Sauerbraten
Hans-Jürgen SalierSauerbraten
Wo leer zur Essenszeit im Hause sind die Töpfe,
die werfen Mann und Frau einander an die Köpfe.
(Friedrich Rückert)
HJS kann sich nicht mehr erinnern, wie er beim Schreiben des Sauerbratenrezepts auf den Kalauer gekommen ist: Ein Schüler hustet bei der Abgabe seiner Prüfungsarbeit auf sein „gestammeltes Werk“ und fordert mit Entsetzen lauthals, die Arbeit wegen der drohenden Seuchengefahr sofort zu verbrennen. Nur so könnte die Pestepidemie verhindert und die Menschheit gerettet werden.
Hysterie allüberall. Heute sind es sehr nachhaltig die Schweine, die Hühner, die Eier, die Gurken und die Rinder, zwischendurch auch mal Erdbeeren. Bei den Rindern hieß die Katastrophe BSE – Bovine spongifome Enzephalopathie. Was das ist? HJS weiß es nicht genau, andere vielleicht auch nicht. Vorsorglich werden Millionen gesunder Tiere gekeult, die sprachliche Umschreibung für Massentötung, eine der schlimmsten Schöpfungen menschlichen Ungeistes des ersten Jahrzehnts im dritten Jahrtausend. Die Evolution des Menschen hat ihren Zenit vermutlich überschritten. Vielleicht müssen auch nur die Konkurrenten landwirtschaftlicher Produkte, heute heißt das Mitbewerber, überleben oder die Journalisten. Geblieben ist Hysterie, nichts als Hysterie. Hysterie ist Gift für gesunde Menschen.
Wer Sauerbraten nicht aus Rindfleisch kochen will, versuche es mit Pferd – wie im Rheinland, das stand bisher selten im Zentrum der Gesundheits-Hysterie der Medien, spätestens aus moralischer Sicht werden die Mitbürger hysterisch. – Eigentlich nicht, die Zeit hat HJS eingeholt, spätestens mit dem Deklarationsbetrug von Pferdefleisch aus Rumänien im Februar 2013. Lasagne, Tortellini & Co. waren betroffen, mehrere Millionen Portionen, sagt man. Vor allem brüllen die laut, die noch nie eine Pferdefaser gegessen haben. Der harte Sattel eines Pferdes schmeckt gewiss nicht, und dann muss man ja aus Bequemlichkeit auch nicht sein Mittagessen zurechtkaufen, selber kochen ist angesagt. HJS schlägt vor, dass nach diesem Skandal die Maßeinheiten kcal und Joule zum Wegfall kommen und bei Pferdegerichten die Maßeinheit PS eingeführt wird. Basta! HJS weiß, dass er kein Kavalier ist, aber Kavalier kommt von caballos (das Hauspferd Equus ferus caballus). Die sich argwöhnisch beobachtende Konkurrenz hat immerhin zwei Dinge bewirkt. Die Menschen denken darüber nach, ob sie Fertigprodukte auf den Tisch bringen oder selbst kochen. Auf die Pferdemetzger kam ein ungeheurer Boom zu, weil man feststellte, dass es sich um hochwertiges Fleisch handelt, auch wenn es nicht jedermanns Begierde weckt.
Alle möglichen deutschen Landstriche haben ihre ganz eigenen Sauerbratenrezepte, auch mit Pferdefleisch. – HJS aß mit seinen Mitstudenten um 1960 in der „Pony-Bar“ am Nonnenplan in Meiningen wöchentlich einmal Pferde-Sauerbraten 1,30 DDR-Mark, die damals, auch wenn sie nichts wert war, noch D-Mark hieß. Nach Stipendienzahlungen und je nach Kassenlage genehmigten wir uns zwei Portionen. Im Rheinland gibt es auch einen Sauerbraten aus Schweinefleisch, den man dort „Pepse“ nennt.
Sauerbraten ist köstlich, schmeckt herrlich süß-sauer und zergeht auf der Zunge. Und wir essen ihn mit Klößen, die viel Soße aufnehmen können, und Apfelrotkraut. Als Dessert darf selbstgemachter Apfelbrei nicht fehlen. Auch mit frischen Semmeln oder Hefeklößen schmeckt es, wie HJS den Sauerbraten Ende der siebziger Jahre als Lehrer in Gleichamberg in der Schulspeisung gegessen hatte.
Zutaten für 6 Personen
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1 1/2 – 2 kg |
Rindfleisch: falsche Lende, xxTafelspitz, Rinderschulter o. ä. |
100 g |
Speck zum Spicken |
2 – 3 |
Zwiebeln (mittelgroß) |
Wurzelgemüse und Suppengrün xx(Möhre, Knollensellerie, Lauch, xxauch Pastinaken, Petersilienwurzel xx…) | |
100 g | Soßenkuchen (oder ein alter xxLebkuchen ohne Schokolade) |
200 – 250 g | Saure Sahne |
20 – 30 g | Zucker |
20 g | Salz |
Essigessenz oder Weißweinessig | |
200 ml | Rotwein (trocken), auch Weißwein xxkann verwendet werden |
¼ – ½ | Apfel (geschält) |
50 – 100 g | Rosinen |
Gewürze | Sauerbratengewürz (fertig) oder xxselbst zusammengestellt: xxLorbeerblätter, Wacholderbeeren, xxPfeffer-, Piment- und Senfkörner, xxMuskatblüte, Nelken sowie xxThymian, auch Ingwer |
Zubereitung
1. Bei der Vorbereitung des Fleisches wird es mit keilförmig geschnittenen Speckstreifen gespickt und mit Salz eingerieben. Die Gewürze und die Zwiebel werden in ein Gefäß gelegt. Etwa ¼ l Wasser wird mit Essig und Zucker vermischt und heiß über das Fleisch gegossen, das bis zu 5 Tagen in der Marinade unter regelmäßigen Wenden liegen kann.
2. Nach dem Marinieren wird der Sauerbraten trocken getupft, leicht mit Salz und Pfeffer gewürzt und in einer Pfanne scharf dunkelbraun angebraten – kurz vor Abschluss mit den Zwiebeln. Die Marinade wird inzwischen durch ein Sieb gegossen und zur Seite gestellt, mit einem Teil wird der Braten abgelöscht.
3. Im Bräter bzw. Schmortopf wird Puderzucker leicht karamellisiert. Der Apfel, das Wurzelgemüse und ein wenig Tomatenmark werden hinzu gegeben. Alles wird leicht angebraten und man löscht es mit dem Bratensatz der Pfanne ab. Den Braten gibt man darauf und lässt ihn etwa 2 Stunden vor sich hinschmoren, anfangs zugedeckt und später offen. Bei mehrmaligem Zugießen wird weitere Marinade hinzugefügt bzw. der Braten wird mit Bratenflüssigkeit übergossen. Im Bräter muss sich immer genügend Flüssigkeit befinden. Etwa 20 – 30 min vor Ende des Bratvorgangs kommen die Gewürze hinzu, die man ziehen lässt.
4. Der Braten wird herausgenommen und die Soße mit einem Teil der Bratenflüssigkeit und der noch vorhandenen Marinade zubereitet. Hier entscheidet sich, ob das beigefügte Gemüse gesondert mit der Soße serviert oder durch ein Sieb gestrichen bzw. mit dem Zauberstab püriert wird. HJS püriert, gerne auch die Gewürze, die Lorbeerblätter werden allerdings herausgenommen. Dann kommen die gewaschenen Rosinen, der zerbröselte Soßenkuchen und die Saure Sahne hinzu. Der Geschmack wird abgestimmt und die Soße noch mal aufgekocht. Je nach Konsistenz wird sie mit Mehl oder Stärkemehl gebunden.
Anmerkung
An Stelle des Essigsuds nimmt man im Südthüringer Raum zum Fleischeinlegen oft Buttermilch, aber auch Bier ist möglich. Zum Rheinischen Sauerbraten kommt bei der Soßenzubereitung traditionell Rübenkraut (Rübensirup) hinzu.