Fischer, Laurenz Martin Hannibal
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX | XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX |
Laurenz Martin Hannibal Fischer * 07.04.1784, Hildburghausen † 08.08.1868, Rödelheim bei Frankfurt am Main |
Advokat, Landrat, Staatsmann, Schriftsteller
Eine der erstaunlichsten Figuren der Hildburghäuser Geschichte ist zweifellos der Staatsmann Laurenz Hannibal Fischer, über den heute nur noch wenig bekannt ist.
Geboren am 7. April 1784 in Hildburghausen gelang ihm nach dem Abitur in Coburg und einem Jurastudium in Göttingen eine bemerkenswerte Karriere in Staatsdiensten. 1805 wurde er Hofadvokat in Sachsen-Hildburghausen, später Landschaftssyndikus, kurz darauf Regierungsassessor und 1823 bestellte ihn Herzog Friedrich zum Landrat. Dieser geriet daraufhin in Streit mit seinem Sohn. Erbprinz Joseph war gegen die Beförderung, weil sich Fischer nicht bewährt habe und es in der Vergangenheit zu Einwänden gegen seine Arbeit gekommen war. Die Freimaurerloge „Karl zum Rautenkranz“ wurde als Vermittlerin eingeschaltet und die entsprechenden Schriftstücke, die zwischen Vater und Sohn hin und her gingen, im Logenarchiv verwahrt. Fischer war unter anderem für einige Zeit von seiner Anwaltstätigkeit suspendiert worden, weil er sich mit einem herzoglichen Minister und dessen Kabinettssekretär angelegt hatte. Beide wurden später entlassen und Fischer wieder in Dienst gesetzt. Er heiratete am 29. Juni 1809 Christiane Friederike Caroline, die Tochter des herzoglichen Leibarztes Dr. Philipp Fischer, der ebenfalls Freimaurer war. Mit seiner Gemahlin hatte Fischer insgesamt zehn Kinder.
1825 wechselte er in weiser Voraussicht in die Beamtenschaft des Fürstentums Leiningen, denn mit der bevorstehenden Vereinigung von Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-Meiningen war sein Auskommen hierzulande nicht mehr gesichert. Sechs Jahre später holte ihn der Großherzog von Oldenburg in seinen Dienst und ernannte Fischer zum Regierungspräsidenten des zu Oldenburg gehörenden Fürstentums Birkenfeld. Im Zuge der revolutionären Ereignisse des Jahres 1848 wurde auch das metternichsche Regierungssystem des Großherzogtums erschüttert. Der Landesherr gab in einigen Punkten den liberalen Forderungen der Bevölkerung nach und führte eine landständische Verfassung ein. Lediglich in dem von Fischer regierten Fürstentum Birkenfeld entstanden größere Unruhen. Während sich andere missliebige Beamte in aller Stille von ihren Ämtern zurückgezogen hatten, musste Fischer im April 1848 von der aufgeregten Bevölkerung gewaltsam genötigt werden, zurückzutreten und das Land zu verlassen. Seine entschiedene Ablehnung der vormärzlichen Ideen brachten ihm Bezeichnungen wie „versteckter Fürstenhund“ und „Reaktionär reinsten Wassers“ ein. Nachdem seine Bewerbung, in Sachsen-Meiningen-Hildburghausen einen neuen Posten zu erhalten, und eine Kandidatur für das deutsche Volkshaus in Erfurt gescheitert waren, lebte er mit dem Titel eines oldenburgischen Geheimen Staatsrates als Privatmann in Jena.
Das Jahr 1852 brachte ihm schließlich einen verhängnisvollen Karriereschub, in dessen Zuge sein Name zu einem der unbeliebtesten in der deutschen Politik wurde. Die Bemühungen der Revolutionäre von 1848, einen deutschen Nationalstaat zu schaffen, hatten unter anderem auch zum Aufbau einer ersten deutschen Flotte geführt. Aus verschiedenen freiwilligen Beiträgen wurden auf Beschluss der Nationalversammlung einige Kriegsschiffe finanziert. Dieses Unternehmen war allerdings zum Scheitern verurteilt, genau wie die Einigung Deutschlands zum Nationalstaat überhaupt. Aus Geldnot und wegen der fehlenden Anerkennung einer gesamtdeutschen Marine durch die anderen Seemächte beschloss der Bundestag am 2. April 1852 die Wiederauflösung der Flotte. Weite Kreise bedauerten diesen Schritt außerordentlich, wurde an ihm doch die gesamte Misere besonders deutlich. Als Laurenz Hannibal Fischer wenige Tage später zum Bundeskommissar für die Flottenauflösung ernannt wurde, machte sich der Unmut der Bevölkerung an seiner Person fest. Ausgerechnet einer seiner ärgsten politischen Feinde hatte ihn bei der Nationalversammlung für dieses Amt vorgeschlagen: Der Gesandte der oldenburgischen Regierung wollte ihn damit im Großherzogtum für alle Zeit unmöglich machen. Denn vor allem die norddeutschen Staaten hatten den Aufbau der Flotte maßgeblich vorangetrieben. Fischer fühlte sich geehrt und begriff erst später, dass er das Opfer einer ausgewachsenen Intrige geworden war. Dennoch kam ihm der Auftrag gelegen, einerseits finanziell und andererseits, weil er sowieso ein glühender Gegner des Vormärz' war. Die Art und Weise, mit der Fischer die unpopuläre Aufgabe des Flottenverkaufs ausführte, erhitzte die Gemüter umso mehr. Er entließ die gesamte Mannschaft und versteigerte sechs Dampfkorvetten, die Segelfregatte „Deutschland“ und 27 Kanonenboote weit unter ihrem eigentlichen Wert. In verschiedenen norddeutschen Zeitungen waren Anzeigen mit folgendem oder ähnlichem Wortlaut erschienen: „Mittwoch, den 18. August, mittags zwölf Uhr, soll auf der Reede zu Brake die Segelfregatte Deutschland mit allem Zubehör an den Meistbietenden gegen bare Bezahlung unter Vorbehalt der Ratifikation der hohen Bundesbehörde öffentlich versteigert werden. Der Bundeskommissar Dr. L. H. Fischer“[i]
Laurenz Hannibal Fischer versteigert in Brake die deutsche Flotte. Zeitgenössische Darstellung.
(Quelle: Sammlung B. Salier)
Die offenen Anfeindungen gegen Fischer nahmen teilweise brutale Züge an. In seiner Autobiografie berichtet er, wie ihm der Zutritt zu Restaurants, in denen er speisen wollte, verweigert wurde. Ehemalige Marineangehörige randalierten vor seinem Hotelzimmer, um ihn zu verjagen. Szenen, die er bereits aus dem Fürstentum Birkenfeld kannte. Er schrieb: „Die persönlichen Insolenzen, denen ich von allen Classen, selbst einer ministeriellen Persönlichkeit, wegen dieses unpopulären Geschäfts ausgesetzt war, kannten keine Grenzen.“[ii]
Sein nicht gerade beneidenswerter Ruf als „Flottenfischer“ wurde noch verstärkt durch die weiteren Tätigkeiten des Hildburghäusers. Nachdem bis Juni das gesamte deutsche Marinearsenal verkauft und Fischer am 16. Juli 1853 von dem Posten des Bundeskommissars entlassen wurde, holte ihn Fürst Leopold III. von Lippe-Detmold als Geheimen Rat in sein Ministerium. Dieser trachtete, die im Zuge der 48er Ereignisse eingeführten Liberalisierungen, etwa das Stimmrecht der Stände bei der Gesetzgebung seines Landes und ein umfassendes Wahlgesetz wieder aufzuheben. Nach einer Beschwerde des Landtagsausschusses, vorgetragen beim Bundestag, forderte dieser die lippesche Regierung auf, Stellung dazu zu nehmen. Fischers neue Aufgabe bestand nun darin, die Inkompetenz des Bundestages in dieser Angelegenheit nachzuweisen und die Wiener Schlussakte zu umgehen. Erfolgreich zögerte Fischer den Prozess so weit hinaus, dass erst nach der Reichsgründung von 1871 mit einer neuen Gesetzgebung der Fall zu den Akten gelegt werden konnte. Trotz dieser erfolgreichen Arbeit für den Fürsten von Lippe-Detmold wurde Fischer im Juli 1855 unehrenhaft aus dem Staatsdienst entlassen, nachdem er wenige Tage zuvor während eines Aufenthaltes in Coburg wegen Majestätsbeleidigung verhaftet worden war. Diese soll er im Zusammenhang mit einer Beschwerdeschrift aus dem Jahre 1852 begangen haben, die er im Auftrag der Ritterschaft von Sachsen-Gotha verfasst hatte und mit der sie sich nun wegen ihrer 1848 entzogenen Rechte und Privilegien an den Bundestag wandte. Gegen Kaution aus der Haft entlassen, wurde Fischer schließlich von der juristischen Fakultät in Breslau freigesprochen.
In den Jahren darauf lebte er in Leipzig, Halle/Saale, München, Freiburg i. Br. und starb am 8. August 1868 in Rödelheim bei Frankfurt a. M. Unter seinen verschiedenen politischen Veröffentlichungen findet sich auch eine autobiographisch angelegte Rehabilitierungsschrift, die 1855 unter dem Titel „Politisches Martyrthum, eine Criminalgeschichte mit Actenstücken“ in Leipzig erschien. Darin versucht er, sein Wirken gegenüber den verschiedensten Angriffen zu rechtfertigen. Fischer sah sich als verkannter Staatsmann und datierte den Beginn seines politischen Märtyrertums auf das Jahr 1808, in dem er für einige Zeit von seiner Anwaltstätigkeit in Hildburghausen suspendiert worden war.
Am 19. Dezember 1811 wurde Lorenz Hannibal Fischer in die Loge „Karl zum Rautenkranz“ aufgenommen. Der Rückert-Forscher Conrad Beyer schreibt in seinem Werk „Friedrich Rückert als Dichter und Freimaurer“, Hannibal Fischer sei bei dessen Aufnahme zugegen gewesen. Fischer habe ihm mitgeteilt, dass diese sehr feierlich gewesen sei. Rückert habe ergreifende Dankesworte gesprochen, an die er sich noch gut erinnern könne, und man habe große Hoffnungen in den damals zwar noch wenig bekannten, von seinen Freunden jedoch schon für genial erkannten 22-jährigen Dichter gesetzt. Der Wahrheitsgehalt dieser Überlieferung muss allerdings bezweifelt werden, da Hannibal Fischer überhaupt erst ein Jahr nach Friedrich Rückert Freimaurer wurde.
Später, im Jahre 1863, hat Rückert, ebenfalls verärgert über den Flottenskandal, in seine „Kampflieder für Schleswig-Holstein“ folgende Zeilen eingeflochten:
“O Hannibal, verrufner Fischer,
Mein Hildburghausen schämt sich deiner ...“
Auch Ernst Haeckel schreibt, beim Anblick der neapolitanischen Kriegsflotte, in seinen Italienbriefen im Mai 1859:
„Wie würde mir das Herz schlagen, wenn das eine deutsche Flotte wäre!! O, Hannibal Fischer! – ...”
Während seines Aufenthaltes in Birkenfeld stiftete er 1837 die St. Johannisloge „Zur Pflichttreue“ im Orient Birkenfeld, der er auch als Meister vom Stuhl vorstand.
Eine kuriose Verbindung zu einem weiteren Freimaurer soll hier ebenfalls nicht unerwähnt bleiben: Auch der Befehlshaber der ersten deutschen Flotte von 1848, Admiral Carl Rudolph Bromme, der sich englisch „Brommy“ nannte, stand in der Bruderkette. Er war Mitglied der Leipziger Loge „Apollo“. Brommy, ein erfahrener Seemann, der lange Zeit der griechischen Marine diente, hatte den Auftrag bekommen, die Flotte aufzubauen.
Nachdem Dänemark aus dem Deutschen Bund ausgetreten war, erklärte König Friedrich VII. am 19. April 1848 Deutschland den Handelskrieg, um seinen Forderungen im deutsch-dänischen Erbfolgestreit um den Besitz von Schleswig, Holstein und Lauenburg Nachdruck zu verleihen. Ohne eigene Marine wäre Deutschland bei einer Blockade der Nordseeküste durch die Dänen machtlos gewesen. Die angeschafften Schiffe, viele von ihnen heruntergekommen und vorher als Frachtsegler oder Postdampfer im Einsatz, mussten erst kampftauglich gemacht werden. Auch die Rekrutierung einer fähigen Mannschaft soll sich, den Berichten Brommys zufolge, schwierig gestaltet haben, da niemand freiwillig in den Krieg ziehen wollte. Bereits nach kurzer Zeit kam es zur ersten Begegnung mit dem Feind, bei der die Deutschen eine Fregatte mit 46 Kanonen erbeuteten. Am 4. Juli 1849 standen sich die deutsche und die dänische Flotte zum letzten und entscheidenden „Seegefecht um Helgoland“ gegenüber. Nach einem kurzen Schusswechsel griffen die Engländer in die Schlacht ein, weil sie sich bedroht fühlten und nicht einsehen wollten, warum eine neue Seemacht sich erdreistete, die Nordsee zu befahren. Auf Helgoland, zu dieser Zeit im Besitz der britischen Krone, hatten die Engländer eine alte Kanone stationiert. In Ermangelung von wirksamen Geschossen sei sie mit Erdklumpen bestückt worden, erzählt die Legende. Die fliegenden Rasenstücke beendeten die kriegerische Auseinandersetzung. Brommy ließ das Feuer einstellen und ordnete den Rückzug an, woraufhin sich der erfahrene General großem Hohn und Spott ausgesetzt sah. Da es nach dem Scheitern der Nationalversammlung praktisch keine deutsche Regierung mehr gab, schrieben die Briten in einer Note an den Hamburger Senat, dieser möge die fremden Schiffe mit der unbekannten Flagge als die seinigen anzeigen, da man sich sonst genötigt sehe, sie wie Piraten zu behandeln. Später wurde in Berlin ein Friedensvertrag zwischen Dänemark und Deutschland unterzeichnet. Admiral Brommy trat nach der Auflösung seiner Flotte in den Dienst der österreichischen Marine, die in der Adria lag. Im Jahre 1858 starb er an seiner Gicht.
Carl Rudolph Brommy, Admiral der ersten deutschen Flotte
(Quelle: Sammlung B. Salier)
Mit freundlicher Genehmigung:
Bastian Salier
Freimaurer in Hildburghausen
Personen – Fakten – Hintergründe
Verlag Frankenschwelle KG, Hildburghausen, 2005
Werke von Laurenz Martin Hannibal Fischer
- Generalbericht aus dem Fürstentum Birkenfeld 1832. – Reprint, Kreisverwaltung Birkenfeld, 1979
- Unpartheische Beurtheilung der Verfassung und Verwaltung der Gothaischen Feuerversicherungs-Bank für Teutschland: mit Grundlage der in dieser Sach erschienenen Anschuldigungs- und Vertheidigungsschriften – Heiderlberg, 1834
- Landwirthschaftliche Humoresken: Ein Gedenkbuch für seine Freunde – Frankfurt am Main, 1842
- Freundes-Worte eines teutschen Mannes an das badische Volk – Frankfurt am Main, 1842
- Freundliche Mahnung an die Bewohner des Fürstenthums Birkenfeld – Birkenfeld, 1845
- Des teutschen Volkes Noth und Klage – Hermann-Verlag, Frankfurt am Main, 1845
- Der Patrimonial-Staat und die Demokratie: Väterlichkeit oder Volkswillen? Ein Beitrag aus dem praktischen Staatsleben – Cröker, Jena, 1849
- Die Verfassungszustände des Fürstenthums Lippe in Bezug auf die bei dem Bundestag dagegen erhobenen Beschwerden. – Meyer, Detmold, 1853
- Aburtheilung der Jesuiten-Sache aus dem Gesichtspunct der historischen Kritik, des positiven Rechts und des gesunden Menschenverstandes. – Hoffmann, Leipzig, 1853
- Ehren- und Rechts-Vertheidigung des Fürstl. Lippischen wirklichen Geheimenrathes, Ritter des Koeniglich preussischen roten Adlerordens zweiter Klasse Laurenz Hannibal Fischer gegen die grossherzogl. Oldenburgische Regierung wegen verhängter Entfernung aus seiner gesetzlichen Heimath, Gehalts-Verkürzung, Dienstentsetzung, Pensionsentziehung und Verlustigung seiner Capitularstelle nebst der damit verbundenen Ordens-Präbende. – 1854
- Politisches Martyrthum: eine Criminalgeschichte mit Actenstücken. – Leipzig, 1855
- Die teutschen Monarchieen und ihre Feinde: Denkschrift Teutschlands hohen Fürsten und Familien. Angehörigen sowie wahren Freunden der Monarchie gewidmet. Dilger-Verlag, Freiburg im Breisgau, 1856
- Worte der Wahrheit, der Pflicht-Treue und des Schmerzes; eine Bittschrift, den hohen Souverainen Teutschlands ... überreicht. – Freiburg im Breisgau, 1857
- Der Teutsche Adel in der Vorzeit, Gegenwart und Zukunft vom Standpunkte des Bürgerthums betrachtet. Lizius, Frankfurt am Main, 1852
[i] Nach: Uhlrich, Claus: Carl Rudolph Brommy. S. 44
[ii]Fischer, Laurenz Hannibal: Politisches Martyrthum, eine Criminalgeschichte mit Actenstücken.