Ratsbefugnisse
Rudolf Armin Human
Ratsbefugnisse und die Rechtssprechung im 14. bis 18. Jahrhundert
„Nächst dem Recht aber, daß der Rat jeglichen freien unversprochenen Biedermann, der seinem Herrn Recht getan oder tut, zum Bürger auf- und annehmen konnte, war ihm als ältestes Privileg durch Kaiser Ludwig das Ungeld (1323), gleich der Stadt Coburg die Bäth (Steuer, auch Bete od. Bede – Steuer, d. Verf.) und durch Graf Heinrich (1342) die Freiheit um wissentliche offene Schulden zu pfänden verliehen. Dazu hatte er beim Bürgerabzug aus der Stadt und deren Weichbild von allen Gütern in oder außerhalb der Stadt Weichbild oder auch auswärts an andern fremden Orten gelegen von 10 fl. einen Gulden zur Nachsteuer oder Abschiedung zu fordern (‚sonst wird ihm etwas von dem Seinigen hinwegzuführen nicht gestattet’), wobei jedoch die im Fürstentum bleibenden auf bittliches Ersuchen bei einem Leidlichen gelassen werden konnten. Dazu stand ihm von jedem Fuder fremd eingebrachten Weins ein Gulden Niederlaggeld zu, Kessel- und Zeichengeld von jedem Bürger, der das Brauhaus benutzte, Waggeld von der Ratswage, die Hälfte des Zolls von Weg und Steg in der Stadtmarkung, das Meistergeld nach der Innungstaxe und Anteil an den Handwerksstrafen, Handlohn und Schreibschilling bei Lehnsübertragungen, die Hälfte an den Metzger-, Bäcker- und Feuerbußen, an Ellen-, Maß- und Gewichtsbestrafung, weiter Feststellung der Taxe bei Bäckern, Metzgern, Bierbrauern, Weinschenken, Aichen, Brennen und Abgaben von Gewicht, Eimer und Maß unter Zuziehung des fürstl. Amtes, wozu ein eisernes Ellenmaß am Rathaus eingegossen war, etliche Geleit auf Fastnacht, Ostern, Pfingsten und Weihnachten, Jahrmärkten und Hochzeiten, wobei der Rat allein die Irrungen und Verbrechen zu bestrafen hatte; ferner Bestrafung des Wehrzuges und anderer Zivilbußen, der Zins von Wohnungen unter dem Rat- und Schlundhaus, Losamenten zwischen beiden Toren, Ratskeller, Fleisch- und Brotbänken, das Wachtgeld zu vier Quartalen (von einem ganzen Haus 14 Pf.), Einnahme von Erbzinsen, Nutzung von Höfen, Teichen, Wiesen und Gehölz, Präsentation zum Kirchen- und Schuldienst, Annahme des Stadtschreibers und der gemeinen Diener; endlich Erkenntnis in allen bürgerlichen Sachen, die kraft des Bürgereides immer erst vor den Rat zu bringen waren, dem Herkommen gemäß, nach der fürstl. Landesordnung und supplizierten Mandaten; der Angriff in peinlichen Sachen, wo eine Malefizperson (eine Person, die eine Missetat, Verbrechen begangen hat, d. Verf.) in der Stadt betreten ward, in Erbgerichts- und Obergerichtsfällen Verbietung der Lehen bei Zwangsverkauf oder Räumung, Verbietung der Stadt um übermachter vorsätzlicher Schulden willen, Aburteilung über nicht peinlich geklagte Injurien (Beleidigung durch Schläge od. Worte, d. Verf.) und Marktgeleitsbruch sowie Arretierung von Personen und Gütern von Krämern und Bauern, die ohne zugesagte Hülfe die Jahrmärkte besuchten und nicht angesessen waren. Dem Art. 5 der Coburger Stat. entsprechend, aber ebenfalls erst in der Designation von 1707 benannt: die Aburteilung über Fälschung und Aufbrechung der Briefe und crimen stellionatus überhaupt, Überlaufung eines andern in seiner Behausung, hauen oder Stechen in die Tür oder bei Nacht in Stein und Pflaster, Überlaufen mit bloßer Wehr, über Stadtgraben und Pallisaden bei nächtlicher Weile steigen und unter die Tore herein- oder hinauskriechen u. dergl. Feldbeschädigungen bestrafte der Rat nach altem Herkommen mit Geldbuße, später mit Narrenhaus oder Korb (der Delinquent kommt in einen Korb, der mehrmals in den Stadtgraben od. in einen Fluss getaucht wird. Meist werden Bäcker wegen zu kleiner Brötchen damit bestraft, sog. Bäckertaufe, d. Verf.) besonders an jungen und ledigen Personen; Bürger aber wurden bei Ungehorsam auf die hohe Wart oder den Erker verwiesen nach des Rats Willkür, ‚wie sie einen wieder entlassen wollen’. Dazu erkannte er über alle Häuser und Güter innerhalb der Stadtmarkung und Weichbild, unangesehen, wessen Lehen sie waren, belegte selbige mit Musterung, erörterte alle Irrung darauf und ließ jene Häuser und Güter nur an geschworene Bürger kommen. Wie er aber endlich nach den Statuten von 1694 zu Nutz gemeiner Stadt exklusive den Weinschank von Michaelis bis Walpurgis hatte, so durfte er nach dem Privileg Herzog Ernsts von 1707 die Ordinar- und Extraordinarsteuern allein ausschreiben, den Stadtschreiber, der bis dahin zugleich Amtsaktuar und Centschreiber war, allein verpflichten und erhielt den Beisitz bei den Zusammenkünften der Handwerker beim Aufdingen und Lossprechen, sowie die Mitbesichtigung der Mühlen, vi perpetua commissionis, ingleichen die Obsignation der Verlassenschaft eines Hofbedienten, der mit bürgerlicher Wohnung angesessen und bürgerliches Handwerk getrieben (exkl. der Minister), ingleichen Vogelherd und Stadtratsholz wieder allein zur Verfügung. An Verpflichtungen finden sich neben den Gerechtsamen, abgesehen von der allgemeinen Verpflichtung zur Erhaltung von Weg und Steg, Wag und Gewicht, Unterhaltung des Brauhauses u. dergl. von 1366 nur die Abgabe von je zehn Pfd. Heller auf Walpurgis und Michaelis an das Kloster Veßra zum Seelengerät der Burggräfin Sophia von Nürnberg, von 1518 durch Vermittlung Albrechts, Grafen zu Mansfeld und Pflegers zu Coburg, Ausräumung und Fegen der neuen Landwehr, während die Fallschränke und Planken die Herrschaft in Wesen hielt.”
(Nach: Human: Chronik der Stadt Hildburghausen. – Hildburghausen, 1908, S. 85 ff. –1999 Reprint Verlag Frankenschwelle KG Hildburghausen, Herausgeber: Hans-Jürgen Salier)