Geuther, Adolf
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Ehrenbürger der Stadt Hildburghausen (1924)
Goldene Verdienstmedaille für Kunst und Wissenschaft (1895)
Verdienstkreuz für Kunst und Wissenschaft (1913)
Musikpädagoge, Violinist, Chorleiter, Musikdirektor, Studienrat
Die Vorfahren Adolf Geuthers sind tüchtige und schaffensfrohe Menschen gewesen, die zumeist das Bäckerhandwerk ausgeübt haben. Ihre Wurzeln finden wir im oberfränkischen Raum um Coburg. Von dort sind die einzelnen Zweige der Familie nach und nach in Neustadt bei Coburg, Rottenbach und schließlich auch in Eisfeld und Crock im Fürstentum Sachsen-Hildburghausen sesshaft geworden.
Der Vater, Friedrich Wilhelm Geuther (* 21.03.1813 – † 13.08.1897), Bäckermeister zu Eisfeld, hat 1843 Elisabeth Friederika Gottschalck (* 1814 – † 1847), Tochter des Wagners Johann Martin Gottschalck (* 1775 – † 1852), geheiratet. Als sie nach kurzer Ehe stirbt, nimmt Wilhelm Geuther 1848 ihre Schwester Elisabeth Barbara (* 02.11.1824 – † 26.04.1894) zur Frau. In dieser Ehe wird Adolf Geuther als fünftes und jüngstes Kind geboren.
Er wächst in einem Kleinstadtmilieu heran, wie es der Eisfelder Dichter Otto Ludwig in seiner „Heiteretei“ so bildhaft vor Augen führt. Von 1871 bis 1879 besucht Adolf Geuther die Bürgerschule in Eisfeld. Der Wunsch der Eltern ist es gewesen, dass ihr Sohn den Lehrerberuf ergreift. Das dürfte wohl auch seiner Vorstellung und Neigung zur Musik entsprochen haben. Es ist nicht bekannt, ob Adolf in seiner Schulzeit außerschulische Musikunterweisungen erhalten hat, überliefert ist aber, dass er vom Eisfelder Lehrer und Organisten Carl Friedrich Wank von 1879 bis 1881 auf das Lehrerseminar vorbereitet worden ist und das gewiss auch in Musik. Möglicherweise ist der junge Geuther bereits in den vorangegangenen Jahren Musikschüler von Wank und hat schon damals sein außerordentliches musikalisches Talent erkannt.
Von 1881 bis 1885 besucht Adolf Geuther das Lehrerseminar in Hildburghausen. Hier erhält er neben den allgemeinen Fächern eine ausgezeichnete musikalische Ausbildung durch Musikdirektor Ferdinand Köhler in Violine, Klavier, Orgel, Gesang, Musiktheorie, Chor- und Orchesterleitung. Daneben nimmt er eineinhalb Jahre privat Violinunterricht bei Prof. Johann Sebastian Carl Mahr, einem Schüler von Ludwig Spohr und Ferdinand David, zwei hervorragenden Violinvirtuosen ihrer Zeit. Diese spezielle Ausbildung dürfte wesentlich dazu beigetragen haben, dass Adolf Geuther nicht nur ein ausgezeichneter Chor- und Orchesterleiter, sondern auch ein vorzüglicher Geiger geworden ist.
Nach erfolgreicher Ausbildung am Lehrerseminar ist Adolf Geuther bis zum Herbst 1886 Lehrer an der dem Nonneschen Institut angeschlossenen Töchterschule. Vom Herzoglichen Staatsministerium in Meiningen wird er im Oktober 1886 als Hospitant an die Königlich-Preußische Blindenanstalt in Berlin-Steglitz entsandt. Während des Studiums lässt er keine Zeit ungenutzt, „so viel wie nur möglich nur beste Musik (Joachim-Quartett, alle Klavierabende Bülows, die Aufführungen der Singakademie) zu hören.“ Nach seiner Rückkehr Ostern 1887 erhält der 22-Jährige eine Anstellung als Blindenlehrer an der im gleichen Jahr gegründeten Blindenschule, die aber während der Sommerferien 1893 infolge Blitzschlags abgebrannt ist und danach wegen der geringen Schülerzahl als Anstalt aufgehoben worden ist.
Schon während seiner Tätigkeit als Blindenlehrer widmet sich Adolf Geuther mehr und mehr der Musik. Als 1892 Musikdirektor Ferdinand Köhler ernsthaft erkrankt, übernimmt Geuther die musikalische Leitung des „Köhlerschen Gesangvereins“, dem er bis zu seiner Auflösung im Jahre 1928 als künstlerischer Leiter vorgestanden hat und in dem er 1921 Ehrenmitglied wird.
Im Jahr 1893 beruft man Geuther als Nachfolger für den verstorbenen Musikdirektor Ferdinand Köhler zum Lehrer für Violine, Gesang, Harmonielehre, Orchester- und Chorleitung an das Hildburghäuser Lehrerseminar. Hier wirkt er sehr erfolgreich bis zur sukzessiven Auflösung der Anstalt in den Jahren 1922 bis 1927 und danach bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1930 an der Aufbauschule, der Nachfolgeanstalt des Lehrerseminars. Von 1889 bis 1897 erteilt er auch Gesangsunterricht am Gymnasium. 1927 erfolgt seine Ernennung zum Studienrat. Adolf Geuther hat es verstanden, die jungen, angehenden Lehrer für die Musik zu begeistern und befähigt sie, die Leistungen der Chöre, die sie später leiten, zu bessern und zu steigern. Dadurch hat er auf das Musikleben unserer Heimat in hohem Maße befruchtend gewirkt. Er vermittelt seinen Schülern, deren Zahl 1.000 weit überschreitet, die Erkenntnis, dass nur zähester Fleiß zur wahren Kunst und zum Erfolg führen.
Der Kammermusik lässt Geuther besondere Pflege angedeihen. Er gründet ein Klaviertrio und ein Streichquartett, die beide durch ihre beachtlichen Leistungen in vielen Konzerten das Publikum immer wieder erfreuen und in Staunen versetzen. Ebenso gilt seine Liebe dem Männerchor. Von 1930 bis gegen Ende des Zweiten Weltkrieges ist er Chorleiter des Männergesangvereins „Liedertafel“. In der Pflege des Volksliedes hat Geuther Vorbildliches geleistet. Viele Sängerfeste haben ihn als strengen Preisrichter gesehen. Sein Urteil und sein Rat sind hoch geschätzt worden.
In Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um die Hebung des Musiklebens in Hildburghausen wird Adolf Geuther 1924 die Ehrenbürgerwürde verliehen. Bereits früher hat man ihn mit Titeln und anderen Auszeichnungen geehrt. 1895 erhält er von Herzog Georg II. die Goldene Verdienstmedaille für Kunst und Wissenschaft und 1913 auf Vorschlag Max Regers das Verdienstkreuz für Kunst und Wissenschaft. In der gesamten Zeit seines musikalischen Wirkens pflegt Geuther stets eine enge Verbindung zur Meininger Hof- und späteren Landeskapelle. Bald schon hat er sich mit seinem hohen künstlerischen Können einen Namen gemacht und bei Steinbach, Berger und später Reger große Anerkennung und Freundschaft erworben. 1899, nach dem II. Landesmusikfest, wird Geuther mit dem Titel „Musikdirektor“ geehrt.
Im Jahre 1916 erlebt Geuther den damals 18-jährigen Geiger Georg Kulenkampff (1898 - 1948) in einem Konzert zusammen mit der Meininger Hofkapelle im Hildburghäuser Stadttheater. Geuther hat das große Talent Kulenkampffs erkannt und ihm eine glänzende Karriere vorausgesagt. Der in den zwanziger bis vierziger Jahren führende deutsche Geiger sollte nach dem Willen seiner Eltern vermutlich nicht die Künstlerlaufbahn einschlagen. Geuther soll es gewesen sein, der Kulenkampffs Eltern überzeugt, dem Willen ihres Sohnes schließlich stattzugeben.
Adolf Geuther ist ein sehr sportlicher Mann von starker Statur gewesen. Noch in vorgerücktem Alter kann er aus dem Stand auf einen Tisch springen und anlässlich eines Vogelschießens in Römhild, wohin er mit seinen Schülern gewandert ist, schlägt er den Bolzen des Lukas elfmal hintereinander bis zum obersten Anschlag, und beim zwölften Schlag treibt er den Pflock tief in das Erdreich. Als sehr naturverbundener Mensch sucht und findet Musikdirektor Geuther in der Natur Erholung und schöpferische Kraft für sein musikalisches Wirken. Er ist begeisterter Alpinist gewesen. Noch mit 70 Jahren ersteigt er die Zinnen der Dolomiten. Seine beachtliche Schmetterlingssammlung haben seine Besucher in seiner Wohnung Gartenstraße 4 (heute Gerbergasse 23) immer wieder bewundert.
Im Jahre 1892 hat Adolf Geuther Clara Elise Börner (* 28.10.1867 – † 05.01.1945), Tochter des Maurermeisters Johannes Börner (* 1834 – † 1903) aus Eisfeld, geheiratet. Sie hat ihrem Ehegatten all die Jahre hindurch als wahre Lebenskameradin treu und verständnisvoll zur Seite gestanden. In beider Kinder, Enkel und Urenkel hat sich die Musikalität Adolf Geuthers fortgepflanzt.
Die Tochter Helene (* 1895 – † 1969) ist verheiratet gewesen mit Dr. Kurt Leffler, dem Sohn von Maurermeister August Leffler, Ehrenbürger von Hildburghausen. Ihr Bruder Paul (* 1899 – † 1983) erlernt beim Vater das Violin- und autodidaktisch das Violaspiel und ist des Öfteren mit ihm in Konzerten aufgetreten. Er ist Studienrat geworden und hat an der Ober- und Aufbauschule in Schleiz Deutsch, Geschichte und Geographie gelehrt. Seine Frau ist Ruth Sontag (* 1902 – † 1976) gewesen, Tochter des Trostädter Forstmeisters Heinrich Sontag. Aus dieser Ehe sind die drei Söhne Johann-Georg, Rudolf und Lienhard hervorgegangen.
Die Kinder und Enkelkinder sind für Adolf Geuther die Freude des Alters. Mit welcher Freude, mit wie viel Stolz und Glückseligkeit wäre wohl sein Herz erfüllt, könnte er miterleben, wie sein musikalisches Wirken in seinen Enkeln fruchttragend fortgesetzt wurde und nun durch seine hoffnungsvollen Urenkel Erdmute, Wiltrud und Henriette würdig weitergeführt wird.
Kompositorisch dürfte Adolf Geuther wenig tätig gewesen sein. Bekannt geworden sind von ihm zwei Frauenchöre „Minnelied von Otto von Botenlauben“ und „Frühling lässt sein blaues Band“ sowie ein Männerchorsatz nach einem Text von Hermann Löns („Märchen – Am Heidehügel ...“).
Im Alter von 83 Jahren schied Adolf Robert Geuther aus dieser Welt. Ein Freund seines Sohnes Paul hat diesem in einem Kondolenzbrief geschrieben: „Neben Musiker von Rang hatte ich Deinen Vater nach den in mir noch lebendigen Eindrücken, ihren Wert ihm dankend, oft gestellt ... nicht viele seinesgleichen an einer bescheidenen Stelle und in einem kleinen Ort haben in Deutschland so Großes und Schönes gewirkt und in edelster Form die Begeisterung für die höchsten Güter des Geistes in der Jugend entflammt und im eigenen Leben und Wirken, als Vorbild unvergleichlich kraftvoll, bewahrt ...“
Adolf Geuther ist ein Künstler in der Musik gewesen, nicht nur schlechthin Musiker. Sein Beruf ist ihm Berufung und er ist unerbittlich gegen sich selbst und andere gewesen. Und er ist auch ein gläubiger Christ. Die Bibel hat neben dem Klavier gelegen, nicht zur Dekoration. Er hat sie auch gelesen und sich an ihr Wort gehalten.
Wenn der sich zu einem Septakkord fügende Klang der Glocken von Christus- und Apostelkirche an unser Ohr dringt, dann sollen wir auch den Gruß unseres verdienstvollen Musikdirektors und Tonkünstlers vernehmen, denn er ist es gewesen, der den Klang des Geläuts einst gewählt und bestimmt hat.
Die letzte Ruhestätte von Adolf Robert Geuther befindet sich auf dem Hildburghäuser Zentralfriedhof nahe dem Wilhelm-Beyer-Brunnen.
Nach: Ingward Ullrich: Hildburghäuser Musiker. Reihe: Schriften zur Geschichte der Stadt Hildburghausen, Band 4. – Verlag Frankenschwelle KG, Hildburghausen 2003 – 3-86180-129-9