NEWS - Archiv 2015
22. Dezember 2015
Liebe Leserinnen und Leser von
www.dunkelgraefinhbn.de und www.schildburghausen.de,
das Jahr 2015 neigt sich dem Ende. Weihnachten, das wortreich strapazierte „Fest der
Liebe“ und der „Menschlichkeit“ wird uns wohl zweifellos in Erinnerung bleiben, denn
tiefgreifende Veränderungen haben schon längst in unserem Land ihren Anfang
genommen. Eine Flüchtlingswelle ungeahnten Ausmaßes kommt über Europa, und die
Politik reagiert beinahe überrascht, hilflos und bürokratisch zugleich. Nicht gerade
menschenfreundliche rechte und linke gesellschaftliche Kräfte, die sich längst als h
istorische Versager erwiesen haben, nutzen die komplizierte Lage, sich zu profilieren
und Menschen zu fangen. Und Menschen werden neuerdings wieder kategorisiert und
unverschämt als rechtslastig eingeordnet. Und weil es um Menschen geht, sagen wir
deutlich, dass überzogene Toleranz die Quelle neuen Unrechts ist.
Zu uns kommen politisch Verfolgte, aber auch Kriegsflüchtlinge und leider eine
überdimensionierte Zahl an Wirtschaftsflüchtlingen. Nur für die politisch Verfolgten
sichert der Artikel 16a des Grundgesetzes der Bundesrepublik Asylrecht zu.
Das erfordert christliches humanitäres Denken und Handeln der Bürger, gerade jetzt
zur Weihnachtszeit. Um es aber tatsächlich zu „schaffen“, braucht es weit mehr als eine
bloße freudige Aufnahme in unser Land. Willkommenskultur hat etwas mit Integration
der Menschen in unsere Gesellschaft zu tun und nicht nur die freudige Begrüßung,
Spendenbereitschaft und die Versorgung mit Lebensmitteln für ein paar Tage. Zur
Integration gehört auch die aktive Verhinderung des Aufbaues von Parallelgesellschaften
und deren Duldung, die unser Land langfristig zerstören. Es geht um die Anerkennung
des Rechts- und Wertesystems unserer Gesellschaft, denn wir deutsche Bürger wollen
keine Gäste im eigenen Land werden, sondern nach unserem Rechts- und Wertesystem
weiterhin mit den Menschen leben, die unseres Schutzes bedürfen. Ob dies allerdings
angesichts der schieren Zahlen gelingen kann, ist fraglich. In den vergangenen Jahren ist
es trotz viel geringerer Zahlen nicht gelungen, die Bildung von Parallelgesellschaften in
einigen Hochburgen in Deutschland zu verhindern. Dennoch gibt es keine Alternative zur
Integration. Die Menschen, die hier sind, werden auch hier bleiben und weitere nach
sich ziehen, es werden noch einige Millionen hinzukommen.
Es ist unerlässlich, dass Politik und Gesellschaft zu einem ernsthaften sachlichen Dialog
finden, um die Herausforderungen zu meistern. Voraussetzung ist in jedem Fall eine
starke Wirtschaft, die alleine in der Lage ist, mit hoher Beschäftigungszahl die
notwendigen Mittel zu generieren und den Menschen eine sinnvolle Beschäftigung zu
geben, mit der sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Den Solidaritätszuschlag
nicht wie geplant abzuschaffen und für die Flüchtlinge künftig weiter zu verwenden,
kann nicht die Lösung unserer gegenwärtigen Situation sein und wird den heimlichen
Groll auf die Zuwanderer nur verstärken. Wir brauchen aber auch kein kunterbuntes
und chaotisches Land, auch keines mit Parallelgesellschaften zum Abkassieren, sondern
den Integrationswillen unserer Neubürger für eine gemeinsame Zukunft aller Bürger.
Wir hoffen für 2015 auf vernünftige Lösungen, die jedem Bürger das Gefühl geben, nicht
nur zahlendes Mitglied einer Gesellschaft von verfehlter Gutmenschenpolitik zu sein,
sondern in einem liebenswerten Land zu leben, das Menschliches für alle Menschen
freisetzt.
In diesem Sinne wünschen wir allen unseren Leserinnen und Lesern ein besinnliches und
friedvolles Weihnachtsfest, und Frieden allen Menschen, die guten Willens sind,
Ihre Frau Schildburg und Herr Hausen
28. Oktober 2015
Liebe Leser von
www.dunkelgraefinhbn.de und www.schildburghausen.de,
Werbung ist auf unseren Seiten nahezu tabu, selbst für eigene Produkte werben wir nicht.
So ein wenig wollen wir heute eine Ausnahme machen, weil uns die Ankündigung eines
neuen Produkts sehr gefällt, sie betrifft Hildburghausen. Sie wissen, ein Motto heißt:
„Man kann nur das lieben, was man kennt.“
Siegmund Gutberlet, inzwischen ist der AWG-Geschäftsführer auch Stadtrat.
Dass er Sammler von Briefmarken und Ansichtskarten ist, das ist stadtbekannt.
Im Zeitraum von nahezu zwei Jahrzehnten hat er aus seiner Ansichtskartensammlung
mit Gaststättenmotiven ein Buch geschrieben, das demnächst im Dölle-Verlag,
Hildburghausen, erscheint.
Im „Waschzettel“, so heißt in der Verlagssprache eine Buchankündigung, ist u. a. zu lesen:
Siegmund Gutberlet
Prosit Hildburghausen
Ein Streifzug durch die Gaststätten von Hildburghausen
Die Stadt Hildburghausen kann auf eine abwechslungsreiche Tradition und Geschichte
zurückblicken. Sie war mittelalterliche Ackerbürgerstadt, Residenzstadt, Garnisonsstadt,
Kreisstadt und eine Vielzahl hervorragender Bildungseinrichtungen brachte ihr den
Namen „Stadt der Schulen“ ein. Weniger bekannt – aber dennoch genauso interessant
und spannend – ist die Geschichte der Gaststätten und sonstigen Lokalitäten unserer Stadt.
Der Autor Siegmund Gutberlet beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dieser
Thematik. Die vorliegenden Ergebnisse sollen erstmals mit diesem Buch einem
breiten Publikum vorgestellt werden.
Das Buch ist ein Streifzug durch gastronomische Einrichtungen unserer Stadt und
vermittelt dem Leser einen historischen Überblick über die Vielfalt der Gastronomie.
Reich bebildert mit historischen Postkarten, Fotografien und Zeitdokumenten wird
es das Interesse bei Heimatfreunden finden.
Das Buch ist voraussichtlich ab IV. Quartal 2015 im Buchhandel bzw. im Verlag
erhältlich. Bestellen Sie also schon jetzt Ihr Exemplar direkt beim Verlag
Bibliografische Angaben zum Titel:
Hartband, Umfang ca. 132 Seiten, Format (beschnittener Buchblock) 21 cm x 20 cm,
zahlreiche Abbildungen, 1. Auflage voraussichtlich IV/2015
Und nicht vergessen: Weihnachten ist auch Geschenkezeit!
26. September 2015Hans-Jürgen Salier
Festrede Themar 19.00 Uhr, Schützenhaus
25 Jahre Deutsche Einheit
25 Jahre Städtepartnerschaft1778, wenige Monate vor Ausbruch der Französischen Revolution, schrieb Voltaire, der große Philosoph der französischen und europäischen Aufklärung:
„In manchen Ländern hat man angestrebt, dass es einem Bürger nicht gestattet ist, die Gegend, in der er zufällig geboren ist, zu verlassen. Der Sinn dieses Gesetzes liegt auf der Hand: Dieses Land ist so schlecht regiert und wird so schlecht regiert, dass wir jedem verbieten, es so zu verlassen, weil es sonst die ganze Bevölkerung verlassen würde.“
In den Jahren 2014/15 wird in Erinnerung des Falles von Mauer und Stacheldraht im wunderbaren Herbst 1989 bis zu den Oktobertagen 1990 zur Vereinigung unseres deutschen Vaterlandes gedacht. Das ist gut so, wenn das nicht zur Kampagnenwirtschaft oder zur Pflichtübung verkommt. Die Deutsche Einheit ist nach einer Revolution von unten entstanden, also nicht wie bei der Reichsgründung 1871 von oben mit Blut und Eisen opferreich zusammengeschmiedet. Und das Volk mit seinem demokratischen Selbstbewusstsein hat die Freiheit erreicht und einen historischen Sieg über die Diktatur erzwungen. Dessen sollte sich jeder bewusst sein, der in unserem Land Verantwortung übernimmt. Und eines war dieses Ereignis nie: eine Wende, wie es der SED-Generalsekretär formulierte. Es ist und bleibt eine Revolution.
Bedenken wir aber auch in dieser feierlichen Stunde, welche grotesken Züge die gegenwärtige Hetze gegen Deutschland, auch im eigenen Land, annimmt. Wer sich zu Deutschland im Haus Europa oder zum Patriotismus bekennt, macht sich bei manchen Zeitgenossen höchst verdächtig. Es ist ein erschreckender Aspekt deutscher Realitätsflucht, Tatsachen so zu behandeln, als seien sie mehr oder weniger qualifizierte Meinungen, die man schnell in eine Nische drängen kann.
Die Bürger sollten sich dessen in glücklichen Zeiten, aber auch in Zeiten großer Herausforderungen bewusst sein und den Ruf nach Freiheit und Demokratie nicht zur Pflichtübung werden lassen. Freiheit und Demokratie werden nicht an privat gemachten menschlichen Unzulänglichkeiten gemessen. Täglich müssen wir die Freiheit verteidigen und für sie einstehen, denn das gesellschaftliche Leben läuft nicht im Selbstlauf, auch wenn sich in friedlichen und guten Zeiten viele Menschen weder um Freiheit noch Demokratie scheren. Sie sind der Meinung, sie handeln im Sinne der Freiheit, wenn sie beispielsweise Wahlen verweigern. Es sind nicht immer die bildungsfernen Kreise, die sich entziehen und Diktaturen indirekt beschleunigen, sondern eher intellektuelle Mitbürger.
Treffend hat es der ehemalige Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt in der Retrospektive zum 20. Jahrhundert gesagt:
Wo die Freiheit nicht beizeiten verteidigt wird, ist sie nur um den Preis schrecklich großer Opfer zurückzugewinnen. Hierin liegt die Lehre des Jahrhunderts.
Sehr genau erinnere ich mich an die Nachrichten der „Tagesschau“ vom 12. Juni 1987. Begeistert war ich, als der immer wieder geschmähte US-Präsident Ronald Reagan am von der DDR gesperrten Brandenburger Tor in Berlin aus Richtung Berlin-West einen der wichtigsten und wirksamsten Sätze des 20. Jahrhunderts formulierte: Mr. Gorbachev, open this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall! (Herr Gorbatschow öffnen Sie dieses Tor! Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer ein!).
Wer nahm diese beiden kurzen Sätze in Ost oder West schon Ernst? Sie waren höchstens für eine Scheibenwischerbewegung ein Argument, nicht aber für die Gegner der deutschen Teilung, aber auch nicht für die Ideologen des ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates auf deutschem Boden, weil da ein ernstzunehmender Mensch am menschenfeindlichen und politikgewollten Status quo rüttelte. Reagan war wieder einmal der „Kalte Krieger“. Der Kommunikationstechnik sei Dank, dass man das heute lupenrein in den Pressearchiven nachlesen kann.
Der feinsinnige Dichter, Übersetzer und ausgebürgerte DDR-Dissident, Reiner Kunze, für mich der bedeutendste lebende deutsche Schriftsteller, Jahrgang 1933, schrieb 1998 sein Gedicht
Die Mauer
Als wir sie schleiften, ahnten wir nicht,
wie hoch sie ist
in unsWir hatten uns gewöhnt
an ihren horizontUnd an die windstille
In ihrem schatten warfen
alle keinen schattenNun stehen wir entblößt
jeder entschuldigungDer Dichter erinnert, dass sich die meisten Deutschen an die deutsche Teilung, aber auch an die Teilung der Welt gewöhnt hatten und die Situation als gegeben und unüberwindbar sahen und letztlich ihre eigene Unfähigkeit mit dem Status quo und dem vielbemühten Wort „Eiserner Vorhang“ rechtfertigten. Die Abschottung hatte sich beinahe vergegenständlicht, und so funktioniert es teilweise heute noch, weil man vermutlich nicht wahrhaben will, dass man einst den falschen Herren diente. Die einen hatten die Faust in der Tasche, fügten sich letztlich in die Teilung, für andere in der Sicherheit eines demokratischen Staates war die Einheit schon lange nicht mehr das politische Ziel Nummer eins, auch wenn es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland eindeutig verankert ist. Man hatte sich der Zeit angepasst.
Nach einem Vierteljahrhundert ist die Einheit Alltag geworden, und die Nachgeborenen wissen nur noch aus zweiter Hand davon, dass Deutschland je geteilt war. An die gewonnenen Freiheiten hat man sich schnell gewöhnt, wie an ein schönes Bild, das man erst begeistert kauft, und nach einer Weile beachtet man es kaum noch, weil es wie selbstverständlich im Zimmer hängt. Einige Menschen verharren in misslauniger Nostalgie und träumen von der muffigen sozialistischen Nestwärme, die das eigentliche Übel ihres Lebens war. Ein Vierteljahrhundert nach den Ereignissen der Kerzenlichtrevolution in den Herbsttagen des Jahres 1989 scheint das alles wieder vergessen zu sein, vor allem die Diktatur wird größer geredet oder verdrängt.
Vergessen ist aber auch, wer 1989/90 die politische Apathie der DDR seinerzeit beenden will, wer sich mutig mit der Erklärung Aufbruch 89 und den friedlichen Worten „Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit“ dem System entgegenstellt: das „Neue Forum“, das in der Folgezeit nach allen Richtungen verklärt und auch teils missachtet wird, vor allem, weil sich andere das Heldentum von Freiheit und Demokratie zur Selbstbeweihräucherung über den eigenen Kopf stülpen.
Wer kennt eigentlich noch die Namen der vielen anderen Bürgerinitiativen, wer weiß noch, was wirklich passiert ist in diesem halben Jahr zwischen September ‘89 und März ’90, der ersten freien und demokratischen Wahl im Osten Deutschlands seit knapp sechs Jahrzehnten, und dem Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990, der vielleicht heute nur noch als Feiertag wahrgenommen wird?
In der DDR kommt es 1989 zu einer siegreichen Revolution – und noch dazu zu einer friedlichen, die überdies viele nationale und internationale Kausalitäten und Beeinflussungen kennt. Die Historiker wissen, dass der Mechanismus nicht einfach so fassbar ist. Vielen Menschen ist im Bewusstsein geblieben, dass vor 26 Jahren viele Aktivitäten aus den Gotteshäusern kamen, ich meine nicht allein die Kirche als Institution. Vorwiegend protestantische und katholische Gläubige, andersgläubige oder konfessionslose Bürger trafen sich. In den kirchlichen Einrichtungen fand man Schutz. Es wurde diskutiert und artikuliert, beherztere Forderungen zur Demokratisierung wurden immer lauter, der Schrei nach Freiheit bahnte sich Weg. Nein, allgemeines Palaver und das allgemeine DDR-Gemeckere war das nicht.
Die Einheit Deutschlands ohne Krieg und Sieg! – Unvorstellbar! Auf alles waren die DDR-Machthaber vorbereitet, auch in Themar, im Kreis Hildburghausen, im Bezirk Suhl, in der DDR: auf militärische Gewalt und Internierungslager, nur nicht auf Kerzen und Gebete! Wer Kerzen in der Hand hält, wirft keine Steine. Gerne bezeichne ich unsere wunderbare gewaltlose Revolution der Herbsttage 1989 auch als Kerzenlichtrevolution.
Erinnern wir uns:
Am 7. Oktober 1989 feierte die Staatsmacht mit großem Pomp den 40. Geburtstag der DDR. Sie kennen auch die Schwejkiade mit dem Ochs und dem Esel und Honecker. Feststimmung will bei vielen Menschen nicht aufkommen, denn das einst von Marx und Engels in der Programmschrift Kommunistisches Manifest propagierte Gespenst des Kommunismus ist längst bittere Realität geworden. Während es in den meisten Ländern Osteuropas schon in den letzten Zügen liegt, tanzt man hinter Stacheldraht und Minenfeldern auf dem Totenbett. Und die ersten Demonstranten bringen abseits der Jubelfeiern ebenfalls ihr Geburtstagsständchen: „Happy birthday, Polizeistaat!“
Die Menschen werden kurz vor dem selbstverschuldeten Kollaps der DDR mutig. Sie besinnen sich eines oft erprobten Rezepts, wie man die Herrschenden zur Räson bringt: des Protests der Straße. In der „Heldenstadt“ Leipzig, in Dresden, in Plauen, Ilmenau und anderswo wird das längst erfolgreich praktiziert. Hinter den Bergen, in der „Autonomen Gebirgsrepublik Suhl“, im grenznahen Raum, der Provinz ohne größere städtische Zentren, ohne bedeutsame internationale Kontakte, dauert der Lernprozess länger. Vielleicht auch, weil hier die Unterdrückungsmechanismen perfekter funktionieren, in diesem ländlich strukturierten Raum mit den vielen kleinen und großen Abhängigkeiten, wo „subversive Elemente“ kaum eine Chance hatten. Man hat hier in der Vergangenheit leidvolle Erfahrungen mit der Unterdrückung oppositioneller Kräfte, Zwangsaussiedlungen und Verbrechen an der Demarkationslinie gemacht. Und wie stets, egal unter welcher Herrschaft, wurde das Prinzip der Anpassung schnell und erfolgreich angewandt.
Die Revolution der Kerzen und Transparente mit Aufschriften wie „Keine Gewalt“ beginnt.
Auch innerhalb der SED mehren sich ernsthaft kritische Stimmen, die sich neu orientieren wollen, die tatkräftig mithelfen, das stalinistische System zu überwinden. Sie sind sicherlich nicht die Wendehälse, die die Situation rasch erkennen und sich auf die Seite der vermeintlich neuen Sieger flüchten. Manche erkennen die Chancen der Zeit und stellen sich der Kritik. Viele delegieren jedoch ihre Verantwortung nach oben, und die Oberen sagen, die Unteren hätten sie belogen oder desinformiert. Nach der Zerschlagung des Dritten Reiches war es ähnlich, man redete und wendete sich bis zum Persilschein durch.
Nicht nur für mich ist der 9. Oktober in Leipzig der eigentlich entscheidende Tag, das Kerndatum, und nicht der 9. November 1989. Meine Erlebnisse vom 10. Oktober in Leipzig haben sich fest eingeprägt. Der 9. November ist aus meiner Sicht überbewertet. Zwar zeitigte er mit dem Fall von Mauer und Stacheldraht ein wunderbares Ergebnis. In den November- und Dezembertagen gaben sich zu viele Menschen mit dem Erreichten zufrieden. Nicht nur für mich ist der 9. November 1989 die letzte Willkürentscheidung der SED gewesen. Auch wenn wir alle sehr glücklich gewesen sind, danken wir ihr nicht dafür, denn sie wollte nur ihre eigene Haut und ihre Pfründe im Schutze der nahenden Demokratie retten. Die einstigen Machthaber müssten uns danken, weil wir sie vorübergehend aus ihren irrationalen Zwängen befreit haben. Die Entscheidung nahm – wir spürten das im ganzen Land bei Demonstrationen, Kundgebungen, Friedensgebeten und Fürbitt-Gottesdiensten – der Revolution mit den freien Reise- und Konsummöglichkeiten viel Kraft. Der 9. November war eine Ventilentscheidung und nicht die große Befreiungsaktion.
Der Slogan der Massen in den Herbsttagen 1989 wechselte von Wir sind das Volk! zu Wir sind ein Volk! Es ging nicht mehr um die Erneuerung der DDR zu einem demokratischen und rechtsstaatlich geformten Staat, den es unter sozialistischen Bedingungen, das bestätigt uns die Geschichte, nie gegeben hätte, sondern um den Anschluss an den Teil Deutschlands, in dem Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bereits eine vierzigjährige Bewährungsprobe bestanden hatten. Das Vertrauen zum SED-Staat war dem Volk abhanden gekommen.
Mit der Einheit Deutschlands kam es zu einem grundsätzlichen Widerspruch, und das ist nicht verwunderlich. Mit der Ablösung der kommunistischen Heilslehre käme wie in einem Supermarkt jede gewünschte Ware, demnach also westliches, freiheitliches und menschenwürdiges Handeln beinahe zum Nulltarif. Und da hatte mancher Mitbürger echte Probleme, dass es keine ideologische Heilslehre mehr gab, dass zwar eine mitunter reichlich abstrakte Werteordnung vorhanden war, aber der tägliche Wettbewerb und das Ringen um sehr unterschiedliche Meinungen und Ansichten vom Gemeinwohl beinahe nicht durchschaubar waren. Das „Erlernen“ und „Praktizieren“ der Demokratie kann also nie auf Anweisung geschehen.
Die aus der DDR ausgewiesene und verfemte Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley sagte es 1991 so: „Die DDR-geprägten Deutschen haben den Rechtsstaat bekommen, um darin die Gerechtigkeit selber zu verwirklichen. Sie waren in die Mündigkeit entlassen, wo es nicht immer anheimelnd und gemütlich ist, eine Erkenntnis, die den Deutschen im Westen seinerzeit auch nicht leicht gefallen ist. Sie hatten allerdings 1989 bereits eine vierzigjährigen Praxis darin hinter sich.“
Nun wurde nicht mehr verdrängt, was es bedeutet hat, das Vorenthalten aller Menschenrechte, des Rechts zu reisen, des Rechts, seinen Beruf frei zu wählen und auszuüben, des Rechts, sich Wohlstand durch freien Handel zu erwerben, des Rechts, seine Kinder auf höhere Schulen und auf Universitäten auch dann zu schicken, wenn man nicht der Klasse der Arbeiter und Bauern angehört, das Recht, sich frei zu versammeln und in Vereinen zusammen zu schließen, das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren und schließlich der Rechte auf Freiheit der Person und auf körperliche Unverletzlichkeit.
Und unendlich viele Jahre wurde nimmermüde diskutiert, dass der Prozess der Annäherung der beiden Staaten zu schnell ging, dass der DDR alles übergestülpt wurde. Nun gut, dass mancher drittklassige politische und wirtschaftliche Abenteurer in der inzwischen Ex-DDR sein Glück machen wollte, steht außer Frage. Bei exakter Analyse bliebe da nicht viel, auch wenn mancher Bürger mit Arbeitslosigkeit einen schweren Gang ging. Es war nicht mehr viel da. Aus meiner Sicht herrschte sogar Zeitnot. Wirtschaft, Verwaltung und Rechtsprechung verlangten für einen stabilen Staat gesicherte Rechtsgrundlagen, besonders aber im sozialen Bereich. Millionen DDR-Rentner mussten in das Rentensystem der Bundesrepublik Deutschland eingegliedert werden, in das sie bis dato niemals eingezahlt hatten. Hunderte Gründe gäbe es zu nennen und zu analysieren.
Fürwahr eine gute Entwicklung, die sich täglich überall tausendfach widerspiegelt. Sie gilt es weiter zu gestalten und zu schützen. Auch wenn nicht alles gelang und manches nicht oder noch nicht vollendet ist. Es lohnt sich, sich für die Menschen einzusetzen. Es sei aber Vorsicht geboten, wenn Ideologen im Internet, in Presse, Hörfunk und im Fernsehen mit phrasenhafter Kritik die Demokratie unterwandern und beklatscht oder bejubelt werden, gerade in einer Zeit, in der unser Land höchsten Anstrengungen und massiven Kritiken ausgesetzt ist.
Nicht das System hat Fehler gemacht, sondern das System selbst ist der Fehler. Das ist eine Revolution gewesen und keine Wende, sie ist Teil der europäischen Freiheitsrevolution, wie es Hans-Dietrich Genscher in einem Vorwort eines von meinem Sohn Bastian und mir vor anderthalb Jahrzehnten geschriebenen Buches formulierte.
In den nicht immer ehrenwerten Absichten, die DDR größer zu reden, wie sie tatsächlich war, wie das gegenwärtig praktiziert wird, sollte man energisch dagegen halten, was in der reichlich vierzigjährigen Diktatur geschah. Mehr als drei Millionen Menschen, die ihre Heimat Richtung Westen verließen, waren nicht nur Abenteurer oder haltlose Menschen. Eine ganze Generation in beinahe allen Bereichen wurde weitestgehend abgetragen oder hatte keinen Einfluss auf die Entwicklung, es kam zu intellektuellen und moralischen Verwerfungen, die im Osten Deutschlands belastend die Entwicklung im geeinten Deutschland behinderten. Und die selbst gewebten Mythen wabern durch die Gesellschaft, und die folgenden Generationen werden infiziert. Manchmal hat man bei all der DDR-Glorifizierung das Gefühl, die Bundesrepublik Deutschland wäre zusammengebrochen und der Deutschen Demokratischen Republik beigetreten. Sicherlich sind in den vergangenen 25 Jahren unendlich viele Fehler gemacht worden. So will ich nicht über die kontraproduktive Bürokratie reden bis hin zu den gravierenden Fehlern in der gegenwärtigen Flüchtlings- und Integrationspolitik. Wir leben inzwischen in blühenden Landschaften, Deutschland ist d a s Lieblingsland der Welt geworden, nicht nur für Asylsuchende. Mit all unseren Sorgen und Nöten.
Es sei mir gestattet, nach der deutschen Teilung, der DDR ein Lob auszusprechen:
Zu den wenigen Vorzügen der Diktatur gehört es, dass sie den Freiheitssinn lebendig hält.
Wer sich an 1989 und an die Folgejahre zurückerinnert, der brauchte Stunden, all seine Gedanken und Eindrücke zu artikulieren. Weder Pflicht noch Übung sind es, auf die fünfundzwanzigjährige Freundschaft und Partnerschaft der beiden fränkischen Städte Themar und Gerbrunn nicht nur zu gedenken, sondern sie beinahe zu rühmen, die unauslöschlich zu den Stadtgeschichten beider Kommunen gehören. Wir wissen, es geht manchmal sehr schnell, eine Idee in die Welt zu setzen. Sie zu gestalten, vor allem sie mit Leben zu erfüllen und die Menschen mitzunehmen, das ist weitaus schwieriger. In dieser festlichen Stunde seien dem „Initiativkreis für Europäische Städtepartnerschaften (IGEP) e.V.“ aus Gerbrunn mit dem Vorsitzenden Norbert Mauermann und dem Verein „Themar trifft Europa“ mit Sabine Müller als Führungspersönlichkeit überaus herzlich gedankt.
Im heutigen gemeinsamen miteinander Reden zur Festveranstaltung werden sicherlich die Ereignisse um den September und Oktober 1990 immer wieder angesprochen. Halten wir fest: Die „Urkunde über die Partnerschaft der Kommunen Gerbrunn und Themar“ vom 28. September 1990 war schneller als der „Tag der Deutschen Einheit“, unterzeichnet wurde sie von den Bürgermeistern Hans Lorke und Klaus Rönick, sekundiert wurden sie von ihren Stellvertretern Elmar Fries und Hubert Böse. Vom Juli bis Ende September 1990 gibt es eine inhaltsreiche Dokumentation zur Entstehung der Städtepartnerschaft, die mit den Aktionen und den beteiligten Persönlichkeiten immer Teil der Geschichte der beiden Kommunen bleiben sollte, die mehr als Amtshilfe für die Kleinstadt im Werratal war, sondern weil sie von den Parteien, Vereinen und von den Menschen mit allen Höhen und Tiefen gestaltet wurde. Die Städtepartnerschaft lebt, und sie soll sehr lebendig bleiben. Viele Ideengeber und Förderer der frühen Zeit gäbe es zu nennen, beispielsweise die Gemeinderäte Ulrich Feige und auch Dr. Klaus Hemprich oder auch die Bürgermeisterin Heidi Kettner. Aber all das ist wieder ein abendfüllendes Programm.
Meine Worte gelten vor allem der Jugend des gemeinsamen friedlichen Hauses Europa, dabei denke ich an den Schüleraustausch zwischen Gerbrunn, Černošice und Themar mit den vielfältigen Projekten. Weltanschauung hat nichts mit Ideologie zu tun, wohl eher, sich die Welt anzuschauen. Gemeinsame europäische Bildungsmaßnahmen sind nicht abstrakt, sondern in gemeinsamen Aktionen und Übungen werden Wertemaßstäbe sichtbar, die für unser Zusammenleben bedeutend sind: Natur- und Artenschutz, Kennenlernen von Sitten und Gebräuchen, Informationen zu kommunalen Schwerpunktthemen, historische Entwicklung der jeweiligen Kommune, wirtschaftliche Schwerpunkte, Vereinsleben u. v. a. m. Die Jugend der Partnerstädte ist inzwischen Teil der Partnerschaft geworden.
Bürgerfahrten zum Kennenlernen der Nachbarn ins Elsass nach Molsheim und Straßburg, in die Normandie in die Calvadosregion, Polen mit den Zielorten Leschnitz, Oppeln und Krakau, nach Tschechien mit Černošice und Prag. Diese wurden vom Partnerschaftsverein „Themar trifft Europa“ organisiert.
Herbstwanderwochenenden der Gerbrunner Freien Wähler vornehmlich in Themar und Umgebung.
Sprachkurse zum Erlernen der französischen Sprache in Themar und Molsheim. Die Partnerschaft Gerbrunn – Themar hat zwischenzeitlich eine europäische Dimension bekommen, so beispielsweise der jährliche Partnerschaftstermin am ersten Oktoberwochenende.
Jetzt soll ein Partnerschaftsvertrag zwischen Černošice und Themar geschlossen werden. Wenn in 25 Jahren die Silberhochzeit in einem friedlichen Europa gefeiert wird, sicherlich mit einem Teil anderer Akteure, begehen Gerbrunn und Themar die Goldene. Zwei verheißungsvolle Programmvorgaben, tolle Programme und zukunftsträchtige Events.
Mein Kopf ist noch voller Gedanken zum heutigen Ereignis. Danke, dass Sie so aufmerksame Zuhörer waren!
20. August 2015Erinnern an die „Ringparabel“ („Nathan der Weise“)
Der Kommentar von Christopher Dietz zum Schildburghausen „Political Correctness
und die Zensur im Jahr 2015“ hat Frau Schildburg und Herrn Hausen nicht nur
beeindruckt, sondern auch motiviert, nachfolgenden Text spontan zu schreiben,
da er viel mit Deutschland und der Welt zu tun hat.
Beinahe jeder unserer Leser kennt die „Ringparabel“ aus Gotthold Ephraim Lessings
(1729 – 1783) „Nathan der Weise“, dem letzten Werk des großen Dichters der Aufklärung,
mit dem er seinem Freund Moses Mendelssohn ein unsterbliches Denkmal setzt, das ein
Hohelied der Menschlichkeit geworden ist, aber von den Menschen kaum begriffen wird.
Der Inhalt ist sehr schnell erzählt: Ein Mann besaß einen Ring, der die besondere Kraft
hatte, „seinen Träger vor Gott und den Menschen angenehm zu machen“. Von Generation
zu Generation wird er weiter vererbt. Der Sohn erhält den Ring, den der Vater am
meisten liebt. Ein Vater aber hat seine drei Söhne gleich lieb und bei der Vererbung ein
Problem. Also lässt er noch zwei Imitationen anfertigen, die sich optisch durch nichts
unterscheiden. Jeder seiner Söhne bekommt einen Ring. Der Vater verstirbt, und zwischen
den Söhnen entbrennt ein erheblicher Streit, welcher Ring – also welche Religion – die
echte sei. Ein Richter soll die Lösung finden. Der stellt fest, dass er den echten Ring nicht
von den Imitationen unterscheiden könne, also auch nicht die wahre Religion. Er gibt den
drei Brüdern den Rat, jeder solle daran glauben, dass ihr Ring der echte sei. Sie sollten
um die Wette streben, den eigenen Ring als den echten zu erweisen, also nach guten
Taten und Verhalten streben. – Bei Lessing heißt es in seinem Dramatischen Gedicht:Es strebe jeder um die Wette,
Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag
Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut,
Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun,
Mit innigster Ergebenheit in Gott,
Zu Hülf! Und wenn sich dann der Steine Kraft
Bei euern Kindes- Kindeskindern äußern:
So lad' ich über tausend tausend Jahre,
Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird
Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen,
Als ich; und sprechen.Wir können keine Ratschläge geben, aber die Eiferer der drei großen monotheistischen
Religionen Judentum, Christentum und Islam mit ihren abrahamistischen Wurzeln
müssen zueinander finden. Sie müssen erkennen, was sie trennt und kompromisslos
dafür streben, die mörderischen und weltverderbenden Kämpfe in ihren eigen Reihen
versiegen zu lassen. Sie müssen auf friedlichem Wege zueinander finden, damit
die Menschheit, ob man daran glaubt oder nicht, friedlich mit diesen Glaubensinhalten
leben kann.
20. Juli 2015
04. Juli 2015 Leserbrief zum Untergang GriechenlandsDie Goldenen Brücken, die ihm die Eurokraten in Brüssel seit Wochen bauten, hat er nie betreten: Alexis Tsipras, der seit Januar 2015 amtierende Ministerpräsident einer Links-Rechts-Regierung in Griechenland! Stattdessen ist er letzte Woche in die Zielgerade eingebogen, die schnurstracks in den Abgrund führt: Er lässt jetzt „das Volk“ entscheiden, nachdem er zuvor „dem Volk“ eingeredet hat, in Brüssel herrsche eine Bande von Kriminellen, die das griechische Volk erpressen und ausbeuten wollten.
Dabei hatten sich die Eurokraten in Brüssel schon fast auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt, ein Lächeln von Alexis Tsipras, dem Jean-Claude Juncker in Brüssel unentwegt die Wange tätschelte, um ihn bei Laune zu halten, oder ein Aktenkoffer als Geschenk für Yannis Varoufakis, der so arm ist, dass er mit einem Rucksack bei den EU-Behörden auftauchte, hätten genügt, und die Milliarden wären erneut in die Staatskassen Athens geflossen und die Griechen hätten so weiter leben können wie bisher, nämlich auf unsere Kosten , denn die anderen EU-Staaten wären für diesen orientalischen Lebensstil aufgekommen!
Aber die Europäer werden Griechenland nicht fallen lassen, denn diese Staatspleite durch unfähige Politiker hat nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine geopolitische Komponente: Griechenland liegt an der Südostflanke der NATO und gilt als Einfallstor für chinesische und russische Interessen. Es wäre fatal, wenn Wladimir Putin auf Kreta einen Flottenstützpunkt zugewiesen bekäme, nachdem er schon für Milliarden, die in die griechische Staatskasse fließen, eine Öl-Pipeline bauen darf. Und es wäre nicht zu ertragen, wenn die chinesischen Potentaten einen Hafen in der Ägäis kauften, von wo aus sie das östliche Mittelmeer überwachen könnten.
Deshalb bleibt alles so, wie es ist: Griechenland werden alle Schulden erlassen, und neue Milliarden an Hilfsgeldern werden in den nächsten Jahren nach Athen fließen. Die deutsche Bürgschaft von 60 Milliarden muss abgeschrieben werden, und auch kleine Staaten wie Lettland, die viel ärmer sind als Griechenland, müssen für die griechischen Schulden aufkommen. Und nun wissen wir auch, Simone Peters von den GRÜNEN hat uns das am Wochenende verklickert, wer für die Misere verantwortlich gemacht werden kann: Angela Merkel!
Dr. Jörg Bernhard Bilke, Coburg, 28. Juni 2015
04. Juli 2015
Vergilbte Blätter
Die DDR-Dokumentation „Unrecht als System“Seit den Koalitionsverhandlungen in Thüringen vom Herbst 2014 wird verstärkt in den fünf Ländern Mitteldeutschlands und im ehemaligen Ostberlin über das Thema diskutiert, ob die DDR ein Unrechtsstaat war oder nicht. Letzter Höhepunkt war die Diskussion, die die „Rosa-Luxemburg-Stiftung“ in Berlin am 23. Juni 2015 veranstaltete. Teilnehmer waren der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Lengsfeld (1972), der älteste Sohn der Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld(1952), und von der Gegenseite Steffen Bockhahn (1978) von der LINKEN. Die Diskussion im Salon der „Rosa-Luxemburg-Stiftung“ (Franz-Mehring-Platz 1) leitete Tom Strohschneider, der Chefredakteur von NEUES DEUTSCHLAND. Das Thema hieß „War die DDR ein Unrechtsstaat?“, ein Satz, der in den Jahren nach dem Mauerfall vom 9. November 1989 nur eine rhetorische Frage gewesen wäre. Philipp Lengsfeld ist, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, promovierter Physiker und sitzt seit 2013 im DEUTSCHEN BUNDESTAG. Steffen Bockhahn war 2009/12 Landesvorsitzender der LINKEN im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern und saß 2009/13 im DEUTSCHEN BUNDESTAG, seitdem ist er Senator in Rostock.
Die vierbändige Dokumentation „Unrecht als System“ ist den frühen DDR-Jahren 1949 bis 1961 gewidmet, danach konnte sie nicht mehr erscheinen, weil wegen des Mauerbaus am 13. August 1961 die Flucht nach Westberlin oder über die innerdeutsche Grenze nur noch in Ausnahmefällen möglich war und die, denen die Flucht gelungen war, eher Arbeitszeugnisse, Meisterbriefe oder Abiturzeugnisse, am Körper versteckt, mit sich führten als, sofern sie einmal verurteilt gewesen waren und in DDR-Zuchthäusern gesessen hatten, Anklageschriften und Gerichtsurteile, die ohnehin viel umfangreicher waren. Überhaupt wundert sich der Leser, dass der in Westberlin 1949 gegründete und 1969 ins GESAMTDEUTSCHE INSTITUT überführte UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS FREIHEITLICHER JURISTEN, der diese Dokumentation in den Jahren 1952/62 erarbeitet und herausgegeben hat, den Unrechtsstaat DDR und seine Justizpraxis mit einer solchen Fülle von Dokumenten belegen kann. Nun ist der Ausschuss von ehemaligen DDR-Juristen gegründet worden, die nach Westberlin geflohen waren, aber noch jahrelang auf konspirativen Wegen Verbindungen zu früheren Kollegen an DDR-Gerichten hatten, die ihnen einschlägige Dokumente zuspielten. Ich erinnere mich, dass ich meine Anklageschrift für eine Nacht in der Zelle zu lesen bekommen hatte und am nächsten Morgen wieder abgeben musste, mit Urteil und Urteilsbegründung wurde genauso verfahren, damit der politische Gefangene, den es offiziell nicht gab, nichts in der Hand hatte, womit er die Willkür des Staates, der ihn verfolgt hatte, beweisen konnte.
Erst 1992, als die Archive von „Staatssicherheit“ und DDR-Justiz zugänglich waren, habe ich aus Leipzig meine Unterlagen zugeschickt bekommen. Versuche, während der Untersuchungshaft Anklageschrift und Urteilsbegründung auswendig zu lernen, mussten aus verständlichen Gründen misslingen. Aber selbstverständlich haben bis zum 13. August 1961 von Ostberlin nach Westberlin geflohene DDR-Bewohner solche Unterlagen mitgebracht, in den Jahren 1959/60 bis zur „Vollkollektivierung“ der Landwirtschaft (31. März 1960) auch Landwirte und Landarbeiter, die den Beitritt zur LPG verweigert hatten und deshalb verhaftet und verurteilt worden waren. In den vier Bänden sind Dutzende solcher Urteile abgedruckt, oft auch mit dem Vermerk, dass der betreffende Zeitzeuge N.N. vorübergehend im Flüchtlingslager Berlin-Marienfelde lebe. Ich habe im Sommer 1961, noch vor meiner Verhaftung in Leipzig, Will Trempers (1928-1998) Spielfilm „Flucht nach Berlin“ (1961)gesehen, in dem das „Bauernlegen“ in der DDR-Provinz thematisiert war. Bei Gesprächen im Zuchthaus Waldheim haben wir oft gespottet, es gäbe nicht nur drei LPG-Typen, sondern vier: „Der Bauer im Westen, das Land ist hier!“
Diese vierbändige Dokumentation, die nur noch in wenigen Bibliotheken vorhanden ist und über die Fernleihe bestellt werden kann, umfasst 1110 Seiten und liest sich wie ein unendlicher Kriminalroman. Sie erschien 1952 (240 Seiten), 1955 (294 Seiten), 1958 (284 Seiten) und 1962 (292 Seiten). Der vierte und letzte Band ist sicher der aufregendste, weil hier auch wenige Zeugnisse abgedruckt sind, die aus der Zeit nach dem 13. August 1961 stammten. Da wurden auch Ostberliner oder DDR-Bürger aus den Randgebieten Ostberlins, die bis 1961 in Westberlin gearbeitet hatten, verhaftet und verurteilt, weil sie Mauerbau und Verlust des Arbeitsplatzes psychisch nicht verkraften konnten. Dazu gibt es ein Buch des geflohenen DDR-Psychiaters Dietfried Müller-Hegemann (1910-1989)„Die Berliner Mauerkrankheit“ (1973).
Vergleicht man den Erkenntnisgewinn, den man aus diesen Dokumenten über die DDR-Justiz und das Wirken der „Staatssicherheit“ schöpft, mit den Arbeiten heutiger DDR-Forscher, die nach 1989 geboren sind und den SED-Staat nur in der „Papierform“ kennen, so stellt man fest: Hier wird offensichtlich von zwei verschiedenen Staaten gesprochen!
Jörg Bernhard Bilke
21. Mai 2015Diese Klänge mögen wir nicht
So machen sie es die, Damen und Herren Neonazis und andere Extremisten.
Sie setzen auf Aktionismus und reizen den demokratischen Rechtsstaat aus.
Und viele lassen sich in Aktion setzen. Nicht die Zuhörer ihrer Konzerte sind ihnen
so wichtig, die karren sich selbst heran. Ihr Beifall ist, wenn sich die Medien über
sie aufregen, die Bündnisse gegen rechts Gegendemos organisieren und sich dort
noch ihre Lieblingsgegner einfinden, lautstarke, vielleicht auch gewaltbereite Linke,
die sich wiederum selbst aus dem ganzen Land herankarren. Die Gewaltbereiten
brauchen einander immer. Das Procedere ähnelt sich landauf und landab. Und dann
kommt mindestens noch eine Polizeihundertschaft dazu, vielleicht auch zwei – mit viel
Technik, versteht sich. Der Steuerzahler hat es ja. Wer eine Veranstaltung organisiert
und mehr als den notwendigen Schutz benötigt, zahlt bitteschön die Zeche und nicht
der Steuerzahler.
Hildburghausen benötigt zum lieblichen Pfingstfest keine Naziaktivisten und Nazikonzerte.
Wir schauen nicht weg, wenn wir diese Meinung kundtun. Die kläglichen Extremistenhäuflein
sind es nicht wert, dass man ihnen zu viel Öffentlichkeit bietet und Beachtung schenkt.
Pfingsten ist ein christliches Fest, gefeiert wird die Entsendung des Heiligen Geistes.
Unseren Lesern wünschen wir ein geistvolles FROHES PFINGSTFEST!
20. Mai 2015
Fröhliche Pfingsten
Aus der zarten Liebe der Prägekarte um 1905 kann es noch einen "Sturm der Liebe" geben, ersteres ist schöner.
Pfingsten 1904. Keine Chance für Heidi Klums "Germany's next Top-Model"
Unseren Usern wie anno dunnemals 1904 FRÖHLICHE PFINGSTEN. Und immer schön barfuß laufen, ein Schäfchen findet sich dann schon.
18. Mai 2015 Schöne Menschen braucht das Land
Früher war alles schöner, sogar das Wetter war besser, der Käse hat besser gestunken und einen Kaiser hatten wir, sagen die modernen nörgeligen Deutschen. Selbst im 21. Jahrhundert fragen sich Leute, weshalb die vier wackeren Typen auf dieser historischen Ansichtskarte um 1900 schon beim Casting bei DSDS rausgeflogen sind. Trotzdem: Schö' san se tatsächlich net, dafür aber gesund!
3. Mai 2015
Sonntagserlebnis eines Fassungslosen in Hildburghausen
Das war doch ein glanzvolles Linken-Europafest auf dem altehrwürdigen Marktplatz in Hildburghausen, auch wenn sich der Himmel einige Tränen nicht verkneifen konnte. Der mdr hatte immerhin ein Kamerateam über den Thüringer Wald geschickt, denn wir liegen ja nicht hinter den Bergen, sondern vor den nämlichen. So billig ist das auch nicht. Sie haben 500 Besucher geschätzt. Stell' dir vor, es wären nur 200 gewesen. Da hätte die Intendanz sicherlich eine Kosten-Nutzen-Rechnung oder so aufgemacht. Es waren immerhin 500, weniger ist eben manchmal mehr. Es ist immer eine Frage, wie der Multiplikator aussieht. Europa ist auch ein wenig kleiner als beispielsweise Amerika, Afrika, Indien oder gar das Reich der Mitte. Und aus ganz Europa waren sie da, sogar aus Eishausen habe ich einen Uralt-Genossen mit Verpflichtungserklärung gesehen. Weil Bodo ja das DDR-Unrecht zur Chefsache macht, hat er sich eifrig in seinem Dunstkreis aufgehalten und aus dem finsteren Woold des Hildburghäuser Oberlandes. Es klang jedenfalls so. Einer aus der Erfurter Ecke hat ganz thüringisch gesungen oder vielleicht auch geknätscht. Immerhin, auch ein Sachse kam zu Wort, vielleicht Revolutionstourist. Mal sehen, was am Montag im aktuellen Tagesblatt stehen wird. Die Menschen haben ja wohl bekanntermaßen unterschiedliche Wahrnehmungsvermögen und Europa ist riesengroß. Ach ja, einen Coburger stadtbekannten Linken-Protestierer hatte ich ausgemacht, der mir noch von einer weltbewegenden Diskussion mit viel Heiterkeit (meinerseits) auf dem Coburger Marktplatz bekannt ist. Der Revolutionsfunke hat eben auch schon im Seehofer-Reich angeklopft. Auch unser gewesener Bürgermeister höchstpersönlich als Schirmhalter für den getreuen Bodo füllte den Bildschirm in HD-Qualität. Da hatte keiner der Genossen Zeit, die prima Ausstellungseröffnung zum Schlosspark - wie üblich - auf der ersten Stuhlreihe zu erleben - in aller Nähe zu Holger Obst. Und die Gitarristin aus Bad Salzungen, ein Traum. Jetzt weiß ich, wie Gitarre klingen kann. Das Museum liegt ja auch in der Mitte. Zwischen Kriegerdenkmal 1870/71 und Parkplatz zwischen Nonneplatz und Moritz-Mitzenheim-Straße kam es mehr zu pubertierender Schreierei. Polizisten, über Polizisten, mehr als Protestierer. Was hätte man für diese Steuergroschen alles investieren können, den halben Schlosspark hätte man sanieren können - selbst mit Spielplatz. Einige Polizisten schauten erlöst in die schreienden Reihen der Plakathalter und martialisch Gekleideten. Die hätten mir doch glatt einen der kräftigen Leute wegfangen können - zur Unkrautbekämpfung für meinen Garten, denn diese Typen kosten ja auch unsere Steuergroschen, wenigstens deren Beobachtung. Da hätte ich mir einen mitnehmen können, aber ohne Mindestlohn. - Wenn ich eine Einladung ausspreche, und wenn es nur ein kleiner Umtrunk ist, muss ich zahlen, niemand anders. Protestierer-Gegröle steht noch unter Polizeischutz, es ist eben chic, gegen den demokratischen Staat zu sein, egal aus welcher Richtung. Dafür werden sie auch gut geschützt. Ich fasse es nicht.
25. April 2015
Der Schlossgarten zu Hildburghausen
Am Sonntag, dem 3. Mai 2015 um 14.30 Uhr, eröffnet die Sonderausstellung im Stadtmuseum Hildburghausen.
Eintritt 3,50€
Wer sich zu unserem Schlossgarten ein wenig vorab informieren möchte, folge diesem Link: Der Schlossgarten
5. April 2015
Vor 70 Jahren
Elisabeth Zschaeck
Die Schlosskaserne war das größte Feuer und
am nächsten Morgen ist Hermann kurz nach 6 ins Rathaus.
Der 7. April 1945, es war ein Samstag. Bei Kaufmann Thein in der Oberen Marktstraße sollte es Eier geben, die ich auch gleich holte. Als ich gegen elf Uhr wieder zu Hause war, kam es zu einer irrsinnigen Detonation, die das Haus erschüttern ließ. Es war die erste Granate, die ins Zimmermannsche Haus einschlug, das gleich brannte. Im nächsten Augenblick schon kam die zweite, die zwischen der Joseph-Meyer- und der Rathkestraße ins Feld einschlug. Eine riesige Rauchsäule stieg auf, die sich mit der ersten traf und alles in dicken Rauch hüllte. Sofort sind wir alle in den Keller, der ja schon lange unser täglicher Aufenthaltsort war. Aber ich habe noch Vieles hinunter getragen, so die kostbarsten Bilder, alle Wäsche und Kleider, vor allem die Betten. Im Kohlenkeller habe ich einen richtigen Plutokratenkeller (Plutokratie = Reichtumsherrschaft, d. Verf.) gemacht. Die Kohlen hatte ich in die Ecke geschaufelt und Bretter und Matratzen darüber so gelegt, dass wir dort schlafen konnten. Auch meine Nähmaschine hatte ich dort. „Sturmgepäck“, für Hermann und mich je ein Rucksack und einen Koffer, die wichtigsten Sachen, die man unbedingt retten musste. Aber Hermann war ja natürlich nie da. Die Granaten gingen bald immer in den Stadtkern und allmählich sah man gar nichts mehr. Ich hatte unser Kanonenöfchen, das ich 1939 für mein Zimmer gekauft hatte, in die Waschküche gestellt. Darauf haben wir alle Essen gewärmt. Aber Frau Müllers Kartoffeln wollten durchaus nicht kochen und ich brachte sie deshalb zu Frau Volkhardt in die Küche. Aber die Tiefflieger beschossen ständig die ganze Stadt. Dadurch war der Weg hinüber gar nicht so ohne. Aber es ging alles gut. Warmes Essen war sehr wichtig für die Kinder, da es doch recht kühl im Keller war. Es konnte kein Sonnenstrahl durch die Sandkästen und die Verdunkelungen. Gegen 3 Uhr nachmittags rief Hermann zum ersten Male an. Es ginge ihm gut. Ich hätte ihm so gerne etwas zu Essen gebracht, aber es wurde ja ständig geschossen. So ging es weiter, und als er um 5 Uhr wieder anrief, da hatte er gerade alle Leute, die vom Volkssturm und auch seine Polizei, entlassen und er war ganz allein im großen Rathauskeller, es sei toll, wie ein Einschlag nach dem anderen ins Rathaus ging und es brannte an allen Ecken und Enden der Stadt. Die Schlosskaserne war das größte Feuer.
Notizbuch-Textausschnitt von Elisabeth Zschaeck
zu den Ereignissen am 7. April 1945 in Hildburghausen.
Er ist nun von einem zum anderen durch die Granaten gelaufen und hat für Löscharbeiter gesorgt. Es ist dadurch auch viel gerettet worden, die ganze Stadt wäre niedergebrannt! Gegen ½ 6 Uhr hatte nun der Festungskommandant, Hauptmann Reichert, die Stadt auf Hermann übergeben. Es war kein Soldat mehr da, Polizei und Volkssturm waren auch fort und die Panzer rückten an, um schließlich in Häuserkämpfen die Stadt zu nehmen, da weder der Landrat noch sonst irgendein Vertreter da war, hat Hermann nun die weiße Fahne gehisst, damit nicht noch alles zusammengeschossen würde, wo es doch nicht mehr verteidigt worden ist. Nun ging es bald zu Ende. Aber wie zwei zurückgebliebene Soldaten, die vom Bahnhof kamen, die weiße Fahne sahen, wollten sie, ein Feldwebel und ein Gefreiter, Hermann erschießen. Er sagt, er sei vollkommen ruhig gewesen und hat ihnen gesagt, dass sie zum Hauptmann R. gehen wollten, der nun zuerst nicht Farbe bekennen wollte, worauf die beiden auf Hermann anlegten. Da hat Hermann den Hauptmann fürchterlich angebrüllt, worauf er alles zugeben musste. Das hat auch Oberstudiendirektor Kraft mit angehört beziehungsweise gesehen. Nun ist Hermann friedlich mit ihnen zusammen zurückgegangen. Sie gingen fort … und Hermann in die Stadt. Mit Handschlag haben sie sich noch verabschiedet. Inzwischen brannte auch noch der Bahnhof, und die Panzer drangen in der Bernhardstraße (heute Friedrich-Rückert-Straße, d. Verf.) vor. Plötzlich war das Geräusch anders. Keine Detonationen mehr, sondern als ob irgendwo ganz in der Nähe ein gewaltiger Wasserfall nieder ginge. Das waren unten im Tal die Panzer. In langer Reihe – Hunderte über Hunderte – fuhren an oder vielmehr wälzten sie ihre Ketten in die Stadt hinein und verteilten sich auf alle Straßen und Plätze. Einer stand zum Schluss neben dem anderen wie ein Meer aus Eisen. Jeder drohte mit so und so vielen Maschinengewehren und Kanonen auf unsere friedlichen Häuser und Gärten.
Nun, die Zeit lag ich, einfach erschossen von dem Trubel den ganzen Tag über im Keller auf dem Bett. Da lief einer vorbei, ich hatte das Fenster offen und rief, wohl einem dem anderen zu: „Da unten liegt der Bürgermeister in …? Straße!“ Ich konnte es nicht verstehen und rannte hinaus, da er mein Rufen nicht hörte, aber nichts war mehr zu sehen war. So wartete ich dann, da Suchen keinen Sinn geben konnte. Ich wäre ja nicht daheim gewesen, wenn er gebracht worden wäre. Später kam dann Herr Bätz und sagte, Hermann sei gesund und käme schon bald, er sei schon in der Straße. Er hätte erschossen werden sollen. Da kriegte ich den zweiten großen Schrecken, obgleich ich eigentlich gar nicht damit rechnete, daß er lebend zurückkäme. Das Herz aber rächt nicht, es fühlt und hofft immer weiter trotz allem Zuredens. Hermann kam etwa ein halb neun. Ich hatte Abendbrot gerichtet. Es wurde immer noch geschossen, deshalb hatte ich das Essen im Keller auf dem Tablett, was ich mit herauf nahm und wir saßen bis gegen 11 Uhr am Tisch. Hermann war zum Bersten voll Erlebtem und zum ersten Male eigentlich in unserem Zusammenleben hat er so aus sich heraus im Guten alles erzählt. Es war kalt, aber wir haben nichts mehr gemerkt. Es wurde dunkel, Anfang April 11 Uhr! Das störte uns nicht Dann habe ich die Betten heraufgestellt und wir schliefen als einzige oben. Alle anderen blieben der Schießerei wegen im Keller. Diese Schießereien haben gleich nach Ende des Artilleriebeschusses angefangen. Zuerst hat man sie durch das Anrollen der Panzer gar nicht gehört, das sie weniger lärmend waren als die Granatwerfer. Aber es war doch noch keine Ruhe. In der Marienstraße war es noch lange ziemlich bewegt. Versprengte, die vorher nicht mitgekommen waren, wollten sich nicht einfach gefangen geben. – Den nächsten Morgen ist Hermann kurz nach 6 ins Rathaus.
Wohnhaus der Familie Zschaeck, linke Haushälfte, Joseph-Meyer-Straße 26
Aus dem Aufzeichnungsheft aus dem Jahr 1945 von
Elisabeth Zschaeck (1902 – 1980)
Ehefrau von Dr. rer. pol. Hermann Zschaeck (1899 – 1983)
Erster Bürgermeister der Stadt Hildburghausen von 1931 – 1947
Transkribiert und leicht bearbeitet von Hans-Jürgen Salier
Mit freundlicher Genehmigung von Andreas Zschaeck, Gotha
Besuchen Sie unsere Seite Schicksalsjahr 1945. Dort finden Sie noch weitere Zeitzeugenberichte.
26. März 2015
Der Osterhase ist uns auf den drei herrlich kitschigen Prägekarten, die schon vor mehr als einhundert Jahren die Menschen entzückten, verschwunden. Niemand hat ihn je gesehen, höchstens rascheln gehört. Da er aber wie kaum ein anderes Tier in Feld, Wald und Flur oder eben nur an einer trockenen Hecke für Fruchtbarkeit steht, hat er gegenwärtig mehr zu tun, als nur gefärbte harte Eier zu legen und beim Discounter und in den Einkaufsmärkten zu verteilen. Ersteres kann er vermutlich überhaupt nicht. Wie sollte das auch gehen? Also, das mit den ungekochten Eiern überlassen wir lieber den Hühnern oder die es noch werden wollen, unseren süßen Küken. Und die ebenso süßen und fröhlichen Mädchen wachsen auch heran.
Frau Schildburg und Herr Hausen
wünschen fröhliche Ostern und viel,
unendlich viel Frühling mit dem und im Osternest!
Osterkarten mit Prägedruck, vor 1910
17. März 2015
Panikmache oder reales Szenarium?
Von Gerd Krauß
Hier ein Zitat aus Web.de:
„Klimakollaps, Meteoriteneinschlag oder der Zusammenbruch des weltweiten Finanzwesens: Prepper bereiten sich auf viele unterschiedliche Notfälle vor. Doch die Hobby-Überlebenskämpfer sind nicht alleine. Auch der deutsche Katastrophenschutz rät zur Vorsorge für Katastrophen.
Flutkatastrophe, der dritte Weltkrieg, Atomunfälle, Erdbeben, Epidemien und Seuchen, Terroranschläge, der Zusammenbruch des globalen Bankensystems, ein Kometeneinschlag oder gleich der Untergang der Zivilisation: Es gibt Menschen, die wollen auf all das vorbereitet sein. Sie bunkern Lebensmittel, härten sich mit Survivaltraining ab und sorgen sogar mit Schutzräumen und Waffen für den Ernstfall vor. Den Tag X nennen sie "WTSHTF"-Tag (When the Shit hits the Fan, etwa: Wenn der Notfall beginnt).“ Zit. Ende
Solche und ähnliche Artikel und Berichte kennen die älteren Menschen noch aus den USA, als man die Panikmache eines Atomkrieges in den 60er und Anfang der 70er Jahre in den Medien propagierte.
Private Atombunker mit Wasser- und Lebensmittelvorräten wurden angelegt, man versorgte sich mit Tranquilizer, um die Tage im Bunker zu überleben und nicht durchzudrehen.
Später lachte man darüber, auch über die, die sich in der damaligen BRD solche Bunkeranlagen auf ihr Grundstück stellten.
Doch es kam kein Atomkrieg.
Einmal lag es am Gleichgewicht der Mächte und an der Politik der Beziehungen zu den Atommächten im Ostblock.
Dass die Amerikaner leicht zur Übertreibung und Panikmache neigen, dürfte nun im Laufe der Jahre klar geworden sein, doch auch mit der Verbreitung von Lügen in hohen und höchsten Kreisen der Politik, um Kriege in die Welt zu tragen, ist nichts Neues in den USA und deren Regierungen (Irakkriege).
Doch was sollen jetzt solche Artikel auf deutschen Websites?
Ist etwas Reales an der Panik, die verbreitet wird oder stehen uns wirklich nicht nur Naturkatastrophen bevor?
Liest man täglich von den Gräueltaten des „IS“ und der Unfähigkeit der Weltgemeinschaft, dies zu beenden, könnte man leicht zu dem Schluss kommen, dass auch Deutschland in naher Zukunft einem massiven Terrorismus zum Opfer fallen wird. Da kommt zwangsläufig die Frage, was machen die Dienste in Europa - nur davon reden und die Bevölkerung verängstigen oder gibt es einen Plan zur Prävention?
Viel geredet wird ja darüber, doch Maßnahmen sehe ich nicht.
Seit Jahren hört man das ständige Geschwafel von „Vorratsdatenspeicherung“, was hat es bislang gebracht? Was hat es in Frankreich genutzt bei dem Überfall auf die Satirezeitung Charlie Hebdo?
Und nun macht man Panik mit einem „Dritten Weltkrieg“, Epidemien u.a. Was soll das?
Dass die Möglichkeit besteht, ist uns allen bewusst, sieht man die Ukraine und die Expansionspolitik von Putin.
Jeder Scharfmacher in der Politik weiß, dass auch er einen erneuten Weltkrieg nicht überleben wird.
Da nützen keine Vorbereitungen im Sinne von Survivaltrainings und schon gar nicht ein Taschenmesser zur „Grundausrüstung“.
Und Epidemien, sie werden sicher kommen, solange man in Laboren an Erregern herumbastelt, muss man sich nicht wundern, wenn solche Erreger bewusst oder auch unbewusst in die Atmosphäre gelangen. Und dass an Erregern gearbeitet wird, die Teile der Menschheit auslöschen, dürfte nun auch dem letzten Ignoranten klar geworden sein.
Weitere Klimakatastrophen werden auf uns zukommen, das ist sicher und es ist auch klar, es ist einfach hausgemacht. Es wäre besser, nicht darüber zu jammern, sondern die Ursachen weltweit zu bekämpfen. Auch das Versprühen von Chemikalien in die Atmosphäre ist keine Lösung.
Auf jedem Fall sollten sich so manche Journalisten darüber wieder klar werden, welche Aufgaben sie haben, das fordert eine ehrliche Berichterstattung, Nachrichten, die den Namen verdienen und keine Panikmache, die keinem nutzt, im Gegenteil, die Menschen verunsichern und sie zum Konsum von „Überlebensartikeln“ treiben, die im Ernstfall ohnehin niemanden was bringt.
Es ist schon so etwas von absurd, wenn selbst der deutsche Katastrophenschutz aufruft, Vorsorge zu treffen - wofür?
Die Politik ist gefragt, wieder Ordnung in der Welt zu schaffen und das mit friedlichen Mitteln.
Doch ob es der Politik gelingt und sie nicht von den Finanzriesen ausgebremst wird, das ist hier die Frage!
10. März 2015
Das Leichentuch über Thüringen wird gewebt!
von Gerd Krauß
Seit dem 14.09.2014 ist klar, die politischen Machtverhältnisse in Thüringen ändern sich.
Man könnte nun lange analysieren, wie die Koalition aus den SED-Nachfolgern und Erben von vierzig Jahren Diktatur, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zustande gekommen ist. Doch wem nützt es?
Die Wahlverlierer wollten eben auch einmal etwas politische Macht an Land ziehen, auch wenn sie schon vor der Wahl wussten, dass sie dazu nicht in der Lage sind.
Bestes Beispiel, der Haushalt für Thüringen ist bis heute nicht in Sack und Tüten.
Ein halbes Jahr nach der Wahl müssen die Kommunen ohne eine finanzielle Perspektive planen und wirtschaften.
Genau das ist SED-Politik, hat aber auch nichts mit Planwirtschaft zu tun.
Hat Ramelow vergessen, einen Finanzminister zu berufen - nein, hat er nicht. Es ist eine Finanzministerin von der SPD, die nicht in der Lage ist, ihrem Chef auf die Füße zu treten.
Oder hat das ganze Dilemma System? Will man nach Art der Kommunisten einfach mal sehen, wie das Land, ähnlich wie in der DDR, einfach dahin wurschtelt?
In der DDR gab es noch einen Fünfjahrplan, der hat zwar auch nicht funktioniert, doch man kann es ja mal versuchen.
Zu der glorreichen Antrittsrede versprach Ramelow, der rote Krämer, die SED-Diktatur aufzuarbeiten, er hat es zur Chefsache erklärt.
Das alleine ist ein Witz und ein Spagat der Worte, sowie ein Versprechen an die Wähler und Koalitionspartner, das nie eingehalten werden kann.
Dazu braucht es andere Menschen und keinen abgehalfterten Gewerkschaftsmann aus den alten Bundesländern, der vielleicht erst 1989 von der Existenz der DDR erfuhr. Und was er schon gar nicht wissen kann, welche Verbrechen in der ehemaligen DDR vom Staat, der SED und dem MfS verordnet wurden.
Das kann nur jemand, der vierzig Jahre diese Diktatur und deren Verbrechen erlebt hat - doch nicht Ramelow.
Und dass er dazu absolut keine Lust hat, hat er schon bewiesen.
Die Ehefrau und Tochter des Oppositionellen Matthias Domaschk (* 12. Juni 1957 in Görlitz; † 12. April 1981 in Gera ) schrieben nach Ramelows Antrittsrede an ihn und baten um eine lückenlose Aufklärung zu den Umständen seines Todes in der MfS-Untersuchungshaftanstalt in Gera.
Dort verstarb Domaschk unter sehr merkwürdigen Umständen im Besucherraum.
Doch eine Antwort auf den Brief sah Ramelow nicht als notwendig. Es lebe die SED-Ignoranz!
Wie will so ein Mensch, dessen Worte man nie ernst nehmen kann, die politischen Schweinereien, die in der DDR passiert sind, aufklären?
Hinzu kommt noch, dass im schnell zusammengeschusterten Einigungsvertrag, der von Schäuble und Krause festgezurrt wurde, die "mittelschweren Delikte" aus DDR-Zeiten durch die Staatsführung, der SED-Funktionäre und des MfS nach zehn Jahren verjährt sind. Und der Tod von Domaschk ist in diese Kategorie eingeordnet. Der Tod eines Oppositionellen im Stasiknast - ein „mittelschweres Delikt“! Und Domaschk war nicht der Einzige, der in den Stasi-Haftanstalten ums Leben kam.
Wäre das Ganze nicht zu ernst, könnte man es als Treppenwitz der Geschichte einordnen.
Einen Satz an Ramelow habe ich noch: „Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, kann die Zukunft nicht sehen."
"Frohes Schaffen Herr Ministerpräsident!"
18. Februar 2015
Hans-Jürgen Salier Ines Schwamm
Das Schicksalsjahr
1945
im Kreis Hildburghausen
Oskar Nerlinger: „Es wird wärmer …“ Aquarell in: „Ulenspiegel 8/1/1946
Februar 1945, genau vor siebzig Jahren, kommt der grausamste Weltenbrand auch nach Hildburghausen. Not, Elend und Verzweiflung sind überall sichtbar. Der Postbote bringt in Umschlägen täglich schreckliche Nachrichten: Todesmeldungen. Trauer und Angst sind Lebensalltag. Schwerstverletzte liegen in den als Lazaretten umfunktionierten Schulen. Sirenengeheul bei anfliegenden Jagd- und Bombenflugzeugen lässt die Menschen angstvoll den nächsten Luftschutzkeller aufsuchen. Spielplätze und Schulen sind für die Kinder längst tabu. Nachts dringt kein Licht mehr in die dunkle Stadt, die Straßenbeleuchtung ist abgeschaltet, die Fenster verdunkelt. Zuwiderhandlungen werden empfindlich bestraft. Halbwüchsige und nicht mehr kriegsverwendungsfähige Männer werden in Uniformen gesteckt und zum Kanonenfutter entmenschlicht. Erlasse zuhauf, Androhungen der Todesstrafe bei Zuwiderhandlungen. Flüchtlinge und Vertriebene erreichen die Stadt. Kaum jemand erwartet sie oder heißt sie willkommen. Hunger und Verzweiflung, eine grausame Mischung …
Am 23. Februar 1945 bringt ein US-amerikanisches Bombergeschwader den Tod in das verträumt vertraute Städtchen im Werratal. Gerade hier träumte man sehr fest den Traum des Nationalsozialismus, der ein Verbrechen war und ist. Der Kampf um das nackte Überleben hat längst begonnen.
Am 7. April, einen Monat vor der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht, rücken nach Beschuss Panzertruppen des Generals Patton ein. Vorher lässt der verantwortungsbewusste Bürgermeister Dr. Zschaeck die weiße Fahne der Kapitulation hissen. SS-Leute richten die Waffen gegen ihn. Er schafft es und kann die Stadt übergeben. Noch verlieren Menschen ihr Leben, auch wenn die Kriegsfurie jeden Tag schwächer, aber nicht ungefährlicher wird. Kinder werden geboren, der Frühling naht, Hoffnung keimt. Beinahe ein Vierteljahr üben die US-Truppen Regierungsgewalt aus. Nach dem vereinbarten Besatzungswechsel zieht die Rote Armee der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken hier ein. Hildburghausen wird Teil der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Beinahe nahtlos etabliert sich die neue Diktatur, die sich auch sozialistisch nennt und im Kommunismus enden soll. Ihr Ende ist Ihre eigene Unfähigkeit. 1989 implodiert sie, bricht zusammen.
Die beiden Autoren bemühen sich, nicht nur die lokalen Ereignisse des Jahres 1945 in den Mittelpunkt zu rücken, sondern sie verbinden sie mit den Geschehnissen in Thüringen und auch mit denen des sogenannten „Großdeutschen Reiches“. Sie verknüpfen Historisches vor und nach dem Schicksalsjahr miteinander.
Wir laden unsere Leser zum Lesen und Diskutieren ein. Im gesamten Jahr 2015 werden wir zur Erinnerung und zur Mahnung um eine vor allem 1932 und 1933 missbrauchte und verantwortungslos gestaltete Demokratie Texte und Bilder ergänzen, um sie für die kommenden Jahre als Grundbestandteil unserer beiden Homepages zu belassen:
www.dunkelgraefinhbn.de und www.schildburghausen.de.
Wie Bertolt Brecht sagen auch wir:
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!
Wir sagen aber auch, Demonstrationen und Kundgebungen gehören zu den Grundvoraussetzungen der Demokratie, egal, ob sie braun, rot, bunt oder farblos sind. Freiheit zu leben, heißt aber, mit der Demokratie, verantwortungsbewusst umzugehen und auch manchmal gegen den Mainstrom zu schwimmen. Uns treibt mit den zusammengetragenen Materialien die Sorge um, dass es sehr einfach geworden ist, mit der Demokratie beliebig und damit verantwortungslos zu spielen. Auf den von uns mehrfach zitierten Satz des tschechischen Schriftstellers, Menschenrechtlers und Staatspräsidenten Václav Havel (1936 – 2011) wollen wir auch hier nicht verzichten:
Der Nachteil der Demokratie ist,
dass sie denjenigen, die es ehrlich mit ihr meinen,
die Hände bindet.
Aber denen, die es nicht ehrlich meinen,
ermöglicht sie fast alles.
6. Februar 2015
WIR ERINNERN – HEUTE VOR 70 JAHREN
6. Februar 1945
Der Krieg ist 1945 längst in sein Ausgangsland zurückgekehrt, nach Deutschland, auch in das beschauliche Hildburghausen:
Gegen Mittag des 6. Februar wird eine Fünf-Zentner-Bombe aus einem US-amerikanischen Bomber abgeworfen. Sie trifft nicht die Gleisanlagen und nicht die moderne Rüstungsfabrik „Nordeuma“ für Flugzeug-Bordwaffen. Sie verursacht im Park der Heilanstalt einen acht Meter großen Trichter, der einen kleineren Schaden an der Wasserzuleitung, an vielen Fensterscheiben und elektrischen Erdkabeln hinterlässt. Reichlich zwei Wochen später, am 23. Februar 1945, erlebt die Stadt die größte Katastrophe ihrer Geschichte. Ungeheuerliches geschieht:
23. Februar 1945
Amerikanischer Luftangriff auf Hildburghausen
Gegen 11 Uhr, bei strahlend blauem Himmel, gibt es Fliegeralarm, anschließend Entwarnung. Gegen 12.42 Uhr kommen aus Süden/Südosten (Richtung Rodach/Coburg) anglo-amerikanische Bomber der Achten Air Force in niedriger Flughöhe über Stadt- und Krautberg. Ziel sind vermutlich die Rüstungsgüter produzierende Norddeutsche Maschinenfabrik (Nordeuma), späteres Gelände des Schrauben- und Normteilewerkes, sowie die Werrabahn. Zuerst setzen drei Jäger Rauchfahnen, dann werden aus Bombern ca. 100 Sprengbomben abgeworfen. Getroffen werden das Anstaltsgelände (Nervenklinik) und umliegende Straßen (West- und Zwischenflügel des Hauptgebäudes, die sogenannte Herrenvilla, Schuppen, Scheunen und Speicher der landwirtschaftlichen Abteilung). Ein Teil der Nervenklinik wird als Lazarett genutzt, darunter befinden sich Kriegsgefangene. Das Lazarett ist mit einem großen roten Kreuz gekennzeichnet. Alle anderen Gebäude werden unterschiedlich in Mitleidenschaft gezogen, Teile der Eisfelder Straße in Anstaltsnähe, Winzergasse, Weitersrodaer- und Wiedersbacher Straße, Narvikplatz (heute: Thälmannplatz).
Über die Zahl der Getöteten gibt es keine gesicherten Quellen. Die NS-Propaganda listet inder Thüringer Tageszeitung vom 01.03.1945 79 Namen auf und vermerkt: „Außerdem fielen noch 32 Volksgenossen aus anderen Kreisen Deutschlands dem Terrorangriff zum Opfer.“ Hierbei handelt es sich vorwiegend um Kriegsflüchtlinge aus Posen, Ostpreußen, Dresden und verwundete deutsche Soldaten des Lazaretts. In unterschiedlichen Quellen wird von 103 bzw. 139 Opfern gesprochen. Nicht auszuschließen ist, dass es sich um insgesamt bis zu 218 Tote handelt, da vermutlich über getötete Patienten keine Statistik geführt worden ist. Es ist nicht bekannt, wie viele Gefangene des Kriegsgefangenenlagers auf dem Anstaltsgelände umgekommen sind. Sie werden – wie Gefangene desArbeitserziehungslagers auf dem Großen Gleichberg bei Römhild – zu Bergungsarbeiten eingesetzt und leisten Außerordentliches für die Bevölkerung Hildburghausens. DieThüringer Volkszeitung lässt am 23.02.1946 einen Zeitzeugen berichten, der ebenfalls von 200 Toten ausgeht.
Insgesamt werden 100 Bombentrichter gezählt, 180 Wohnräume in 26 Gebäuden werden völlig zerstört (1/10 des gesamten Wohnraums der Stadt) und eine weitere große Zahl an Häusern wird beschädigt. Vernichtet werden u. a. die Häuser der Familien Höpping, Schaffner, Reimpel, Ehrhardt, Laue.
Eine der wenigen bekannten Abbildungen von den Zerstörungen nach dem Bombardement im Ostteil der Stadt Hildburghausen. Das Foto zeigt die zerstörte Produktionshalle der Firma Kuß & Co (Etikettenfabrik). entlang der Eisfelder Straße. Die Firma hat im Krieg ca. 30 Mitarbeiter beschäftigt, dazu kommen 40 bis 50 Heimarbeiter. 1947 wird in der neu aufgebauten Halle wieder produziert. Die Firma ist von der Treuhand nach 1990 liquidiert worden.
Ab 23. Februar 2015 wird auf den beiden Homepages www.dunkelgraefinhbn.de undwww.schildburghausen.de eine ca. 200 Seiten Dokumentation veröffentlicht von
Hans-Jürgen Salier und Ines Schwamm
1945
Das Schicksalsjahr im Kreis Hildburghausen
Die Dokumentation wird im Jahr 2015 ständig ergänzt. Wir freuen uns auf die Mitarbeit unserer Leser
3. Februar 2015
*Ein fiktiver Brief an E. H.*
In der schelmischen Karnevalszeit ernsthaft nachgedacht
von Gerd Krauß
Erich Honecker,
im vergangenen Jahr feierten wir, die an der Friedlichen Revolution in der DDR teilnahmen, den 25. Jahrestag. Und wir haben ihn mit Freude gefeiert!
Du hast die Zeit des geeinten Deutschlands nicht mehr bewusst erlebt, und für uns bleiben viele Gedanken und Fragen, ob wir damals alles richtig gemacht haben. Ich meine nicht die Auflösung der SED, des Unterdrückungsapparats und des MfS, dem ausführenden Organ, das Deine Partei nach sowjet-russischem Vorbild ins Leben gerufen hat und das zum Schutz und Erhalt der SED-Diktatur Tag und Nacht im „Einsatz“ war, um Andersdenkende auszuschalten, die heute von Deinen Nachfolgern in der Partei DIE LINKE. bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit beschworen werden. Die ANDERSDENKENDEN.
Ich meine die Friedlichkeit des Aufstandes in der DDR und das vielfältige Vergeben der Verbrechen derer, die unterdrückt, gefoltert, inhaftiert und auch gemordet haben und das im Namen eines Landes, einer Idee und einer Partei und besonders in Deinem Namen, fortführend der Politik Deines Vorgängers Walter Ulbricht, den Du nach Art eines hinterhältigen Putschisten abserviert hast.
Hätten wir wie in Rumänien handeln sollen, an die Wand und Klick? Das war nicht unsere Option, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Es soll in der kleinen DDR sogar Menschen gegeben haben, die Deine Politik der Diktatur (des Proletariats) richtig fanden und noch heute finden. Sie heuchelten nicht, so wie es viele Millionen Menschen taten. Das bleibt für mich immer ein Rätsel.
Mit Deiner Politik hast Du es vielen Menschen schwergemacht, hast sie am ausgestreckten Arm verhungern lassen, so dass sie nie ein Bein auf den Boden bekamen. Es waren Menschen wie Du und ich, nur mit anderen Gedanken und Ansichten, manchmal sogar vom Sozialismus überzeugt, Du erinnerst Dich sicher an Robert Havemann oder Rudolf Bahro und an viele andere.
Hast Du Dir etwas gedacht, als Du die Biografien von Menschen zerstört hast? Ich glaube schon, denn Andersdenkende waren in der DDR nicht gern gesehen. Auch wenn Eure Götzenverehrung mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht schon einer Schmierenkomödie gleichkommt, auch im Jahr 2015. Die größten Feinde sind für Kommunisten, egal wie sie sich zu welcher Zeit nennen, immer die Andersdenkenden.
Du hast Dich gern im Angesicht von Menschenmassen gesonnt, doch glaubst Du es wirklich, diese Menschen haben Dir aus Liebe, Sympathie oder Überzeugung vom Sozialismus zugejubelt? Wusstest Du, dass sie für das Jubeln mitunter sogar bezahlt wurden?
Du warst der Sonnenkönig im „NEUEN DEUTSCHLAND“, dem Zentralorgan der SED und in der „AKTUELLEN KAMERA“, der Nachrichtensendung im DDR-Fernsehen. Hätte man in der DDR die Möglichkeit gehabt, die Einschaltquoten der Nachrichtensendungen des DDR-Fernsehens zu messen, Du hättest Dich sehr gewundert, wie viele Menschen täglich 19:30 Uhr das Westfernsehen eingeschaltet haben. Aber auch, wenn es möglich gewesen wäre, die wirklichen Zahlen hätte Dir niemand auf Deinen Schreibtisch gelegt. Du warst umgeben von Arschkriechern und Feiglingen, die Dir täglich die wunderbare Welt des Sozialismus vorgegaukelt haben. Und die haben sich bis heute kaum verändert, vor allem, weil sie sich auch heute die Demokratie und die freie Marktwirtschaft für sich sehr nutzbar machen.
Kennst Du das Märchen vom Kaiser mit den neuen Kleidern? Genau das warst Du und Du hast Dich in der Rolle wohl gefühlt, aber bei ganz vielen Menschen warst Du nur eine lächerliche Figur, die kaum einen Satz frei sprechen konnte. Du musst mir mal bei Gelegenheit mitteilen, warum Du von der Stasi für Deinen Privatgebrauch Pornofilme drehen oder beschaffen ließest. Wozu hast Du sie gebraucht? Das würde mich wirklich interessieren. Mit Margot war es wohl nicht mehr so das Wahre? Du warst ein Heißblut, es war ja nicht die erste Ehe. So ein richtiger Klassenkampf fordert eben seine Opfer, bei vielen auch Ehe- und Nebenfrauen.
Sag mal Erich, warum bist Du nicht einmal selbst zu den Bürgern der DDR gegangen und hast Dich mit ihnen über ihre Probleme, Sorgen und Nöte unterhalten. Warum hast Du Dich bei der Fertigstellung von Neubauvierteln, den Betonghettos, feiern lassen, hast aber den Verfall der gewachsenen Innenstädte nie gesehen?
Hättest Du die Wahrheit gekannt und vielleicht etwas gegen Deine unmenschliche Politik getan, hätten sich nicht so viele Menschen in Nischen versammelt und über einen Umsturz in der DDR nachgedacht.
Du bist an der Entwicklung bis 1989 in der DDR selbst schuld. Vierzig Jahre imaginärer Sonnenschein für Dich und Deine Paladine und Schatten und dunkle Wolken für das Volk, und das im wahrsten Sinne des Wortes, denke nur an das Dunkel in Espenhain oder die verpestete Luft in Bitterfeld.
Sag‘ mal Erich, warum hast Du mit Menschenhandel viele Millionen D-Mark in Dein Land geholt? Zuerst hast Du die Menschen einsperren und dann von der Bundesrepublik gegen Devisen eintauschen lassen. Menschen waren für Dich eine lukrative Handelsware. Wenn Du und Ideologen auch keine Ahnung von der Wirtschaft hatten, hier stimmte die „Ware-Geld-Beziehung“. Sklavenhandel? – In der ganzen Welt hast Du um Anerkennung gebuhlt, konntest aber keine Kritik aushalten und hast die besten Kulturschaffenden aus dem Land getrieben. Ich denke nur an Wolf Biermann und all die, die seiner Ausbürgerung folgten oder auf Anordnung der allwissenden Partei folgen mussten.
Du hast Dich wie ein kleiner rachsüchtiger Gott verhalten und auch so gehandelt. Doch der tatsächliche Gott vergibt, er erkennt die Schwächen Anderer und kann verzeihen, Du nicht! Da geht Dein lila Gespenst in Chile mit Dir konform. Margott (ein seltsamer Name) ist heute noch vom DDR-Sozialismus begeistert und beklagt die niedrigen Rentenzahlungen im menschenfeindlichen Deutschland. Du musst mal bei Youtube schauen.
Aber bei Deinem Lieblingshobby war es anders. Nach jedem Schuss hast Du die Begleiter gefragt, ob Du getroffen hast, und man hat Dir geantwortet: „Genosse Generalsekretär, Sie haben das Wild begnadigt.“ Anderes Wild, es war nun einmal Wild für Dich, hast Du gern in Käfigen gehalten – so wie mich.
Es waren ja nicht einmal Schwächen derer, die Du hast einsperren lassen. Du hast ihnen Berufsverbote auferlegt und sie in die Flucht getrieben.
Ach ja Flucht, was war Dir ein Menschenleben wert? Immer wieder muss ich an die vielen Toten denken, die an der Grenze der DDR auf Deinen Befehl hin erschossen wurden, die durch die Selbstschussanlagen Arme und Beine, ja sogar das Leben verloren haben, deren Zukunft Du kaputt gemacht hast. Doch es spielte für Dich und Deine Überzeugung keine Rolle, der Sozialismus muss eben siegen, egal mit welchen Mitteln.
Deine poetische Seite habe ich immer bewundert, denke ich nur an Deinen genialen Ausspruch mit dem Ochs und dem Esel in seinem Lauf und dem Sozialismus ... Einfach toll!
So hast Du auch auf einer Leipziger Messe festgestellt, als Du den Stand von Glashütte besucht hast, dass es im Westen Deutschlands keine Wecker gibt. Ein Genosse aus Deinem Gefolge fragte Dich ängstlich, warum es so sei und Du hast nach Deiner Überzeugung geantwortet: „Der Klassenfeind schläft nie, wozu braucht er da einen Wecker?“
Manchmal konntest Du wirklich witzig sein, nur die, die darüber lachten, taten es aus Parteidisziplin.
Erich sag mal, Du und Deine ebenfalls verachtenswerte Gattin legten so viel Wert auf Bildung in der DDR. Du hast Margot sogar zur Bildungsministerin gemacht, sicher weil sie das wollte, die Qualifikation dazu hatte sie bestimmt nicht. Und Du als Staatsratsvorsitzender und Generalsekretär der SED warst Dachdecker, ein richtiger Prolet, wie er sein sollte. Doch warum hast Du Deine Lehre nicht abgeschlossen? Sicher kam der Klassenkampf dazwischen, das kann man schon akzeptieren, zumal so ein Beruf alles vom Lernenden abverlangt.
Tja Erich, es ist nun wirklich für Dich schade, dass Du die Demokratie in Deutschland nicht mehr erleben konntest. Weißt Du, was ich jetzt in dieser Zeit sehr vermisse, es sind die Witze über Dich, doch das weißt Du besser als ich: Über Diktatoren werden eben Witze gemacht und über dümmliche ohnehin. Frag Dich mal warum.
Was hättest Du im freien Deutschland getan? Denke ich so darüber nach, mir fällt nichts ein, wo Du Deine Fähigkeiten hättest einbringen können.
Doch eines interessiert mich noch, wo Du jetzt eigentlich bist? In der sozialistischen Hölle? Ich kann es mir vorstellen, das wäre nicht so leicht für Dich, Privilegien gibt es da auch nicht für Dich, der Teufel mag blöd sein, doch so blöd ist er nun auch wieder nicht.
Und dass Du vielleicht im Himmel bist, kann ich kaum glauben, doch wenn ja, welcher Gott hätte Dich genommen? Erfahrungen hast Du schon auf Erden mit dem Glauben gemacht. Hatte Dich auf Deiner Flucht vor dem Volkszorn nicht eine Pfarrersfamilie aufgenommen, Dir Asyl gewährt? Doch das ist noch kein Freifahrtschein in den Himmel und beichten konntest Du auch nicht, es waren Evangelen. – Welcher Gott sollte Dir Deine Sünden vergeben? Der Gott der Christen, Buddha oder Mohammed? Die Kommunisten haben bislang noch keinen Gott, auch wenn viele Deiner Sorte nach 1990 nach ihm gerufen haben.
Ich glaube an die Reinkarnation – aber hoffe, Du kommst nicht noch einmal auf die Erde. Wir haben hier unten immer noch genug solch kranker Gehirne. Doch solltest Du wirklich noch einmal wieder kommen, vielleicht als ein Golden Retriever, dann setze aber bitte nicht Deinen dämlichen Strohhut auf.
Es grüßt Dich auf Deinen steinigen Wegen, Venceremos...
29. Januar 2015
DDR: Mythos und Wirklichkeit
Wir machen auf eine interessante Veranstaltung aufmerksam:
ERÖFFNUNG DER WANDERAUSSTELLUNG
der Konrad-Adenauer-Stiftung
am Montag, 2. März 2015 um 19.30 Uhr
Bürgersaal im Historischen Rathaus der Stadt Hildburghausen
Bei Interesse ist eine rechtzeitige Anmeldung erforderlich und unter nachfolgendem Link möglich:
http://www.kas.de/thueringen/de/events/62592/
27. Januar 2015
Zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus
(Holocaust-Gedenktag)
In Deutschland 1996 initiiert durch Bundespräsident Roman Herzog,
von den Vereinten Nationen 2005
1945
Als einzige Mitbürgerin mosaischen Glaubens kehrt Gertrud Heim wieder nach Hildburghausen zurück und betreibt in der Eisfelder Straße ein kleines Textilwarengeschäft, bis sie 1951 in die Bundesrepublik übersiedelt.
In Themar ist es die einundsiebzigjährige Meta Krakauer, eine der wenigen Überlebenden des KZ Theresienstadt. Sie ist die Großtante ihres aus Suhl vertriebenen Großneffen Ludwig Mühlfelder, der als US-Soldat am 08.04.1945 Themar mit befreit.
Ludwig Mühlfelder schreibt in seiner Autobiografie „Weil ich übriggeblieben bin“:„Ich war dankbar; dass ich Ende des Krieges noch am Leben war, dass ich den Alliierten, hauptsächlich den Vereinigten Staaten von Amerika, ein wenig helfen konnte, Europa zu befreien und einen ganz kleinen Teil des übriggebliebenen Judentums zu retten.
Wegen der Schoah kann ich den Tätern nicht verzeihen, und die Opfer bleiben stumm.
Man kann aber auch nicht die heutigen jüngeren deutschen Generationen für dieses grausame Kapitel der schrecklichen Taten ihrer Eltern oder Großeltern verantwortlich machen.
Was ich jedoch von den Nachkommen der Holocaust-Täter erwarte und verlange, ist eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Verbrechen Ihres Volkes ..."
Ludwig Mühlfelder als Frontsoldat der US-Army.
(Aus: Hans-Jürgen Salier: THEMAR – 700 Jahre Stadt 1303 bis 2003. Geschichte in Daten. – Stadt Themar und Verlag Frankenschwelle KG Hildburghausen, S. 212. Abbildung mit freundlicher Genehmigung von Hans Nothnagel)
Man kann Geschichte nicht überwinden, man kann weder Ruhe noch Versöhnung finden, wenn man sich nicht der ganzen Geschichte stellt. Wer den Teufelskreis von Unrecht und Gewalt, von Krieg und Unmenschlichkeit brechen will, wer Frieden, Freundschaft und Versöhnung zwischen den Völkern sucht, der kann nicht einfach zwischen den Toten, Verwundeten und ins Unglück Gestürzten der verschiedenen Völker einen Saldo ziehen. Wer heute die Konsequenzen aus den Erfahrungen jener Zeit ziehen will, dem stellt sich die Frage, ob wir aus der Vergangenheit genug gelernt haben und ob wir alles tun, um die Wiederkehr des Schreckens zu verhindern. Das geht jeden einzelnen von uns an, in allen Generationen und in allen Völkern.
(Roman Herzog
*1934
Jurist, Politiker, 7. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland)
11. Januar 2015
Je suis charlie
Die Ereignisse in Paris am 7. Januar 2015 haben uns sehr betroffen gemacht. Wir zitieren Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778), den bedeutendsten Philosophen der europäischen Aufklärung.
Ich bin zwar anderer Meinung als Sie,
aber ich würde mein Leben dafür geben,
dass Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.
Das Recht zu sagen und zu drucken, was wir denken, ist eines jeden freien Menschen Recht, welches man ihm nicht nehmen könnte, ohne die widerwärtigste Tyrannei auszuüben. Dieses Vorrecht kommt uns von Grund auf zu; und es wäre abscheulich, dass jene, bei denen die Souveränität liegt, ihre Meinung nicht schriftlich sagen dürften.
(Quelle: Questions sur les miracles)
6. Januar 2015
Ein Weihnachtsbaum ganz anders
Unsere Leser Janine Salier und Alexander Singer haben uns ein ganz besonderes Exemplar Weihnachtsbaum aus ihrem Thailand-Urlaub (Bangkok) gesandt. Ideen muss man haben. Hat jemand eine Lösung, wie man daraus einen Klößquirl schnitzen kann?
6. Januar 2015
Poststempelfarbe aus dem Westen
Sauber gestempelte Sammlerpost aus Hildburghausen
(Geschrieben am 15. August 2011)
Die erhalten gebliebene Sammler- und transpress-Korrespondenz füllt sicherlich einen Band mit purer Philateliegeschichte und manchem Geschichtchen – wie diesem:
Da war Herbert Rittmann aus Karlsruhe, ein international anerkannter Fachmann und Verfasser von Standardliteratur zu Numismatik und Geldgeschichte. Mit ihm sprach ich 1989 wegen der Übernahme des Buchtitels oder eines neu zu schaffenden zum Thema „Auf Heller und Pfennig – Die faszinierende Geschichte des Geldes und der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland“ für die DDR. Erschienen war er im renommierten Battenberg-Verlag in München.
Rittmann schrieb zum Schluss seines Briefes vom 22. August 1989 an meine Privatadresse: „Der Tagesstempel von Hildburghausen ist tadellos, ganz anders als sonst der Durchschnitt in der DDR – fast so schön wie üblicherweise in der Schweiz.“ Das Rätsel hätte ich sehr schnell lösen können, allerdings wären Beteiligte gefährdet gewesen. So soll diese beinahe banale, aber für Sammler so interessante Angelegenheit nach Jahrzehnten öffentlich gemacht werden.
Nahezu alle Angestellten des damaligen Hauptpostamtes in der Leninstraße (heute: Friedrich-Rückert-Straße) in Hildburghausen waren sammlerfreundlich, auch wenn Sammler mit ihren ständigen Wünschen recht nervig sein können. In Hildburghausen gab es mehr als einhundert organisierte Sammler, teilweise dazu zwei bis drei Jugendgruppen am Haus der Jungen Pioniere „Grete Walter“) (heute: Freizeitzentrum) in der Waldstraße. Wegen der hervorragenden Öffentlichkeitsarbeit war so mancher Bürger auch vom Sammelfieber oder vom Kampf um die Sperrwerte gepackt, vielleicht auch nur um Kaffee, Schokolade oder Strumpfhosen aus dem Westen an Stelle von Briefmarken dagegen „einzutauschen“. – Eine der beiden Tauschkontrollstellen des Bezirkes Suhl des DDR-Philatelistenverbandes hatte seit 1965 in Hildburghausen ihren ehrenamtlichen Sitz, und die aktiven Sammler waren immer bemüht, sie hier zu behalten. Diese Tauschkontrollstelle wurde von 1965 bis 1972 von Walter Rieger geleitet, von 1973 bis 30.06.1976 von Alois Thomann und von 01.07. 1976 bis Juni 1990 von Fritz Bartsch. Im Jahr wurden durchschnittlich 3.000 bis 3.500 Sendungen für den genehmigten Auslandstausch bearbeitet, also ausgiebig kontrolliert. An diesem Auslandstausch nahmen nur aktive und hierfür bestätigte Mitglieder des Verbandes teil. Von den Tauschsendungen ging knapp ein Zehntel in die „sozialistischen Bruderländer“, die Devisenländer in der noch ferneren Welt waren also weitaus begehrlicher. Zudem pflegten viele Sammler den unkomplizierteren und genehmigungsfreien Frankaturtausch mit ihren Partnern außerhalb der engen DDR-Grenzen. Die Postkontrolle -M- des Ministeriums für Staatssicherheit war schon hierdurch ziemlich ausgelastet.
Die Damen und Herren Geheimpolizisten kamen teilweise ins Grübeln, wenn bei einem versiegelten Wertbrief mit einer 5-Mark-Marke im Briefinneren nur ein gefalteter unbeschriebener Papierbogen lag. Da wurde ich auch schon einmal von den Kennern und Könnern aus der MfS-Richtung des Betrugs verdächtigt. Im Leben bestätigt sich das immer wieder: Wenn man keine Ahnung hat, sollte sich ein Geheimdienstler schlau machen, dann hätte man von einem ausgewiesenen Philatelisten erfahren können, dass für versierte Sammler u. a. gebührengerechte Einzelfrankaturen von besonderem Wert sind. Die Sammler erwarteten in Jahren Wertsteigerungen, also wurden solche „Belege“ hergestellt. Sie waren philatelistisch beeinflusst.
Landauf, landab gab es in der DDR geharnischte Kritiken wegen der sammlerunfreundlichen Stempelfarben-Qualität der Deutschen Post der DDR, selbst in der Fachzeitschrift „sammler express“ wurde viele Jahre über diesen Zustand ohne Änderung ergebnislos lamentiert. Alle möglichen Farben stachen in die Augen, nur kein sauberes Schwarz, und trocken wurde diese Farbe an den Schaltern mitunter erst nach Stunden. Manche Sammler brachten an die Postschalter Löschpapier mit, um die gestempelten Marken vorsichtig abzutupfen, die qualitativ minderwertige Stempelfarbe brauchte ihre Zeit zum Trocknen, Geduld war immer in der DDR gefragt. – Nach den Sternen greifen und der Welt darstellen, dass man der zehntwichtigste Industriestaat der Welt sei, war einfacher, als pobelige Stempelfarbe im angeblichen Chemieland DDR herzustellen, die vor weit über 100 Jahren bei den Preußen, Württembergern oder bei den Fürsten von Thurn und Taxis qualitativ schon besser war. Bei den Postkunden gab es oft große Enttäuschungen, auch wenn sich die Mitarbeiter der Deutschen Post redlich bemühten und bei den Neuerscheinungen zuerst den Stempel säuberten, denn die vielen Buchstaben im Wort Hildburghausen waren oft schmierig zugekleistert. Das lag aber auch an der unmöglichen Qualität der oft zerfransten Stempelkissen. So manchen Brief gaben wir nicht am Schalter ab, sondern in einem Amtszimmer, erreichbar über den Seiteneingang des Postamts. Dort saß Marianne Heubach, sie sorgte für die Arbeitsgemeinschaftsmitglieder, dass der Stempel sammlergerecht abgeschlagen wurde. Sie war übrigens selbst aktives Mitglied der Kulturbund-Arbeitsgemeinschaft in Hildburghausen und hatte Verständnis für die Sammler-Sehnsüchte. Andere Mitarbeiter in ihrem Amtszimmer taten es ihr nach.
Die schlechten Stempelabschläge fielen auch bei meinem Tauschpartner Peter Kaiser in Düsseldorf auf und waren für den Rechtsanwalt und exzellenten Sammler ein ständiges Ärgernis. Nachdem ich ihm geschrieben hatte, dass Hildburghausen für das Jubiläum „300 Jahre Post“ 1976 Sonderdrucke und auch eine Ausstellung mit einem von mir gestalteten Sonderstempel mit Sonderpostamt auf den Weg bringt, dass es Vorträge und eine von mir verfasste Schrift zur Postgeschichte von Hildburghausen gibt, schrieb er umgehend zurück: „... aber bitte nicht mit der DDR-Stempelfarbe stempeln, da entsteht nur wenig Sammelwürdiges. Eine Päckchensendung mit Original-Stempelfarbe der Deutschen Bundespost ist an Sie unterwegs, die spendiere ich für das Jubiläum.“ Das war eine Nachricht! Der allgegenwärtig Zoll, meist waren es Stasi-Bedienstete, kontrollierte die Sendung. Der dreieckige Zollstempel bewies es. Das verschlossene Fläschchen wurde trotz anderslautender Dienstvorschriften nicht geöffnet und mir ordnungsgemäß zugestellt. Da hatte vermutlich der betreffende Kontrolleur volkswirtschaftlich gedacht. Mit der Stempelfarbe mussten Marianne Heubach und ihre Kollegen nicht lange experimentieren. Und Horst Rohm, eigentlich verantwortlich für den ZKD-Schalter (Zentraler Kurierdienst), stempelte so manches Mal große Mengen, aber auch Frau Bauer und mein alter Freund Hubertus Fischer, der für die Poststellen, also die „Landpost“ zuständig war.
Die Sammler wussten nichts von dieser „Transaktion“, wohl freuten sie sich über die sauberen Stempelabschläge. Sie merkten nicht, dass hier jemand nachgeholfen hatte. Jahre später besorgte ich noch das eine oder andere Fläschchen und bezahlte es in D-Mark aus der eigenen Tasche. – Selbst den Spionen von „Horch und Guck“ sind die Stempel mit den Unterscheidungsbuchstaben „d“ und „l“ aufgefallen, aber nicht wegen ihrer „pfiffigen“ extravaganten Behandlung, sondern weil nahezu meine gesamte Auslandstausch- und Frankaturpost diesen Weg ging. Und meine Post in der philatelie- und postgeschichtsaktiven Zeit ging in drei Jahrzehnten in die Zehntausende und wurde teils von der Stasi tabellarisch erfasst, zumal ich von den Geheimpolizisten – wie in anderen Kapiteln ausführlich dargestellt – als Person mit einer gesellschaftlichen Stellung einkategorisiert war, die im Blickpunkt des Feindes stände und damit eine Gefährdung der inneren Sicherheit und Ordnung der DDR darstellte. – Ach, was war ich doch für diese kommunistischen Kleingeister wichtig.
In den Unterlagen der Birthler-Behörde mit seitenlangen Aufstellungen der ankommenden und abgehenden Post aus dem bzw. in das „Nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet“ findet sich auch die Kopie eines Briefes mit Kuvert vom 15. Juli 1982 an meinen Freund Walter Fischer in Rodach b. Coburg, damals Vorsitzender des „Philatelisten-Clubs Rodach im Verein der Briefmarken- und Münzfreunde e.V.“, mit handschriftlicher Stasi-Notiz „Hibu/15.7.82 – 17/d“. Man hatte dieses Schreiben zur Archivierung der (Schreibmaschinen)Schriftprobe für die Spurensicherung herausgezogen. Die „Entdeckung“ war aber kein Wunder, saß doch auch im Hauptpostamt die Stasi-Postkontrolle in der Dienstuniform der Deutschen Post (Abteilung M Postkontrolle) und selektierte fleißig. In Hildburghausen war die moralisch schmutzige Postkontrolle in weiblicher Hand. Diese Leute kannten sich im Postdienst aus, und selbst Post-Mitarbeiter sahen die Geheimpolizistinnen oder -polizisten als ihre Kollegen an und wussten großenteils nicht, dass sie auf der Stasi-Lohnliste standen. – Das wusste ich, viele meiner Sammlerfreunde glauben es heute noch nicht. Über die Postkontrolle zu schreiben, ist ein weiteres widerliches Kapitel der Bevormundung der Menschen in der DDR.
Anmerkungen
Die Abteilung –M- des Ministeriums für Staatssicherheit kontrollierte sehr unterschiedlich oder war nicht immer Herr der Situation. In manchen Zeiträumen, in denen mich Hunderte Briefe erreichten, gibt es dann von der Kreisdienststelle des MfS überhaupt keine Aufstellungen, dann wieder seitenlange, teils auch fehlerhafte. Die MfS-Arbeit war auch für manche der Observierten gefährlich schlampig. In meinen Stasi-Unterlagen sind es ausschließlich Aufstellungen zu Sendungen aus oder nach der Bundesrepublik bzw. West-Berlin zu, in wenigen Fällen USA (Briefkopien, Briefexzerpte, Vermerke von Sendungen, die mir nicht ausgeliefert [sprich: beschlagnahmt wurden, ohne mich zu informieren]). In zivilisierten Staaten nennt man solch eine Handlungsweise Diebstahl oder Raub, die DDR war nichts anderes als eine staatliche Räuberfirma, die SED organisierte diese Bandenkriminalität, denn sie war der Dienstherr der Staatssicherheit. Meine sehr umfangreiche Korrespondenz mit Österreich, der Schweiz, Frankreich, Schweden, Sowjetunion, Polen, ČSSR, Ungarn und anderen Ländern ist übrigens nirgendwo vermerkt. Vermutlich hatte meine Observierung und die meiner westdeutschen Freunde nur ein Ziel, Agenten zu gewinnen bzw. die Leute abzuschöpfen. Das Können so mancher Geheimpolizisten kann allerdings nur mit ungenügend bewertet werden. Hierüber wird in einem gesonderten Kapitel noch sehr ausführlich von mir berichtet, denn inzwischen ist umfangreiches Aktenmaterial aufgetaucht, u. a. (aus unerfindlichen Gründen) in der Behörde in Frankfurt/Oder.
Nur wenige Beispiele möchte ich kurz erwähnen, die teils keinen hohen Bildungsstand der Geheimpolizisten in der Bildungsoase DDR bezeugen, wie die Ostalgiker heute noch beharrlich der staunenden Umwelt verbreiten:
Auch Städte und Dörfer der DDR wie Vacha, einige Adressen in Ost-Berlin u. a. wurden in die Bundesrepublik bzw. nach West-Berlin eingeordnet, Orte aus den USA wurden nach Großbritannien „eingemeindet“ und, und, und. Kalender wurden beschlagnahmt, ohne mich zu informieren, in denen der 17. Juni 1953 vermerkt gewesen ist. Der Tag des mit sowjetischen Panzern niedergeschlagenen DDR-Arbeiteraufstands, den man fortan bis 1990 als „Tag der deutschen Einheit“ als Nationalfeiertag in der Bundesrepublik Deutschland beging, wurde wie „Vaterlandsverrat“ angesehen. Die SED hatte verständlicherweise vor ihren eigenen Untaten Angst.
1965 übernahm der nachmalige Generalmajor Rudi Strobel die Abteilung M (Postkontrolle). Die Postsendungen im nationalen (DDR) und internationalen Bereich wurden kontrolliert und ausgewertet. Die Verbreitung von Materialien „staatsfeindlichen“ Inhalts sollte verhindert werden. 1974 erließ er die Richtlinie über die Bearbeitung von Briefsendungen mit Zahlungsmitteln, Postwertzeichen und anderen Devisen im grenzüberschreitenden Postverkehr“. Geldbeträge über DM 20,00 wurden entnommen, das war festgeschrieben. An der Hochschule für Staatssicherheit in Potsdam-Eiche promovierte er in einer der üblichen unwissenschaftlichen Kollektivdissertationen zum Thema: Grundfragen der operativ-technischen Arbeit der Linie -M- zur Verhinderung des Verbreitens von Materialien, die der politisch-ideologischen Diversion des Gegners dienen, durch Mißbrauch des internationalen und DDR-internen Postverkehrs unter den Bedingungen der neuen politisch-operativen Lage“.Erst in auswegloser Lage des SED-Regimes wurde die Postkontrolle am 9. November 1989 eingestellt. Als Begründung wurde scheinheilig verbreitet, dass angeblich eine gesetzliche Regelung für diese „Postkontrolle“ fehle. Zudem wurde die Anweisung gegeben, dass die Räume der Post „unverzüglich zu räumen“ seien, „daß nichts auf Charakter und Umfang der Abteilungen M hinweist ...“ Die Täter beginnen, in der Frühphase des Herannahens eines Rechtsstaats sich hinter demokratischen Spielregeln zu verstecken und sie für sich zu nutzen.
Das Urteil des Landgerichts Magdeburg, dass sich Strobel wegen Unterschlagung persönlich bereichert habe, wurde vom Landgericht Berlin wieder aufgehoben. In Klaus Marxen und Gerhard Werle „Strafjustiz und DDR-Unrecht. Eine Dokumentation, Band 6: MfS-Straftaten. – Berlin, 2006, S. 87 ff. wird der Tatbestand des Diebstahls des DDR-Systems umfassend dargestellt. Die Richter urteilen – und das muss man sich mehrmals durchlesen, um es zu begreifen –, dass das Zuführen von Wertgegenständen aus Postsendungen in den Staatshaushalt der DDR den Strafbestand der Unterschlagung nicht erfülle ...
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Auszüge aus dem Manuskript von Hans-Jürgen Salier
Eigentlich nicht erwähnenswert ...
Der gewöhnliche DDR-Sozialismus im Leben des HJS – Begegnungen mit Staatssicherheit, Nationaler Volksarmee und die sozialistische Endzeitstimmung
3. Januar 2015
Plötzlich wusste ich es –
IM „Franz“ und
die gelobte sozialistische Schulpolitik
(Geschrieben am 2. August und 1. September 2011)
Franz Henn war mein Schuldirektor gewesen, eine respektheischende Persönlichkeit: als Schüler von 1958 bis 1960 und von 1965 bis 1975 als Lehrer. Geboren wurde er 1910 im deutschen Kaiserreich als Kind bescheidener und rechtschaffener Leute im Oberen Waldgebiet des Kreises Hildburghausen, in Gießübel. Lehrerstudium mit gediegener Bildung, Wehrmachts-Offizier, Bewährung nach 1945, SED-Genosse, Lehrer in Themar, Tätigkeit am Pionierhaus „Grete Walter“ in Hildburghausen, seit 1958 Direktor an der Mittelschule II, der nachmaligen „Joseph-Meyer-Oberschule“ in der Karl-Marx-Straße 44 (Obere Marktstraße).
Nach meinen ersten drei Lehrerjahren in Hellingen kam ich an die Zentrale Oberschule in Hildburghausen, die ich selbst von 1950 bis 1960 besuchte. 1965 übernahm ich eine der drei im Vorjahr im Kreis gebildeten Sportklassen. Sie gab es an den Schulen in Hildburghausen und in Eisfeld. 28 Sporttalente gehörten zu dieser 6. Klasse. Immerhin, einer brachte es zu olympischen Ehren. Jürgen Straub aus Weitersroda wurde 1980 bei den Olympischen Sommerspielen in Moskau Silbermedaillengewinner über 1.500 Meter. Franz Henn war der Direktor der teils vierzügigen Schule. In den letzten sechziger Jahren trat er auch als langjähriges Kreistagsmitglied des Kulturbundes der DDR dafür ein, die Bildungseinrichtung im Gebäude des ehemaligen Bibliographischen Instituts von Joseph Meyer bzw. des Technikums Hildburghausen nach dem russisch-sowjetischen Schriftsteller und „Erfinder des sozialistischen Realismus“ Maxim Gorki zu benennen. Dafür gab es bereits „Kampfpläne“. Wofür oder wogegen auch immer, wir dachten uns oftmals noch ein „r“ in das Wort. Das war nicht aufregend, denn in der Kampagnen-DDR gab es für alles Kampfpläne. Selbst in der Wirtschaft beherrschten Gegenpläne das sozialistische Dahindümpeln. Das war qualifizierter Nonsens, aber kein Ergebnis des rationalen Denkens. – Die Mittelschule weckte mit dem„Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der DDR“ vom 2. Dezember 1959 durchaus Ansprüche. Sie erfüllte sie vielleicht in der nostalgischen Betrachtung der DDR, nicht mehr, auch wenn sie heute wieder höchst gepriesen wird. Eine moderne, tolerante und weltoffene Schule war sie nie. Der Fleiß eines Großteils der Lehrer und Erzieher zeigte positive Ergebnisse, kaum aber die ideologieüberfrachtete Administration mit ihrem Unterdrückungssystem. Das Kernstück war die zehnklassige polytechnische Oberschule. – Sollte man eine solche Schule nicht nach Joseph Meyer benennen können? Den Treppenaufgang im heute eingelegten Südflügel des historischen Gebäudes zierte, wenn ich mich recht erinnere, ein Spruch eines anderen Weltverbesserers, des Gründers des Sowjetreiches: Wladimir Iljitsch Lenin. Die neuen Machthaber und Sozialismus-Eiferer ließen das ihm zugeschriebene Zitat anbringen: „Lernen, lernen und nochmals lernen!“ (Hätten dort nicht auch Meyers Lebensmaximen hingehört: „Bildung macht frei“ oder „Wissen ist Macht!“? Durften die Deutschen unter sowjetischer Besatzung keine Traditionen und Vorbilder mehr haben? Wie lange müssen die Nachgeborenen unter den Schrecknissen der nationalsozialistischen Diktatur leiden? Eine solche Frage hatte Bertolt Brecht in seinem in der Schule und bei Jugendweihefeiern reichlich strapaziertem Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“ nicht gestellt.
Da eckte ich an. Überzeugungsarbeit war angesagt. Man wollte unbedingt, dass ich doch bitte alles besser bedenke und mein Vorlautsein unterlasse. So sagten sie es aber nicht, wohl aber mit der sozialistischen Standardformulierung, dass ich noch „ideologische Schwächen“ hätte. Von anderer Seite versuchte man mir klarzumachen, dass Joseph Meyer kein Vorbild, keine Lichtgestalt für sozialistische Schülerpersönlichkeiten sei, in einer Zeit, als man noch von einer „sozialistischen Menschengemeinschaft“ ideologisch träumte. Meyer hätte zwar so manche Leistung vollbracht, er wäre ein Bourgeois und damit zugleich ein unbarmherziger kapitalistischer Unternehmer ohne Herz gewesen. Außerdem trage bereits eine andere Kultureinrichtung in Hildburghausen seinen Namen: die Stadt- und Kreisbibliothek „Joseph Meyer“. Das klang eher wie: „Du musst an deinem Klassenstandpunkt arbeiten!“
Joseph Meyer hätte bei dieser Indoktrination aufbegehrt und wäre sicherlich unter sozialistischen Verhältnissen gemaßregelt oder weggeschlossen worden. Diesen Gedanken konnte ich aber nicht aussprechen, so viel Demokratie gab es in der sowjetisch gesteuerten Deutschen (Un)Demokratischen Republik nicht.
Bereits vor 1958 misslang ein Versuch der Namensgebung unter dem Liberal-Demokraten und Schuldirektor Werner Bräutigam, den ich sehr verehrte und zu dem ich über all die Jahrzehnte noch Kontakte habe. Nach einer Denunziation wegen seiner DDR-systemkritischen Haltung musste er 1958 für mehr als drei Jahre in den Stasiknast und ins Zuchthaus. Als Schüler der 8. Klasse hatte ich im Geschichtsunterricht bei Helmut Amarell ein vermutlich gutes Referat zu Joseph Meyer gehalten. Nicht Lehrer-, Schüler- oder Elternvertretungen, die Kommune als Schulträger oder die Schulbehörde entschieden über die Namensgebung, sondern die allmächtige Partei der Arbeiterklasse, die immer rechthabende SED. Sie hatte – wie die Hildburghäuser unter vorgehaltener Hand sagten – im „Kreml“ in der Leninstraße (heute: Friedrich-Rückert-Straße) ihren Sitz, im Gebäudekomplex der heutigen Kreissparkasse. Bevor die Elite der SED nach der Zwangsvereinigung 1946 dort einzog, residierte dort bis zum Schicksalsjahr 1945 schon einmal eine „mächtige“ Partei: die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei.
Also wurde ich „beauftragt“, eine Stellungnahme der Schülerschaft zu schreiben, ohne mich mit meinen Mitschülern zu verständigen. Das mehrseitige Schreiben war für mich kein Problem. Meyers Lebensdaten und dessen verlegerischen und publizistischen Leistungen hatte ich längst verinnerlicht. Für mich war er eine bedeutsame Persönlichkeit des Geistes, der Wissenschaft und ein bürgerlicher Revolutionär von 1848. Vom Unterricht befreit, gab ich mir große Mühe. Mich ärgerte auch, dass die 1956 gegründete Mittelschule I in der Seminarstraße bereits einen Namensgeber hatte. Sie hieß Mittelschule „Joliot-Curie“. Und wenn ich mich recht erinnere, war ursprünglich auch noch der Vorname Frédéric Bestandteil des Schulnamens. Joliot-Curie war Chemie-Nobelpreisträger, auch in der Atomphysik eine Koryphäe und Präsident des kommunistisch gelenkten Weltfriedensrates. Der Franzose galt in jener Zeit als der Friedensmahner und das Welt-Wissenschaftsgewissen, wenigstens in der östlichen Hemisphäre. Hans Mitlacher, ein emotional geladener Lehrer, aus Lengfeld bei Themar stammend, selbst Mitglied des Weltfriedensrates und der Liberal-Demokratischen Partei angehörend, war Initiator der Namensverleihung. Die Schüler nahmen ihn wegen seines überzogenen und wunderlichen Auftretens als Lehrer nicht sonderlich ernst. Und weil sich die im Französischen ungeübten Schüler und Eltern mit dem Namen Frédéric Joliot-Curie schwer taten, nannten sie die Schule pragmatisch „Franzosenschule“. Sie war für uns ehemaligen „Zentralschüler“ Konkurrenz, vor allem, weil die 1956 gegründete Einrichtung auch sogleich erste Mittelschule Hildburghausens war. Die Schüler für diese Bildungseinrichtung wurden zumeist aus unserer Schule „abgezogen“. Schülerfreundschaften zerbrachen. Uns ärgerte aber auch, dass Direktor Günter Kieslat sehr bemüht war, leistungsstarke Schüler und Lehrer „mitzunehmen“. Wir wurden erst 1958/59 Mittelschule II. Für die nächsten drei Jahre besaßen wir Schüler eine komfortable „Ausnahmestellung“ als ältester Jahrgang. Zwischen Schülern und Lehrern entstand ein gesundes Vertrauensverhältnis, das gewiss nicht konfliktfrei, aber immer fair und anständig war. Wir respektierten uns.
Nach der Verhaftung des Schuldirektors Werner Bräutigam in den Augusttagen 1958 redete niemand mehr von einer „Joseph-Meyer-Schule“, Ruhe kehrte ein, bis Direktor Franz Henn die Namensgebung mit Maxim Gorki Mitte der sechziger Jahre ins Spiel gebracht hatte. Die „Zielstellung“ war relativ schnell passé. Vermutlich kam das Ansinnen auch manchem Genossen politisch nicht gelegen. Spekulationen erübrigen sich, die Wahrheit lässt sich wohl Jahrzehnte später schwerlich ergründen. 1980/81 absolvierte die kommende neue Direktorin Christore Rädel die Bezirksparteischule. Kommissarischer Direktor für diesen Zeitraum wurde Rüdiger Brückner. Er war wenige Jahre älter als ich, stammte aus Hildburghausen und leitete mit Geschick die bauliche Sanierung der Schule.
Gemeinsam saßen damals F. H. und ich viele Jahre in der Kreisleitung des Kulturbundes der DDR, und jeder brachte auf seinen Fachgebieten auch gute Gedanken für die kulturelle Weiterentwicklung und die Heimatpflege im Kreis Hildburghausen ein. Trotz gegenseitiger Kritik hatten wir ein ordentliches Verhältnis zueinander. Wir duzten uns, auch wenn uns eine Generation trennte. Mitte der siebziger Jahre, vor seinem Abschied aus dem Schuldienst in den Ruhestand, sagte er unvermittelt: „Hans-Jürgen, ich habe das Gefühl, du musst vorsichtig sein. Entweder du landest im Knast oder in Berlin.“ Überrascht war ich von seiner nicht erwarteten Ehrlichkeit. Jetzt konnte ich mir einiges erklären. Später las ich in meinen Unterlagen der ehemaligen Birthler-Behörde, dass ich Mitte der siebziger Jahre für Leitungsaufgaben vorgesehen gewesen wäre. Nein, so etwas hätte ich unter den bestehenden Verhältnissen nicht geschafft. In den achtziger Jahren durfte ich das Fach Geschichte in den Klassen 5 bis 7 nicht mehr unterrichten. Vielleicht behagte einigen Leuten mein Unterricht nicht, dafür wurde ich in den Achtzigern sehr oft bei der Altstoffannahme in der Knappengasse eingesetzt und die Arbeitsgemeinschaftsstunden für meine AG „Junge Philatelisten“ wurden als Lehrerstunden angerechnet. Für das Fach Geschichte wäre ich nicht „qualifiziert“, war die knappe Antwort auf eine Nachfrage. An der Schule wären genügend ausgebildete Lehrkräfte vorhanden.
Als ich 2006 von der Birthler-Behörde die Klarnamen der um mich sorgsam bemühten Inoffiziellen Mitarbeiter der Kreis- und Bezirksdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit und der Mitarbeiter der K 1 des Volkspolizeikreisamtes Hildburghausen bekam, war auch der Name F. H. dabei, der Deckname lautete wie sein Vorname „Franz“. Schockiert war ich wegen der Charakterlosigkeit. Diesen kleinkarierten Charakter begriff ich nie. Ehemalige Kollegen reagieren heute mit dem Satz: „Es war halt so!“ Richtig, Widerstandskämpfer waren wir gewiss nicht, wir begehrten aus Selbsterhaltungsgründen oder wegen Feigheit nicht auf. Aber diese Selbstaufgabe, das unselige Duckmäusertum der „tapferen“ Deutschen ist unsäglich. Haben die Generationen vor uns nicht auch schon so gehandelt? „Es war halt so“, sagen sie beinahe einhellig. Geistige Prostitution mit dem jeweiligen System oder Regime war in Deutschland an der Tagesordnung, dafür mussten die Menschen bitter büßen. Diktaturen stehen für charakterliche Verbiegungen. In mir verfestigte sich immer deutlicher der Gedanke, dass man zu allen Zeiten seine Mitmenschen zur Zivilcourage ermahnen muss. Schrecklich: „Es war halt so!“ – und noch dümmer und erbärmlicher klingt der heute im Osten tausendfach gejammerte Satz: „Es war nicht alles schlecht!“ Hinterfragt man bei aller Objektivität das angeblich Gute in der DDR, kommt nicht viel Gutes heraus. Was hat davon in der Geschichte wirklich historischen Bestand oder ist es die Verklärung, in denen die sozialismustreuen Nostalgiker noch heute schwelgen? Da komme ich beim Nachdenken über die DDR reichlich ins Grübeln. Mir fällt da, ausgenommen Familie, persönlicher Bereich und die vielen Ambitionen und Steckenpferde nicht viel ein, vielleicht mein Aufwachsen in der Schlossgasse in eben diesem Gebäude, das die Stadt- und Kreisbibliothek beherbergte, die den stolzen Namen Joseph Meyers trägt, mein Lese- und philatelistischer sowie postgeschichtlicher Sammelhunger, meine Begeisterung für den Schwimmsport, mein nicht immer systemtreues Geschichtsbild und meine politische sowie kulturelle Interessiertheit. Selbst die schöne, wenn auch teils heruntergewirtschaftete Landschaft des einen Teils des deutschen Vaterlandes, der heimischen Umgebung, war uns in diesem schrecklichen ersten Arbeiter-und-Bauern-Staat auf deutschem Boden wegen des Sperrgebiets teils verschlossen. Der Hildburghäuser Hausberg, der Stadtberg, war weitestgehend militärisches Sperrgebiet in den Händen der Sowjets. Den Bismarckturm könnte man nicht sehen oder Sophienthal und auch nicht das Heldburger Unterland … Ein tolles Land, unser „sozialistisches Vaterland, diese zum Glück friedlich untergegangene DDR.
Franz und ich, wir hatten uns durchaus geschätzt. Hatte der Mann, der zweimal zweifelhaften Heilsbringern hinterherlief, mich vielleicht beschützt? Nein! Er hat sich selbst erhalten. Zu einsamen Gedanken und Fragen fand ich keine Lösung. Der einstige Vorgesetzte und Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit hätte bei seinen Begegnungen mit mir nach 1990 Gelegenheit gehabt, ein Wort zu sagen. Keine Entschuldigung, kein Wort. Er hätte mein Vater sein können, aber der Vätergeneration kann man wohl auch nicht glauben ...
Nach Aktenlage hätte es schlimmer kommen können. – 1987 landete ich tatsächlich in Berlin – beitranspress. Mein „Egoismus“ beherrschte mich, eine größere persönliche Freiheit zu erlangen. Die Frage nach einem beruflichen Fortkommen stellte sich in einem solchen Alter überhaupt nicht mehr. Chancen gab es nicht, die staatstragenden Kategorien wurden nicht „erfüllt“. Zuerst erfolgte die Trennung von der von mir nicht geliebten Volksbildung. Die lebenslange Aufgabe bei diesen ideologischen Zwängen wollte ich mir nicht länger antun. – Dazwischen lag nach meiner Kündigung nur eine kurze Zeit der Arbeitslosigkeit von knapp zwei Monaten, die es wohl in der DDR überhaupt nicht gab, wie mir kritikresistende DDR-Liebhaber unterstellen. Wie bei einem „wahren DDR-Wunder“ mündete die reale Arbeitslosigkeit im real-existierenden Sozialismus, im Staats-Jargon hieß das „ohne Arbeitsrechtsverhältnis“, plötzlich in eine „Delegierung“. Das gehörte zu den höchsten Privilegien in der sozialistischen Arbeitswelt. Das klang so wie: Du bist auserkoren. „Man“ war plötzlich stolz auf mich und meine ehrenvolle Berufung nach Berlin zu einem der renommiertesten DDR-Verlage. Verlogenheit und Dummheit, die mich schützte.
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Auszüge aus dem Manuskript von Hans-Jürgen Salier
Eigentlich nicht erwähnenswert ...
Der gewöhnliche DDR-Sozialismus im Leben des HJS – Begegnungen mit Staatssicherheit, Nationaler Volksarmee und die sozialistische Endzeitstimmung