Dorfzeitung
Zur Geschichte der „Dorfzeitung“
Am 2. Februar 1818 wird die “Dorfzeitung” von Dr. Carl Ludwig Nonne und Superintendent Christian Hohnbaum (Rodach), Dr. Carl Hohnbaum u. a. gegründet. Ende des 19. Jahrhunderts ist sie ein in Deutschland weit verbreitetes Volksblatt. Sie erscheint anfangs im Kesselringschen Verlag.
Zu Beginn ist die „Dorfzeitung“ ein kleines unscheinbares Wochenblatt, das wegen seiner Volkstümlichkeit und Liberalität „zur öffentlichen Macht“ (Human) wird. Oft muss die Zensur einschreiten. Führender Kopf wird Dr. Carl Ludwig Nonne, der anonym für das Blatt schreibt und auch gleichzeitig als „staatlicher Zensor“ auftritt. Damit und mit der Volkstümlichkeit hat das Blatt trotz der geistigen Unterdrückung im Deutschen Bund eine Chance.
Bald erscheint die Zeitung zweimal wöchentlich, seit 1848 viermal, ab 1871 sechsmal. – Bedeutende Mitarbeiter sind bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts: Wölfing, Laurich, von Baumbach, de la Motte Fouqué, Rückert, Barth, von Schuler, Kühner, Dr. Hofmann u. a.
Redaktion und Druckerei sind anfangs getrennt, der Druck erfolgt von 1818 – 1886 bei Gadow & Sohn, die Redaktion befindet sich in zwei Zimmern der Neustädter Apotheke (heute: Ecke D.-Dr.-Moritz-Mitzenheim-Straße – Schleusinger Straße). 1886 zieht sie in das Schellersche Wohnhaus bzw. in die späteren Lagerräume und Garagen in der heutigen Geschwister-Scholl-Str. 26 ein (ehemaliges Druckhaus Offizin Hildburghausen GmbH und Verlag Frankenschwelle KG), an das später noch ein Maschinensaal (1899) und ein Haus für den Schriftsatz erbaut worden ist (2008 durch Brandstiftung vernichtet).
1923 verkaufen Nonnes Erben aus finanziellen Gründen die „Dorfzeitung“ an den Zeitungsverlag Vogel in Pößneck, die später unter dem neuen Titel „Thüringer Tageszeitung“ erscheint.
Der Einführungsartikel und der Neujahrsgruß werden anonym veröffentlicht,
Autor ist Dr. Carl Ludwig Nonne.
Lieber Herr Schulz!
Seine Gemeinde hat sich schon oft beschwert, daß für die Leute in der Stadt eine Menge Zeitungen geschrieben werden und für die Bauern gar keine, und daß darauf die Zeitungen aufs Dorf kommen, wenn die Hälfte herausgelesen ist. 'Wie's noch einen deutschen Kaiser gab', - meinte sein Dorfmeister, - 'da hatten wir doch noch alle Sonnabende ein Wochenblatt, und darin stand auch von Krieg und Frieden soviel wir brauchen. Jetzt gibt's Regierungsblätter; die fangen an: Wir von Gottes Gnaden befehlen euch, ihr Bauern, ihr sollt geben; - und hören auf: Anstatt und im Namen u.s.w. bei Vermeidung der Exekution u.s.w. - da mögen wir denn nicht mehr viel lesen, und wenn nicht Bibel und Gesangbuch wären, verlernten wir's wohl ganz.'
Denkt seine ganze Gemeinde, wie der Dorfsmeister, so machts ihr Freude, wenn er ihr sagt und vorliest, - und darum wird er hier höflichst gebeten -, daß von jetzt ab eine Dorfzeitung herauskommt, die von Steuern nichts, vom Feldbau wenig, von dem, was in der Welt vorgeht, soviel einem tüchtigen Bauern nötig ist, wenn er als Landstand mit Ehren in der neueingerichteten Landschaft fortkommen will, aber neue und alte Geschichte, gute und schlechte Verse in Menge, viel Ernst und noch mehr Spaß enthalten soll. Seine Bauern verstehen schon Spaß, besser als die Vornehmen in der Stadt. Vorausgesetzt und versprochen wird nichts; wem die Zeitung nicht recht ist, der braucht sie nicht zu lesen. Alle Sonnabende wird ein Blatt fortgeschickt, das bringt er mit ins Wirtshaus, und wer gut lesen kann, der liest's vor. Nachher gehts im Dorf herum, und jeder Nachbar erzählt seiner Frau und seinen Kindern daraus, was für sie gehört. Mit den jungen Burschen liests der Herr Pfarrer oder der Herr Schulmeister in der Sonntagsschule; es ist Platz gelassen, daß jeder dazu setzen kann, was ihm einfällt. -
Der Preis richtet sich nach der Welt und dem Geld, jetzt ist er fürs ganze Vierteljahr nur 30 Kreuzer.
Alle hohen Feiertage und wenn sonst viel zu erzählen ist, werden Extrablätter umsonst gegeben; hohe Gönner der Zeitung, z.B. Er, Herr Schulz, werden in Holz geschnitten beigelegt.
Hat er oder einer aus seiner Gemeinde etwas Tüchtiges zu sagen, so schicke Er's nur an den Dorfzeitungsschreiber nach Hildburghausen, da wird's umsonst gedruckt und gar noch bar bezahlt.
Ist die Zeitung im Dorfe herum, so hat kein Mensch etwas dawider, wenn sie noch einen guten Freunde in der Stadt zum Lesen gegeben wird, wenn's nur ein ordentlicher Mensch ist, der ebenfalls unter ehrliche Leute auf dem Dorfe paßte. Jeder, der die folgenden Blätter der Dorfzeitung lesen will, muß auf der Post oder in der Kesselringschen Leseanstalt in Hildburghausen bestellen und vorausbezahlen. Wer zuletzt kommt, bekommt die letzte.
Hildburghausen, an Lichtmeß 1818. Sein Freund der Dorfzeitungsschreiber.
Gib den Weisen Macht und den Mächtigen Weisheit!
Als Motto der Dorfzeitung unter Nonnes Federführung ist sein inzwischen berühmt gewordener Neujahrswunsch zu sehen:
Du neues Jahr, sei ein Jahr des Friedens, der Liebe und des Schaffens. Lasse die Reichen arbeiten und die Arbeitenden reich werden! Nimm den Wucherern das Getreide und laß das Getreide wuchern. Laß uns leichter Brot finden und das Brot so schwer wie die Bäcker. Mache das Bier so stark wie unseren Durst und so nahrhaft wie die Brauereien. Gib den Weisen Macht und den Mächtigen Weisheit. Verkürze die Prozesse, aber nicht das Recht. Gib den Juristen Fleiß und dem Fleiß sein Recht. Lasse dein Licht leuchten in der Dunkelheit, daß es heller werde in der Finsternis. Lasse die landesherrlichen Verordnungen herrlich für das Land werden. Beschütze die Freiheit des Gewerbes, aber nicht die Pfuscherei des Handwerksverderbers! Wehre allem Übel und steure nicht Salz und Tabak!
Ehemalige Druckerei der „Dorfzeitung" (Dr. L. Nonne’s Erben) in der heutigen Geschwister-Scholl-Straße, bis 2006 Sitz der Druckerei „Offizin Hildburghausen GmbH“ und des „Verlags Frankenschwelle“, am 4. Juli 2008 bei einer Brandstiftung zerstört, heute: Parkplatz.
Lithographie der Dorfzeitung, am 19. August 1901 postalisch nach Altenburg befördert.