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Thüringer Klöße

Rohe oder Thüringer Klöße 

Bei Recherchen zum Thema ist HJS im Internet auf einen Landgasthof nahe der Thüringer Perlenkette gestoßen – entlang der A 4 zwischen Eisenach und Jena, der mit dem Satz für sich und die unnachahmlichen Thüringer Klöße wirbt: Auch Martin Luther verspeiste sie – die Thüringer Klöße.“ Über so viel Peinlichkeit fällt HJS nichts ein.

Nein, HJS unterlässt es bewusst, die spannende Geschichte um das Thema Kartoffeln aufzuschreiben, das wäre ein sehr, sehr dickes Buch für sich. Für uns in Südthüringen gibt es nur diesen einen poesievollen und inhaltsreichen Satz:  

Ein Sonntag ohne Thüringer Klöße
      verlöre viel von seiner Größe!
 


Blick auf Hildburghausen und Thüringer Klöße.
Hofkunstanstalt Löffler & Co., Greiz, um 1910


Für manche Leute gibt es ein wahres Zeremoniell beim Kloß-Essen, weil Klöße, Soße und Fleisch für sich schmecken. Sie beginnen mit der Kloßmasse ohne Soße und Fleisch. Stufe zwei wäre dann mit Soße, Stufe drei mit Fleisch. Vielleicht rührt der Brauch aus der fleischarmen Zeit nach dem Krieg her, als die Fleischportionen kleiner und selbst mit Vergrößerungsglas schwer zu erkennen waren.  

 

Bei uns in Südthüringen ist der Kloß weich. Auf den Teller gelegt, darf er bei HJS langsam seine Form aufgeben und mit ein wenig Soße kann er „ohne größeren Kauaufwand“ geschluckt werden. Er rutscht. Das Weitwerfen ist nur schwer möglich. Das reicht wegen der entstehenden Unwuchten nicht für eine olympische Disziplin. 

An Vandalismus oder eine Kulturschande grenzt es, wenn ein Kloß mit einem Messer traktiert wird. Er wird mit einer Gabel aufgerissen und darauf kommt die Soße. In Meiningen und Umgebung heißt es „Hütes on Brüh“, frei übersetzt: Hüte es! Ein Kloß darf nicht neben der Soße stehen, er muss in reichlich Soße schwimmen! Nicht irgendwo, sondern mitten auf dem Teller. 

Da hätten wir auch schon die kaum lösbare Konfliktsituation: Kloß ist nicht gleich Kloß, auch wenn die Menschen die gleiche Sprache sprechen, da und dort von Mundarten eingefärbt. In jeder Gegend Thüringens definiert man den Kloß anders. So nimmt aus Sicht von HJS die Konsistenz von Norden nach Süden ab. Auf der Autobahnlinie bei Weimar und nördlich davon gibt es Klöße, die den Kanonenkugeln Münchhausens zur Ehre gereichen und ihre Form auf dem Teller im ruhenden Zustand nicht einen Millimeter verlieren, also „kugelstabil“ sind. Der kreative steiermärkische Meisterkoch Johann Lafer präsentierte solche „Geräte“ in einer Sendung des Mitteldeutschen Rundfunks und gab die gerösteten Semmelbröckchen als Dekor auf den Kloß. Unglaublich! HJS war dem Infarkt nahe. Den kloßbesessenen Fernsehmachern fiel das nicht auf, wohl aber den kloßsüchtigen Fernsehkonsumenten in einem großen Teil Thüringens. Schadenfrohes Gelächter oder mit Grinsen verbundenes Kopfschütteln waren die Reaktionen. Dabei gestand der Sternekoch, dass ihm Thüringer Klöße bisher nie so richtig gelungen seien. Wie mögen die nur ausgesehen haben? Und er blamierte sich in einer vorherigen Sendung auch nachhaltig deswegen, aber jetzt sei er dort, sagte er mit seinem ihm eigenen Selbstbewusstsein, wo man wirklich weiß, wie Klöße gekocht werden, in einem knapp 300-Seelen-Dorf nahe Weimar. Dort geht man ja auch einem hehren Ziel nach: Am 14. November 2006 titelte eine renommierte Thüringer Tageszeitung: „Thüringer Kloß soll Weltkulturerbe werden“. Selbst Thüringer Politprominenz setzte sich ein, die vermutlich nicht viel zu tun hat, aber immerhin energisch für den Thüringer Kloß kämpft. Toll! In Thüringen, im Vogtland, in Nordbayern oder sonst wo spricht man von Thüringer Klößen, aber beinahe jeder meint was anderes, in der Heimat von HJS, in Südthüringen. Hat Thüringen nicht mehr zu bieten, als sich den Lachern preiszugeben? HJS verzeiht und kann sehr gut damit leben, wenn die Thüringer Klöße nicht zum immateriellen Welterbe der UNESCO gerechnet werden. Diesen Antrag kann man beim Kochen gerne anbrennen lassen. Thüringen bastelt seit der deutschen Einheit an einem pfiffigen Werbespruch, damit Millionen Urlauber in den Freistaat einfallen und ihr Geld hier lassen. Hatten wir nicht schon mal einen schlichten Werbespruch, der sich einprägte: Thüringen – Das grüne Herz Deutschlands?  

Die weichen Klöße haben es HJS angetan – so auf der Linie Sonneberg – Hildburghausen – Kloßheim an der Soße (sprich: Meiningen an der Werra), aber schon die Klöße im nördlicher gelegenen Schmalkalden, der einstigen Hessen-Nassauer Exklave, dort, wo der Vater von HJS herstammt, liegen auf einem anderen Teller. Die Thüringer Klöße dort sind von sehr harter Konsistenz, die hatte er bei seiner Großmutter Meta in Näherstille bei Schmalkalden im wahrsten Sinne des Wortes erleiden müssen. Die Konsistenz war fensterkittähnlich. Nein, die mochte HJS überhaupt nicht. 

Um am Mainstream teilzuhaben, wird überall mit Klößen experimentiert. Der Erfolg ist aus Sicht von HJS sicherlich fraglich. Das wertet Thüringen nicht auf. Auch vorproduzierte Tütenprodukte kommen nicht in die Töpfe von HJS. „Erlaubt“ ist auf alle Fälle, dass man in einer auf traditionelle Weise kochende Gastwirtschaft seine Klöße zum Mitnehmen bestellt. Manche bieten einen solchen Service schon an. Eine geniale Firmengründung ist in Coburg die so genannte Klößerei, wo man Klöße, Braten und Soße (alles schön handgefertigt) kaufen und wenige Minuten später auf den eigenen Tisch stellen und sich von seinen Gästen ob seiner Kochkünste loben lassen kann.  

Übrigens, überhaupt nicht zu Klößen passen Fische oder Krustentiere, Käse, Rohkost, auch wenn es da und dort lokale Eigenheiten gibt, wie  … Die Kloßmasse verträgt nur Stärkemehl und Salz, aber keine exotischen Gewürze. Mit Karpfen gibt es wohl eine Ausnahme, und zwar in der Region des Plothener Teichgebiets im ostthüringischen Saale-Orla-Kreis. Auf Benediktiner-Mönche geht der Brauch zurück, Karpfen und Thüringer Klöße gemeinsam zu servieren. HJS liebt beides, aber streng getrennt. Sollte er sich an diese Spezialität gewöhnen, wird er das Rezept reumütig für die interessierte Öffentlichkeit aufschreiben. 

Da bliebe nur noch eine Frage zu lösen. Wer keinen großen Quirl beim Discounter oder sonst wo bekommt, probiere es auf einem Südthüringer Handwerkermarkt. Wer praktisch veranlagt ist, teilentsorgt seinen Weihnachtsbaum so, dass er sich den Quirl aus einem Baumkranz „herausschnitzt“. Bei den mütterlichen Vorfahren von HJS gab es nur solche Quirle. Wie sagte doch seine Großmutter Reinhilde immer: „Sparsamkeit hat mit Armut nichts zu tun!“ Wenn man den Teig kräftig schlägt, ist es sicherlich kein Stilbruch, wenn man auch in den Sommermonaten ein Weihnachtslied leise dahinsummt. O Tannenbaum. Aber ein Stilbruch kann es gar nicht sein, war doch das Lied dereinst als tragisches Liebeslied bekannt, ehe der Leipziger Lehrer Ernst Anschütz (1780 – 1861) nach dem Modernwerden der Weihnachtsbäume 1824 ein Weihnachtslied daraus „machte“. Übrigens, der Sohn eines Pfarrers wurde in Goldlauter nahe Suhl geboren und besuchte 1795 bis 1798 das berühmte Gymnasium im benachbarten Schleusingen.  

„Rohe Klöße“ sind eine „Weltanschauung“ und so weicht HJS von seinem „Rezeptschema“ ab und zitiert aus dem seit 1990 von ihm herausgegebenen und inzwischen im Salier Verlag Leipzig und Hildburghausen in 4. Auflage erschienenen „Kochbuch“ von Hedwig Kost, dem er den Untertitel „Thüringisch-fränkische Küche“ gab. Auf Seite 203 steht das Rezept aller Rezepte, geschrieben in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, nach dem viele Generationen mehr oder weniger erfolgreich nach diesem Buch gekocht haben.   
 


 

Hedwig Kost
Kochbuch – Thüringisch-fränkische Küche
(Herausgegeben von Hans-Jürgen Salier) 

Salier Verlag Leipzig und Hildburghausen
Hardcover cello, 384 Seiten, 15 cm x 21 cm, mit Lesebändchen,
4. Auflage 2010
ISBN 978-3-939611-34-9
Preis: EUR 19,90

 

 Nach Hedwig Kost 

9 1/2 Pfd. rohe, geschälte Kartoffeln (6 Pfd. zum Reiben, 3 1/2 Pfd. zum Brei), 2 Semmeln zu Bröckchen, 30 g Butter, 40 g Salz, 1 l Wasser, 20 g Salz zum Brei, 4 bis 5 l Kochwasser.

Die Reibekartoffeln werden schnell in lauwarmes Wasser gerieben, dann mit lauwarmem Wasser zweimal abgewässert und im Sack durch die Presse vollständig trocken ausgepresst. Die Semmeln werden kleingeschnitten und die Bröckchen in Butter geröstet. Die Breikartoffeln werden mit kaltem Wasser und Salz aufgesetzt, weichgekocht und mit dem Wasser zu einem dickflüssigen Brei gestampft. Den fertigen Brei bringt man zum starken Kochen, während man die Kartoffeln aus der Presse nimmt und mit dem abgewässerten Kartoffelmehl und 40 g Salz in einer Schüssel mit den Händen verreibt. Dann wird die Masse mit dem sprudelnd kochenden Brei in drei Absätzen überbrüht und unter Stampfen mit einem großen Quirl zu einem glatten Teig verarbeitet. Man formt die Klöße mit nassen Händen, füllt sie mit Brötchen und gibt sie in kochendes Wasser, in dem sie 10 Minuten ziehen, nicht kochen dürfen. – Wichtig ist, dass Kloßwasser und Brei kochen, ehe man die Kartoffeln aus der Presse nimmt, sonst wird die Masse durch längeres Stehen rot, und die Klöße bekommen eine dunkle Farbe.

 Die Masse ergibt etwa 18 Stück.


 
Es ist einfacher, Menschen zu täuschen, anstatt sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.

Mark Twain, 1835-1910, amerikanischer Schriftsteller
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