater (Hater = Hasser, engl., ein nerviges Phänomen des Web 2,0), all ihr miesen Kleingeister mit Wachstumsschmerzen, all ihr Bibel-Zitierer mit eurem Hass im Herzen, all ihr Funktionäre mit dem gemeinsamen Nenner, all ihr harten Herdentiere, all ihr echten Männer: kommt zusammen und bildet eine Front - und dann seht zu, was kommt!"
So machen sie es gerne. In normale und vernünftige Argumentationen bauen sie ihre schizophrenen Gedankengänge ein (s. Zitat von Marcus Wiebusch) und führen ihre „Gegenwelt“ vor. – Zur Erinnerung:
Bertolt Brecht schrieb:
„So etwas hätt’ einmal fast die Welt regiert!
Die Völker wurden seiner Herr, jedoch
Dass keiner uns zu früh da triumphiert. –
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“
30. September 2014
Gerd Krauß
September 2014
Ein böser Traum
Das grüne Herz schlägt wieder rot,
all die Hoffnungen sind nun tot.
Der Krämer hat die Macht geholt,
Demokraten werden umgepolt.
Die roten Fahnen wehen wieder,
wir singen alte Kampfeslieder.
Im Gleichschritt an der Tribüne vorbei,
es ist Frühling, der 1. Mai.
Die Genossen stehen wieder oben,
mit Orden, Plakaten, sich selber loben.
Das alles gab’s doch schon einmal,
träum ich oder ist’s real?
Biermann höre ich jetzt wieder,
im Westen singt er seine Lieder:
„... der erste Mai ist schön,
da kann man Vieles seh´n,
im Kuhstall ist die Losung rot
auf weißer Wand geschrieben,
im Kuhstall wird die Milch gemacht,
die Butter und der Frieden...“
Schweiß gebadet wach’ ich auf,
gehe auf die Straße raus,
keine Plakate, kein Rot auf Fahnen,
ich seh’ mich um, wer konnte es ahnen?
Ein schlimmer Spuk, ich träumte alp,
und dennoch kann´s passieren,
steht endlich auf vom Kanapee,
vierzig Jahre reichen – nie wieder SED!
(Krämer = Bodos Ramelows erster Beruf war Einzelhandelskaufmann)
26. September 2014
Zum 25. Jahrestag
der Friedlichen Revolution in der DDR
Gerd Krauß Hildburghausen
Aber vergessen sind sie nie!
Die ersten Konfrontationen mit dem MfS
Es ist nicht möglich zu sagen, dass ich als Oppositioneller in der DDR, in der Zeit des Regimes des Sozialismus und Kommunismus, ebenso viel gelitten habe wie so manch anderer Systemgegner. Doch ich möchte das, was ich erlebt habe, für mich aufarbeiten, mitteilen, aus mir heraus schreien und das fünfundzwanzig Jahre später, nachdem das System „Tschekismus“ sich selbst und mit dem Druck der Straße ad absurdum geführt hatte.
Man kann nicht alles im Leben mit sich bis zum Ende herumtragen und sich nur mit denen unterhalten können, die Gleiches erfahren haben und sonst schweigen, alles mit sich selbst ausmachen, an schlimme Tage denken, die schon 1968 begannen, nachts aufwachen und die Gedanken von damals in der Zelle 1975 wieder denken müssen. Das ständige Licht an der Decke sehen – Tag und Nacht. Das Brüllen der uniformierten Unmenschen, „... Hände auf die Decke, Schlafposition einnehmen ...“ Versuchen, die Sterne durch das vergitterte Fenster aus Glasbausteinen zu sehen, wissend, dass das nicht möglich ist. Durch diese Fenster kann man die Welt nur schemenhaft erkennen. Auch Büsche stehen davor. Doch irgendetwas erhaschen, das mir sagen kann, es gibt die Freiheit, nicht nur die des Körpers, auch die gedankliche, die des Geistes. Fühlen, ein Mensch zu sein, aber minderwertig behandelt zu werden wie ein Untier. Du bist eine ansteckende Krankheit, eine Kakerlake, eine Laus, die vom Beton des Systems erdrückt werden soll.
Oft sehe ich das Blatt Papier vor mir liegen, das unbeschriebene, auf das ich unter Druck und mit Erpressung meine Verpflichtung schreiben sollte. Meine Freunde, meine Bekannten, die Arbeitskollegen, die Nachbarn und alle die, mit denen ich etwas zu tun hatte, bei der Stasi als IM anschwärzen und über sie berichten. Ich schrieb keinen Buchstaben, sagte, ich sei Analphabet. Den Gummiknüppel bekam ich zu spüren – wie ein Stück Vieh.
Es wäre mir gar nicht möglich, Menschen, mit denen ich oft zusammen war, die mir wie ein besserer Vater erschienen und es auch waren, die mir gedankliche und viele literarische Türen geöffnet hatten, mit denen ich über das System offen und ohne Angst reden konnte, die für die evangelische Kirche als Rektor, Dozenten und Lehrer arbeiteten, mit vielen guten Freunden, die Theologie studierten, einige, die mir Nietzsche und andere Philosophen nahe brachten und meine vielen Freunde und Freundinnen aus Naumburg und Bad Kösen, Berichte zu schreiben. Ich würde mir selbst ins Gesicht schlagen. Das alles für dreißig Silberlinge oder Aluchips? Niemals!
Ich werde keinen Menschen anschwärzen und denunzieren, auch wenn ich ihn noch so sehr hassen sollte, doch die ich wirklich hasste, die musste ich nicht verraten, das taten sie schon selbst für sich. So wie es Feliks E. Dzierzynski seinen Tschekisten in den Kopf hämmerte: „Mit kühlem Kopf, mit heißem Herz und sauberen Händen“, genau so dachten diese Verbrecher, heute immer noch, nur ihre Hände waren mit Blut und Schmutz besudelt, den sie selbst nicht sahen, der ihnen aber zum Verhängnis werden sollte. Doch das war zu dieser Zeit für sie noch Utopie, ein langsames Sterben, das noch keiner von ihnen sehen konnte – ihre Tage waren gezählt.
Die Zelle war ebenso grau wie die Wohn-Beton-Klötze von Ulbricht und Honecker, die Holzpritsche so braun wie die Gesinnung derer, die sie abgelöst hatten. In jedem Bezirk und jedem Kreis der DDR gab es eine „Prinz-Albrecht-Straße“.
So klein die Zelle auch war, so groß war sie hinter den Mauern des Kellers, ein Betonkasten, in dem 16, 17 Millionen Menschen eingesperrt, interniert und verwahrt waren. Gerne hätte der SED-geführte Staat mit seinem „Schild und Schwert der Partei“ beschlossen, noch einen Betondeckel oder Stacheldraht darüber zu ziehen.
Rechtlos, entmenschlicht, gefoltert, gedemütigt wartete ich auf einen Entschluss von denen, die die Entscheidungen trafen, wartete ich auf eine Veränderung – Anklage oder Freilassung und keiner meiner Freunde wusste, wo ich war, kein Freund, keine Freundin – was denken sie? Nur einer konnte es sich denken, einer, der meinen öffentlichen Protest auf dem Marktplatz von Naumburg filmte und eingeweiht war.
Auf dem Flur stehend, die Hände nach oben an der Wand, die Beine gespreizt vor Schwäche zitternd – die Gedanken sind frei – da dachte ich an Prag, wenn die Beine vom vielen Laufen weh taten – nur keine Schwäche zeigen – denen nicht!
Dann wurde es dunkel ...
Dreiunddreißig Tage verwahrt, verhört, misshandelt, erpresst, belogen und entlassen mit meiner Unterschrift, aber nicht als IM, „nur“ eine Schweigeverpflichtung.
Konnte ich danach mit jemandem reden? Tat ich es, brachte ich diejenigen in Gefahr oder gar in die Zelle!
Ich konnte es nicht, ich wollte niemandem schaden, keiner meiner Freunde und Bekannten sollte das widerfahren, was ich erlebte. Viele Jahre spukten diese Tage in meinem Kopf. Ohne Angst, ich wusste, es ging noch schlimmer.
Erst nach 1990 konnte ich die Details mit meiner jetzigen Frau besprechen und das Geschehen mit ihr aufarbeiten.
Aber vergessen sind sie nie!
(Auszug aus der Autobiografie, geschrieben 2013)
24. September 2014
„... eine Gefährdung der inneren Sicherheit und Ordnung“
Recherche der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Suhl/Abteilung XX/7 – 1979
(Geschrieben vom 6. bis 12. August 2011)
Inzwischen habe ich es „geschafft“. Die allmächtige Bezirksverwaltung der Geheimpolizei in Suhl beschäftigt sich mit mir. Vermutlich war ich den Tschekisten in der „Autonomen Gebirgsrepublik Suhl“ wichtig geworden. Geahnt hatte ich es, beweisen konnte ich damals nichts, heute schon. Darüber zu sprechen, war gefährlich. Selbst im Umfeld hätte das nur Unruhe erzeugt. Verwandte und Bekannte hätten sich reflexartig zurückgezogen. Wer wollte schon in den Verdacht geraten, sich mit jemandem einzulassen, der im Visier der Stasi stand? Aber es gab immer auch Funktionäre, die ein wenig anders tickten. Die fragten mich zu Zeitereignissen und zu meinem Standpunkt. Als gelernter DDR-Bürger war ich wie die Mehrzahl durchaus janusköpfig: Ich hatte eine offizielle und eine private Meinung. Das war Wahrheit im DDR-Friedensstaat. Die Grenzen waren oft gefährlich fließend, weil ich mit meiner Meinung nicht hinter den Berg hielt. Da war ich rechthaberisch, mitunter laut, polternd und unnachgiebig. Aber auch philosophisch und „parteilich“ argumentierend konnte ich auftreten, weil ich das Parteichinesisch der Genossen verstand und mit ihnen „gelehrig“ in ihren ideologischen dummen Worthülsen reden konnte. Für Gesprächspartner war es mitunter auch schwer, sich meinen beweisbaren Argumenten zu entziehen, ob spontan mit Schärfe geäußert oder durchdacht und verbrämt.
Nicht gerne ließ ich mir eine Diskussionstaktik aufzwingen. Die Stasi tat sich da in Auswertungen sichtlich schwer. Unangenehm war ich auch manchmal für Gesprächspartner, weil sie oft nicht ad hoc antworten konnten oder ich mich nie mit simplen Argumenten abfand, da hätte ich nachgehakt. Wenn ich Fragen stellte, formulierte ich sie oft so, dass man keine Antwort fand. Wie ich mich beispielsweise zu dem vietnamesischen Brudervolk verhalten solle, das da gerade für die Zündung der ersten chinesischen Wasserstoffbombe eine Sonderbriefmarke herausgegeben und das Ereignis gefeiert hätte, so im Parteilehrjahr, das bekanntlich alle Lehrer und Erzieher besuchen mussten, auch die Nichtgenossen. – Auf „dezente Weise“ und auf „Umwegen“ fragten mich die Genossen aus oder forderten Stellungnahmen, wie Berichte der Geheimpolizisten beweisen. Ein „gewisses Vertrauen“ genoss ich trotzdem bei einigen Funktionären bis hin nach Suhl. Vielleicht waren es Leistungen, und die wurden von Funktionären, beispielsweise des Kulturbundes, genutzt, um Positives zu melden und sich selbst bei ihren Vorgesetzten ins rechte Licht zu rücken. Die Namen der Armseligen will ich hier nicht nennen, weil sie mit ihrer politischen Einfältigkeit genug gestraft sind.
Es gab treue und ergebene Genossen, deren Sammelleidenschaft auch auf sie selbst wie eine Droge wirkte. Sie ging dann über ideologische Hirndressuren hinweg. Manche kauften bei mir Briefmarken und philatelistische Belege aus dem „kapitalistischen Ausland“, weil sie wussten, dass ich gute Kontakte hatte und damit das ersehnte Material mein eigen nennen durfte. Eine harte Währung bei Briefmarken war eben reizvoller als geheuchelte politische Überzeugungen im Armenhaus des Ostblocks mit nicht konvertierbaren Währungen. Die Funktionäre selbst durften nicht mit dem Feind, dem Klassengegner, korrespondieren, das war aus SED-Verständnis heraus Verrat.
Die „Interessenten“ saßen in der SED-Kreisleitung, im Rat der Stadt Hildburghausen, im Rat des Kreises, selbst im Rat des Bezirkes, in vier Volkspolizeikreisämtern des Bezirkes Suhl, im FDGB-Bezirksvorstand, auch ein auf mich angesetzter Inoffizieller Mitarbeiter in der Stadtverwaltung Hildburghausen war dabei, der mit mir gerne rauchte, trank und die Briefmarken der Republik Österreich begehrte. Er durfte keine Westkontakte haben. Er hatte mich.
Der Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit war kein SED-Mitglied, er gehörte einer sogenannten Blockpartei an, der LDPD. Mit ihr sympathisierte ich, um mich von der SED abzugrenzen, und ihr trat ich am 6. November 1989 bei, einen Tag nach meiner Rückkehr von der Präsentation eines meiner Bücher auf der PHILATELIA in Köln. Meine Ansprechpartner waren Franz Lichte, Horst Gärtner und Jochem Vonderlind. Im Mitgliedsausweis ist der 10. November 1989 vermerkt, ein Tag nach dem geschichtsträchtigen Fall von Mauer und Stacheldraht.
Anmerkung
Bereits Ende der 60er Jahre wollte ich der LDPD, also den Liberalen, beitreten. Ein Verwandter winkte ab. Er meinte, dass für ein berufliches Fortkommen die SED-Mitgliedschaft besser sei. Nein danke, das wollte ich nicht. Ich musste genügend in der Schule lügen und meine „revolutionäre Phase“ war Mitte der 60er Jahre längst vorbei. Da wollte ich, nicht aber die Genossen. Damit hatte ich gute 25 Jahre ein plausibles Argument. Einmal fragte mich meine Direktorin Anfang der Achtziger, aber da lehnte ich mit den Worten dankend ab, dass man mich „damals“ nicht wollte und heute sei ich kein anderer Mensch. – Gleiches bestätigte sich bei der Anwerbung für die Staatssicherheit. Man ließ mich in Ruhe, wenn ich ein deutliches Nein sagte. Man passte nur noch auf mich auf, denn ich war bekanntlich entsprechend einsortiert. Wenn nach 1990 immer wieder argumentiert wird, dass man gezwungen worden sei, der SED beizutreten oder sich von der Stasi missbrauchen zu lassen, ist das eine schamlose Lüge. Kein einziger Bewohner der DDR musste in die SED eintreten, aber die Lebensplanung konnte nicht wie gewünscht verlaufen. Nachteile gab es zuhauf. An eine Karriere war beispielsweise nicht zu denken, das wirkte sich auch auf die künftige Entwicklung der Kinder aus, das ist unbestrittene Tatsache. – Ein einziges Mal ließ ich mich erpressen: Im November 1960 wurde in der Außenstelle „Fasanerie“ des Instituts für Lehrerbildung Meiningen (bei Hermannsfeld, dem ehemaligen Jagdschloss des Meininger Theaterherzogs) kurzfristig in einer frühen Abendstunde eine Studentenversammlung einberufen. Zwei Studenten – eine Pfarrerstochter und ich – waren nicht der Massenorganisation DSF (Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft) beigetreten. Das war sicherlich bei irgendwelchen Vollzugsmeldungen ein Schandfleck für die gesamte Lehrerbildungseinrichtung, das den Namen des russisch-sowjetischen Berufsrevolutionärs „M. I. Kalinin“ trug. Michail Iwanowitsch war zeitweise sowjetisches Staatsoberhaupt und Stalins gefügiger Willensvollstrecker. Was Kalinin mit deutscher Pädagogik zu tun hatte, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis, vielleicht hatten wir Deutsche im angeblich „besseren Teil Deutschlands“ keine vorbildhaften Traditionen für die Namensgebung der pädagogischen Einrichtung.
Der Außenstellenleiter der Lehrerbildungseinrichtung, Gerhard Last, der später sein marxistisch-leninistisches Unwesen an der Technischen Hochschule Ilmenau trieb, ereiferte sich in einer energischen klassenkämpferischen Rede, wie wertvoll es sei, Mitglied dieser Massenorganisation zu sein und dass die Mitgliedschaft für eine sozialistische Lehrerpersönlichkeit Verpflichtung sei. Während seiner theatralisch vorgetragenen Agitation, an seiner gurgelnden Tabakspfeife schmauchend, drohte er als Schlusspunkt den beiden Studenten vermutlich ohne Gewissensbisse die Exmatrikulation.
Eingeschüchtert traten die beiden dem „Freundschaftsbund“ bei. Immerhin, für diese zweifelhafte Freundschaft musste man sogar Beitrag zahlen. Beide Studenten waren reichlich sechzehn Jahre alt und wollten keine Klassenfeinde sein, sie wollten Lehrer werden. Das Abitur hatte man ihnen ohnehin versagt. In mir brach kein Weltbild zusammen, auch wenn ich mich wegen meiner Zwangsentscheidung schämte. Meine starke Mutter wäre vielleicht verzweifelt, denn sie war eigentlich nach dem gewaltsamen Tod unseres Vaters weit nach Kriegsende nur für ihre Kinder da. Nein, eine Exmatrikulation, das konnte ich ihr nicht antun. – Die Mitstudentin wurde Monate später vom Studium ausgeschlossen, weil sie den Zehn-Meter-Streifen der Demarkationslinie nahe Henneberg bei landwirtschaftlichen Arbeiten überschritt und rief: „Hurra, ich bin im Westen!“ Einen Augenblick später kam sie wieder zurück, aber dieser kleine Hurra-Satz wurde eifrig von einem Langohr gemeldet. So kleine Drecksäcke gab es ausreichend auch unter Schülern und Studenten. Noch war die Grenze nicht vermint und nicht mit anderer teuflischer Technik unpassierbar gemacht worden. – Wirkungen zeigten sich bei mir in den Sechzigern das sozialistische Realerlebnis Mauerbau und die Grenzsicherung mit allen Begleiterscheinungen, die Widersprüche des Lebens und Wirkens in der geistigen und materiellen Mangelwirtschaft DDR, die Verleugnung des deutschen Vaterlandes, die Suche nach dem Sinn des Lebens mit dem Studium philosophischer und historischer Schriften und die Armseligkeit der in der DDR gelebten marxistisch-leninistischen Ideologie und der SED-Klassenkämpfer. Als ich sah, dass ein Lehrerkollege, mit dem ich den DDR-Liberalen beitreten wollte, einige Wochen später zu den Einheitsparteisozialisten lief, der Jahre später sogar Parteisekretär wurde, war für mich die „Messe gelesen“. Einen solchen Slalomlauf begriff ich nie. Die einst guten Kontakte reduzierten sich entsprechend.
Trotz ihres Rufes einer Blockpartei hatten sich viele der Parteifreunde eine gute Portion Vernunft bewahrt. Das heute geführte Geschwätz von den Blockflöten vor allem aus der linken Ecke ist dumm, beleidigend und oberflächlich zugleich. Wer hatte denn wen domestiziert und missbraucht, wer hatte wen reglementiert? Gab es nicht sogar zwei Blockparteien (NDPD – National-Demokratische Partei Deutschlands, vor allem zur Bindung nationaler Kräfte an die SED und DBD – Demokratische Bauernpartei Deutschlands, zur Bindung der Landbevölkerung an die SED), die nicht aus einem demokratischen Verständnis heraus 1948 gegründet wurden, sondern eigens von der SED für ihre kommunistischen Ziele missbraucht wurden. Die Führungsspitzen der beiden Blockparteien wurden bei Gründung mit KPD- bzw. SED-Funktionären besetzt. In erster Linie ging es um die Schwächung des bürgerlichen Lagers – um CDU und LDPD. Toll ist natürlich auch, dass diese angeblich antifaschistische SED mehr ehemalige NSDAP-Mitglieder in ihren Reihen hatte als alle anderen sogenannten Blockparteien zusammen und nachweislich sogar mehr als im Bundestag der Bundesrepublik Deutschland. Der charismatische ehemalige Gegenspieler Konrad Adenauers und SPD-Vorsitzende Dr. Kurt Schumacher (1895 – 1952) sprach nicht umsonst davon, dass die KPD und ab 1946 die SED die Interessenvertretung einer „auswärtigen Macht“ sei und bezeichnete sie aus eigenem politischen Erleben als „rotlackierte Faschisten“.
Auf den Punkt gebracht: Die Blockparteienbildung war ein scheindemokratisches Spiel, denn nach der Eroberung des Staates durch die Kommunisten nutzten sie den Staat als Terrorinstrument zur Durchsetzung ihrer Ziele. Staat und Partei waren nie getrennt, denn der Führungsanspruch der SED war in der Verfassung der DDR festgeschrieben. Nicht umsonst war es eines der wichtigsten Ziele der Opposition 1989, dass es zur Verfassungsänderung kommt.
Zurück zu dem besagten Philatelie-IM. Wir waren uns wohl vertraut, frönten auch dem gemeinsamen Steckenpferd. Bei den vierzehntägigen jeweils freitags stattfindenden Zusammenkünften der Arbeitsgemeinschaft Philatelie des Kulturbundes der DDR war er nicht nur dabei, sondern immer auch sehr hilfsbereit und gesellig. Er konnte tolldreiste Berichte in Auseinandersetzungen mit dem Rat des Kreises, vor allem mit Werner Asmuhs, dem Vorsitzenden des Rates des Kreises Hildburghausen, zum Besten geben, der übrigens zum Schleifen des Dorfes Billmuthausen im Heldburger Unterland seine Unterschrift gab und ansonsten ein mehr als hundertprozentiger Vollstrecker von SED-Anweisungen war. Wir schlugen uns vor Vergnügen auf die Schenkel. – Wollte dieser IM andere Meinungen herauslocken oder hatte er eben auch nur diese DDR-Janusköpfigkeit? Wie war er in die Fänge der Geheimpolizei geraten? Waren es seine Leutseligkeit oder sein Durst? Seine Motive werden immer unklar bleiben. Bis zu seinem sehr frühen Tod hatten wir ein gutes Verhältnis.
Einige der „Kunden aus dem Partei- und Staatsapperat“ nahmen auch Postwertzeichen und philatelistische Belege des Dritten Reiches. Die durfte man zwar besitzen, nicht aber zeigen – auch nicht in Forschungssammlungen. Tauschen oder verkaufen stand unter Strafe. Oft erwarb ich sie bei Sammlungskäufen, die für solches Material auch verboten waren. Schenken lassen ging auch nicht, auch das stand unter Strafe. Diese Quellen waren aber für das MfS absolut dicht, denn eine solche Handlungsweise konnte Existenzen vernichten. Das war für die Staatsorgane der DDR kriminell, wie auch die Herabwürdigung von Persönlichkeiten.
Selbst aus Parteileitungssitzungen ist manches bis zu mir gedrungen: Wenn meine Haare zu lang waren, meine Korrespondenz mit zig Partnern in der Bundesrepublik und in Berlin-West, in Westeuropa, in den USA auffiel, meine Kritik am DDR-System, politische Witze oder auch flapsige Haltungen. Ich war, wie sich später herausstellte und wie es in den Stasi-Unterlagen dokumentiert wurde, als Krimineller eingestuft worden. – Nicht mehr nur die Kreisdienststelle Hildburghausen observierte mich. Oberstleutnant Heinz, Leiter der Abteilung XX/7 (Abt. XX = Staatsapparat, Kultur, Kirche, Untergrund) nahm sich meiner an und schrieb an die Kreisdienststelle Hildburghausen eine mehrseitige Information über mich, den Ausgeforschten. Eine „tolle“ Bilanz nach wochenlanger Recherche. Am Telefon hätte ich den Geheimen am Telefon erzählen können, auch ein Anruf bei den entsprechenden Dienststellen hätte genügt. Welch ein Volksvermögen hatte diese gefährliche und nutzlose Bande über vier Jahrzehnte in den Sand gesetzt? Hat denn von denen während ihrer menschenunfreundlichen Tätigkeit niemand gemerkt, dass sie den falschen Götzen dienten und eifernd in treuer kommunistischer Gefolgschaft hinterher liefen? Wie weit kann eigentlich ein Mensch verkommen. Heute, von demokratischen Gesetzen geschützt, organisieren sie sich in der SED-Nachfolgepartei, die ich gerne auch „Ostdeutscher Heimatverein“ nenne. Sie hetzen gegen den Staat, der ihnen demokratische Rechte garantiert. Sie werden in aus seiner Sicht zweifelhaften Vereinen wie ISOR geschützt, um ihre „Rechte“ – sprich vor allem höhere Renten – bei der wortgläubigen Justiz einzuklagen. Sie haben in der Vergangenheit selbst nicht viel zustande gebracht und tragen sehr viel Mitschuld am Zusammenbruch der DDR. Sie nutzen beharrlich die Medien, vor allem das Internet und die Presse, um ihre geistige Umweltverschmutzung gegen die Demokratie zu betreiben und seufzen wehmütig: „Ach, war es doch in der DDR schön und vor allem gerecht!“ „Es war nicht alles schlecht.“ Diese Sätze gehören sicherlich zu den dümmsten Hirnleistungen seit dem Zusammenbruch der DDR.
Zum Schreiben des Oberstleutnants: Nach der Eingangsbestätigung steht handschriftlich„Gen. Litsche zur Kenntnis und Auswertung (kk ergänzen)“. (Anmerkung: kk heißt „Karteikarte ergänzen“ oder „kriminell in Erscheinung getreten“. Zudem war eine „Kriminalpolizeiliche Kontaktperson“ bzw. ein IM der K 1, also der Kriminalpolizei, auf mich angesetzt, das „wusste“ ich nicht, aber ich vermutete es.) Und eben dieser Genosse Litsche zeichnet das handschriftlich am 2.4.79 mit dem Kürzel Li. ab, ausgerechnet an dem Tag, an dem ich meinen 35. Geburtstag gefeiert hatte. Meine Freunde Irene und Walter aus Rodach – aus dem nahen und doch so weltenfernen oberfränkischen und einst thüringischen Gebiet um Coburg – waren nach Zahlung des DDR-Eintrittsgeldes zum Gratulieren nach Hildburghausen gekommen. Das hatten die unerschrockenen Schlaumeier vom Ministerium für Staatssicherheit und ihre Schnüffler nicht mitbekommen. Walter hatte eine Einreise nach Schalkau beantragt. Seinen Ford mit dem Kennzeichen CO – DA 474, ein Riesenschiff, gekauft bei Auto-Weiß, bei dem dann nach 1989 viele Genossen ein Autoschnäppchen machten, stellte Walter auf dem Friedhofsparkplatz an der Schleusinger Straße in Hildburghausen ab. Grabpflege war bekanntlich nicht verboten.
Die Genossen der „Firma“ verstanden wirklich nicht viel von den Dingen, die ich betrieb. Erfolgreich war ich für die DDR. Das war vermutlich für mich wie ein Schutz. Trotz ihres Unwissens und ihres ständig zur Schau getragenen Dilettantismus waren die SED-gesteuerten Dienstleister sehr gefährlich. – Aber da war ich wieder arrogant und agierte riskant, auch wenn ich kein Spielertyp bin. Natürlich ist es eine Ehre, den Staat, in dem man wohnt, im Ausland zu vertreten. Auch wenn man selbst nie – im Gegensatz zu in Hildburghausen kursierenden Gerüchten – die Grenze der Deutschen Demokratischen Republik in westliche Richtung überschritten hatte. Die Grenze nannte ich nie Staatsgrenze, für mich war und blieb es eine Demarkationslinie. Die Auslandserfolge machten mich stolz. Wenigstens meine Sammlungen hatten „die Ehre“, in der Welt gezeigt zu werden. Die Sammel- und Forschungstätigkeit war für mich immer auch Herausforderung in diesem ansonsten stinklangweiligen Land DDR. – Übrigens, auch das ist erwähnenswert: Im November 1978 erhielt ich die Ehrenurkunde des Präsidialrates des Kulturbundes „Für hervorragende kulturpolitische Leistungen im Kulturbund der DDR“. Davon hatten die Genossen der SED in Hildburghausen und der Kreisdienststelle des MfS vermutlich nichts erfahren. Die eine Hand in der DDR wusste oft nicht, was die andere getan hatte.
So war es also nicht verwunderlich, dass in der Zeit meiner größten internationalen Erfolge reichlich negative Oberservierungsberichte mühsam zusammengetragen wurden und nichts von diesen Erfolgen dort zu lesen war. Hatten diese Stümper keine Zeitungen gelesen oder Rundfunk gehört? Schon ein Anruf beim Kulturbund in Suhl oder beim Verband in Berlin hätte genügt, und auch die hatten doch wieder ihre IM oder Mitarbeiter der K I. Es bestätigt sich immer wieder, dass die Tschekisten keinen Überblick über ihren Überbau hatten. Da fällt mir nur der Kalauer ein: Höchstes Prinzip der Geheimhaltung bei der Staatssicherheit war: Vor dem Lesen verbrennen. Dümmer ging es nimmer!
Der Genosse Oberstleutnant Heinz schrieb oder ließ schreiben – in nahezu fehlerfreiem Deutsch, was in seinen Birthler-Unterlagen nicht immer ersichtlich war. Die Sekretärinnen hatten meist eine gute Ausbildung, man verdiente ja bei den geheimen Langohren auch nicht schlecht, auf alle Fälle mehr als im Zivilsektor:
Bezirksverwaltung für
Staatssicherheit Suhl Suhl, 27. März 1979
Abteilung XX/7 Li/He 347/79
KD Hildburghausen
I n f o r m a t i o n
zu
S a l i e r, Hans-Jürgen
611 Hildburghausen, Rosa-Luxemburg-Str. 26
Telefon 4426
tätig als Lehrer an der POS Hildburghausen
Mitglied des Bezirksvorstandes Philatelie des
Kulturbundes der DDR
Leiter des Arbeitskreises „Postgeschichte Thüringen“
Inoffiziell wurde bekannt, daß S a l i e r zu Personen
des kapitalistischen Auslandes einen umfangreichen Brief-
und Paketverkehr unterhält.
Die Adressen sind in der Anlage beigefügt.
Für den Austausch von Fachliteratur mit z. B. dem Altpost-
sammelverein in der BRD u. a. Verbänden soll angeblich eine
schriftliche Genehmigung vorliegen, die auch den Geschenk-
verkehr betrifft. Nach Äußerungen des S. soll diese Genehmi-
gung vom
Zentralvorstand des Philatelistenverbandes
im KB der DDR
108 Berlin, Charlottenstraße
vom Vorsitzenden des Verbandes, F i s c h e r , Peter, und
des Sekretärs W ü n s c h e , unterzeichnet sein.
Desweiteren erfolgt die Belieferung von Katalogen, Palmarés
u. a. m. von Leitungen internationaler Ausstellungen (z. B.
Kanada und Luxemburg) über und durch
Prof. Dr. Hans W e i d l i c h
Baden-Baden
Präsident des Altpostsammelvereins der BRD.
Entsprechend den inoffiziellen Hinweisen kann eingeschätzt
werden, daß S a l i e r eine negative Haltung zur Verbands-
arbeit und zu unserem Staat besitzt und durch seine Stellung
im Arbeitskreis persönliche Ausreisen in das NSW anstrebt.
So äußerte S. in bezug auf Philatelieausstellungen im kapita-
listischen Ausland, daß er nicht nur Ausstellungsobjekte per
Post versenden wolle, sondern auch selbst dorthin möchte.
Bezüglich des umfangreichen Briefverkehrs vertritt er die
Meinung, daß er damit den längst fälligen Kulturaustausch
zwischen beiden deutschen Staaten praktiziere, der früher
oder später sowieso vereinbart werde.
Nach Einschätzung der Quelle wird S a l i e r in diesen
Auffassungen von Prof. Dr. W e i d l i c h und R i c k e n -
b a c h, Herausgeber einer postalischen Zeitschrift in
Großbritannien unterstützt.
Seine Haltung als Lehrer zu unserem Bildungswesen brachte
S a l i e r am 13. 1. 1979 zum Ausdruck, daß das Einzige,
was „Honeckers-Alte“ als Volksbildungsminister gekonnt habe,
sei, ein System von Aufpassern zu schaffen und zu organisie-
ren. So wären vor 10 Jahren nur 1/3 so viel im Schuldienst
tätig gewesen als heute. Diese zusätzlichen Kräfte wären
heute jedoch nicht aktive Lehrer, sondern „Fachberater“,
„Beauftragte“ u.a.m., die nicht lehren, sondern schnüffeln
und reglementieren würden. Dieser Zustand würde uns (die
Lehrer) „kaputtmachen“.
Wie aus inoffiziellen Berichten bekannt wurde, leistete S.
im Sommer 1978 (vermutlich August) seinen Reservistendienst
als Soldat in 797 Doberlug-Kirchhain 21551/A ab. Nach seinen eigenen Angaben war S. in der Schreibstube und im Vorzimmer eines Oberst tätig und bearbeitete die gesamte Post. Entsprechend den Äußerungen des S a l i e r muß es sich um eine Spezialeinheit handeln.
Anlage Leiter der Abteilung
Aufstellung über bekannt-
gewordene Verbindungen zu
Personen im NSW
(Unterschrift – Kürzel)
H e i n z
Oberstleutnant
Noch nicht aufgeklärt werden konnten die Adressen
von:
. Prof. Dr. W e i d l i c h , Hans
Baden-Baden
Präsident des Altpostsammelvereins der BRD
. R i c k e n b a c h , Peter
Herausgeber einer postalischen Zeitschrift in
Großbritannien
(und weitere)
Einige Anmerkungen zu den tschekistischen Meisterleistungen
- Den Genossen hätte auffallen müssen, dass es zum Zeitpunkt in Hildburghausen drei POS gegeben hatte.
- Selbst beim Lesen zeigten sich bei der „Firma“ Ausfallerscheinungen. Eigentlich muss es heißen: „Deutscher Altbriefsammler-Verein e.V. im Bund Deutscher Philatelisten e.V.“ – Der große Forscher Prof. Dr. Hans A. Weidlich (1909 – 1988), der langjährige Präsident eines der erfolgreichsten Fach-Vereine der Welt, hatte für mich eine Art Patenschaft übernommen und mir auf unterschiedlichsten Wegen Fachliteratur zukommen lassen. Das klappte auch ganz gut, denn die „Kämpfer an der Unsichtbaren Front“ hatten wirklich keine Ahnung von den Dingen.
- Zu Luxemburg hatte ich nie Kontakte. Aber es war kein Geheimnis, dass ich mit meiner Familie in der Luxemburgstraße wohnte. Zu bemerken wäre, dass ich als Jugendlicher permanenter Hörer des verbotenen Senders Radio Luxemburg war. Vermutlich geriet bei der „Firma“ mit ihrer Überorganisiertheit mal wieder etwas durcheinander.
- Woher die Genossen diese Meinung hatten, ist nicht nachvollziehbar. Die Verbandsarbeit – mit ihr identifizierte ich mich – hatte große Priorität. So mancher erfolglose Spitzel brauchte eben seine Erfolge, auch wenn man sich gegenseitig beschattete und die Glaubwürdigkeit der eigenen Genossen – wie das bei Geheimdiensten üblich ist – in Zweifel zog und überprüfte. Nun war ich sicherlich nur ein kleines Licht im Fokus von „Horch und Guck“. Was es da an Unfähigkeit und Konstruiertem, um nicht Unfähigkeit zu sagen, gab, ist hinlänglich offenbar geworden, als ich bei Vorbereitungen zu den von mir verlegten oder als Koautor mitverfassten Grenzbüchern („Grenzerfahrungen“) u. a. tiefer in die Materie eindrang. Der Dilettantismus und die Brutalität kann bei der gegenwärtigen Verklärung des Systems nicht oft genug dargestellt werden.
- Genosse Litsche fertigte die Unterstreichung. Hier hakte der Meisterspion kräftig nach. Da für mich die Welt und die Liebe zum Verband in Ordnung waren, konnte man mich auch nicht mit noch so freundlichen Worten aus der Reserve locken. Einen guten Instinkt hatte ich und war um meine eigene Freiheit sehr besorgt, wochenlang. Zum Glück passierte nichts.
- Im Stasi-Jargon ist eine Quelle meist ein „Informeller Mitarbeiter“. In diesem Falle müsste das konkret einer der Sekretäre der Kulturbund-Bezirksleitung oder ein ehemaliger Stasi-Major gewesen sein, der sich in den von mir gegründeten und geleiteten Arbeitskreis Postgeschichte „Thüringen“ eingeschleust hatte und selbst ein philatelistischer Fachmann war. Der wundersam vom Saulus zum Paulus Mutierte ist heute im „Bund Deutscher Philatelisten e.V.“ wieder sehr aktiv.
- Es war ein Oberstleutnant und kein Oberst. Meine dortige Tätigkeit hätte auch im Stab abgefragt werden können, zumal es in diesem Regiment (Rückwärtige Dienste/Eisenbahntransportwesen) auch eine Verwaltung 2000 (Staatssicherheit) gab. Zum anderen war es nicht die Schreibstube, sondern die Regimentsgeschäftsstelle (Das ist in dem Kapitel „Wehrdienst im ‚zarten Alter’ von 34 Jahren“ nachzulesen.)
- Der international bekannte Fachpublizist und Herausgeber heißt Peter C. Rickenback und lebt in London. Wie positiv das Wirken in Fachkreisen in Großbritannien und in den USA eingeschätzt wird, ist u. a. in zwei Rezensionen in der Fachzeitschrift „Germania“ (Zeitschrift der Deutschlandsammler in Großbritannien, und in „Philatelic Literature Review“ unter „The Erfurt Thuringia mails after the and of world war II“ nachzulesen. Diese aufgeblasene und um Anerkennung buhlende DDR hätte sich doch selbst an die Brust klopfen müssen. In der Übersetzung heißt es hier u. a.: „Der Suhler Arbeitskreis Postgeschichte „Thüringen“ des Philatelistenverbandes hat bis jetzt vier Bücher veröffentlicht, von denen drei auf nationalen und internationalen Wettbewerben Silbermedaillen erreichten. Dieses, ihr 4. Buch (gemeint ist der Titel „Die Wiederaufnahme des Postverkehrs im Bereich der RPD/OPD Erfurt nach dem 2. Weltkrieg“ von Friedrich-Karl Lutz), dessen bin ich gewiß, wird ihrer Sammlung eine weitere Medaille hinzufügen ... Insbesondere ‚Thüringen’-Sammler und Sammler der OPD-Ausgaben (der Provinzen 1945) werden gut beraten sein, diese Broschüre zu erwerben, in der sie einen preisgünstigen, aber sehr verläßlichen und nützlichen Ratgeber finden werden ...“
- NSW = Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet
Auszüge aus dem Manuskript von Hans-Jürgen Salier
Eigentlich nicht erwähnenswert ...
Der gewöhnliche DDR-Sozialismus im Leben des HJS – Begegnungen mit Staatssicherheit, Nationaler Volksarmee und die sozialistische Endzeitstimmung
21. September 2014
Die DDR schuf sich ihre Gegner selbst
„Begegnungen“ mit Tschekisten –
Tatsachen und befreiende Polemik
(Geschrieben zwischen dem 4. und 21. August 2011,
in den Tagen um den 50. Jahrestag des 13. August 1961)
Immer hatte ich davon geträumt, dass in der DDR Gerechtigkeit nach den in der Verfassung festgeschriebenen Menschenrechten herrschen möge. Nie und nimmer hätte ich aber glauben wollen, dass ich als kleiner hin und wieder aufmüpfiger Bürger eines versauten Landes einem Offizier der Geheimpolizei im 40. Jahr der Deutschen Demokratischen Republik „behilflich“ sein konnte.
Besetzung der Kreisdienststelle für Staatssicherheit am 5. Dezember 1989. Seit dem 17. November 1989 hatte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands dem Ministerium für Staatssicherheit, dem Geheimdienst und der Geheimpolizei der DDR, mit dem Namen Amt für Nationale Sicherheit einen demokratischeren Anstrich gegeben. Der teuflische Inhalt blieb der gleiche. In der Umgangssprache setzte sich diese SED-kaschierte Namensnennung nicht durch, wobei das Wort „national“ für diesen deutschen Teilstaat eine Anmaßung war.
Nach einer angeblichen „Einladung“ am 5. Dezember 1989 durften einzelne Stasimitarbeiter unter Kontrolle und Aufsicht des Neuen Forums und der Deutschen Volkspolizei noch einmal ihren einstigen Arbeitsplatz in der Geschwister-Scholl-Straße in Hildburghausen aufsuchen, um persönliche Dinge zu ordnen und vielleicht ihre inzwischen nicht mehr gut riechende Brotbüchse mit vergammelter Leberwurst oder sonstigem Brotbelag mitzunehmen. Dafür sorgten ausgeklügelte Maßnahmen der Kontrolle und die Sicherheitspartnerschaft mit dem Volkspolizeikreisamt (VPKA), das in den bewegenden Tagen der „Kerzenlichtrevolution“ seinem Namen bescheidene Ehre machte. Die Volkspolizei funktionierte plötzlich als Polizei des Volkes, auch wenn wir wussten, dass einige ihrer Führungskräfte als Verhandlungspartner direkt von der SED und damit von ihrem Dienstleistungsunternehmen, der Staatssicherheit, gesteuert wurden. Manche Polizisten hatten ohnehin eine sehr große Nähe zum Geheimdienst. Später wurden sie aus gutem Grund gefeuert.
Mit dem Stellvertreter der Stasi-Kreisdienststelle, dem Stabschef Major Winfried Litsche, ging ich ohne weitere Begleitung schweigend in sein gewesenes Dienstzimmer. Angst hatte ich keine Sekunde. In den November- und Dezembertagen 1989 waren die Freiheitsliebenden stärker als die Tschekisten. Die Angst war uns abhanden gekommen, Mut beflügelte uns. Dem Major Litsche genehmigte ich das Öffnen seines bisher genutzten Schrankes. Er fragte – mehr bittend als selbstbewusst: „Darf ich meine Uniform mitnehmen?“ Sehr bestimmt erwiderte ich: „Die Uniform können Sie mitnehmen, die brauchen Sie sowieso nicht mehr!“ Mit eisigem Blick reagierte er schweigend ... Seine Herrschaft über mich war spätestens seit diesem Zeitpunkt Geschichte.
Das war der gleiche Winfried Litsche, den ich aus der Zentralen Oberschule kannte, der nachmaligen Joseph-Meyer-Schule in der Karl-Marx-Straße 44, die heute wieder Obere Marktstraße heißt. Der ein Jahr jüngere hochgewachsene blonde Schulkamerad galt als der nette Junge von nebenan, immer freundlich, mit guten Manieren und mit besserer Disziplin „ausgestattet“ als ich.
In den ersten sechziger Jahren hatten wir andere Vorstellungen vom Leben und gingen unterschiedliche Lebenswege. Freundlich grüßend und auch mitunter plaudernd, das war unsere belanglose Kommunikation, Gedankengänge wurden nicht geoutet. Ernsthaft begegnete ich ihm am 17. November 1976 im Zimmer des Direktors der Zentralen Oberschule, Arthur Bernardy, zu einer „Aussprache“. Selbst für Bernardy, einst in der Abteilung Agitation und Propaganda der SED-Kreisleitung Hildburghausen tätig, war das Gespräch nicht bestimmt. Letztendlich war die Geheimpolizei im Spiel, und die war der Staat im Staate. Die Tschekisten trauten selbst braven und dem System bedingungslos ergebenen Genossen nicht über den Weg. Das räumten sich die Genossen gegenseitig ein. Die gepolsterte Doppeltür wurde verschlossen, der Schlüssel steckte innen. Dann saß ich reichlich zwei Stunden dem damaligen Genossen Oberleutnant Litsche und dem Leutnant Boßecker gegenüber. Die Gegenseite notierte fleißig die Aussagen. Aber, es war wohl egal, was ich sagte. Auf einen Zeugen oder einen Rechtsvertreter hätte ich mich später ohnehin nicht berufen können.
Wie ich aus den BStU-Akten (BStU = Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik) dreißig Jahre später herauslas, „begleitete“ Boßecker mich in treuer Pflichterfüllung noch einige weitere Lebensjahre. Genau dreißig Jahre später hielt ich den „Aussprachebericht“ vom 23.11.1976 in den Händen, kopiert in der Außenstelle Suhl des BStU.
Das Gespräch vor dreieinhalb Jahrzehnten, so ist herauszulesen, glich eher einem Verhör: Mir war sehr unwohl, und mich plagten Gedanken und Sorgen um meine Familie. Ohne Emotionen. Eiskalt mit Bluthochdruck musste ich diese Prüfung bestehen, Taktische Kalkulationen waren überflüssig. Höllisch musste ich aufpassen, vor allem darauf, was ich bereits gesagt hatte. Das sind erfahrene Leute – ohne Moral und Skrupel. Wer sich nur verhaspelt, nach Ausflüchten sucht oder sich verspricht, ist geliefert, selbst der Herzschlag musste unter Kontrolle gebracht werden, die Gestik und Mimik. Es stand sehr viel auf dem Spiel. Locker musste ich bleiben, absolut locker. Mancher Leser wird jetzt die Nase über diesen vulgären Rat rümpfen: Ein väterlicher Freund empfahl mir einmal, immer zu lächeln, wenn ich in eine ausweglose Situation käme. Mein ungeliebtes Gegenüber müsse ich mir auf dem Lokus ohne Papier vorstellen … Vermutlich hätte man mich, also den Befragten, gerne der Unehrlichkeit überführt. Vielleicht war es auch möglich, ihn für die schäbige Arbeit an der „Unsichtbaren Front“ zu rekrutieren. Bei vielen anderen „ehrenwerten“ Menschen hatten sie es schon geschafft, auch mit Erpressung. 1989 hatte ich en masse solche Erpresserakten gesehen und gelesen, von bekannten und teils ehrenwerten Leuten aus Hildburghausen. Was war das für ein heruntergekommener Staat, der seinen Bürgern nicht vertraute, der in ihnen den größten Feind sah? Der SED-Slogan„Alles für das Wohl des Volkes“ war eine billige Farce. Das Wort Sozialismus war zum Spottwort verkommen. – Es gab nur ein Ziel: Hier musst du raus, sonst bekommst du große Probleme. Fragen über Fragen. Schnell wurde klar: Sie hatten nicht viel Ahnung, tiefere Kenntnisse zu konkreten Sachverhalten ließen sich bei ihnen nicht mal ahnen. Zum Glück: zur Arbeit des Kulturbundes, des Philatelistenverbandes, zum genehmigten Auslandstausch über die Tauschkontrollstelle 15 B, zu meinen Westverbindungen, zu den Tausch- und Korrespondenzpartnern im NSW (Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet) und zu ihren politischen Haltungen. Und wie man tricksen oder auch Vorgänge umgehen konnte, davon wussten sie nicht viel und verstanden auch die Zusammenhänge nicht. Dann hätten sie es verschleiert angesprochen, noch nicht mal so wie das eben ein cleverer Geheimpolizist macht. Über diese konstruierten und die Lebenszeit vergeudenden Szenarien kann man doch nur hilfesuchend lächeln, das reale Leben ist viel spannender. Lauthals konnte man lachen. Vor mir saßen geschulte kommunistische Deppen. Im Bericht heißt es auf Seite 3 in gestelztem Deutsch: „Ausgehend von seinen Darlegungen zu den bestehenden Verbindungen in das kapitalistische Ausland wurde mit S. die Möglichkeit erörtert, seine Verbindungen eventuell für unser Organ nutzbar zu machen, wobei die Aufklärung dieser Person im Vordergrund steht.“ ... Hier war nicht eine konkrete Person gemeint, sondern es ging um einige meiner Freunde und Tauschpartner, die für das MfS interessant waren und bei diesem Anwerbungsgespräch genannt, aber nicht protokolliert wurden.
Am Schluss des von Leutnant Boßecker unterzeichneten vierseitigen „Ausspracheberichts“wurde die Frage zur Mitarbeit für die Staatssicherheit nachdrücklich gestellt. Herzrasen! – Unter den Freunden und Partnern waren relativ wichtige Leute dabei. Nein, die wollte ich weder „aufklären“ – noch verraten! Nein und nochmals Nein! Verrat an Freunden und Bekannten stinkt zum Himmel. Zum Judas tauge ich nicht. Meine Reaktion war eindeutig. Im Bericht heißt es: „Es war zu erkennen, daß er diesem Problem auswich und keine feste Bindung mit dem MfS eingehen will.“
Die Angelegenheit war scheinbar erledigt. Nie wieder wurde ich für eine Spitzeltätigkeit befragt, und mit irgendwelchen Affären konnte man mich nicht erpressen. Da war auch nichts zu konstruieren. Zu meinem Glück hatte die Stasi Pech! Nur aus allem, was ich sagte und schrieb, konnte man mich „abschöpfen“. Vorsicht war geboten – auch zum Schutz meiner Familie und meiner Freunde. Das wusste ich, und da ist sicherlich mancher Misston an die richtige Adresse gelangt, denn die notorische Meckerei war mir nie fremd. Das Geschütz der Anwerbung konnte nicht mehr aufgefahren werden. Von meinen wenigen Freunden, mit denen ich Klartext reden konnte, wusste ich, dass man weitestgehend in Ruhe gelassen wird, wenn das Nein kommt. Ein Vorwärtskommen im Beruf war allerdings fast unmöglich. Das störte mich aber nicht. Diese Nischengesellschaft DDR bot viel Platz und Raum für „schöpferische Faulheit“ und für Hobbys. Und da gab es für mich kaum Grenzen. Diese Freiheiten genoss ich in der Unfreiheit exzessiv. Das ersetzte in vielerlei Hinsicht meine fehlende Abiturausbildung. Mit Beginn der Einheit Deutschlands war allerdings kaum noch Zeit für Steckenpferde. Fleiß war angesagt!
Jetzt wurde der „Fall Wolf Biermann“ bemüht. War ich verpetzt worden, weil ich Biermann nicht nur „lyrisch-rotzig“ fand, sondern auch genial? Viele DDR-Bürger wussten gar nichts von ihm, weil eben Kunst immer auch eine „Geschmacksache“ ist, und schon gar die eines linken Liedermachers. So viel war doch über Biermann nicht bekannt. Heute war der 17. November 1976, erst einen Tag zuvor hatte die DDR-Nachrichtenagentur ADN die Meldung verbreitet, dass die DDR – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – einen Bürger und dazu noch einen Linken ausgebürgert hatte. Das Konzert, das der Barde auf Einladung der IG Metall der Bundesrepublik Deutschland am 13. November in der Kölner Sporthalle bestritt, wurde im 3. Programm des Westdeutschen Rundfunks ausgestrahlt, das im Bezirk Suhl nicht zu empfangen war, selbst mit den raffinierten selbstgebauten Westantennen nicht. In Hildburghausen konnte man ARD, ZDF, Bayern und mehr oder weniger grießig Hessen sehen. Die ARD sendete das vierstündige Programm in voller Länge an diesem besagten 17. November 1976, aber erst abends, dem Tag „des Stasi-Rendezvous“. Fiebernd hatte ich das Konzert und den Auftritt Biermanns verfolgt. Das prägte sich ein, nur darüber sprechen konnte ich nicht. Das tat weh. Gerne hätte ich mich mit anderen Leuten darüber unterhalten und gestritten. Wem seiner „Freunde“ konnte man eigentlich noch vertrauen? Es waren sehr wenige. Dass es nicht viele waren, stellte die Staatssicherheit auch im „Abschlußbericht“ fest, „... daß er im Wohngebiet kaum Kontakte hat. Auch zu Kollegen wurden keine familiären Bindungen festgestellt. Im Lehrerkollektiv sowie im Philatelistenverband wird er anerkannt und geachtet. Dies ist insbesondere auf seine guten Leistungen und Erfolge zurückzuführen.“
In einer Zeit, in der damals schon Meldungen in Minuten um die Welt flogen, leistete sich die DDR mit Wolf Biermann einen solchen Fauxpas. Beim Verfolgen der Nachrichten und Kommentare war mir sofort klar, dass der Schaden für die DDR größer als ein frecher Song des Sozialisten und Liedermachers ist. Mit Langzeitwirkung. Das Volksgedächtnis vergisst nicht so schnell. Da ist auch nichts mit Agitation und Propaganda sowie mit Desinformation, die die DDR perfekt und teils bis zum Lächerlichen beherrschte, zu beschönigen oder zu tilgen. Die penetranten Lügen der SED hatten viele durchschaut. Selbst in den eigenen Reihen rumorte es. Für die Wahrheitsfindung bedurfte es keiner „westlichen Feindsender“. – In Litsches hartnäckigem Dunstkreis musste ich weiter lügen. Mir blieb keine Wahl, denn gegenüber saßen die „kommunistische Realität, Wahrheit und Dummheit“ zugleich.
Mit Ulbrichts Sturz hatten viele DDR-Bürger von Honecker etwas Liberalität erhofft. Da kamen aber peinlicher Schwachsinn, Verschlagenheit und Brutalität hinzu. Die DDR war nie und nimmer überlebensfähig. Noch liefen zu viele unbedarfte Ideologen und ergebene Eiferer kritiklos dem Regime hinterher oder trauten sich nicht, aus ihrer eigenen Anonymität herauszutreten. Eine Nation kann man nur gewaltsam teilen, sie wird sich aber immer wieder finden. – Von Heinrich Heine werde ich nach wie vor „bewegt“. Immer und überall missbrauchen noch heute die kleinmütigen Revoluzzer den großen Heinrich Heine, wenn sie Deutschland kritisieren oder das Vaterland verteufeln mit den Versen:
„Denk’ ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht.“
Sie kennen diese wunderbaren Zeilen nicht. Bis zu den „restlichen“ Strophen sind sie meistens nie vorgedrungen, wir sind halt doch nur eine halbgebildete Nation der ersten Strophe. In der sechsten heißt es:
„Deutschland ist ein kerngesundes Land,
Es hat ewigen Bestand,
Mit seinen Eichen, seinen Linden,
Werd’ ich es immer wiederfinden.“
Trotz aller Kritik an Deutschland und seinen Missständen steht Heine zu seinem Vaterland und verteidigt es, weil es stärker ist als die gegenwärtigen Herrscher.
Nun bereitete sich das langsame Sterben des deutschen Teilstaates DDR eigendynamisch vor. Darüber musste man nicht grübeln, schon gar nicht philosophieren. Das System hatte unheilbare verkrebste Wunden. Nur der Zeitraum stand noch in den Sternen. Der bequeme Deutsche rebelliert nicht gerne, er arrangiert sich lieber. Schon Napoléon soll gesagt haben:
„Keine Lüge kann grob genug ersonnen werden,
die Deutschen glauben sie.“
Über die DDR-Blamage hatte ich mich unbändig gefreut. Sorge stieg auf, wenn man an neue repressive Maßnahmen gegen Andersdenkende dachte, vor allem in der Kulturszene. Bekannte Künstler und Kulturpolitiker hatte man in der Folge geschasst oder ausgebürgert. Für viele war dieser SED-Politskandal sogar die Hoffnung für den Niedergang. Eigentlich war ich wegen der Häme gegen die DDR für diese klare „parteiliche“ Haltung dankbar. Meine kritische Loyalität war längst in Feindschaft umgeschlagen. Das Verhalten von Politikern und Künstlerin zu oder gegen Biermann solidarisierte oder trennte. Die Spreu schied sich vom Weizen in der Künstler- und Dissidentenbewegung. Die Gedanken bekamen Flügel. Fortan sortierte ich meine „DDR-Kulturinteressen“. Die DDR-Distanz prägte immer mehr, die letzte Hypothek war verspielt.
Dass Biermann im vereinten Deutschland – wenn auch spät – rehabilitiert wurde, ist heute Genugtuung: 2007 erhielt er die Ehrenbürgerrechte der deutschen Hauptstadt Berlin, 2008 die Diplom-Urkunde für seine 1963 verteidigte Diplom-Arbeit und die Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität.
Wurde ich aus meinem Umfeld verpetzt? Es war bekannt, dass ich Biermanns Gedichte und Songs las und sie auch sammelte. Mit linientreuen Argumenten konnte ich mich herauswinden, auch wenn mich das später wegen der Heuchelei entsetzte. Scham stieg in mir auf. Auch das ist Verrat. Es ist Verrat am eigenen Gewissen.
Die beiden Staatssicherheitsoffiziere handelten das Kapitel schnell ab, die Genossen hatten dazu vermutlich noch keine eindeutigen Instruktionen von „oben“. Es wurde immer nur gehandelt, wenn das „Oben“ forderte, also die SED. Zum Glück kam fünfzehn Jahre später zur „Kerzenlichtrevolution“ nicht viel von „oben“, da waren die bewaffneten Organe und die befehlsgebende SED nicht nur irritiert, sondern auch paralysiert. Vielleicht wusste auch der eine oder andere Tschekist 1976 nicht, wer Biermann war. Diesen Typen traute ich nicht viel zu, einigen auch gar nichts. Vielleicht gab es auch den einen oder anderen Stasigetreuen, der nicht Westfernsehen schaute und somit auch nicht viel von Biermann wissen konnte. Geistig arm waren diese Gestalten so oder so.
Und dann hieß es im Abschlussbericht: „Als zweites Hauptproblem wurde in der Aussprache das ungesetzliche Verlassen der DDR durch die Familie Materne angeschnitten.“ (Einer meiner späteren Buchautoren aus Suhl berichtete in einem nicht von mir verlegten Buch über die „Flucht“ der Familie Materne. Goethe hätte den Text sicherlich unter „Dichtung und Wahrheit“ abgelegt) Die Genossen hatten längst herausgefunden, dass ich wenige Tage vor der „Flucht“ in der Wohnung der Familie M. war. Es wurde spontan gefeiert. Und es gab Napoléon, einen einfachen West-Weinbrand, der zumindest das Cognac-Flair verbreitete, auch wenn er kein echter war, und damals im Intershop genau DM 5,00 kostete. Das bekamen die „Langohren“ vermutlich nicht mit, wohl aber, dass ich junge Buntbarsche in einem kleinen Vollglasaquarium „während des Materne-Urlaubs“ nach Bulgarien in der Rosa-Luxemburg-Straße 26 in Pension nahm. Letztlich blieben sie dauerhaft, bis dass ihr Tod sie von mir schied. Die Stasi wusste, dass ich die Aquaristik-Bücher, die mir Materne schenken wollte, ablehnte, die hatte ich als ehemaliger Aquarianer selbst.
Das vermerkten die beiden Offiziere auch ganz sorgfältig in ihrem Protokoll. Das war im Nachhinein günstig, und ich konnte dagegenhalten, dass ich nichts, rein gar nichts wusste. Sie mussten beweisen, nicht ich. So wäre mir auch nicht „aufgefallen“, dass einige Gegenstände aus Maternes Wohnung fehlten. Denn selbst, wenn W. M. nach drüben „geschickt“ worden wäre, ist bei allem konspirativen Handeln der Kreisdienststelle zu bezweifeln, dass die bedeutungslosen Aufklärer hinterm Rennsteig und vor der Staatsgrenze von einer höheren Dienststelle darauf angesetzt wurden, herauszufinden, ob überhaupt jemand Verdacht schöpfte. Bei einem Geheimdienst ist es üblich, dass der eine nicht weiß, was der andere macht. Soviel Blödheit traute ich selbst dem DDR-Geheimdienst nicht zu, dass sie ihr Wissen in allen möglichen Dienststellen verbreiteten. Vermutlich wussten nur höhere Dienststellen davon. Vielleicht wollten sie auch nur testen, ob die Quellen dicht waren, um zu beweisen, dass die Insider die Flucht als eine echte ansehen und er nicht „Gesandter“ der Stasi ist. Gerüchte gab es nämlich in alle Richtungen. Dazu äußerte ich mich aber nicht, nur die Wahrheit hat Bestand. W. M. hatte mich nicht verpfiffen, denn oft genug hatte ich in seinem Beisein die DDR und das System verspottet und verflucht. Vielleicht war es auch so gewollt. – Eigenartig war schon, dass sein Schwiegervater K. als stolzer Kampfgruppenkommandeur der „Schraube“ anschließend nie mehr traurig durch Hildburghausen lief. Nun hatte der geruhsame Genosse Kämpfer von heute auf morgen auch „Westverwandtschaft“. Ob der „Bürgerkriegskämpfer“ im Ernstfall geschossen hätte? Sein Gegner, wenn er überhaupt einen gefunden hätte, der sich diesen Mann mit dem freundlichen Habitus als Feind „aussucht“, wäre schneller gewesen. Und seinen Posten verließ er in Ehren. Die Genossen brachten – wie immer – ihr (einziges) angeblich wissenschaftliches Weltbild wieder in Ordnung, nämlich das marxistisch-leninistische. Also, die oft in der DDR angewandte „Sippenhaft“ gab es in diesem „Fluchtfall“ nicht. Der Fall glich einer einzigartigen Metamorphose. Selbst Darwin hätte vermutlich keine wissenschaftlichen Erklärungen dafür gefunden!
Unterzeichnet wurde der „Aussprachebericht“ vom 23.11.1976 mit
Boßecker
Leutnant
Am 25. November, also zwei Tage später, gab es den „A b s c h l u ß b e r i c h t zur operativen Sicherheitsüberprüfung S a l i e r , Hans-Jürgen“ der Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit Hildburghausen (Immerhin acht Seiten mit Daten sowie stimmigen und unstimmigen Fakten und Ungereimten aus meinem Leben. Die Fantasie beflügelte zuweilen auch „Tschekisten an der Unsichtbaren Front“. Sie waren bekanntlich 25 Stunden am Tag im Einsatz, die einstündige Mittagspause mitgerechnet, um den Weltfrieden zu sichern und die Feinde der friedlichen Menschheit aufzuklären und zu vernichten, koste es, was es wolle.
Zum Schluss heißt es im Aussprachebericht zur Person „Salier, Hans-Jürgen“, und dieser Standardsatz findet sich wiederholt in meinen Stasi-Unterlagen:
„Die operative Sicherheitsüberprüfung wird abgeschlossen.
Einkategorisierung:
III 7 – 1 : Person, die auf Grund ihrer gesellschaftlichen
Stellung, ihrer Tätigkeit bzw. Kontakte im Blickfeld
des Feindes steht und deren Mißbrauch,
Ausnutzung oder Einbeziehung durch den Feind
möglich ist und damit eine Gefährdung der inneren
Sicherheit und Ordnung eintreten kann.
Boßecker
Leutnant
Unter diesen „Abschlußbericht“ vermerkte der Arbeitsgruppenleiter, Oberleutnant Litsche, handschriftlich in einer Stellungnahme zur Einstellung der op. Sicherheitsüberprüfung:„Das Ziel der op. SÜ wurde erreicht. Durch die Vielzahl der postalischen Kontakte auf dem Gebiet der Philatelie konnte allerdings der Charakter pers. Verbindungen nicht eindeutig aufgeklärt werden. In der Aussprache mit S. am 17.11.76, bei der eine op. Nutzbarkeit geprüft werden sollte, zeigte sich, daß S. zwar eine hohe Informationsbereitschaft dokumentierte, aber in letzter Konsequenz in geschickter Art und Weise eine Bereitschaft zur inoffiziellen Zusammenarbeit umging ...“
Zu diesem souveränen Staat DDR fällt mir an dieser Stelle nur ein Kommentar ein, den ich dem großen Voltaire überlasse, der 1778, wenige Monate vor dem Ausbruch der die Welt verändernden Französischen Revolution schrieb: „In manchen Ländern hat man angestrebt, dass es einem Bürger nicht gestattet ist, die Gegend, in der er zufällig geboren ist, zu verlassen. Der Sinn dieses Gesetzes liegt auf der Hand: Dieses Land ist so schlecht regiert und wird so schlecht regiert, dass wir jedem verbieten, es so zu verlassen, weil es sonst die ganze Bevölkerung verlassen würde.“
Die nächsten dreizehn Jahre begegneten sich der Genosse Litsche und ich oft in den Straßen Hildburghausens. Wir grüßten uns verhalten freundlich. Genosse L. las sicherlich noch einige Observierungsberichte über mich. Die Aktenlage ergibt, dass nicht alles den Verbrennungs- und Schredderaktionen der Stasi in den Herbsttagen 1989 zum Opfer fiel. Berichte, Karteikarten, Notizblätter, Exzerpte, Fotos, Dia-Kopien, kopierte Briefe (in einer Zeit, als es eigentlich in der DDR nur ganz wenige Kopierer aus dem Westen gab) blieben erhalten. Vielleicht las er auch in der Presse über meine Leistungen und wollte auch dorthin, wo meine Sammlungen ausgestellt wurden. Den Eigentümer und Gestalter der Sammlungen ließ man aus DDR-fürsorglichen Gründen nicht ins kapitalistische oder imperialistische Feindesland. Oder er hörte und sah ab und an im DDR-Rundfunk und im Fernsehen vom Observierten. L. war immer beschäftigt. Und wenn er dann noch die vielen Bücher liest, die ich später produziert oder geschrieben habe, in der die DDR, die SED und die Staatssicherheit nicht gerade sanft behandelt werden, könnte er sich mit einem gemeinsamen Schulkameraden Norbert B., nein, ein Kamerad war er wahrlich nicht, der in Leipzig als Staatsanwalt in den Diensten des MfS schlimme politische Terrorurteile fällte, darüber beraten, wie viele Jahre oder Jahrzehnte ich absitzen müsste, damit wieder „sozialistische Gerechtigkeit in Deutschland“ im Sinne dieser Juristen mit Diplom aus Potsdam-Eiche, also von der juristischen Stasi-Hochschule, herrscht. Aber diesen Gedanken verbanne ich ins Reich der Spekulation, deshalb mögen mich auch viele DDR-Nostalgiker heutzutage nicht. Das freut mich, da bin ich Zeit meines Lebens unbelehrbar!
Private Gedanken nach dem nochmaligen Lesen
In den Folgejahren hatte ich nie wieder „offiziellen Kontakt“ zu Litsche und Bosecker. Heute würde ich sie vielleicht nicht wieder erkennen oder sie nicht wieder erkennen wollen. Für mich sind diese Leute gestorben, auch wenn sie nach Aktenlage weiterhin ein sehr „enges geheimes Verhältnis“ zu mir „pflegten“. Das waren noch nicht einmal Nullen, sondern sie waren und sind ein Nichts. Das kann ich ohne Verbitterung sagen. Noch nicht mal anspucken würde ich sie, denn solche Menschen verdienen nicht, angespuckt zu werden. Sie fühlen sich vermutlich heute wohl oder auch politisch ungerecht behandelt – diese verblendeten und ideologisch getrimmten Herrenmenschen – wie „Liktoren“ mit umgekehrten Vorzeichen, zwar nicht wie in Rom den Liktorenbündel als Diener der Obrigkeit voraus tragend, vielleicht aber mit Bleistift, Notizzettel und Wanze hinter den Delinquenten herlaufend, um ihn als Feind dieses ersten deutschen Friedensstaates zu enttarnen und festzunageln. Diese Liktoren waren nicht die Tat ihrer Gedanken, wie es Heine formulierte. Aus meiner Sicht waren diese verkommenen Typen Sklaven einer menschenfeindlichen Ideologie. – Wenn jemand der Leser sie kennt, darf er ohne Urheberrechtsverletzung diese Zeilen kopieren und sie ihnen geben. Eine ganz besondere Freude wäre es, wenn es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen käme. Von diesen Typen kenne ich genügend in Hildburghausen und es wird auch nicht von mir verheimlicht. – Teilweise nutzen diese Menschenverräter heute an wichtigen Stellen die demokratischen Regeln, um ihre asozialen Spielchen weiter zu spielen. Ihr Verhalten war und ist asozial. Eine Vielzahl an Notizzetteln und Berichten fand sich in meiner Stasiakte. Viele Dinge, notiert oder mit der Abteilung M (Postkontrolle) ausgeforscht, hätten sich erübrigt, wenn diese Typen etwas mehr Intelligenz besessen hätten. Sie gaben sich aus der Sicht des Systems Mühe. Sie standen unter Erfolgsdruck. Wie oft haben diese Verblendeten vieles in ihren Berichten Geschriebene selbst nicht verstanden, falsch interpretiert aus ihrem eingeengten und simplen Tunnelblick gesehen und insgesamt ein nutzloses Leben gelebt. Das konnte für einen Ausgeforschten sehr gefährlich werden.
Aber auch die Observierer standen unter ständiger Kontrolle: Sie waren Jäger und Gejagte zugleich in einem System, das sie abgöttisch liebten und verteidigten, aber ansonsten am liebsten Westzigaretten rauchten und Westkognak tranken, natürlich dabei immer auf das Wohl der DDR. Menschenverachtende Diktaturen leben von diesen Ideologen. Mein Gott, wie reich war dieser Staat DDR, um Zehntausende solcher Kleingeister und Dumpfbacken zu beschäftigen und teils fürstlich mit einem schäbigen Judaslohn zu löhnen. Da konnte es ja keine Arbeitslosen geben. Heute fordern diese System-Helden sogar höhere Renten und mehr Rechte, die sie im freiheitlichen Rechtsstaat schamlos ausnutzen. Hinter sich haben sie genügend an der Stasihochschule ausgebildete Juristen. Sie tummeln sich frei im Internet, haben ihre Websites, ihre Organisationen wie ISOR, pflastern die Leserbriefseiten der Zeitungen mit ihren hirnrissigen Gesellschaftsmodellen zu oder kommentieren mit ihrer reaktionären Ideologie, treten in Wahlkämpfen mit solchen Schlagwörtern an wie: „Original sozial“, „Reichtum für alle“, „Arbeit für alle“, verlegen ihr versprühtes Gift in schlimmen Büchern, die dem Volk teilweise gefallen, kokettieren mit den Kirchen als moralischen Instanzen. Das Gift der Ideologisierung der DDR-Gesellschaft hat Langzeitwirkung und vergiftet weiter. Sie wollen sich nicht eingestehen, dass sie den falschen Götzen hinterher liefen und winden sich bei jeder Diskussion mit einem „Aber“ mit gebastelten Argumenten heraus. – Nein, ein Betonkopf bin ich nicht! Wut und Scham kommt über mich, wenn die Demokratie von rechts und links missbraucht und systematisch demontiert wird. Und wenn ich die selbstgefälligen und den Wählerinteressen hinterher hechelnden Parteien aus Deutschlands Mitte und manche Parteieinbündnisse, die sich Koalitionen nennen, sehe, schwant mir nichts Gutes. DieNationale Front lässt grüßen!
Wie hatte ich in vertrauten Runden in DDR-Zeiten oft gesagt: „Wir haben mehr Arbeitslose als der Westen“: Die überzähligen aus den „bewaffneten Organen“, die Funktionäre der Parteien und Massenorganisationen, die Hauptamtlichen der Stasi und Hunderttausende Spitzel, die Wettbewerbsauswerter für tausend Dinge bis hin zum ÖKULEI, die Wand- und Betriebszeitungsredakteure, Instrukteure, Parteibeauftragte und sonstige nutzlose Berufsgruppen sowie die Zeit der sinnlos verbrachten Rotlichtbestrahlungen und Sitzungen ... Ein Staat verheizt einen Teil seines „intellektuellen Reichtums“ mit irrationalen Denkansätzen, andere fliehen in den Westen oder lassen sich später freikaufen ...
Aber so ist es, wenn kleine Leute an die Macht kommen. Aber neige ich zur Arroganz, wie die Stasi an anderer Stelle festgestellt hat. Ein Oberstleutnant in Suhl war es, den ich vermutlich nie in meinem Leben gesehen hatte, der diesen Satz diktierte. Aber der lebte nun wieder von seinen Informanten. Die Menschen in der DDR hatten schon ein seltsames Zusammengehörigkeitsgefühl. Das ist vermutlich die enge menschliche Nähe, der sich heute die linken Hetzer wieder bedienen, die Solidarität der Dummheit. Mit solchen Menschen pflege ich keinen Umgang. In einem siebenseitigen Bericht stellte der Genosse Oberstleutnant über mich fest:
„Sein Verhalten wirkt etwas überheblich und arrogant.“
(Anmerkung: Die Genossen unterscheiden selbst diese sinnverwandten Wörter [Synonyme] nicht, beide bedeuten eigentlich „anmaßend“, aber die Stasi kann nicht alles wissen, vor allem nicht in der deutschen Sprache.) Dagegen las ich auf einer Seite ein spätes Lob, das sich allerdings in der verflossenen Zeit in der DDR nicht in Beförderung, Prämien und einem FDGB-Urlaubsplatz niederschlug. Da steht:
„Seine fachliche Tätigkeit wird als gut bis sehr gut eingeschätzt. Seine Unterrichtsmethodik hat Erfolg. Zudem zeichnet ihn ein gutes Lehrer-Schüler-Verhältnis aus. Bis zur 8. Klasse ist er in allen Fächern einsetzbar und hilft auch oft für andere Kollegen aus.“
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Auszüge aus dem Manuskript von Hans-Jürgen Salier
Eigentlich nicht erwähnenswert ...
Der gewöhnliche DDR-Sozialismus im Leben des HJS – Begegnungen mit Staatssicherheit, Nationaler Volksarmee und die sozialistische Endzeitstimmung
12. September 2014
Die Gründung des NEUEN FORUMS und dieFriedliche Revolution im Kreis Hildburghausen 1989
Gerd Krauß
Erinnerungen – aufgeschrieben im September 2014
Einige Bürger der Stadt Hildburghausen trafen sich im Sommer 1989 privat in Wohnungen, aber auch unter dem Dach der Kirche. Man kannte es nicht anders. Kamen Menschen in der DDR mit gleichen Gedanken und Anliegen zusammen, versammelte man sich in Nischen. So trafen wir uns auch in den Wohnungen von Pfarrer Wolf und dem jungen Vikar Wendel in Häselrieth.
Zumeist waren nur junge Leute anwesend. Sehr erregt redeten wir über die politische und die perspektivlose Lage der DDR, die Ausreisewellen, die Prager Botschaft und über Ungarn, vor allem über das Paneuropäische Treffen. Alle Aktivitäten dieser Zeit waren noch von ziemlicher Angst begleitet, denn die SED war allmächtig. Wir mussten davon ausgehen, dass die Ohren der Staatssicherheit auch unter scheinbar Gleichgesinnten anwesend waren, die wir aber absolut nicht unter uns haben wollten. Später waren uns die Verräter und die kommunistischen Helfershelfer bekannt. Wir konnten sie ausgrenzen, soweit das möglich war.
Der damalige Superintendent Dr. Hanspeter Wulff-Woesten öffnete die Apostelkirche in der Schleusinger Straße für Friedensgebete und Diskussionen. Das war zu dieser Zeit noch nicht überall möglich.
Was mich in den Herbsttagen und auch, als die Demos begannen, immer sehr gewundert hat, die katholische Kirche hielt sich weitgehend aus allem heraus. Zu den Demos und später an den „Runden Tischen“ der Stadt und des Kreises war der katholische Pfarrer von Hildburghausen auch anwesend, doch die Kirche blieb geschlossen.
Im Sommer 1989 konnten wir es uns noch nicht vorstellen, dass es nicht lange bis zur „Friedlichen Revolution“ in der DDR dauern würde, dass es sie überhaupt geben wird – eine Utopie. Die Staatsführung, die SED und ihr Dienstleistungsunternehmen, das Ministerium für Staatssicherheit saßen noch fest im Sattel. Doch wir fühlten merkbar, es begann zu bröckeln.
Schon in dieser Zeit setzte man sechs IM (Inoffizieller Mitarbeiter), eine IMS (Inoffizieller Mitarbeiter zur politisch-operativen Durchdringung und Sicherung des Verantwortungsbereiches) und einen GMS (Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit) auf mich an. Noch im Juli 1989 wurde eine OPK (Operative Personenkontrolle) eröffnet mit dem Ziel, mich wegen „Feindlicher Kontaktaufnahme“ zu inhaftieren.
Anfang September 1989 trafen sich viele Oppositionelle in der Apostelkirche Hildburghausen zu Friedensgebeten, dabei wurde über eine Gründung des NEUEN FORUMS (NF)in Hildburghausen gesprochen. Wir erfuhren, dass das Neue Forum am 9. und 10. September in der DDR (Ost-Berlin) gegründet wurde. Jeder brachte irgendwelche Informationen mit. Wir hatten Freunde mit PKW, die nach Erfurt gefahren sind, um sich die Lage vor Ort anzusehen und auch Infomaterial mitzubringen und Gespräche mit Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung zu führen.
Daraufhin nahm ich Kontakt mit verschiedenen Leuten und Gründungsmitgliedern auf, so mit Reinhard Schult und Sebastian Pflugbeil.
Ich bekam das Programm des NEUEN FORUMS, ein erster Entwurf mit dem bekannten Text „AUFBRUCH ´89 NEUES FORUM“. Ein tieferer Kontakt entwickelte sich nicht zu Berlin, jedoch zum NEUEN FORUM in Suhl.
An die hundert Kopien, d. h. Schreibmaschinendurchschläge habe ich vom Programm des NF geschrieben, ebenso Hans-Jürgen und Bastian Salier sowie andere Freunde. Sie wurden vor allem bei den Treffen in der Kirche verteilt. So kamen die Informationen auch in entlegene Ecken des Kreises Hildburghausen. Mitstreiter warfen die „staatsgefährlichen Texte“ in Briefkästen der Bürger der Stadt Hildburghausen und im Umland.
Zu den Friedensgebeten und Diskussionen kamen meist Jugendliche. Dazu muss ich sagen, Hildburghausen war Grenzkreis. Wir waren eine exakt kontrollierte sehr „Rote Ecke“ mit viel Angst bei den älteren Bürgern. Viele standen auch gegenwärtigen Veränderungen in der DDR nicht aufgeschlossen gegenüber. Mitunter wurden wir verbal angegriffen oder in übler Weise verleumdet.
Nach dem 7. Oktober 1989, dem noch mit Pomp, aber mit Angst zelebrierten 40. Jahrestag der DDR), des „ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates auf deutschem Boden“, änderte sich das Bild. Zunehmend kamen auch ältere Bürger zu den Treffen in die Kirche. (Honecker: „Den Sozialismus in seinen Lauf halten weder Ochs’ noch Esel auf!“). Mut und Wut steigerten sich.
So konnte man dann auch nach den Friedensgebeten eine Demo organisieren, die nach dem Leipziger Beispiel jeden Montag folgten und immer mit mehr Plakaten und Transparenten, und donnerstags gab es meist Schweigemärsche.
Die erste Demo hier in Hildburghausen war am 30. Oktober 1989, es sollte ein offener Dialog sein mit staatlichen Vertretern des Rates des Kreises, der Kirche und den Blockparteien, initiiert vom NEUEN FORUM des Kreises Hildburghausen. Entgegen anderer Darstellungen: Danach begann die obligate Verfälschung der Geschichte in der SED-Zeitung „Freies Wort“. Es wurde berichtet, dass der Bürgermeister Ließ zu dem Dialog aufrief. – Das war eine glatte Lüge!
Das Ereignis sollte im Stadttheater ablaufen. Die Raumkapazität reichte jedoch nicht aus. Wir Organisatoren vom NEUEN FORUM, einige Bürger, Vikar Wendel und ich bemerkten, dass sich hinter dem geschlossenen Theater-Vorhang etwas tat. Wir verlangten energisch, dass der Vorhang hoch gezogen werden sollte. Als das geschehen war, sahen wir die Spitzenfunktionäre der SED-Kreisleitung und des Rates des Kreises auf der Bühne sitzen.
Fast wäre es zu einem Eklat gekommen, man war im Theater so aufgebracht, die Situation heizte sich immer mehr auf, dass einige Bürger handgreiflich gegen die SED-Funktionäre werden wollten. Die Emotionen kochten hoch, auch bei mir. Doch was hätte eine brachiale Auseinandersetzung gebracht, wir wären unglaubwürdig geworden.
Vikar Wendel nahm das Mikrophon und beruhigte die Bürger, bat darum, keine Gewalt auszuüben und auf Grund dessen, dass sich sehr viele Menschen angesammelt hatten, forderten wir sie auf, in einem Demonstrationszug zum Marktplatz zu marschieren und dort eine öffentliche Demo abzuhalten.
Das passierte dann auch. Der damalige Bürgermeister der Stadt, Herr Ließ, hatte veranlasst, dass auf die schnelle eine Beschallungsanlage vor dem Rathaus installiert wurde.
So kam es zur ersten Demo. Hier hat noch jeder seinen Frust abgelassen, es wurde sehr kontrovers diskutiert und die „Genossen der SED-Kreisleitung“ kamen zwar auch zu Wort, doch man konnte sie nicht hören, ein Pfeifkonzert und Buhrufe übertönten alles. Die Menschen hatten genug von ihren Lügen.
Hier habe ich den 1. Sekretär der SED-Kreisleitung, Herbert Lindenlaub, sehr nervös direkt neben mir gesehen. Oft griff er in seine Manteltasche. Ich glaubte, der Waffenträger wollte jeden Moment eine Pistole ziehen und schießen, so erregt war der SED-Bonze, der dann aber schnell verschwand. Er musste damit rechnen, dass sich der Volkszorn über ihn ergoss. Der Abend verlief friedlich und ohne Vorfälle, das war ein gutes Vorzeichen.
Am gleichen Abend fanden Demonstrationen in Eisfeld, Themar und Schleusingen statt.
Die Anfänge mussten in geordnete Bahnen gelenkt werden
Schon Anfang Oktober 1989 rief ich zur Gründung des NEUEN FORUMS auf, die auch am 9. Oktober 1989 in meiner Wohnung in Hildburghausen erfolgte. Dass dieser Tag ein ganz besonderer für die DDR werden sollte, das konnten wir noch nicht wissen. In Leipzig fand die größte Demonstration der Geschichte der DDR statt. Sie veränderte alles.
An der Gründung beteiligten sich etwa zwanzig Aktivisten des NEUEN FORUMS, und wir vereinbarten regelmäßige Treffen, immer an verschiedenen Orten, da die Stasi immer noch aktiv war.
Selbst wurde ich dreimal arg bedroht: einmal mit einem Messer, einmal mit einer Pistole und einmal verbal. Diese Attacken habe ich unbeschadet überstanden.
Bei den Treffen des Kerns des NEUEN FORUMS waren wir fast immer in einer Gaststätte („Alte Post“ Apothekergasse) und besprachen Aktionen. An einem Tag lag in der Gaststätte unter einem Stuhl an unserem Tisch eine 9-mm-Patronenhülse einer Pistole. Sicher war das eine geplante Verängstigung und Einschüchterung, an einen Zufall kann ich nicht glauben. Das zeigte ich bei der Polizei an, doch man zeigte kein gesteigertes Interesse.
Nach oder vielleicht auch vor der Gründung des NEUEN FORUMS für den Kreis Hildburghausen wurde meine Wohnung verwanzt, und man konnte mit einem Richtmikrofon direkt mein Wohnzimmer vom Rat des Kreises aus abhören, ich wohnte ca. 20 Meter gegenüber. Ob das jedoch gemacht wurde, kann ich nicht nachweisen.
Ein Ereignis war für uns wichtig und gab Kraft für die Friedliche Revolution und nahm auch vielen die Angst. Es war das Gedicht des Superintendenten Dr. Hanspeter Wulff-Woesten,„Das Grüne Band“. Beinahe jeder, der es gelesen oder gehört hatte, lief danach mit diesem grünen Band an der Jacke oder am Auto als Zeichen: „Ich gehöre dazu und ohne Angst.“
Am 4. November 1989 stellte Superintendent Dr. Hanspeter Wullf-Woesten in der überfüllten Bartholomäuskirche in Themar die Aktion und sein Gedicht vor. Es war ein Zeichen gegen das SED-Regime und besonders ein Symbol für den gewaltfreien Widerstand.
„Grünes Band –
Hoffnung für unser Land“
Vom Magdeburger Domgebet
die Kunde bis nach Franken geht.
Es flattert nun das grüne Band,
bringt WENDE für mein Vaterland!
Mit „40“ Zentimetern grad
lehrt es mich sehn auf meinen Staat.
Wo viel geschaffen, viel versaut,
und nun das Volk dem Staat nicht traut.
Erst Umkehr hilft den „40“ neuen
sich reinigen und zu befreien.
Das „GRÜN“ ergibt den rechten Sinn,
es weist uns auf die Hoffnung hin!
Nicht „braun“ mit „power“,
nicht „schwarz“ der Trauer,
nicht „rot“ allein soll Losung sein!
Auch nicht gen Westen mit dem „weiß“
soll gehen unsre neue Reis´.
Wir bleiben hier, gibt es auch Schmerz,
wir brauchen nur ein festes Herz!
Und tragen wir dies neue Zeichen,
so wird die Angst bald von uns weichen.
Die WORTE prägt euch mit mir ein,
sie werden eure Helfer sein.
Erst wenn die Worte wieder wiegen,
dann kann dies Band im Staube liegen.
Und unser Land auf ewig lebt,
wenn Jesus unser Herz bewegt!
Am 11. Dezember 1989 nahmen wir Kontakt zum 1. Sekretär der SED-Kreisleitung auf, Dr. Peter Dornheim (Lehrer und ehemaliger Schuldirektor in Bedheim). Sein Vorgänger, Herbert Lindenlaub, setzte sich aus Hildburghausen in Richtung Berlin ab. Wir wollten, dass die „führende Rolle der SED“ endlich Geschichte ist und diskutierten über Pluralität in der Gesellschaft. Er war uns gegenüber sehr aufgeschlossen, doch merkten wir schnell: Das war alles Fassade und Schauspiel. Die Unterlagen und Akten der Partei bekamen wir nicht zu sehen. Man sträubte sich vehement und verwies uns auf die Gesetze und die Eigenständigkeit der Parteien in der DDR. Ein sinnvoller Dialog kam nicht zustande. Dr. Dornheim sagte nur, das Gebäude der SED-Kreisleitung soll als Treffpunkt der Parteien und Massenorganisationen genutzt werden. Das Gespräch fand an einem Montag statt und danach sind wir zur Demo. Am Mikrofon sagte ich im Ergebnis der Gespräche in der SED-Kreisleitung, dass die drei Buchstaben „S E D“ für uns keine Bedeutung mehr haben. Ich wies auf das voran gegangene Gespräch hin und wollte den Bürgern auch etwas von ihrer Angst nehmen.
Aus den Gründungsmitgliedern und Sprechern des NEUEN FORUMS gingen später Arbeitsgruppen hervor. Die Mitglieder der Arbeitsgruppen waren regelmäßig im „Rat des Kreises“ und im „Rat der Stadt“ und brachten unsere Forderungen den Mitarbeitern nahe, übten Kontrollen aus. Wir trafen uns in regelmäßigen Abständen und besprachen Probleme.
Später nahmen dann Vertreter des NEUEN FORUMS mit an den „Runden-Tisch-Gesprächen“ in der Stadt (Rat der Stadt) und im Kreis (Rat des Kreises) teil. Wir organisierten die Demos im Kreis, die Friedensgebete und an einem Tag eine Menschenkette von Hildburghausen bis Themar. Das funktionierte aber nicht ganz, die Kette reichte gerade bis Ebenhards.
Zu den Aktivisten der Friedlichen Revolution in den Städten des Kreises hatten wir einen regelmäßigen Kontakt, so dass auch in Eisfeld, Heldburg, Masserberg und anderswo Demos stattfanden. Dazu muss ich aber auch sagen, nicht jeder Pfarrer stellte seine Kirche in den Orten zu Versammlungen und Friedensgebeten zur Verfügung. Zu dieser Zeit stieg der Kerzenkonsum immens an.
Zum NEUEN FORUMS muss noch erwähnt werden, nicht nur Hildburghäuser beteiligten sich aktiv, aus allen Dörfern der Umgebung, besonders auch aus dem „Sperrgebiet“ kamen die Menschen und wollten demonstrieren. Sehr aktiv war die Gruppe aus Reurieth. Es gab auch Inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit in den Reihen des NEUEN FORUMS. Das erfuhren wir erst viel später. An unseren Aktivitäten nahm auch ein Vertreter vom „Demokratischer Aufbruch“ teil.
Wir hörten aus Kontakten nach Suhl und auch aus den Medien, dass verschiedene Objekte des MfS aufgelöst wurden, und das vom NEUEN FORUM, so mussten wir auch handeln. Wir bekamen Berichte von Bürgern, sie teilten uns mit, dass aus den Schornsteinen der MfS-Kreisdienststelle in der Dr.-Wilhelm-Külz-Straße/Geschwister-Scholl-Straße Tag und Nacht starker Qualm herauskam und dass jede Nacht ein Multicar Aschentonnen auf die Mülldeponie Leimrieth fuhr. Das konnten nur verbrannte Akten sein.
Nach einem ersten Gespräch mit dem Leiter der MfS-Kreisdienststelle, Oberstleutnant Cudok, das mehr oder weniger nichtssagend war, wurde die MfS-Dienstelle mit dem amtierenden Staatsanwalt Herrn Lorenz übernommen und in Sicherheitspartnerschaft mit der Volkspolizei, die sich nun kooperativ zeigte, Tag und Nacht bewacht.
Als die Herren vom MfS ihre „Dienstelle“ verlassen mussten, kontrollierten wir noch ihre Tascheninhalte. Ein Major verkraftete es wohl nicht, seine gut dotierte „Arbeit“ nun zu verlieren und sagte zu mir: „Kommt es wieder anders herum, bist du der Erste, der hier sein Blut aufleckt.“
Das waren die guten menschenliebenden Tschekisten, das „Schild und Schwert“ der SED, mit ihrem Slogan: „Mit heißen Herzen, kühlem Kopf und sauberen Händen“. Doch diesen Slogan bildeten sie sich nur ein, es sollte wohl heißen: „Mit steinernen Herzen, hohlem Kopf und blutigen Händen.“
25 Jahre haben wir nun eine Demokratie und wieder wollen die roten Folterknechte an die Macht. Sie sind in Thüringen die zweitstärkste Partei.
Wie kann so etwas passieren?
Ist alles vergessen, was in im Herbst 1989 passierte? Die Euphorie, die Freude und Tränen der Grenzöffnung. Wo sind sie, die so laut geschrien haben: „Wir sind ein Volk“? Sind das die Wähler der vierzigjährigen Unterdrückung und Unfreiheit?
Auf eine weitere Darstellung der Chronik von 1989/1990 verzichte ich an dieser Stelle, man kann sie detailliert auf der Seite „Schildburghausen.de“ von Hans-Jürgen Salier lesen.
Gründungsaufruf NEUES FORUM 1989
Aufbruch 89 – NEUES FORUM
In unserem Lande ist die Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft offensichtlich gestört. Belege dafür sind die weitverbreitete Verdrossenheit bis hin zum Rückzug in die private Nische oder zur massenhaften Auswanderung. Fluchtbewegungen dieses Ausmaßes sind anderswo durch Not, Hunger und Gewalt verursacht. Davon kann bei uns keine Rede sein. Die gestörte Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft lähmt die schöpferischen Potenzen unserer Gesellschaft und behindert die Lösung der anstehenden lokalen und globalen Aufgaben. Wir verzetteln uns in übelgelaunter Passivität und hätten doch Wichtigeres zu tun für unser Leben, unser Land und die Menschheit. In Staat und Wirtschaft funktioniert der Interessenausgleich zwischen den Gruppen und Schichten nur mangelhaft. Auch die Kommunikation über die Situation und die Interessenlage ist gehemmt. Im privaten Kreis sagt jeder leichthin, wie seine Diagnose lautet und nennt die ihm wichtigsten Maßnahmen. Aber die Wünsche und Bestrebungen sind sehr verschieden und werden nicht rational gegeneinander gewichtet und auf Durchführbarkeit untersucht. Auf der einen Seite wünschen wir uns eine Erweiterung des Warenangebotes und bessere Versorgung, andererseits sehen wir deren soziale und ökologische Kosten und plädieren für die Abkehr von ungehemmtem Wachstum. Wir wollen Spielraum für wirtschaftliche Initiative, aber keine Entartung in eine Ellenbogengesellschaft. Wir wollen das Bewährte erhalten und doch Platz für Erneuerungen schaffen, um sparsamer und weniger naturfeindlich zu leben. Wir wollen geordnete Verhältnisse, aber keine Bevormundung. Wir wollen freie, selbstbewußte Menschen, die doch gemeinschaftsbewußt handeln. Wir wollen gegen Gewalt geschützt sein und dabei nicht einen Staat von Bütteln und Spitzeln ertragen müssen. Faulpelze und Maulhelden sollen aus ihren Druckposten vertrieben werden, aber wir wollen dabei keine Nachteile für sozial Schwache und Wehrlose. Wir wollen ein wirksames Gesundheitswesen für jeden, aber niemand soll auf Kosten anderer krank feiern. Wir wollen an Export und Welthandel teilhaben, aber weder zum Schuldner und Diener der führenden Industriestaaten noch zum Ausbeuter und Gläubiger der wirtschaftlich schwachen Länder werden. Um all diese Widersprüche zu erkennen, Meinungen und Argumente dazu anzuhören, und zu bewerten, allgemeine von Sonderinteressen zu unterscheiden, bedarf es eines demokratischen Dialogs über die Aufgaben des Rechtsstaates, der Wirtschaft und der Kultur. Über diese Fragen müssen wir in aller Öffentlichkeit, gemeinsam und im ganzen Land, nachdenken und miteinander sprechen. Von der Bereitschaft und dem Wollen wird es abhängen, ob wir in absehbarer Zeit Wege aus der gegenwärtigen Krisenhaften Situation finden. Es kommt in der jetzigen gesellschaftlichen Entwicklung darauf an:
daß eine größere Anzahl von Menschen am gesellschaftlichen Reformprogramm mitwirkt,
daß die vielen Einzel- und Gruppenaktivitäten zu einem Gesamthandeln finden.
Wir bilden deshalb gemeinsam eine politische Plattform, für die ganze DDR, die es den Menschen aus allen Berufen, Lebenskreisen, Parteien und Gruppen möglich macht, sich an der Diskussion und Bearbeitung lebenswichtiger Gesellschaftsprobleme in diesem Land zu beteiligen. Für eine solche übergreifende Initiative wählen wir den Namen NEUES FORUM. Die Tätigkeit des NEUEN FORUMS werden wir auf gesetzliche Grundlagen stellen. Wir berufen uns dabei auf das in Art. 29 der Verfassung der DDR geregelte Grundrecht, durch gemeinsames Handeln in einer Vereinigung unsere politischen Interessen zu verwirklichen. Wir werden die Gründung der Vereinigung bei den zuständigen Organen der DDR entsprechend der VO vom 06.11.1975 über die „Gründung und Tätigkeit von Vereinigungen“ (Gbl.I, Nr. 44, S. 723) anmelden. Allen Bestrebungen denen das NEUE FORUM Ausdruck und Stimme verleihen will, liegt der Wunsch nach Gerechtigkeit, Demokratie, Frieden sowie Schutz und Bewahrung der Natur zugrunde. Es ist dieser Impuls, den wir bei der kommenden Umgestaltung der Gesellschaft in allen Bereichen lebensvoll erfüllt wissen wollen.
Wir rufen alle Bürger und Bürgerinnen der DDR, die an einer Umgestaltung unserer Gesellschaft mitwirken wollen, auf, Mitglieder des NEUEN FORUMS zu werden.
Die Zeit ist reif.
2. September 2014
Beim Lesen darüber nachgedacht oder
Wer andern in der Nase bohrt, ist selbst ein Schwein
Hans Georg Otto aus Suhl, Mitglied des Interessenkreises Dunkelgräfin (vormals Madame Royale) hat in Freies Wort und in Werbeblättern festgestellt, dass das auf unseren beiden Homepages immer wieder kritisierte Wissenschaftsprojekt des Mitteldeutschen Rundfunks (mdr) anders ausging als erwartet. Daher rührt vermutlich auch die blitzschnelle Umbenennung des Interessenkreises Madame Royale in Interessenkreis Dunkelgräfin. Er beklagt, nein bejammert in anrührender Weise: „Kein Hahn wird mehr nach ihr krähen“und spekuliert damit, dass ein Zufall oder neue Sichtweisen etwas ganz Neues ans Licht bringen könnten. Na, da sind wir aber sehr gespannt, welche Zufälle auf uns zukommen. Uns kommt es eher vor, mit diesem Leserbrief will der Autor, den er mit Interessenkreis Dunkelgräfin unterzeichnet, um Rehabilitierung für diesen von uns immer als ominös betrachteten Arbeitskreis fleht. In der Textmitte schreibt er Mitleid heischend, uns kamen beinahe Tränen der Rührung: „Für Hildburghausen ist die Lage nun wesentlich schlechter geworden, als sie vor der Graböffnung war. Damals hatte die Dunkelgräfin noch einen Namen, wenn er auch unsicher war. Heute hat sie keinen mehr.“ Vorsorglich formulierte er beschuldigend, der Sender hätte das nur wegen einer hohen Einschaltquote getan. – Wir meinen, diese Aussage stammt aus einem anderen Film oder spekuliert Herr Otto mit der Vergesslichkeit der Menschen? Frau Schildburg und Herr Hausen waren noch nie so guter Dinge gegenüber der Problematik wie gegenwärtig. Wer die Geschichte der Dunkelgräfinforschung ernsthaft analysiert, wird feststellen, dass alle 30, 40 Jahre neue Theorien auf den „Markt“ kommen, meist ist es ein Jahrmarkt der Eitelkeiten, die gleichsam sehr schnell wieder verschwinden. Das Thema regt gegenwärtig viele Literaten an, abenteuerliche Geschichten und Gedanken in die Welt zu setzen. Wir beachten diese Schreibarbeiten nicht, weil sie kaum Wesentliches zur Sache beitragen. Immerhin: Diese Romane und sonstigen Produkte halten das Thema wach. Auf den Punkt gebracht: Der Interessenkreis hat doch von Anfang an dieses Wissenschaftsprojekt energisch und mit viel Begeisterung „befördert“. Für unsere Leser sei doch nur auf die Homepage des mdr und auf unsere beiden Seiten www.dunkelgraefinhbn.de und www.schildburghausen.dehingewiesen. Wir bewiesen, dass der Oberaufklärer des Interessenkreises, Thomas Meyhöfer, einer der wichtigen Regisseure dieses Medienreinfalls, das Projekt wesentlich vorantrieb. Sekundanten waren der Bürgermeister a. D. Harzer, der Großteil des Stadtrats und eben auch ein Teil der Bürgerschaft.
Einige wichtige Experten spielen keine Rolle, weil sie sich einer Mitarbeit entzogen. Darüber könnte man sich seitenlang auslassen. Wir verzichten vorerst auf eine solche Analyse.
Welches Ergebnis zeitigte das Wissenschaftsprojekt des Mitteldeutschen Rundfunks? Es fand mit größtmöglichem (auch finanziellem) Einsatz heraus, dass die am Stadtberg bestattete Dame nicht die Madame Royale, Marie Thérèse Charlotte de Bourbon, ist. Mehr nicht. Hans-Jürgen Salier weist seit einem Vierteljahrhundert darauf hin, dass die Dunkelgräfin nicht in der am Schulersberg befindlichen Grabstätte beigesetzt wurde. Eine simple Erklärung hätte sicherlich die Fronten klären können. Aber die Halsstarrigkeit dominierte weiter. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
Vier Jahrzehnte hatte Leonardus Cornelius van der Valck, der Beschützer und Bewacher der Königstochter, Zeit, sich auf den Tod der Dame vorzubereiten. Wie dumm schätzen die Exhumierungsbefürworter eigentlich den holländischen Diplomaten und dessen Umfeld mit hervorragenden historischen Persönlichkeiten ein?
Wer die Geschichte um das Dunkelgrafenpaar einigermaßen kennt, weiß, dass der hochintelligente Van der Valck unendlich viele falsche Fährten legte. Er war der Garant, die Königstochter zu schützen. Er hat sicherlich nicht darauf gewartet, dass Herr Meyhöfer und der mdr so ganz nebenbei ein Welträtsel lösen. – Wir gehen davon aus, dass Madame Royale u. a. in Ingelfingen, in Hildburghausen und Eishausen gelebt haben, und das muss erst einmal widerlegt werden. Hildburghausen braucht derartige „Enthüller“ nicht. Auch die Weissagung des Herrn Otto: „Es wird allgemein vermutet, das öffentliche Interesse an der Dunkelgräfin wird nach und nach verloren gehen.“ Wenn das Herr Otto meint, kann auch der Interessenkreis unbeschadet zugrunde gehen oder aufgelöst werden, niemand braucht ihn …
Übrigens, Frau Schildburg hat sich nur die letzten fünf Minuten des Films angeschaut, Herr Hausen wollte vollkommen auf die Uraufführung mit der geheim gehaltenen Lösung verzichten. Dann ergötzte er sich an einigen Filmsequenzen, bei der die Fantasie (bei einer Dokumentation) doch aus dem Ruder lief. Na gut, er konnte dem mdr-Film immerhin ca. 55 Minuten folgen, denn das Drehbuch war im Handlungsablauf in den wichtigen Teilen identisch mit denen der von ihm verlegten und geschriebenen Büchern und Aufsätzen. Für viele Betrachter wurde nicht Porzellan unbeabsichtigt zerschlagen, sondern ein Porzellanladen wurde komplett zertrümmert, aber nicht von Elefanten … Außer ein paar imaginären Gedanken und die Aussage, die Forschung gehe weiter, bleiben doch mal wieder nur Luftblasen.
Frau Schildburg und Herr Hausen leiden nicht an Vergesslichkeit oder an Selbstüberschätzung, sie treten für Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit ein. Dass sie dabei nicht immer zimperlich handeln, ist vielen ihrer Leser bekannt. Zum Glück grollen auch einige dieser Typen, sonst wären Frau Schildburg und Herr Hausen auch reichlich überflüssig. Ihre Kritik richtet sich auch oft gegen die Moden der Zeit oder gegen die allgemeine mediale Verblödung. Für sie gilt auch weiterhin das Motto: RESPEKT VOR DER MADAME ROYALE.
Die Forschung um die Madame Royale muss also nicht bei der Stunde Null beginnen und muss auch nicht von zufälligen Ideen überfrachtet werden, weil wir den Weg kennen. Das sind wir einer Vielzahl hervorragender Persönlichkeiten der letzten anderthalb Jahrhunderte schuldig.
Das große Wissenschaftsprojekt des mdr war aus unserer Sicht „ein Schuss in den Ofen“. Die überall verbreitete Nachricht, das „Rätsel von Hildburghausen“ sei gelöst, ist nicht nur eine beliebte Nullmeldung, sondern schlicht und ergreifend eine Unverschämtheit.
Artikel Südthüringer Rundschau vom 21. August 2014
24. August 2014
Ein kümmerlicher Meister von Strategie und Taktik
Was der potenzielle Minister einer imaginären Linksregierung im Freistaat Thüringen, Herr Tilo Kummer, der unbeirrbare Tschekist aus dem gewesenen Staatssicherheitsregiment „Feliks Dzierzynski“, in regelmäßiger Folge standhaft hervorzaubert, ist schon der Aufmerksamkeit wert. Das klingt eilfertig wie: „Herr Lehrer, ich weiß was, auf dem Lokus brennt Licht. Herr Lehrer, ich weiß noch was, ich hab’s schon wieder ausgemacht.“
Was will er eigentlich mit seinen „Ich-weiß-was-Aktionen“ voranbringen oder wem will er schaden? Ein vernünftiges und umsetzbares Wahlprogramm sehen wir bei ihm nicht, auch bei seinem Meister nicht, dem Bürgermeister a. D., der wohl auch schon vom Ministersessel träumt. Wir wollen nicht vorausgreifen: Sie wird nicht kommen – die Regierungsverantwortung. Eines wird es aber immer geben, nicht sonderlich kritische Anhänger, die ihre selbstgerechten Meisterpolitiker aus der original-sozialen Sparte wählen. Selbst bringen sie nicht viel auf die Reihe, die Jahre 1945/49 bis 1990 lassen grüßen. Immerhin sind sie vom Steuerzahler finanziell außerordentlich gut versorgt – bis ins Rentenalter. Das hätten sie ihren teueren Genossen in der größten DDR der Welt nicht bieten können.
Eines war aber schon zu allen Zeiten gang und gäbe: Wer Verträge schließt, sollte sie gründlich lesen und sie bei Bedarf von Experten sach- und fachgerecht prüfen und sich beraten lassen. Wer Förderverträge so dilettantisch nutzt, nur weil er einen hohen Fördersatz liest, wie es der Bürgermeister a. D. mit seinem damaligen Stadtrat tat, muss sich nun nicht wundern, dass ihm heute die Hände gebunden sind und er mit Nutzungseinschränkungen z. B. des Historischen Rathauses leben muss. Nicht nur im Stadtrat, sondern auch bei Fachleuten, gab es damals warnende Stimmen. Die Personen wurden aber mehr oder weniger als Verhinderer oder Bremser abgetan, vor allem die Leute, die forderten, dass alles auf den Tisch offen ausgelegt wird. So wird es gewiss nicht lange dauern, bis neue Probleme offengelegt werden. Bürgermeister Obst wird da noch manchen Refrain singen dürfen.
Herr Kummer tappt seit geraumer Zeit als Aufklärer durchs Gelände und schiebt seinen politischen Kontrahenten einiges in die Schuhe, und Feinde gibt es zuhauf, zumal er sich eingestehen müsste, dass die Genossen in der „CDU- und SPD-Herrschaft“ ganz gut leben konnten und können. Da werden sie immer wieder genannt, man mag es gar nicht mehr hören: CDU und Bundesregierung, Landesregierung, Landkreis, Kreisstadtbürgermeister. Und selbstverständlich ist das alles unmenschlich. Wider besseres Wissen wird argumentiert und geschwafelt. Immer den unzufriedenen Wähler im Blick. Neiddiskussionen polarisieren politisch, vor allem, wenn sie von den Umverteilern organisiert werden. Und da lässt man bei der Argumentation auch gerne mal das eine oder andere Sätzchen oder den kleinen Sachverhalt weg. Seriös ist das nicht. Wenn einem schon die zum Ziel führenden Wahlkampfthemen fehlen, probiert man es mit Nachtreten. „Holzen“ nennt man das beim Fußball – erst an den Mann und dann an den Ball.
21. August 2014
Hans-Jürgen Salier
Gemeinsame Einladung der Staatssekretärin mit dem
Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
mit Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und
Staatssekretärin Hildigund Neubert
Donnerstag, 21. August 2014, 19 Uhr, Rathaussaal Hildburghausen
Einführung
Aufbruch in die Freiheit Thüringen 1989
Aus meiner Zehntausende Daten fassenden Datei zum Regime der DDR-Grenze ziehe ich für den 21. August 1989 wenige Meldungen heraus.
- Zwei Tage zuvor haben 661 DDR-Bürger ein paneuropäisches Treffen genutzt, um bei Sopron, an der ungarisch-österreichischen Grenze, über den Eisernen Vorhang zu fliehen. Mitinitiator ist der Europa-Abgeordnete Otto von Habsburg gewesen, der den Bürgern des Landkreises Hildburghausen nicht unbekannt war. Die Medien sind in diesen Tagen prallvoll an Meldungen aus der DDR. Die humanitäre Haltung Ungarns findet weltweite Anerkennung.
- Gegen 03.30 Uhr nahm die Volkspolizei den 21-jähigen Mario W. aus Dessau fest, weil er auf der Straße Haselbach – Sülzfeld im Kreis Meiningen sich in Richtung Grenze bewegt hatte. Er wollte im Raum Henneberg flüchten.
- Um 04.06 Uhr wurden zwei einundzwanzigjährige Ost-Berliner, Robert L. und Michael J., ca. 300 nordöstlich von Vacha im Kreis Bad Salzungen nach Auslösen des Signalzaunes festgenommen. Zwei Grenzkompanien riegelten das Gelände ab. Das war Inhalt der Grenztruppen-Tagesmeldung 017189. Meldungen, die den DDR-Bürger nicht oder nur auf Umwegen erreichten. Die Beispiele könnten beliebig fortgesetzt werden.
Das Thema Aufbruch in die Freiheit lässt sich bekanntlich vielgestaltig in diesem brodelnden deutschen Staatsgebilde DDR darstellen, denn die Sichtweisen und die persönlichen Erlebnisse sind außerordentlich unterschiedlich. Und das Grenzgeschehen wird selbst im Jahr 2014 klein- und die DDR groß geredet.
Für mich ist die Zeit von Ende September, dem Abschreiben und Verteilen von Aufrufen des Neuen Forums, bis zur Stasibesetzung am 5. Dezember 1989, das Schlüsselerlebnis. Die Zeit gehört zur spannendsten und sicherlich auch glücklichsten meines Lebens. Seit November 1990 habe ich dann als Kreisrat der FDP und ab 2000 bis 2008 der CDU und auch 10 Jahre als Stadtrat in Hildburghausen Demokratie mit gestaltet. Das Erreichte kann sich sehen lassen.
In der DDR kommt es 1989 zu einem einmaligen Vorgang in der deutschen Geschichte – die Friedliche Revolution gelingt. Im Wesentlichen kam sie aus der Kirche, aber auch viele nationale sowie internationale Kausalitäten und Beeinflussungen kennt sie. Die Einheit Deutschlands ohne Krieg und Sieg! – Unvorstellbar. Auf alles waren die DDR-Machthaber vorbereitet, auch im Kreis Hildburghausen: auf militärische Gewalt und Internierungslager, nur nicht auf Kerzen und Gebete! Wer Kerzen in der Hand hält, wirft keine Steine. Gerne bezeichne ich unsere wunderbare gewaltlose Revolution der Herbsttage 1989 auch als Kerzenlichtrevolution.
Nicht nur für mich ist der 9. Oktober in Leipzig der eigentlich entscheidende Tag, das Kerndatum, und nicht der 9. November. Meine Erlebnisse vom 10. Oktober in Leipzig haben sich fest eingeprägt. Der 9. November ist aus meiner Sicht überbewertet. Zwar zeitigte er mit dem Fall der Mauer ein wunderbares Ergebnis. Aber zu viele Menschen gaben sich mit dem Erreichten zufrieden. Es ist die letzte Willkürentscheidung der SED gewesen. Auch wenn wir alle sehr glücklich gewesen sind, danken wir ihr nicht dafür, denn sie wollte nur ihre eigene Haut und ihre Pfründe im Schutze der nahenden Demokratie retten. Die einstigen Machthaber müssten uns danken, weil wir sie vorübergehend aus ihren irrationalen Zwängen befreit haben. Die Entscheidung nahm – wir spürten das im ganzen Land bei Demonstrationen, Kundgebungen, Friedensgebeten und Fürbittgottesdiensten – der Revolution mit den freien Reise- und Konsummöglichkeiten viel Kraft. Der 9. November war eine Ventilentscheidung der SED.
Eines meiner Anliegen in den zurückliegenden 25 Jahren war es stets, dass die Daten und Fakten nicht aus dem Gedächtnis der Menschen getilgt werden und dass die Mechanismen untergegangener Unrechtssysteme weiter ohne Vorbehalte offen dargestellt und diskutiert werden. Dann werden auch Propagandisten und Protagonisten aus den unbelehrbaren extremistischen Lagern mehr und mehr der Nährboden für geistige Verführungen entzogen. Gegenwärtig bin ich dabei, ein Buch zu schreiben, das ich mir eigentlich zum 70. Geburtstag schenken wollte, natürlich auch Freunden und Weggefährten. Es trägt den Titel „Eigentlich nicht erwähnenswert …“ und den Untertitel „Der gewöhnliche DDR-Sozialismus im Leben des HJS – Begegnungen mit Staatssicherheit, Nationaler Volksarmee und sozialistische Endzeitstimmung“. Wider Erwarten harrt es noch der Edition. Es sind weitere Akten aufgetaucht. Dieses friedliche Buch hätte mir vor einem Vierteljahrhundert einige Jahre Haft eingebracht, denn ich werte dort meine Stasiakte aus, und einige meiner Denunzianten leben uneinsichtig um mich herum und haben sich zumeist wieder parteipolitisch eingeordnet, bei ihrer Nachfolgepartei, die eigentlich auf dem Müllhaufen der Geschichte liegen sollte.
Noch gefährlicher sind sicherlich die insgesamt 2200 Seiten der vier Bände „Grenzerfahrungen“, die ich verlegte, lektorierte und als Mitautor schrieb, in denen die deutsch-deutsche Grenze im Raum Südthüringen, Bayern und Hessen als Geschichte eines Verbrechens dokumentiert wurde. Zur Thematik und zu den Ereignissen 1989/90 habe ich in den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten ca. fünftausend Druckseiten verlegt, bearbeitet und geschrieben sowie unzählige Dokumente und Akten ausgewertet. So weiß ich, wovon ich spreche und schreibe.
Diktaturen und gesellschaftliche Katastrophen gründen sich immer auf menschenfeindlichen Ideologien. So steht außer Frage, die Geschichte der deutschen Teilung, der deutsch-deutschen Grenze beginnt nicht am 8. Mai oder mit dem Besatzungswechsel nach dem 1. Juli 1945, auch nicht mit dem Mauerbau am 13. August 1961, sondern datiert auf den Tag der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 und den Überfall der Deutschen Wehrmacht auf das benachbarte Polen am 1. September 1939, also dem Beginn des Zweiten Weltkriegs. Das sind die eigentlichen Ausgangsdaten für die Grenzziehung, denn ohne das Versagen und die Polarisierung der Gesellschaft wäre es nicht zum nationalsozialistischen System und seiner Verbrechen gekommen, vor allem nicht zur Entfachung des Weltenbrandes, zur Besetzung Deutschlands und zur Spaltung in vier Besatzungszonen und damit auch dem feindlichen Gegenüberstehen von zwei Weltsystemen und dem folgenschweren Kalten Krieg.
Die einstige Demarkationslinie oder deutsch-deutsche Grenze, der DDR-offizielle Sprachgebrauch war Staatsgrenze, die sie aber nie war, griff über Jahrzehnte einschneidend in den Lebensalltag und in die Lebensumstände der Menschen ein und prägte zwangsweise viele Biografien von Bürgern in Ost und West, gerade hier in Südthüringen – an der Trennlinie zweier Weltsysteme.
Selbstverständlich haben die Mauerkommunisten Recht, wenn sie sagen, dass Grenze und Mauer staatserhaltend und notwendig gewesen seien. Ohne diese martialische Grenze und das Schandmal Mauer wäre der Staat DDR zeitlich wesentlich eher zusammengebrochen. Die unverbesserlichen DDR-Anhänger betonen das bis in die Gegenwart und genießen dabei schamlos alle Annehmlichkeiten der Demokratie, vor allem die Meinungs- und Reisefreiheit. Sie werden nicht müde zu betonen, dass die DDR ein anerkannter und souveräner Staat gewesen sei. Das ist eine Verhöhnung eines Großteiles der ehemaligen DDR-Bevölkerung. Kann es ein schlimmeres Urteil über ein Staatswesen geben, das seine Bevölkerung einsperren oder einmauern muss, um selbst zu überleben und den Menschen eine unausgegorene Ideologie aufzwingt, nach der entschieden wird, wer Freund oder Feind des Systems ist? Ist das nicht die gleiche Klientel, die gegenwärtig die Leserbriefspalten der Printmedien und die Internetplattformen nutzt, geistige Umweltverschmutzung betreibt und trotz aller Probleme die tatsächlich vorhandenen blühenden Landschaften kleinredet? Haben diese Leute vergessen, wie die heruntergewirtschafteten Städte und Dörfer der zusammengebrochenen DDR aussahen, die auf Verschleiß gefahrenen Betriebe und Institutionen, die geschändete Umwelt, die durch eine angebliche „wissenschaftliche Weltanschauung“ und durch ein gigantisches Spitzelsystem gestörten zwischenmenschlichen Beziehungen sowie die vielen zerstörten Biografien? Haben sich diese Mitbürger je vorgestellt, welchen Entwicklungsstand die sozialistische DDR und ihre Bruderländer heute hätten, welches geistige und materielle Elend herrschte, wenn es sie noch gäbe?
Die gebetsmühlenhaft verbreitete Argumentation, die DDR habe zur Stabilität in Europa und in der Welt beigetragen, ist eine riesengroße Lüge. Das Gegenteil ist der Fall. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Zerfall ist das „sozialistische Weltsystem“ mit Gewalt und Blut stabilisiert worden. Nie hat die westliche Allianz den Machtbereich des Sowjetkommunismus trotz himmelschreiender Unterdrückung angetastet. Erinnert sei an den Aufstand am 17. Juni 1953 in der DDR, den Aufstand 1956 in Ungarn, an den Prager Frühling 1968 und an die revolutionären Ereignisse 1980 bis 1989 in Polen.
Da kann man schon eher der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages vom 16. Juni 1994 folgen, die feststellte: Die wirkliche Grundlage der äußerlichen Stabilität des Systems war die von der Sowjetunion gegebene Existenzgarantie; als sie zurückgezogen wurde, stand das Regime der aufbegehrenden Bevölkerung haltlos gegenüber und brach zusammen. Eine freie Wahl konnte sich das Regime zur Weiterführung seiner Politik ohnehin nicht leisten.
Diese DDR-Weltanschauungsdiktatur mit ihrem staatlich verordneten Atheismus und ihrem militanten Gehabe und Gepränge hielt die Menschen in einem 40-jährigen Prozess der Entmündigung. Viele Leute sind in diese miefige und spießige sozialistische Nestwärme und Verlogenheit eingetaucht. Und so mancher Bürger will es sich nicht eingestehen, dass er – aus welchen Gründen auch immer – den falschen Götzen hinterhergelaufen ist ... Pausenlose Anpassung und gebückte Haltung, die geheuchelten Lebensentwürfe verursachen auf Dauer enorme Schäden, aber auch Schäden bei der Verwirklichung der deutschen Einheit. Die an den Folgen der Entmündigung erkrankten Menschen wurden nun in eine freie und nicht fehlerfreie Gesellschaft entlassen. Dazu waren aber viele total untauglich und haben nicht die Schuld ihrer Lebensverhältnisse dem Verursacher gegeben, sondern den neuen, demokratischen Verhältnissen. Die neuen Feindbilder mussten die Verfechter der alten Ordnung nicht aufbauen, die waren durch einen gigantischen Propaganda- und Desinformationsapparat bereits vorhanden. Es konnte ja nicht sein, dass man tatsächlich demokratisch wirkenden Parteien auch demokratisches Handeln zubilligt. Ein einziges Lob habe ich für die DDR übrig: Es gehört zu den wenigen Vorzügen der Diktatur, dass sie den Freiheitssinn lebendig hält.
Die Demokratie muss weiterhin wachsam sein. Die populistischen und wirklichkeitsfernen Heilslehren aus den rechts- und linksextremen Lagern sind nicht lebenstauglich. Das zurückliegende Jahrhundert mit seinen gesellschaftlichen Katastrophen hat das bewiesen. Auch die verklärende DDR-Nostalgie mit ihren Auswüchsen ist absolut inakzeptabel. Den schrecklichen Satz: „Es war nicht alles schlecht!“, kann man auch so formulieren: „Es war noch sehr viel mehr nicht gut in diesem Lande!“
Verdrängung oder das häufig praktizierte Schön- oder Kleinreden sind verhängnisvolle Irrtümer und zeugen von der mangelnden Fähigkeit, gegenwärtige Probleme anzupacken und anpacken zu wollen. Das wiederum hängt mit dem Entmündigungsprozess der Menschen durch zwei Diktaturen des 20. Jahrhunderts zusammen. Ein gewaltiger Schaden, der diesem Volk schon seit 1933 zugefügt wurde. Das Nazireich will ich nicht mit der DDR vergleichen, aber den Druck zur Lüge und zur Doppelzüngigkeit haben beide Systeme gemeinsam. Meine persönliche Wende und Abkehr von der Heilslehre des Sozialismus als junger Lehrer in Hellingen, im Heldburger Unterland, vollzog ich Mitte der 60er Jahre, als ich mit Erschütterung das Buch LTI (Lingua Tertii Imperii – Sprache des Dritten Reiches) von Victor Klemperer las, das in der DDR in einer kleinen Alibiauflage erschien. Mit seinen sprachwissenschaftlichen Studien und in seinen Tagebüchern hat der unbestechliche Beobachter Klemperer den Alltag der Zeit des Nationalsozialismus dokumentiert, von dem sich verblüffende und erschreckende Analogien auf den „ersten Arbeiter-und-Bauern-Staat auf deutschem Boden“ ableiten lassen. Die Diktatur des Proletariats, die widerlich rechthabende Partei, die Militarisierung der Gesellschaft, das geistige und körperliche Eingesperrtsein fanden sicherlich manche meiner Mitbürger humanistisch, vorsorglich und sozial. Ich fand es unerträglich.
Der Slogan der Massen wechselte von Wir sind das Volk! zu Wir sind ein Volk! Es ging nicht mehr um die Erneuerung der DDR zu einem demokratischen und rechtsstaatlich geformten Staat, sondern um den Anschluss an den Teil Deutschlands, in dem Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bereits eine vierzigjährige Bewährungsprobe bestanden hatten. Das Vertrauen zum SED-Staat war dem Volk abhanden gekommen. Nun wurde nicht mehr verdrängt, was sie bedeutet hat, das Vorenthalten auch aller Menschenrechte, des Rechts zu reisen, des Rechts, seinen Beruf frei zu wählen und auszuüben, des Rechts, sich Wohlstand durch freien Handel zu erwerben, des Rechts, seine Kinder auf höhere Schulen und auf Universitäten auch dann zu schicken, wenn man nicht der Klasse der Arbeiter und Bauern angehört, das Recht, sich frei zu versammeln und in Vereinen zusammen zu schließen, das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren und schließlich der Rechte auf Freiheit der Person und auf körperliche Unverletzlichkeit.
Fürwahr eine gute Bilanz, die sich täglich überall tausendfach widerspiegelt. Sie gilt es weiter zu gestalten und zu schützen. Auch wenn nicht alles gelang und manches nicht oder noch nicht vollendet ist. Es lohnt sich, sich für die Menschen einzusetzen. Es sei aber Vorsicht geboten, wenn extremistische Ideologen im Internet, in Presse, Hörfunk und im Fernsehen mit phrasenhafter Kritik die Demokratie unterwandern und beklatscht oder bejubelt werden.
Ihnen allen wünsche ich, dass die Aufbruchstimmung vom glücklichen Herbst 1989 auch im zweiten Vierteljahrhundert nach der wunderbaren Kerzenlichtrevolution nicht verblasst und dass Sie weiterhin engagiert für die deutsche Einheit einstehen. Lassen Sie nicht nach, die Menschen Ihres Umfeldes aufzuklären, vor allem aber die nachgeborenen Generationen in die Demokratie mitzunehmen, auch wenn sie manchmal Unzulänglichkeiten aufweist. Ein Zitat des unvergessenen Václav Havel hat sich mir unauslöschlich eingeprägt:
„Der Nachteil der Demokratie ist, dass sie diejenigen, die es ehrlich mit ihr meinen, die Hände bindet. Aber denen, die es nicht ehrlich meinen, ermöglicht sie fast alles.“
Notwendige Nachbemerkungen zur Wende
Am 18. Oktober 1989 tritt der SED-Generalsekretär Honecker angeblich aus gesundheitlichen Gründen zurück. Das Politbüro des ZK der SED, das Übel der kommunistischen Diktatur, sieht sein Heil in der Flucht nach vorn, um sich ihre Pfründe zu sichern. Der Nachfolgeparteichef Krenz beharrt auf dem Führungsanspruch der SED und kündigt vollmundig eine Wende an, bei der der Sozialismus nicht in Frage gestellt wird. Das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ kreiert die politische Sprachschöpfung Wendezwei Tage später. So ungefähr, als sei das alles ein Spaziergang, eine kleine Wende mit der SED sowie Herrn Krenz und weiter. Es war ja alles nicht so schlimm. Es sind ein paar Fehler gemacht worden. Wir braven Sozialisten müssen heute dafür büßen, dass einige wenige unmoralisch gehandelt haben. Das wirkt bis heute. Und den Protagonisten der SED und vielen ihrer Nachfolger kommt das Wort Revolution nicht über die Lippen. Wer diese Revolution abstreitet, hat seine Gründe. Nicht das System hat Fehler gemacht, sondern das System selbst ist der Fehler. Das ist eine Revolution gewesen und keine Wende, sie ist Teil der europäischen Freiheitsrevolution, wie es Hans-Dietrich Genscher in einem Vorwort eines von meinem Sohn und mir vor 10 Jahren geschriebenen Buches formulierte.
18. August 2014
Die Lichtmast- und Kreiselheiligen sind wieder da
Man glaubt es kaum: Das Jahr ist beinahe vollendet, vier Monate vor Weihnachten, die vorletzte Bescherung erwartet die braven Bürger am 14. September – die „heiß ersehnten“ Landtagswahlen. Das ist das Ende der Wahlorgie 2014. Bis dahin sind unsere Lieblingsvögel, die Mauersegler, längst in Richtung Süden aufgebrochen, die Schwalben und weitere folgen. Jetzt schmücken andere Vögel die Lichtmasten, Verkehrsschilder, Gartenzäune, Hauswände und den Grusel-Kreisel an der Schleusinger Straße, aber nicht mehr das hübsche Vogel-Gefieder. Parteifarben sind es mit den fein retuschierten Gesichtern der Auserwählten, den Kandidaten für neue Pöstchen oder gar von politischen Standvögeln, die es noch bis zum Rentenbescheid schaffen müssen oder die, die Tagesmühen nicht so bevorzugen. Es sieht aus, als hätten sich strahlende Berufsjugendliche niedergelassen. Für manchen, der vermutlich nicht auf Anhieb erkannt wird, hat man sofort ins Gehirn durchsickernde Allgemeinplätze mit auf das Plakat gegeben: Einer ist sogar verwurzelt, da werde ich immer an meine Quecken und anderes Unkraut im Garten erinnert, Und kompetent sind sie. Was das eigentlich heißt, weiß niemand so richtig. Aber nicht die Farben alleine sind es, die hohlen Sprechblasen mit den windelweichen Worthülsen. Wer dirigiert eigentlich einen solchen Unsinn?
Bei einem Kandidaten an der Südostseite des Marktplatzes befindet sich über dem Plakat noch ein Pfeil mit dem Hinweis zur Toilette im Historischen Rathaus, also zum „Clochmerle“ oder Waterclo. Es könnte schon zu Peinlichkeiten führen, wenn man die einzige Öffentliche nicht findet und dann wählen muss, ob es das linke oder das rechte Bein hinunter läuft. Wir machen uns eben immer solche Gedanken, auch zu Tilo aus Gerhardtsgereuth. Bei einem anderen Aspiranten ist zu lesen, dass die Geschichte Thüringens erst am 14. September 2014 beginnen wird oder so. Na, da ist Herr Hausen aber platt. Warum hat Herr Hausen eigentlich so viele Bücher zur Geschichte Thüringens geschrieben und hergestellt, wenn sie erst in knapp vier Wochen anfängt? Aber dann sehen wir endlich Licht am Ende des Tunnels. Ein Außerirdischer ist er wohl nicht, der in die Landeshauptstadt zugereiste Bodo, eher durchsichtig, weil lange geheimdienstüberwacht.
Nun stellt euch mal vor, es wird Nacht, und die Lichtmast- und Kreiselheiligen steigen zur Geisterstunde von ihren Plakaten herunter und treiben es miteinander. Nicht so, wie ihr denkt. Der Möchtegern-Ministerpräsident als Alleskönner packt Wirtschaft, Bildung, Sicherheit, Solidarität gleichsam in eine Kiste, ohne dem Wahlvolk zu verraten, was er darunter versteht. Sein Slogan endet mit der Selbstverpflichtung: „Ich bin bereit.“ So etwas Ähnliches hatten wir doch schon mal mit der Dialogformel „Für Frieden und Sozialismus „Seid bereit!“ – „Immer bereit!“ – Wirtschaft ist auch kein Problem. Wie sagte doch Tyll Necker? „Nicht jeder, der eine Wirtschaft besucht, versteht auch etwas von Wirtschaftspolitik.“ Pardon, wir wollen ja nicht gewalttätig sein, es wird sich doch eine Pfanne finden, in die man diese Typen alle hinein hauen kann. Vielleicht werden auch zwei Pfannen gebraucht, denn Fremdenfeindlichkeit und am deutschen Wesen zu genesende Volksgenossen sollten eventuell gesondert von der politischen Bühne entfernt werden, schön demokratisch. Nicht beachten und nicht wählen, das wäre unser Vorschlag.
Das wird gruselig: Wer mit wem? Ich glaube nicht, dass sich die einzige Dame diesem Treiben zugesellt. Wir kennen sie: Sie weiß, was sie will und hat vor allem eine tadellose Vergangenheit. Sie kann eine Menge, tritt für die Menschen ein und braucht keine Phrasen von links und rechts. Kristin Floßmann wird nicht Gegenstand unserer Glosse.. Übrigens, sie braucht auch für ihr Gesicht keine jugendliche Retusche und Sprechblasen wie im Comic schon gar nicht.
17. August 2014
Pazifismus ist die falsche Antwort
Auch wenn unser Gedanke bei den mitlesenden „Gutmenschen“ unter größte Kritik geraten sollte und als politisch unkorrekt hingestellt wird, kritisieren wir den Pazifismus deutlich. Uns ist das reichlich egal. Wir sind der Meinung, dass die „political correctness“ und die damit manifestierten gleichförmigen Gedanken die Freiheit der Menschen wesentlich einschränken. Pazifistischen Gedankengängen gegenüber sind wir sehr skeptisch, weil in ihnen eine korrupte Moral innewohnt. Von Vertretern der nicht nachfragenden Pazifismusanhänger werden Freiheit und Gerechtigkeit verraten. Das ist oft Anlass für neue und unbeschreibbare Verbrechen. Pazifisten werden von bestimmten politischen Kreisen zu sehr vereinnahmt – vor allem, um gegen die Demokratie zu argumentieren und sich ein Wählerpotenzial zu erobern. Vor allem die LINKEN und das Bündnis 90/Die Grünen sind es, die ihre Einstellung zum Pazifismus gerne eigenartig wie ein Fähnlein im Wind drehen lassen. Die politischen Kräfte sollten den Pazifismus ernsthaft auf seinen Wahrheitsgehalt hin abklopfen. Ein solches Verhalten kann durchaus mit Selbstmordgedanken der Friedfertigkeit wegen gleichgesetzt werden. Der August 2014 und die existenziellen Konflikte in der Welt sollten die Menschen mahnen und wach werden lassen.
13. August 2014
Tilo - Allein zu Haus
Ein bitterer 13. August 2014 (an diesem Tag war doch irgendwann mal was?). So entnehme ich es der regionalen Zeitung. Und Landrat, wehe, wenn die Ferien vorbei sind, dann wirst du im Kreistag vorgeführt. Vergessen hast du ihn – und noch auf Steuerkosten – bei einer landwirtschaftlichen Begehung, ausgerechnet den besten aller besten Experten. Schäm dich! Nun grämt sich der Ausschussvorsitzende des Thüringer Landtags, du hast ihn gefälligst zu fragen, du Ignorant. Ein Aufschrei ging schon durch die Bauernschaft – sagt er, der Tilo. Wir haben mal bei bekannten Landwirten herumtelefoniert: NULL Ergebnis, niemand hat ihn vermisst. Aber, man kann sich ja auch selbst suchen und vielleicht auch finden.
Jetzt sitzt er allein zu Hause, der liebe Tilo. Er grämt sich über diese maßlose Unverfrorenheit auf Steuerkosten. Und neutral soll der Landrat sein. Jawohl! Der Bürgermeister a. D. von Hildburghausen war auch immer neutral – vor allem gegenüber der LINKEN. Der hat ohnehin zwei gleichlange Beine, besonders das LINKE.
Auch Tilo ernährt sich auf Steuerkosten. In seinem Terminplan im Internet stand nichts Bewegendes. Am Salzmarkt schraubten heute seine Kumpels, die Parteiarbeiter Rainer und Mathias – in Angedenken an die Zeit, als nicht alles schlecht war (Schöner unsere Städte und Gemeinden) – Plakate ganz in die Höhe, vermutlich zur Verbesserung der urbanen Struktur. Da hängt er nun, der liebe Tilo, und betrachtet weise seine potenziellen Wähler.
Eine Frechheit des Landrats, und sie bleibt es, auch, wenn der schwarze Landrat gar keine goldenen Zeiten verspricht. Immerhin „gedämpfte“ Veränderungen kommen von unserem Tausendsassa Bodo, der immerhin frivol zur vermutlich schwarz-halbroten Politik bemerkte: „Es muss nicht alles anders werden.“ Na, aber! Wenn schon, dann will das Volk eine klare Linie sehen und nicht nur etwas hinterher plaudern vom schönen Leben auf dieser Welt. Das klingt alles wie Murks, aber nicht wie Marx, wie schaumgebremster Sozialismus, wo doch die Väter unserer Streiter für eine gerechtere Welt agitierten: „Ohne Gott und Sonnenschein fahren wir die Ernte heim. Und wenn uns die liebe Sonne lacht, hat das die Partei gemacht.“ Das war immerhin noch eine klare Einstellung und nicht so etwas Weichgespültes und Halbgewalktes. Klassenkampf muss her!
Damit unser aller Tilo nicht in Vergessenheit gerät, blickt er jetzt – wie oben beschrieben – auf sein Wahlvolk. Wir haben es uns nicht einfach gemacht und haben im Internet nach Aktivitäten gesucht. Kein zitierbares Programm, ein geruhsamer und langweiliger Terminplan, tröge Linkverweise auf noch mehr Langweiligkeit. „Über allen Gipfeln ist Ruh.“ Wie das Temperament einer Schlaftablette. Wenn er noch mal kurz vor der Wahl – wie sein Kumpel Steffen – in den Urlaub fliegt, merkt das beinahe niemand. Sein „Anwesenheitsprogramm“, also Veranstaltungen, haben wir uns im Internet angeschaut. Unfassbar: Dafür bekommt er viel Geld. Eigentlich müsste er noch was bezahlen, denn ab und an wird er auch verköstigt. Der durchschnittliche Mensch macht so etwas mit Freude außerhalb der Arbeitszeit. Da lohnt sich auch eine Kampfkandidatur bei einem Parteitag, damit man sich die Zeit bis zur honorigen Altersrente mit den Steuergroschen etwas verkürzt.
Und so etwas spielt sich im 25. Jahr des Falles des „Antifaschistischen Schutzwalles“ ab, armes Deutschland für Nonsens pur!
6. August 2014
Harzers letzter Weisheitsschluss:
„Es ist halt so.“
Fürwahr, man muss es tatsächlich erst verdauen, und es wirkt sehr lange nach, was so mancher Protagonist der Exhumierung nach der „Enthüllung“ alles mit zweifelhaftem Mut oder Dummheit von sich gibt. Hat Herr Harzer, der das Projekt als Beschleuniger vorangetrieben hat, immer noch nicht begriffen, worum es eigentlich ging? – In „Freies Wort“ vom 30. Juli 2014 heißt es, und bislang gibt es von ihm keine Gegendarstellung: „Seinem (gemeint ist Holger
Den Wissenschaftlern ist wegen der Exhumierung und der DNA-Untersuchungen am Skelett der am Stadtberg bestatteten namenlosen Dame sicherlich kein Vorwurf zu machen. Über die Auftraggeber sollte man jedoch
29. Juli 2014
Die Plaudertasche a. D.
ist im Netz unterwegs
Auch bei Facebook kam es zu dem einen oder anderen Rededuell zum Sinn oder Unsinn der Exhumierung bzw. der DNA-Analyse der Dunkelgräfin, zu dem "Wissenschaftsprojekt", finanziert vom mdr. In unperfekter Orthografie und Grammatik bringt sich unser Dampfplauderer a. D. erneut ein und lässt sein Denken ungefiltert in die weite Welt, so richtig putzig. Uns fallen eine Analyse und ein Kommentar nicht schwer, der Text spricht für sich. Machen Sie sich selbst ein Bild von diesem Allerweltskerl und potentiellen Landtagskandidaten, der so gerne Minister sein möchte. Na, vielleicht setzt er sich noch einmal auf die Schulbank.
29. Juli 2014
Das ungelöste Rätsel von Hildburghausen
Das Diskussionsthema Nummer 1 am heutigen Dienstag ist sicherlich die mdr-Fernsehdokumentation, zu der wir uns an dieser Stelle im Detail nicht äußern. Rekapitulieren wir noch einmal: Untersucht wurde der Inhalt der Grabstätte am Hildburghäuser Hausberg. Aus dem dort liegenden Grabinhalt wurde Knochenmaterial für eine Gen-Analyse entnommen. Das Ergebnis ist negativ. Damit ist aber nicht das Rätsel gelöst worden, ob die bourbonische Königstochter in Hildburghausen oder Eishausen gelebt hatte. Auch wenn das heute in der Presse und auf der mdr-Homepage so formuliert wurde. In „Freies Wort“ heißt es auf der Titelseite: „Die Legende von Hildburghausen hat sich damit in Luft aufgelöst.“
Erinnern wir uns an den 17. April 2013, es war ein Mittwoch. An diesem Tag fand die letzte öffentliche Debatte vor dem Bürgerentscheid im Historischen Rathaus Hildburghausen mit großem Publikumsinteresse statt. Der Abend wurde vom FW-Feuilletonredakteur Peter Lauterbach moderiert. Hans-Jürgen Salier argumentierte mit einigen Beispielen, dass er nicht davon ausgehe, dass die Königstochter in dem Grab am Stadtberg liege. Die Exhumierungsbefürworter belächelten ihn, ohne Kenntnisse in der Sache zu haben. Der stellv. Chefredakteur Markus Ermert schrieb am 19. April 2013 zusammenfassend:
„Aber wer weiß, was dort unten im Boden liegt“, nennt Hans-Jürgen Salier ein weiteres Argument gegen die Öffnung. Schließlich habe man weit über 100 Jahre lang Zeit gehabt, sich an dem Grab zu bedienen. Saliers Frankenschwelle-Verlag hatte den – zu DDR-Zeiten meist verschwiegenen – Dunkelgräfin-Mythos erst wieder ins Südthüringer Bewusstsein gebracht. Nach jahrelangen Forschungen und eigens organisierten „Dunkelgräfin-Symposien“ [Hauptorganisatorin war Helga Rühle von Lilienstern, HJS] hält es der Verleger anders als die meisten anderen Gegner der Ausgrabung – inzwischen für unwahrscheinlich, dass es sich bei der Dame um die Königstochter handelt. „Schon, weil ihr Begleiter van der Valck so viele andere falsche Fährten gelegt hat.“ Und so kontert Salier das Ansinnen der MDR-Leute aus der Dunkelgrafen-Forschung: „Sie wollen im Prinzip das selbe machen, was wir bereits getan haben.“ …
Wir sind keine Ignoranten und auch keine Möchtegernmythenerzähler, sondern ernsthaft denkende Menschen. Wir kommen zu dem Ergebnis:
Das Rätsel von Hildburghausen bleibt bestehen, auch wenn am 28. Juli 2014 die Weichen anders gestellt wurden. Und die Gegner der Exhumierung, egal aus welchen Gründen sie sich so entschieden haben, müssen sich nicht rechtfertigen und schon gar nicht hämisch beäugen lassen.
Den bisherigen Kommentatoren auf den beiden Homepageswww.dunkelgraefinhbn.de und www.schildburghausen.de danken wir im Interesse der Sache sehr herzlich.
27. Juli 2014
Ihnen verdanken wir die Publikation
um das Geheimnis der Dunkelgräfin
Helga Rühle von Lilienstern (1912 – 2013) und Hans-Jürgen Salier (* 1944)
auf dem 7. Symposium „Dunkelgraf und Dunkelgräfin“, 2007 in Hildburghausen
Foto: Bastian Salier
In ihren beiden Büchern „Das große Geheimnis von Hildburghausen“ (2008, 2012) schrieben Helga Rühle von Lilienstern und Hans-Jürgen Salier
„An Stelle eines Nachworts“:
Die Geschichte der Dunkelgräfin von Hildburghausen und Eishausen ist kein Mythos, keine Story und auch kein zu konservierendes Geheimnis zugunsten eines Nimbus, sondern ein politisches Drama von europäischem Ausmaß und menschlicher Tragik, aber auch von erhabener Menschlichkeit.
Der große französische Romancier Honoré de Balzac schrieb:
„l y a deux histoires, l’histoire, menteuse, qu’on enseigne, l’histoire ad usum Delphini: puis, L’histoire ecrète, ou sont les veritables causes des événements, une histoire honteuse …
Übersetzung:
Es gibt zwei Arten der Weltgeschichte. Die eine ist die offizielle, verlogene, für den Schulunterricht bestimmte, die Geschichte ad usum Delphini. Die andere ist die geheime Geschichte, welche die wahren Ursachen der Ereignisse birgt, aber auch die Schändlichkeiten …
Geben wir das Geheimnis den nachfolgenden Generationen weiter.
24. Juli 2014
Virtual love day - ich bin perplex
Liebe wird schon dem ungeborenen Kind zuteil, denn "Ausgangspunkt" ist zumeist die Liebe. Man fühlt das auch sehr deutlich als Kind und merkt, wenn die Liebe eines Familienmitglieds nicht vorhanden ist. Liebe gibt man auch als Kind weiter. Unser Jean Paul sagte: "Mit einer Kindheit voll Liebe aber kann man ein halbes Leben hindurch für die kalte Welt haushalten." Das ist unendlich schön. Dicke Bücher wurden schon geschrieben und unendlich viele kommen noch hinzu.. Und später in der DDR kam die höchste Form der Liebe ins Spiel, nämlich die Liebe zur Sowjetunion, das war sozialistische Staatsdoktrin, denn die Sozialisten liebten schon immer die Menschen. Aber Spaß beiseite. Wir wissen alle, ohne Liebe gibt es kein Leben. Die Liebe ist die Triebkraft unseres Lebens. - Am Ende des heutigen Tages stelle ich fest, dass mir eine Form der Liebe gänzlich entgangen ist, der 24. Juli 2014, die von 2015 und 2016 kommen noch ... Das ist der Virtual love day, der Tag der virtuellen Liebe. Das wussten Sie noch nicht? Und trotzdem habe ich meine Liebe heute nicht in den Warenkorb gelegt, damit ich nach dem EU-Rückgaberecht sie nicht umtauschen muss. Also, der 24. Juli 2014 war ein ganz normaler Tag, mit dem Virtual Love Day hat niemand was verpasst, höchstens die Händler- und Verkäuferschar den Umsatz für die obligaten "Aufmerksamkeiten", wie für die zig anderen "Aufmerksamtage" des Jahres auch.
22.Juli 2014
Marie Thérèse Charlotte von Frankreich soll vermutlich nach Wunsch des mdr"Germanys next Topmodell" werden. Na, wie unsäglich würde sich die Königstochter freuen, wenn sie dieses TV-Highlight erleben könnte oder nur davon wüsste. Und der Bürgermeister a. D. freut sich, er muss ja nun kein Grab mehr mit seinem Körper beschützen. Und die letzten Stadträte erst, die öfter mal eine andere Meinung zu diesem Thema haben, der mdr und die braven Hildburghäuser, die in vergangenen Zeiten in der Mehrzahl der Obrigkeit Treue bekannten, auch wenn es hin und wieder mal in andere Richtungen ging.
Die, die die Wahrheit schon lange kannten, werden in Vergessenheit geraten. Gut so! Neue Ufer erwarten uns. Ab dem heutigen Mittwoch werden wir noch fünfmal wach, dann ist alles unter Dach und Fach. Adieu, Geheimnis oder Rätsel von Hildburghausen und Eishausen. Der staunenden Welt wird zu beinahe nachtschlafender Zeit, es soll ja auch nicht wie eine Peepshow aussehen, des Rätsels Lösung mitgeteilt. Am gestrigen 22. Juli hatte man, überall, wo mdr draufstand, für die Sendung geworben. Werben im Sommer, aber ein Sommerloch haben wir doch nicht, es gibt doch ganz andere Fragen in der Welt, oder interessieren Krieg und Frieden nicht mehr? Uns geht es gut. Und wenn wir die Wahrheit kennen, sind wir endlich frei, frei von Unwissenheit.
Nach des Rätsels Lösung kommt die Vermarktung nach der begonnenen Vermarktung. Hatte die Bürgerinitiative gegen die Exhumierung der Dunkelgräfin nicht Respektverlangt?
Marie Thérèse Charlotte von Frankreich – unsere Madame Royale – ist kein Markenprodukt.
4. Juli 2014
4-2-4-4-8-11-16 oder DBDDHKP oder …
In meiner Namenssymbolik kommen die beiden Ziffern 18 und 81 oft vor. Wenn ich es recht bedenke, die 18 könnte stehen für den ersten Buchstaben des Alphabets und die Acht für den achten, bei 81 …, aber das Spiel haben Sie längst durchschaut. Wenn ich nun auf dem Markt sitze und Eiskaffee trinke oder
4. Juli 2014
Der Mann ohne Erinnerungsvermögen
Gestern (Donnerstag, 03.07.2014) war in „Freies Wort“ zu lesen, dass der Vorsitzende der Kreistagsfraktion „DIE LINKE. – Bündnis 90/Die Grünen“, Steffen Harzer (Diese gewöhnungsbedürftige Konstellation muss man sich auf der Zunge zergehen lassen), in den 6. Kreistag den Antrag einbrachte, einen Kreistagspräsidenten (Sitzungspräsidenten) zu etablieren. Dieser moderiere den Sitzungsverlauf und trage zur Versachlichung der Debatte bei. Mit 12 : 26 Stimmen wurde der Antrag mehr als deutlich demokratisch abgelehnt. Die SPD war noch auf der Linken-Seite zugange.
Der Schreiber dieser Zeilen hat es im Stadtrat Hildburghausen vor vielen Jahren erlebt (Protokolle und Presseberichte liegen vor), dass Ähnliches von CDU/FDP und Freie Wähler für den Stadtrat eingebracht wurde. Von Harzer (Bürgermeister und Versammlungsleiter) sowie seinen Parteigängern und Unterstützern wurde der Antrag vehement abgelehnt, ein oder zwei Stimmen fehlten.
Der Manager Manfred von Brauchitsch, im Umgang mit Politikern geübt, sagte: „Es gehört zu den Merkmalen eines Politikers, sich grundsätzlich an nichts erinnern zu können.“
30. Juni 2014
Schöne Nach-Urlaubsansichten und die Waldschlösschenbrücke
Rückreise aus dem Urlaub. Die Temperaturen halten sich in Grenzen. Zwischenstopp in Dresden, in der Schönen, in Elbflorenz. Lange waren wir nicht mehr hier. Eine kleine Aufwartung wollen wir Sachsens geschichtsträchtiger Hauptstadt machen und den wunderbaren Canaletto-Blick genießen, das einzigartige Elbufer. In wenigen Stunden vom 13. bis 15. Februar 1945 wurde dort in einigen Bomberwellen nicht nur die in vielen Jahrhunderten gewachsene und vielleicht schönste deutsche Stadt Deutschlands von Bomberstaffeln der Royal Air Force und der United States Army Air Forces zerstört. Zehntausende Menschen starben qualvoll, vor knapp siebzig Jahren. – Inzwischen gibt die sächsische Metropole mit gewaltigem Fleiß optisch viel her. Blühende Landschaften. Da fällt mir die Waldschlösschenbrücke ein. Mein Gott, welch ein geistloser rechthaberischer Streitzirkus? Die Medien und viele Menschen, die teils gar nicht wussten, worum es eigentlich ging, eifern noch heute – wie üblich in Deutschland. Die Elbtalbrücke war „Grund“, dass die UNESCO dem Dresdner Elbtal den Welterbetitel aberkannt hat. In Lager für ein Gegen und Wider ordnete man sich ein, geistig initiiert von der Weltquasselbude in New York. Eine Blamage für Deutschland soll das gewesen sein? Hat die Welt sonst keine Probleme? Kultur gehört zu meinen Herzschlägen, und ich genieße heute Dresden mit der gelungenen Waldschlösschenbrücke. Eine Blamage sehe ich nicht. Brücken verbinden Menschen, Brücken erhalten Leben. Scheinheilige Kultureiferer. Was da an unsinnigen Dingen auf die Agenda gesetzt wird. Meine Boshaftigkeiten lasse ich mir nicht nehmen: Vielleicht kommt einer dieser Kulturgläubigen noch auf die Idee, die viele Jahrhunderte praktizierte Klitorisbeschneidung auch als Welterbe einzuordnen, weil heute 140 Millionen Mädchen und Frauen leiden und diese Unmenschlichkeit zur Kultur und Tradition einiger Völker gehört.
Übrigens, womit frankieren wir unsere letzten Urlaubspostkarten? Mit den 45-Cent-Werten der Deutschen Post, die das Dresdner Elbpanorama zeigen.
30. Juni 2014
Unterricht – Das war doch mehr?
Mit 70+ ist es mehr als eine Bestätigung, wenn ehemalige Schüler auf ihren Lehrer zukommen und ihm sagen, dass sie den Unterricht prima, oft spannend und prägend empfanden und dafür ehrlich danken.
Heute müsste ich mich nach der Zeitenmode outen und vermutlich meine eigene Entlassung einleiten: Frontalunterricht, Autorität, Disziplin und Ordnung, teils Missachtung der faden ideologiegetränkten Lehrpläne, Lernerfolg. Ein Wissensvorsprung des Lehrers ist heute kaum noch gefragt, denn er verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es ist wichtig, dass alle sprechen und keiner mehr zuhört – wie bei einem schlechten TV-Talk. Nur gut, dass ich mir sicher bin, dass die gegenwärtigen pädagogischen Hirngespinste und die falsch verstandene Demokratie in der Schule keiner erfolgreichen Gesellschaft förderlich ist.
Wer legt eigentlich fest, wie „modern“ Pädagogik ist?
Wie diffus sind solche Begriffe wie soziale Kompetenz, Inklusion, gemeinsames Lernen? Wie lange wirken denn die Spinnereien der Achtundsechziger noch nach? Will man die Welt neu erfinden?
Kinder brauchen Liebe, Zuneigung und Aufmerksamkeit, aber auch klare Regeln, Vorbilder, vor allem ihre Eltern, intakte Familien, Vertrauen und Verantwortung. Mein Geständnis: Ich bin altmodisch, und das will ich gerne bleiben!
Wie sagte doch Jean Paul, der auch in Hildburghausen wirkende Literaturstar und Bestsellerautor des beginnenden 19. Jahrhunderts:
„Schaffet die vielen Tränen der Kinder ab!
Langes Regnen ist den Blüten schädlich.“
25. Juni 2014
Hundekacke des Mopsgedackeltenwindhundspinschers
Ein wenig böse hatte ich letzte Woche geguckt. Ein Bekannter bemerkte hochnäsig: „Wen es in Hildburghausen mit der vielen Hundekacke gefällt, dem gefällt es womöglich an jedem anderen Platz in der weiten Welt.“ – Nein, Hildburghausen gefällt mir schon ganz gut, ohne Hundekacke noch viel besser. Vor Pfingsten, die Anwesen wurden mit Besen, Unkrautbrenner für die Fugen, Rasenmäher, Heckenschere auf Vordermann gebracht, spazierte ein etwas älterer Mitbürger mit seinem Mopsgedackeltenwindhundspinscher just vor das Hauseingangstor und ließ den getreuen Menschengefährten die „Notdurft“ verrichten, öffentlich sozusagen … Das Herrchen lief seelenruhig weiter, vermutlich war damit der Spazierauftrag erfüllt. Da war er an die richtige Adresse gekommen. Nicht nur Maulaffen hielt ich feil, sondern rief mit bekannter Lautstärke: „Sag’ mal, spinnst du. Was machst du, wenn ich vor deinem Haus einen Haufen hinscheiße?“ – „Dann zeige ich dich an.“ Ich ärgerte mich – über mich selbst. Zu Hammurapis Zeiten vor knapp viertausend Jahren hat man solche Probleme mit „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ gelöst. In unserer demokratisierten Gesellschaft mit dem ausgeprägten Gutmenschentum geht das wohl nicht. Da droht jeder jedem mindestens mit einem Rechtsanwalt. – Vorschlag: Machen wir doch den Gentest! Wenn man alte Knochen ausbuddeln kann, geht das doch sicherlich auch mit frischer und dampfender Hundekacke. Da wird eine wunderbare Kackedatei angelegt. Ein wenig Computer-Technik ist gefragt. Ob wir da in Hildburghausen eines großen Beraterstabs bedürfen, ist fraglich. Gemacht hat das ja noch niemand. Auf alle Fälle benötigen wir keinen Staatsschutz, keine verdeckten Ermittler, wagemutig anschleichen wie dermaleinst Louis de Funès bei der Eroberung eines FKK-Strands muss auch niemand. Das machen höchst offiziell die Mitarbeiter des Ordnungsamts. Auf die Kackeprobe kommt es an. Hoffentlich stößt das nicht wieder auf unüberwindliche EU-Normen, oder ein politisches Spinnerchen hat mit verbissenem Gesicht etwas dagegen. Die Ganzheitstierliebhaber irgendeiner Naturschutzvereinigung haben zwar Erfahrung in Sachen Baustopp irgendwelcher Autobahnen, weil ein Teichmolch vermutet wird, laichende Kröten nicht gestört werden dürfen oder die gestressten Bürger vom hübschen Gesang der Blaukehlchen entzückt sind. Tja, Menschen sind manchmal schon reichlich unwichtig. Das Tier ist eben der bessere Mensch. – Nein, es geht um Hundekacke, die inzwischen in Hildburghausen salonfähig ist, zum Straßen- und Wegebild gehört, auch wenn sie bei Google noch nicht im Detail aufgezeichnet ist. Ob es am Datenschutz oder an der Ausspähung der Amis liegt, kann ich technisch nicht beurteilen. Eine mit der Spachtel hantierende Politesse oder ein männlicher Ordnungsamtshüter könnten sich infizieren ... Und die restliche Einwohnerschaft, auch Kinder leben unter uns?
Der zu „untersuchende Vorgang“ ist selbstverständlich etwas komplizierter und arbeitsintensiver als das Knöllchenschreiben, aber eben auch finanziell ergiebiger. Das gilt aber nicht nur für Einheimische, sondern auch für vierbeinige Touristen. Rabatte wie im Basar und nun auch in Deutschland üblich, gibt es nicht. Da ist nichts verhandelbar. Kacke ist Kacke. Damit es sich so richtig lohnt, addieren wir noch das Bußgeld. Das könnte eine Einnahmequelle sein. Hildburghausen gewinnt an Sauberkeit und erzeugt Unzufriedenheit bei uneinsichtigen Hundehaltern. Die Stadtkämmerin wiederum freut es. Warum muss sich denn eigentlich immer die Mehrheit einer Minderheit beugen? Und im Schlosspark und anderswo in Hildburghausen könnte man sich auch wieder wohler fühlen.
24. Juni 2014
Zwischen zwei Fußballspielen zum „Wohlsein“ nachgedacht
In Deutschland wird jeden Tag ein anderes Schwein durchs Dorf gejagt und wochenlang wird den gutgläubigen Kunden zum Beispiel das Essen vergällt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass viele der griesgrämigen Deutschen jeden Tag ihre Negativschlagzeilen brauchen, die geistig Anspruchsloseren die berühmte ausgeschlachtete Nullmeldung, nichtssagend wie die Soap-Operas und das möglichst täglich als „daily soap“, so richtig aus dem Leben gegriffen. Dann haben auch Christiansen, Illner, Jauch, Lanz, Maischberger, Plasberg und wie sie sonst noch alle heißen, die mit den Kampagnen nach den Schlagzeilenmeldungen ihr reichliches Auskommen haben. Nicht zu vergessen ist die Armee der unermüdlichen Leserbriefschreiber. Endlich Demokratie, freie Meinungsäußerung. Da kommt man tatsächlich nicht auf die Idee, etwas Positives zu denken.
Viele meiner Zeitgenossen kommen ins Grübeln, wenn sie auf die Frage, wie es mir gehe, die Antwort bekommen: „Ausgezeichnet!“ Man hat doch gefälligst in Deutschland zu jammern und zu meckern. Wenn man schon nicht krank ist, muss man doch wohl auf die Ärzte, Apotheker und das geldintensivste und beste Gesundheits- und Sozialsystem der Welt schimpfen. Und im Übrigen sind die da oben und die Merkel für alles verantwortlich und an allem Schuld. Das hält die Nation zusammen, das ist Solidarität und mehr als ein Nationalsport. Oft stelle ich mir die Frage, wie die Vorfahren im 20. Jahrhundert nach den großen Menschheitskatastrophen für den Wiederaufbau motiviert wurden oder den Mut fanden, Kinder in die Welt zu setzen.
Nach Ende der geplatzten Ernährungskampagnen bleiben meist nur ein paar Zeitungszeilen mit dem Hinweis, dass nichts daran war. Aber bis dahin hat man Zehntausende Tiere getötet, keulen nennt man das vernebelnd. Tausende Tonnen guter Lebensmittel werden vernichtet oder ganze Landstriche arbeitslos gemacht. Für mich bleibt die Frage, in welche Richtung die menschliche Dummheit noch mutieren kann. Selten haben solche Medienmeldungen endgültigen Bestand, niemand nimmt noch wirklich wahr, dass es nicht Schweine waren, die durchs Dorf gejagt wurden, sondern Medien-Enten, Verordnungen und, und, und, angezettelt durch „Mitbewerber“, stramme eifrige Staatslenker und buchstabentreue ausführende Bedienstete oder eilfertige Journalisten und aufgesogen von missmutigen Menschen, die von den Dingen nicht viel wissen, aber berufen sind, alles zu kommentieren. Und so ist es allüberall in unserem furchtbar schrecklichen Leben und in unserem nicht lebenswerten Land.
Über Fußball kein Wort. Ich genieße täglich drei Spiele und gehöre nicht zu den mindestens 40 Millionen in Deutschland lebenden Nationaltrainern. Fußball wünsche ich mir wie das Leben als Leistung und nicht als Maulheldentum.
19. Juni 2014
Ergebnisse der Exhumierung der „Dunkelgräfin“
Das Landesfunkhaus Thüringen teilte in einem Schreiben der Abteilung Presse-Öffentlichkeitsarbeit am16.06.2014 mit, dass am 28. Juli 2014, um 22.05 Uhr, der Mitteldeutsche Rundfunk den Film zu den Ergebnissen der Exhumierung des Dunkelgräfinnengrabes am Hildburghäuser Stadtberg und zu den nachfolgenden anthropologischen Untersuchungen veröffentlicht. Der Dokumentarfilm kann zeitgleich auch auf Großleinwand im Stadttheater Hildburghausen verfolgt werden. Der Eintritt ist frei.
Die Dreharbeiten sind abgeschlossen. Die Drehorte neben Hildburghausen und Eishausen waren u. a. im Kloster Kostanjevica mit der Grablege der Habsburger in Nova Gorica (Slowenien), in Wien, in Paris und Amsterdam. Für die Darstellung des Lebens des Dunkelgrafenpaares im Eishäuser Schloss wurden die Räumlichkeiten des Schlosses Molsdorf bei Erfurt angemietet.
17. Juni 2014
Ernesto „Che“ Guevara
Am Sonntag besuchte ich ein Volksfest in Südthüringen. Auffällig war, dass eine überdurchschnittliche Anzahl jüngerer Leute T-Shirts mit dem Bildnis Ches, einige mit Leninbildern und DDR-Emblemen, trugen. Das waren sicherlich keine Anhänger der rechten Szene und das ist alles erlaubt. Ins Grübeln kam ich, dass der „größte Popstar des Weltgeschehens“ vor einem halben Jahrhundert noch heute gefragt ist. Er war bekanntlich nicht nur ein revolutionärer Träumer, sondern um der Wahrheit die Ehre zu geben, ein unberechenbarer Terrorist, der den Dritten Weltkrieg zur „Befreiung der Menschheit“ herbeibomben wollte. Die lieben Gutmenschen, Pazifisten und die Sozialismusgläubigen verehren ihn bis heute gottähnlich, tragen sein Konterfei auf Kleidungsstücken und Kopfbedeckungen, Bilder hängen in Parteibüros oder in Jugendzimmern. Man findet sein Porträt mit klassenkämpferischen Parolen auf Fallrohren, Verkehrsschildern, überall dort, wo man mit wenig Aufwand viel verschandeln kann, um revolutionäre Signale in die kleine Welt zu senden. In Hildburghausen liest man seine Zitate auch mal in einer Theaterschrift oder sieht sein Bildnis in einer Gaststätte der Innenstadt. Die Welt ist bunt, prima. Es bleibt Dekor – das Symbol der Popkultur für rebellischen Individualismus. Diese DDR-Heiligkeit hat inzwischen beinahe längst Tamara Bunke Bider (1937 – 1967), die Geliebte Ches, Mitglied des Guerillakommandos, erlangt, „Tania la Guerillera“, wie sie in der linksrevolutionären Welt schwärmerisch verehrt wird. Nachdenklich stimmt mich, dass der sechsundachtzigjährige Hans Modrow, ehemaliger Ehrenvorsitzender der Partei DIE LINKE, Stoph-Nachfolger als DDR-Ministerpräsident und vorher SED-Bezirksfürst in Dresden, am 13. Februar 2014 in Kuba im Auftrag der deutschen Solidaritätsorganisation „Cuba si“Nachlass-Material in Havanna überbrachte. Die Internationalistin, wie es im „Linken-Deutsch“ heißt, wird vier Wochen vor dem Tod „Ches“ in einem Gefecht in Bolivien erschossen. Was? Sie kennen die seit 1952 in der DDR aufgewachsene und ausgebildete argentinisch-deutsche Befreiungskämpferin nicht? In mehrere Geheimdienste ist sie verstrickt, MfS und KGB waren selbstverständlich auch dabei. Und reichlich umstritten ist sie. „Spannende“ Bücher gibt es und Filme – mit sehr viel Fantasie, teils so richtiger sozialistischer Edelkitsch. Die Wahrheiten bleiben meist irgendwo in den Kulissen hängen. In der untergegangenen DDR trugen immerhin etwa 200 Institutionen, Schulen und Kindergärten den Namen der Guerilla-Kämpferin. Modrow beklagte sich in Havanna, dass nach der Wiedervereinigung viele dieser Namen geändert worden seien, „weil die Bundesrepublik ihrem Andenken keinen Raum mehr geben wollte“. Die Bundesrepublik, Herr Modrow, das ist doch mal wieder die halbe Wahrheit? Er und seine Parteigänger oder sonst wer dürfen doch unbehelligt das Erbe pflegen und es werden keine Repressalien gegen ihn ausgeübt. Er darf sogar nach Havanna fliegen. Als er noch in der DDR im Elbtal an der Macht war, durfte ich das nicht. Da gab es nämlich eine Zwischenlandung in Gander/Neufundland, und der Flughafen liegt bekanntlich in Kanada. Da stand wegen Republikfluchtgefahr jeder ordentliche DDR-Bürger unter Generalverdacht, auch wenn er seine Familie als Pfand in der Friedens-DDR zurückließ. Das war beinahe so schlimm wie ein Gewaltverbrechen. – Für mich sind diese beiden Freiheitshelden keine Vorbilder. Warum sich die Jugendlichen mit Che schmücken, die ich am Sonntag so ausgestattet sah, kann ich nicht sagen. Mode allein ist es nicht. – Aber, es ist doch jetzt schön zu wissen, dass die linken Parteigänger dorthin reisen können, wohin sie wollen und auch mal Halbwahrheiten ungestraft erzählen können und mit ihrem partiellen Denken mächtig auf demokratische Vorgehensweisen achten. – Ein wunderbares Ereignis gab es noch: In der Gedenkstätte „Point Alpha“ erhielt am Sonntag Miklós Németh, der einstige ungarische Ministerpräsident den „Point-Alpha-Preis“. Der Politiker verantwortete den Abbau der mörderischen Grenzsperranlagen, der den Kontinent Europa trennte. Eine kluge Entscheidung für einen Helden der europäischen Freiheitsrevolution von 1989/90.
13. Juni 2014
Eine Lösung für die Wirtschaftsprobleme dieser Welt
Jacques Tati (eigtl. Jacques Tatischeff, 1907 - 1982), der große französische Drehbuchautor, Schauspieler und Regisseur) sagte, dass es einen Weg gäbe, sämtliche Wirtschaftsprobleme zu lösen. Man müsste nur die Selbstgefälligkeit steuerpflichtig machen.
Schildburg & Hausen sagen dazu, dann könnten wir so manchen Ärger unkommentiert liegen lassen.
10. Juni 2014
Ganz schön geschwitzt hat die Nation zum lieblichen Pfingstfest. Die tolle Natur haben wir auf unserer Fahrt quer durch Deutschland bewundert. Grün über grün, ein kerngesundes und einzigartiges Land. Nach Grünen-Meinung zum ausgehenden Jahrtausend hätte das alles bis zum Jahr 2014 schon verschwunden sein müssen, war also prognostisch gestorben. Krank, chemieverseucht, ökologischer Supergau (nicht nur Gau). Apokalypse! So argumentieren sie heute noch landauf und landab, und jetzt wollen sie auch noch ROT werden, die GRÜNEN und mit den ROTEN und HALBROTEN in Thüringen regieren. Eines haben wir gesehen, und in Hildburghausen mussten wir es auch schon bitter erfahren, dass man mit geringen Mitteln mit Photovoltaikplatten die Natur reichlich verschandeln und der Wirtschaft wichtiges Industriegelände entziehen kann. Dieser Unsinn wird gefördert von der EU und teueren Steuer-EUROS des kleinen Mannes. Über den einen oder anderen abgeschlossenen Vertrag in der Harzer-Regentschaft wollen wir heute nicht lamentieren. Das wird irgendwann ein weiteres Thema sein. Und einzigartig schön sind die Windräder, die täglich tausende Vögel in den Vogelhimmel befördern oder die auch hin und wieder mal umkippen. Zum Glück blieb der Landkreis wenigstens davon weitestgehend verschont. Diese Art der Energiewende ist der irrationalste, teuerste und sicherste Weg in die Dunkelheit. Diese potenzierte Dummheit geht momentan durch beinahe alle um die Macht ringenden Parteien. Unehrlichkeit wird zur Charakterstärke und Wahrheit ist nicht erwünscht. Diese Art Aktivisten weiß, dass die alternativen Energien in Wahlprogramme mit geschliffener Wortwahl eingebracht werden müssen, ansonsten verliert man Wählerstimmen. So manchem Möchtegernpolitiker oder Hinterbänkler entzieht man ansonsten die finanzielle Grundlage, die erfahrungsgemäß weit über die soziale Grundsicherung hinausgeht. Und da wird geheuchelt, dass es auf keine Kuhhaut mehr geht. Selbst die obskure DDR wäre bei allem Widersinn nie auf die Idee gekommen, solche Geldverbrennungsmaschinen zu bauen. Vielleicht fehlte ihr auch das Geld, denn keine menschliche Torheit war ihr ansonsten fremd. Noch heute ist mit den Grundrechenarten unschwer festzustellen, dass es auf dem Gebiet der Ex-DDR, dem wirtschaftlich höchst geförderten Gebiet der Welt, im Verhältnis nicht mehr Wachstum gibt als in manchen Entwicklungsländern. Andererseits aber steigt die Nörgelei exorbitant. An welchen Rattenfängern mag das wohl liegen?
26. Mai 2014
Wahlergebnisse Stadtratswahl vom 25.05.2014
2014xxxxxxxxxxxxxxxxxxx | 2009xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx | Vergleichxxxxxxxxx |
Prozent Sitze | Prozent Sitze | Prozent Sitze |
CDU 38,2 9 | 13,6 3 | +24,6 +6 |
DIE LINKE 24,3 6 | 35,1 8 | -10,8 -2 |
SPD 10,1 2 | 11,1 3 | -1,0 -1 |
Freie Wähler 10,9 3 | 16,9 4 | -6,0 -1 |
Feuerwehr 12,4 3 | 15,2 4 | -2,8 -1 |
BZH 4,1 1 | - - | +4,1 +1 |
Bürgerunion - - | 8,2 2 | - - |
Wahlberechtigte 41,8% 46,6% -4,8%
Wahlberechtigte 9861 10212 -351
Wähler 4125 4626 -501
Nr. | Wahlvorschlag » Langname |
2014 | |||||
Stimmen | Sitze | % | Stimmenverteilung | ||||
1 | |||||||
2 | |||||||
3 | |||||||
4 | |||||||
5 | |||||||
6 | 498 |
Wahlergebnisse Kreistagswahl vom 25.05.2014
Wahlberechtigte 52,6%
Wahlberechtigte 55420
Wähler 29163
Nr. | Wahlvorschlag » Langname |
2014 | 2009 | Gewinn/Verlust 2014 zu 2009 | ||||||||||
Stimmen | Sitze | % | Stimmenverteilung | Sitze | % | Prozentpunkte | ||||||||
1 | ||||||||||||||
2 | ||||||||||||||
3 | ||||||||||||||
4 | ||||||||||||||
5 | ||||||||||||||
6 | ||||||||||||||
7 | ||||||||||||||
18. Mai 2014
Schnappschüsse zum 1. Schlossparkfest
11. Mai 2014
Aus aktuellem Anlass haben wir begonnen, eine Seite "Der Schlossgarten zu Hildburghausen" zusammenzustellen, die ständig mit interessantem Material erweitert wird. Wir freuen uns auch auf Anregungen, Texte und Abbildungen unserer Leser. Selten befand sich unser Schlosspark in einem schlechteren Zustand als heute. Die vergangene Politik der Stadt hinterließ ihre Spuren. Mit unserer Seite zeigen wir die historische Entstehung und Entwicklung des Schlossparks. Gleichzeitig hoffen wir damit Anregungen zu schaffen. Wir wünschen uns eine "Wiederbelebung" der großartigen Einrichtung. Wir wünschen uns ein Vorzeigeobjekt für unsere Gäste, vor allem aber auch eine Einrichtung zur Freizeitgestaltung und Erholung der Bürger der Kreisstadt Hildburghausen. Wir freuen uns auf Ihr Mittun, Ihre Ideen und Ihre Hilfe.
Der Schlossgarten zu Hildburghausen
17. April 2014
Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern erholsame Osterfeiertage!
Besuchen Sie unsere Seite "Friedliche Revolution", die nun bis zum Tag der Deutschen Einheit vervollständigt wurde. Zur Erinnerung an dieses historische Ereignis vor 25 Jahren haben wir das schönste Jahr der DDR-Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Ereignisse und Hintergründe im Grenzkreis Hildburghausen für Sie zusammengefasst.
Friedliche Revolution 1989
Oktober 1989
November 1989
Dezember 1989
Januar 1990
Februar 1990
März - Oktober 1990
10. April 2014
Machen Sie mit uns eine Reise in die Kaiserzeit oder auch die „Wilhelminische“, wie sie nach dem letzten Kaiser, Wilhelm II., kurz genannt wird, die Zeit der Jugend von Else Wienbeck "HILDBURGHAUSEN - Vor der Jahrhundertwende". Der Text wird mit historischen Abbildungen aus der Zeit der Wende zum 20. Jahrhundert begleitet.
Hildburghausen - Vor der Jahrhundertwende
01. Apil 2014
Unsere Seite "Friedliche Revolution 1989" wurde jetzt bis Februar 1990 erweitert.
Das schönste Jahr der DDR-Geschichte
September 1989 bis 3. Oktober 1990
Von „Happy birthday, Polizeistaat“ bis
„Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland!“
September 1989
Oktober 1989
November 1989
Dezember 1989
23. März 2014
Heute Stichwahl der Stadt Hildburghausen
Bürgermeisterwahl 2014 - Stichwahl - vorläufiges Wahlergebnis:
Wahlvorschlag | Stimmen | in % |
CDU, Holger Obst | 2507 | 61,86 |
DIE LINKE, Olaf Jaenicke | 1546 | 38,14 |
15. März 2014
Unsere Seite "Friedliche Revolution 1989" wurde um den Dezember 1989 erweitert.
Das schönste Jahr der DDR-Geschichte
September 1989 bis 3. Oktober 1990
Von „Happy birthday, Polizeistaat“ bis
„Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland!“
September 1989
Oktober 1989
November 1989
Dezember 1989
09. März 2014
Heute Bürgermeisterwahl der Stadt Hildburghausen
Link: Aktuelles Wahlergebnis
Vorläufiges Wahlergebnis, Stand 9.3.2014, 19:09:
Wahlvorschlag | Stimmen | in % |
---|---|---|
CDU, Holger Obst | 2204 | 46,90 |
DIE LINKE, Olaf Jaenicke | 1310 | 27,88 |
SPD, André Hanuschek | 546 | 11,62 |
Freie Wähler, Norbert Weichler | 427 | 9,09 |
Einzelbewerber, Tobias Wenz | 212 | 4,51 |
07. März 2014
Information des Medienzentrums Henneberger Land
Sehr geehrte Damen und Herren,
unseren TV-Bericht über die Bürgermeisterwahl in Hildburghausen finden Sie unter Deutschland Today http://www.dtoday.de/suche_cosearch,B%C3%BCrgermeisterwahl.html
und ab Montag in wesentlich höherer Auflösung auch unter
www.landfunk9.de. Bitte informieren Sie auch alle Beteiligten.
Freundliche Grüße,
Ihr Medienzentrum Henneberger Land
24. Februar 2014
Wir präsentieren eine neue Seite:
Das schönste Jahr der DDR-Geschichte
September 1989 bis 3. Oktober 1990
Von „Happy birthday, Polizeistaat“ bis
„Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland!“
Mit besonderer Berücksichtigung der Ereignisse und Hintergründe im Grenzkreis Hildburghausen
24. Februar 2014
Gerhard Steiner
Küche, Kinder, Kontor und Klassiker
Minna Meyer
22. Februar 2014
Das Geheimnis um die Dunkelgräfin
Eine Deutschlandrundfahrt von Michael Frantzen
21. Februar 2014
Liebe Leser und Leserinnen,
morgen Samstag, den 22. Februar 2014 läuft auf Deutschlandradio Kultur (UKW 94,2) in der Zeit von 15.05 – 16.00 Uhr ein Feature über Hildburghausen und die Dunkelgräfin. Es wird sicher interessant.
21. Januar 2014
Sehr geehrter Herr Bürgermeister in spe,
seit mehr als einem Jahr betreiben wir eine nichtkommerzielle Internetseite, die aus der Zeit der Bürgerinitiative „Gegen die Exhumierung der Dunkelgräfin“ stammt und inzwischen zu einer durchaus wichtigen Adresse für Hildburghausen-Liebhaber geworden ist. Ob wir die Nummer EINS sind, haben unsere User längst entschieden. Geschichte und Kultur sind unsere wichtigsten Themen, aber auch Literarisches, Biografien, Kochrezepte und Plaudereien des HJS, Mundart, historische Bilder und, und, und. Der Hildburghäuser Klick-Hit ist die Satire-Seite Schildburghausen mit den beiden Hildburghäusern Frau Schildburg und Herr Hausen.Natürlich werden Frau Schildburg und Herr Hausen auch den Wahlkampf um den Bürgermeistersessel begleiten und die Kandidaten nicht aus den Augen verlieren. Vorab haben sie Fragen an die vermeintlichen Stadtchefs, die sie in den Wahlkampfprogrammen oder in Statements noch nicht gefunden haben. Die beiden respektlosen Personen sind immer neugierig und bitten Sie in heimatlicher Verbundenheit, ehrliche und klare Antworten zu geben. Diplomatie ist nicht unsere Sache. Innerhalb kürzester Zeit werden wir Ihre Arbeiten unbearbeitet auf die Unterseite „Neues aus der gläsernen Wahltonne“einstellen. Gerne leiten wir auch zusätzliche Fragen unserer User per E-Mail an Sie weiter. Sie müssen das selbstverständlich nicht, denn wir leben in einer freien Gesellschaft und halten nicht viel von Lobpreisungen, Lippenbekenntnissen und Verpflichtungen. Das war mal. Wenn Sie meinen, dass Sie uns beschimpfen müssen, tun Sie das. Das ist besser als ein langweiliges Schweigen. Auch diesen Text werden wir dann (fair) veröffentlichen. Wir geben Ihnen zur Kenntnis, dass die gegenwärtige Nutzerzahl unseres Internet-Auftritts ohne externe Werbung erstaunlich ist: www.dunkelgraefinhbn.de hat gegenwärtig täglich 175 bis 300 Besucher, und die neuere Seite www.schildburghausen.de hat einen Stamm von regelmäßig 50 Usern. Manche Tage besuchen uns mehr als 350 Besucher – und das ohne Zahlung eines Eintritts für viel Unterhaltung und Wissen! Wo gibt es das? Es lohnt sich für Sie, auf unsere Fragen zu antworten. Sie finden bei vielen Ihrer Wähler nicht nur Gehör, sondern sicherlich auch Zustimmung.
Als Administratoren sind wir frei und unabhängig von Parteien und Wählergruppierungen. Wir lesen auch gerne Texte unserer User und danken sehr herzlich für Vorschläge und Textangebote sowie Bildmaterial.
Mit freundlichen Grüßen
für die Freunde der Stadt und die Region Hildburghausen
Ihre
Ines Schwamm und
Hans-Jürgen Salier
Öffentliche Fragen an die
Bürgermeister-Kandidaten
der Kreisstadt Hildburghausen (in alphabetischer Reihenfolge):
André Hanuschek
Holger Obst
Olaf Jaenicke
Norbert Weichler
Tobias Wenz
Was nicht in den Wahlprogrammen steht.
Frau Schildburg und Herr Hausen
fragen augenzwinkernd die Bürgermeister in spe
1. Hildburghausen gehört zu den deutschen Städten mit der höchsten Verkaufsfläche im Verhältnis zur Einwohnerzahl.
Was wollen Sie tun, um diesen Spitzenplatz zu erhalten?
Sind Sie für oder gegen einen weiteren Markt/Discounter am Friedhof?
2. Braucht Hildburghausen mit dem Marktplatz überhaupt eine „gute Stube“, nur gute Stuben oder auch genügend Platz für Messis?
3. Sind Sie auch dafür, dass Rentnern oder körperlich Benachteiligten stabilere Rollis zur Verfügung gestellt oder generell alle (notwendigen) Bürgersteige ordentlich saniert werden?
4. In Hildburghausen wird immer etwas „erhöht“ von „Der kleine Klassiker“ gesprochen. Der Tourist, aber auch der Einheimische hat in Hildburghausen reichlich schlechte Karten, sich die Stadt nach der Geschichte, nach Sehenswürdigkeiten, nach hier wirkenden bedeutenden Persönlichkeiten zu erschließen. Wir sind der Meinung, dass das Museum nicht genügt, zumal es nicht rund um die Uhr geöffnet ist. Was werden Sie tun, die Hildburghäuser Geschichte, Kultur und Sehenswürdigkeiten besser darzustellen oder zu vermitteln?
5. Welchen Posten würden sie als Bürgermeister sogleich abschaffen, den des Parkgärtners oder des Pressesprechers?
6. Zwischen Stadtmauer und Werra befindet sich ein mehr oder weniger gepflegtes Biotop. Entscheiden Sie sich bitte zu Natur über alles oder für eine einmalige gepflegteParkanlage einer ehemaligen Residenzstadt – den Touristen und den einheimischen Steuerzahlern zur Freude und Erholung.
7. Frau Schildburg und Herr Hausen plädieren dafür, dass man keine Person zum Bürgermeister wählen dürfe, die einen Bratwurststand auf dem Marktplatz verhindert.
8. Im Jahr 2000 hat der Stadtrat Hildburghausen den Margarete-Braungart-Preis gestiftet, der sehr schnell (beinahe) in Vergessenheit geriet und erst zweimal verliehen wurde. Zudem wurde ein sogenannter Bürgerpreis per Stadtratsbeschluss geboren. Wie wollen Sie in diese lobenswerte Angelegenheiten mehr Bewegung investieren?
9. Die Woche hat 168 Stunden. Eine Rechenaufgabe für das Ordnungsamt: Es ist in Hildburghausen nicht schwierig, zu gewissen Zeiten zu parken, weil die Mitarbeiter dienstfrei haben. Wie würden Sie das regeln? Das betrifft übrigens auch die Hundekot-Beseitigung, weggeworfene Zigarettenkippen und manch anderen Unrat.
10. Wir haben zwei Internetseiten www.dunkelgraefinhbn.de undwww.schildburghausen.de. Hierzu entwarfen wir ein Wappen, das dem Hildburghäuser Stadtwappen durchaus ähnelt, doch aber in Wirklichkeit einer künstlerisch gestalteten Reklamemarke um und vor dem Jahr 1920 von Kaffee-Hag entstammt. An Stelle des vierten Löwen wurde ein kleiner Till eingearbeitet. Das Original wurde von Professor Otto Hupp, Oberschleißheim, um 1895 gezeichnet, und inzwischen in vielen Sammlungsmappen und Büchern veröffentlicht. Ende letzten Jahres erreichte uns ein Brief von der Stadt Hildburghausen, unterzeichnet vom Bürgermeister, der uns die Verwendung des Wappens verbietet. Unsere Internetseiten beschäftigen sich ausschließlich mit der Geschichte in und um Hildburghausen, natürlich ist auch die satirische Seite „Schildburghausen“ dabei. Wir wissen sehr genau, dass es Rechtsvorschriften gibt. Überzogene bürokratische Rechtsvorschriften, die für uns auch ein Quantum fehlender Souveränität ist, sind eine Seite, eine lebendige Stadt die andere.
Würden auch Sie „wichtigen“ Rechtsvorschriften bemühen, um Aktivitäten von Bürgern einzuschränken?
Jahreslauf
Weitere Texte und Gedichte von Fritz Eller:
Heimaterinnerungen eines alten Hildburghäusers
Heimatgedichte von Fritz Eller
Heiteres Hildburghausen - "Der Lorz", "Das schwarze Ei"
02. Januar 2014
Wir wünschen unseren Lesern ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2014!
Wir haben für Sie eine neue Seite eingerichtet:
"Neues aus der gläsernen Wahltonne".
Ein Begleiter für Sie zum Superwahlhalbjahr 2014 in Hildburghausen!