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Linseneintopf


           Es gibt keine ehrlichere Liebe als die Liebe zur Nahrung.

(George Bernard Shaw) 

Jeder Tag im Jahr kann ein Linsentag sein. Weshalb man Linsengerichte vorwiegend im Winterhalbjahr kocht, kann HJS nicht nachzuvollziehen. Wer einen „Winterwärmer“ braucht, sollte Grog oder Glühwein trinken oder sich neben die Heizung setzen.

Linsen sind beinahe kleine Alleskönner und sollten auf dem Speiseplan nicht fehlen. Nicht nur für Vegetarier sind sie unverzichtbar, aber um diese Menschengruppe will sich HJS in seinen Küchentexten nicht kümmern, weil er der Meinung ist, dass der Mensch ein Allesfresser ist. Der berühmte „Was bin ich?“-Moderator Robert Lemke trieb es auf die Spitze, wenn er in seinem moderaten Bayerisch sagte: Vegetarier essen keine Tiere, aber sie fressen ihnen das Futter weg.

Linsen liefern Vitamine, eine Menge Ballaststoffe und hochwertiges Eiweiß. Immerhin 20 bis 30 Prozent Proteine sind in ihnen, auch ein beachtlicher Eisenanteil. Für an Gicht leidende Menschen sind Linsen allerdings nicht zu empfehlen, da Hülsenfrüchte Purine enthalten.

HJS liebt Linsen, nicht weil er sich als Freigeist ziemlich in der Bibel auskennt. Die durch und durch gesunde Hülsenfrucht spielt im Buch der Bücher eine besondere Rolle. Ihm fällt die Geschichte von Jakob aus dem 1. Buch Mose im Alten Testament ein, achtzehn Jahrhunderte vor der Geburt Christi. Jakobs Eltern waren Isaak und Rebekka, sein Großvater Abraham. Er wurde kurz nach seinem Zwillingsbruder Esau geboren. Als Esau als junger Mann eines Tages sehr hungrig vom Felde kam, verkaufte er sein Erstgeburtsrecht an Jakob – für ein Linsengericht. Später erschleicht er noch mit Hilfe seiner Mutter den Erstgeburtssegen des Vaters. Das hatte weittragende Folgen, aber die kennt der Leser vermutlich. Wenn schon Jakob bei einem Linsengericht herbeigerufen wird, sollte man daran erinnern, dass aus den zwölf Söhnen Jakobs die Zwölf Stämme Israels hervorgegangen sind. – Zu einem guten Haushalt gehören eben nicht nur gute Töpfe, sondern auch eine Bibel im Bücherregal. Aber auch im Koran kann man nachlesen, dass Jakob im Islam als einer der Propheten gilt. 

Philosophisch betrachtet wird mit einem Linsengericht im übertragenen Sinne der Tausch einer geringwertigen Gabe für ein hochwertiges Gut bezeichnet. Gutmenschen würden jetzt einen ausbeuterischen Winkelzug entdecken. – Nicht schlecht, so hatte HJS oft in seinem Sammlerleben gedacht, und manchmal glückte dieses Prinzip auch. Es funktioniert beinahe immer, wenn man mehr als das Umfeld weiß. Joseph Meyers Wahlspruch „Wissen ist Macht“ könnte sich daraus ableiten. So mancher moderne Zeitgenosse schließt aber in der Nonsens-Umkehrung: „Wissen ist Macht. Nichts wissen, macht nichts.“ 

Die historischen Linsen-Spuren lassen sich aber noch früher nachweisen. Archäologen haben die domestizierte Wildlinse (Lens orientalis) mindestens neuntausend Jahre zurück verfolgen können. In der Höhle Franchthi in Griechenland ist sie mit raffinierten wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden nachgewiesen worden, auch für die Zeit der Linienbandkeramik, vor etwa 7.500 Jahren, ist sie feststellbar.

In der Biologie herrscht im Gegensatz zum Gewürzschrank von HJS peinlichste Ordnung, es sei denn GS hat aufgeräumt. Auch als Biologie- und Chemielehrerin würde GS die Linsen weiter klassifizieren:
 

Linsen (Lens culinaris)
        Ordnung: Schmetterlingsartige (Fabales)

        Familie: Hülsenfrüchtler (Fabaceae)

        Gattung: Linsen (Lens)

        Art: Linse

 Köche unterscheiden nun wieder ganz anders: nach Herkunft, Farbe, Geschmack, Konsistenz nach dem Garen usw., aber das ist schon wieder eine Wissenschaft für sich oder eben nur Erfahrungsschatz.  

In der Küche von GS und HJS spielt sich nichts Außergewöhnliches ab, aber immerhin kann für ein einfaches Mahl, das einst als Arme-Leute-Essen galt, sehr viel Zufriedenheit geschaffen werden. Erinnern wir uns: Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. – Aber das Geschehen aus „Aschenputtel“ hat wohl mehr etwas mit dem Sortieren zu tun, und das ist oft genug moralisch in der Menschheitsgeschichte unmenschlich missbraucht worden. 

Nicht nur die Köche aller Kontinente haben Linsengerichte längst in den unterschiedlichsten Varianten für ihre Speisepläne entdeckt, gegenwärtig wird sogar die kulinarische Gourmet-Klasse erobert. Und mit Gourmet wird bekanntlich im Deutschen im Gegensatz zum Französischen keine Kritik verbunden, eher definiert die Bezeichnung einen sachkundigen Genießer raffinierter Speisen und Getränke. Also stimmt wohl die biblische Geschichte und nicht wie bei den Brüdern Grimm in „Hans im Glück“ in umgekehrter Reihenfolge. Aber das haben Philosophen auch schon längst umgedeutet.  

Schon wieder ein solch kaum nachvollziehbarer Gedankensprung. Wie HJS zur Verbindung zu den „Kinder- und Hausmärchen“ kommt? Das ist einfach. Genau auf den Tag, als er diese Zeilen schrieb, verließen vor 200 Jahren die ersten Druckbogen des späteren weltumspannenden Hyper-Bestsellers der Brüder Grimm die Druckmaschine – in einer bescheidenen Erstauflage von 900 Exemplaren, nämlich am 20. Dezember 1812.  

Die Zeit um Weihnachten und Silvester/Neujahr ist auch Linsenzeit. Wenn es oft kein Hauptgericht ist, aber immerhin, wenn angeblich niemand „abergläubisch“ war, gehörte es zur Tradition, Linsen zu essen, weil sie angeblich finanziellen Segen für das Haus und seine Bewohner bringen. Wunschträume. In manchen Landstrichen sollen es auch Erbsen gewesen sein, die auf sonderbare Weise Reichtum und Wohlstand brachten – zumindest für das bevorstehende Jahr.

Damit das klappte, hielt man sich ein weiteres Türchen offen, es heißt Karpfen. Die Schuppen kommen nicht alle in die Küchenabfälle, sondern eine in den Geldbeutel. HJS hatte damit nicht immer Erfolg. Die münzähnliche Form der Karpfenschuppe verwechselte er manchmal mit dem Wechselgeld. So konnte er im Extremfall nur zum Reichtum einer anderen Person beigetragen haben. – Der Leser hat es längst gemerkt: HJS liebt Linsen und Karpfen, die sehr langen Texte dazu lassen darauf schließen.  

In anderen Regionen sollen andere Tiere finanzielle Glücksbringer sein, manche bringen angeblich auch Unglück. Wenn die Tiere wüssten, dass sie wegen der Esslust des Menschen ihr Leben mit dem Leben bezahlen müssen. In einem Buch zur Brauchtumspflege las HJS, dass man zu Neujahr Schweinefleisch essen sollte, da das Schwein Glück brächte. Isst man Geflügel, so flöge das Glück davon. Folglich schwimmt der Karpfen mit dem Glück davon? … Wieder ein ungelöstes Menschheitsproblem, aber zum Glück ist HJS kein Brauchtumsforscher. – Einzelne Menschen sehen garantiert immer alles ganz anders. Das ist eine Frage der Interpretation. Der große Geheimrat aus Weimar schrieb in seinen „Maximen und Reflexionen“: „Der Aberglaube ist die Poesie des Lebens; deswegen schadet’s dem Dichter nicht, abergläubisch zu sein.“ Da steht HJS Preußens großem Friedrich wesentlich näher, der da sagte: „Der Aberglaube ist ein Kind der Furcht, der Schwachheit und der Unwissenheit.“ 

Zutaten für 6 Personen

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500 g    Linsen (75 – 100 g/Person Trockenzustand, auch für xxandere Hülsenfrüchte)

250 g    Kartoffeln

150 – 200 g    Suppengrün (Möhren, Knollensellerie, Wurzelpetersilie, xxLauch und Zwiebeln, Petersilie)

200 g    Räucherspeck oder Kassler

4 – 6    Knackwürste (auch Bockwürste, Siedewürstchen, xxFleischwurst)

300 g    Rotwurst (Blutwurst) – in Südthüringen beinahe ein xxMuss

1 l    Fleisch- oder Gemüsebrühe (zu Weihnachten die Brühe xxvom Geflügelklein)


   Gewürzgurken und Gurkenlake


   Essig (nach Geschmack)

2    Zwiebeln (mittlere Größe)

0,3 l    Rotwein

Gewürze/Kräuter    Salz, Pfeffer (gemahlen, weiß), 2 – 3 Lorbeerblätter, xxPeperoni, Petersilie (gehackt), Essig, Zucker

Zubereitung

1.    Vor der Zubereitung werden die Hülsenfrüchte auf ihren Zustand hin untersucht (sauberes und glänzendes Aussehen sowie gleiche Größe der Samen, frischer Geruch, trocken, ohne Schimmelbefall. Löcher und dunkle Stellen deuten auf Schädlinge hin). Anschließend werden sie gewaschen und in einer Schüssel mit mindestens der dreifachen Menge kalten Wassers eingeweicht. Das spart Kochzeit und Energie. – Inzwischen werden Hülsenfrüchte angeboten, die nicht eingeweicht werden müssen. Trotzdem weicht sie HJS ein.

2.   Vor dem Garen werden die Linsen mit dem Einweichwasser bedeckt. Salz und Essig kommen erst nach dem Garen hinzu, denn sie verzögern es ansonsten erheblich.

3.   Das in Würfel klein geschnittene Wurzelgemüse und die Kartoffeln werden hinzugegeben und kochen etwa 45 min mit.

4.   5 min vor Ende der Kochzeit kommen der geschnittene Räucherspeck oder das Kassler und die Knackwürste hinzu (vorher evtl. in der Pfanne mit Zwiebeln anrösten). Die Gewürzgurken werden klein gewürfelt und mit der Gurkenbrühe in den Eintopf gegeben. Sie können aber auch am Tisch serviert werden. Den Eintopf noch einmal durchrühren und aufkochen. Kurz vor dem Servieren kommt die Petersilie hinzu.

Die Blutwurst wird auf einem Extrateller serviert. Wer mag, schneidet sich seine gewünschte Portion ab.

 Tipp

    Aufgewärmter Linseneintopf soll noch besser schmecken, wenn weiteres Fleisch, Räucher- oder Blutwurst hinzukommen. 

-        In Tschechien hat HJS gesehen, dass man zu Linsen auch Spiegelei, gekochte Eier oder Bratwurst isst. 

-    Linseneintopf mit „weniger Inhalt“ kann ganz leicht mit Spätzle angerichtet werden. Das schwäbische Nationalgericht hat längst auch anderswo in Deutschland Fuß gefasst. HJS kann sich erinnern, dass es seine Großmutter Reinhilde nach dem Krieg oft gekocht hatte. An Stelle der heutigen Fleischeinlage wohlschmeckende Spätzle zu essen, war eine in der Not geborene gute Idee. Und die Spätzle wurden natürlich selbst gemacht, ebenso die wohl schmeckenden Suppennudeln. Nudeln hatten nicht die heutige Dominanz. Das so genannte Schlagwort von der mediterranen Küche, egal, was das auch sein mag, mit Pasta, Olivenöl, Pizza & Co., kannte beinahe niemand. Noch war keine „Reisezeit“ angebrochen, und für die Leute aus dem Osten war dieses Terrain politisch bedingt „Terra inkognito“, also unbekanntes Land.

Linseneintopf vegetarisch

Gegen diese Art Linseneintopf ist nichts einzuwenden. Irgendwann hat HJS einmal gesagt:

 Der Mensch ist ein Allesfresser,

aber auch Vegetarier mit all ihren Formen werden 

zu den Menschen gerechnet.  

Aus dem vorher genannten Rezept Linseneintopf werden Speck, Fleisch und Wurst weggelassen und die Fleischbrühe wird mit Gemüsebrühe ersetzt. Man kann es „flüssiger“ ansetzen und Spätzle dazugeben, aber dann möglichst Selbstgemachte.

 Dicke Linsen

 Sie können mit gekochten oder leicht angebratenen Knackwürsten „veredelt“ werden. Die entstehende Wurstsuppe nimmt man für einen Eintopf. Auf die Linsen mit den Würsten noch geröstete Zwiebeln und Röllchen geschnittenen Schnittlauch geben, dazu Salzkartoffeln und Sauerkraut. Auch das wäre eine wohl schmeckende Hauptmahlzeit.

Tipps

-       Bei industriell hergestellten Verpackungen ist das gründliche Waschen der Linsen überflüssig, ein kurzes Abbrausen genügt. Nix gegen Bioware, hier empfiehlt HJS mehr Sorgfalt bei der Verarbeitung.

-       Hülsenfrüchte sollten nie ungegart verzehrt werden, da sie giftige Proteaseinhibitoren (Proteine spaltende Enzyme) und Lektine (komplexe Proteine der Glykoproteine, die das Immunsystem beeinflussen können) enthalten.

-       In einigen Kochbüchern steht, dass das Einweichwasser für Hülsenfrüchte vor dem Kochen weggeschüttet werden könnte. Das ist reichlich unvorteilhaft, weil wichtige Mineralstoffe und auch Zellwandbestandteile in das Einweichwasser übergehen.

 
Es ist einfacher, Menschen zu täuschen, anstatt sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.

Mark Twain, 1835-1910, amerikanischer Schriftsteller
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