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Ragoût fin

Hans-Jürgen Salier


Ragoût fin (feines Ragout)


                    Jemanden einzuladen heißt,
               sich um seine Fröhlichkeit zu kümmern und das jedesmal,
               wenn er unter Deinem Dach ist.

                              (Jean Anthelme Brillat-Savarin)

Oft, wenn sich ein wichtiger Besuch ankündigte oder eine Familienfeierlichkeit geplant war, stand in der Bachstraße Ragoût fin auf der Speisekarte – als Vorspeise. Serviert wurde auf den Schalen der Jakobsmuscheln. Ein Hauch Luxus und Stil für bescheidene Leute.
 

Die sich schwimmend fortbewegende Jakobs- oder Pilgermuschel (Pecten maximus) mit einem sehr stark ausgeprägten Muskelstrang, die es an den britischen Atlantikinseln, an den Küsten der Bretagne und der Normandie in Frankreich bis hinunter nach Portugal und im Mittelmeer gibt, werden meist zwischen Oktober und Mitte Mai gefangen. Präsent sind sie überall in diesen Ländern und Landstrichen, denn als Tiefkühlware gibt es sie in beinahe jedem Lebensmittelgeschäft. Im Durchmesser müssen sie elf Zentimeter sein. Von dieser Meeresfrucht kann ein sehr wohl schmeckendes Ragoût hergestellt werden, das nicht viel anders aussieht als der Rezeptvorschlag für Hähnchenfilet- oder Kalbfleisch-Ragoût.  

Die Jakobsmuscheln hatten zu allen Zeiten Kultcharakter und sind inzwischen mehr als ein Souvenir. Sie sind das optische Erkennungszeichen des Jakobsweges nach Santiago de Compostela. Viele Zeitgenossen erinnert sie an den Besuch des Grabes des heiligen Jakobus, dem Pilgervater. Die Pilger versprechen sich Ansehen in ihrem Umfeld, und manche wünschen sich sogar die Muschel als Grabbeigabe.  

Die Jakobsmuscheln haben ihren Preis, dafür sind sie aber auch ein köstliches Lebensmittel. Wir haben sie im wahrsten Sinne genossen – bei Ernest und seiner Familie in der Bretagne. Französische Esskultur ist anders als ein überladener Tisch in Deutschland, schnelles Essen oder überladene Büffets bei Pauschalreisen, kulturvoller. Gereicht wurden noch Artischocken von einem Acker wenige hundert Meter hinter dem hübschen Haus. Zehntausende Artischocken in unterschiedlichem Wuchs- und Reifezustand auf einem Feld, wie überall im Land, Schläge wie bei uns die Raps- oder Kartoffelfelder, ein eindrucksvolles landwirtschaftliches Bild. Zum Abschluss des beinahe vierstündigen „Festmahls“ an einem Werktag, eben wunderbare französische Lebensart – gab es Calvados, Ernests Vater hatte ihn aus Äpfeln seiner großen Streuobstwiese selbst gebrannt. Die Sterne funkelten schon zu Mitternacht in der lauen Sommernacht. Und eine große Flasche des Apfelbranntweins durfte sich HJS mitnehmen. Tags darauf wurde mit Opa noch einige Male in seinem kleinen Häuschen kräftig angestoßen. Gastfreundschaft geht den Bretonen über alles. Die Römer hatten die Gegend im Nordwesten Frankreichs, dem heutigen westlichsten kontinentalen Département, den Namen Finis Terrae (Ende der Welt) gegeben. Wir wähnten uns nicht dort. Die Bretonen sagen da schon viel optimistischer Peun ar Bed (Spitze oder auch Haupt der Welt), Finistère, in der Präfektur Quimper, mit den Unterpräfekturen Brest, Châteaulin, Morlaix mit seinen knapp siebentausend Quadratkilometern. Eine Gegend, die HJS nur von Briefmarken oder aus Kulturfilmen bekannt war. Frankreich ist mehr, Dudelsackmusik, beinahe mit britischer Lebensart und doch französischem Charme, auch wenn die Bretonen mit der Zentralregierung in Paris nicht immer glücklich sind: Vive la France!

Zutaten für 6 Personen

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1 kg    Hähnchenfilet- oder Kalbfleisch

1 l    Geflügelbrühe

  50 g    Butter

3 EL    Mehl (gehäuft)

150 g
   Champignon (klein geschnitten)

40 – 50 g    Kapern (einschl. der Flüssigkeit)

1 Bd    Suppengrün

2 – 3    Sardellen oder 30 – 50 g Lachs

3    Eigelb

1 – 2 TL
   Zitronensaft
 
1/8 l    Weißwein

   40 – 50 g
   Käse (möglichst Parmesan), gerieben

     Semmelbrösel

Gewürze/Kräuter    Salz, Pfeffer, Worcestersauce


Zubereitung

1.   Das Fleisch wird unter fließendem, kaltem Wasser abgewaschen, bei Bedarf  gehäutet, in der Gemüsebrühe mit einem Schuss Essig gar gekocht und nach Abkühlen in kleine Würfel geschnitten.

2.   Mit der Butter und dem Mehl wird eine helle Mehlschwitze zubereitet, mit der Gemüse-/Geflügelbrühe aufgefüllt und mit einem Schneebesen geschlagen, um eine Klümpchenbildung zu verhindern. Etwa 5 min leicht kochen lassen.

3.   Die Fleischstücke und die Champignons werden in die Brühe gegeben, kurz aufgekocht, die geschlagenen Eigelb werden unterhalb der Kochtemperatur eingearbeitet, mit Salz, Pfeffer, Zitronensaft und Weißwein abgeschmeckt.

4.   Die sämige Masse wird in Ragoût-Förmchen oder in die Jakobsmuscheln gefüllt, mit Semmelbröseln, geriebenem Käse und Butterflöckchen bestreut und ca. 15 – 20 min bei ca. 200 – 220 °C im Backofen überbacken. 

 Beilagen

Weißbrot, Baguette, Kartoffelpüree oder Kartoffel-/Gemüsepüree überbacken oder ähnlich wie Reibekuchen mit gekochten Pellkartoffeln zubereitet. Dazu kann das Gemüse der    Gemüsebrühe genommen werden. 

 Tipps

Ein Koch-Highlight ist ein Ragôut fin mit einem Kalbsbrieschen oder mit Kalbszunge. Das Kalbsbrieschen (Kalbsmilch) wird in kaltem Wasser mehrmals abgewässert und zwei- bis dreimal abgewellt. Kurz vor dem Aufkochen wird es durch neues Wasser ersetzt, um eine weiße Farbe zu bekommen. Dann wird das Brieschen ca. 10 bis 15 min in leicht gesalzenem Wasser gekocht, anschließend in kaltem Wasser abgekühlt und in kleine Würfel geschnitten. Die Zunge wird etwa 1 ½ h weich gekocht, abgezogen und zu kleinen Würfeln geschnitten. – Die Sardellen bzw. den Lachs werden sehr klein geschnitten oder durch ein Sieb gestrichen und der Soße beigefügt.

 


 
Es ist einfacher, Menschen zu täuschen, anstatt sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.

Mark Twain, 1835-1910, amerikanischer Schriftsteller
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